Kapitän Marryat
Der fliegende Holländer
Kapitän Marryat

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Siebentes Kapitel.

Erst im Spätherbst wurde Philipp durch eine Aufforderung von Seiten des Kapitäns, auf dessen Schiffe er sich hatte anwerben lassen, aus seinem Liebestraume geweckt – denn was sind leider alle Freuden dieses Lebens anders, als ein Traum? So seltsam es auch erscheinen mag – von dem Tage an, der Philipp in Aminens Besitz setzte, hatte er nicht länger über sein zukünftiges Geschick gebrütet, das zwar hin und wieder in seiner Erinnerung auftauchte, aber eben so schnell wieder daraus entweichen mußte, um vorderhand vergessen zu bleiben. Philipp meinte, es sei hinreichend, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, wenn die Zeit käme, und obgleich die Stunden im Fluge entschwanden, und Tage, Wochen und Monate mit der einem wandellos ruhigen Glücke eigenthümlichen Schnelligkeit auf einander folgten, so mochte er doch in Aminens Armen nie an sein Gelübde zurückdenken, während natürlich seine junge Gattin sorgfältig bemüht war, einen Gegenstand zu vermeiden, der nur die Stirne ihres angebeteten Gemahls mit düsteren Wolken umziehen konnte. Ein paarmal hatte der alte Poots allerdings von Philipps Abreise zu sprechen angefangen, aber Aminens unwilliges Stirnrunzeln und ihr gebieterischer Befehl – denn sie kannte nur zu gut die schmutzigen Beweggründe ihres Vaters, und konnte ihn zu solchen Zeiten nicht ohne Abscheu ansehen – machten ihn verstummen. Der alte Mann pflegte dann ganze Stunden damit zu verbringen, daß er in dem Besuchszimmer auf- und abging und seine Augen auf die Schränke heftete, wo die silbernen Gefäße jetzt in ihrem ganzen früheren Glanze strahlten.

Eines Morgens, im Monat October, ließ sich ein Pochen mit den Faustknöcheln an der Hausthüre vernehmen. Da diese Einleitung auf einen Fremden hindeutete, so ging Amine hinaus, um zu öffnen.

»Ich möchte mit Herrn Philipp Vanderdecken sprechen,« sagte der Fremde mit halbflüsternder Stimme.

Der Mann, der Amine also anredete, war eine kleine, magere Person, in dem Anzuge der holländischen Matrosen jener Zeit, und hatte eine Dachsmütze tief in den Kopf gedrückt. Die Züge seines leichenblassen, kleinen Gesichtes waren scharf geschnitten, seine Lippen bleich und sein Haar ein Gemisch von Roth und Weiß. Er hatte nur sehr wenig Bart, und der ganze Mann bot eine Außenseite, die nur schwer über sein Alter ein Urtheil fällen ließ. Vielleicht war er ein siecher Jüngling, der früh zum Greise heranreifte, vielleicht auch ein alter Mann von frischer Constitution, aber wenig Fleisch. Der wichtigste Zug in dem Aeußern dieses Menschen, der auch sogleich Aminen's Aufmerksamkeit fesselte, war das Auge – denn er hatte nur ein einziges, das rechte Lid war geschlossen und der Augapfel im Innern sichtlich geschwunden; das linke Auge besaß aber in Vergleichung mit der Größe des Gesichtes und des Kopfes ganz ungewöhnliche Dimensionen – es stand weit hervor, war durchscheinend, wässerig und bot einen sehr unangenehmen Anblick, da es weder oben noch unten mit Wimpern versehen war. Ueberhaupt war dieser Gesichtstheil so merkwürdig, daß man, wenn man den Mann ansah, den Blick nicht davon verwenden konnte. Es war hier nicht von einem Menschen mit einem einzigen Auge die Rede, sondern man sah ein einziges Auge, mit einem Menschen daran. Der Körper war nur das Gemäuer des Leuchtthurms und erregte ebensowenig Aufmerksamkeit, als dieses in Vergleichung mit der Flamme, welche dem kühnen Matrosen zur Richtschnur dienen soll. Bei näherer Betrachtung fand man übrigens, daß der Mann, obgleich klein, doch zierlich gebaut war; seine Hände hatten weder die Derbheit, noch die Färbung, welche man sonst bei den Seeleuten trifft; seine Züge waren im Allgemeinen trotz ihres scharfen Schnittes regelmäßig, und auch in seinem unterwürfigen Wesen lag ein Ausdruck von Ueberlegenheit, ein gewisses unbeschreibliches Etwas, das fast Grauen einzuflößen vermochte.

Aminens dunkle Augen hafteten für einen Moment auf dem Besuche, und als sie ihn eintreten hieß, drang es ihr eiskalt durch's Herz, ohne daß sie sich hätte einen Grund dafür angeben können.

Philipp war nicht wenig überrascht über die Erscheinung des Fremden, der sich, sobald er eingetreten war, ohne ein Wort zu sagen, neben Philipp auf den Sophaplatz setzte, welchen Amine eben erst verlassen hatte. Philipp sah etwas Ominöses in dem Umstande, daß diese Person Aminens Sitz eingenommen hatte. Die ganze Vergangenheit tauchte in seiner Erinnerung wieder auf, und er fühlte, daß er jetzt abberufen werden sollte von seinem kurzen Glücke zu einem Leben voll Thätigkeit, Gefahr und Leiden. Als eigenthümlich fiel ihm noch weiter auf, daß ihm ein Gefühl von plötzlicher Kälte durch den ganzen Körper gedrungen war, als sich der kleine Mann neben ihn setzte. Die Farbe wich von den Wangen unseres Helden, aber er sprach nicht. Einige Minuten herrschte tiefes Schweigen. Der einäugige Gast blickte umher und ließ sein Auge von den Schränken weg auf Aminens Gestalt gleiten, die vor ihm stand; endlich unterbrach er die Stille durch eine Art von Kichern, dem er die Worte folgen ließ –

»Philipp Vanderdecken – hi! hi! – Philipp Vanderdecken, Ihr kennt mich nicht?«

»Nein,« versetzte Philipp in halb zornigem Tone.

Die Stimme des Kleinen war sehr eigenthümlich – eine Art gedämpften Kreischens, und die Laute tönten noch in den Ohren, nachdem der Mann längst zu sprechen aufgehört hatte.

»Ich bin Schriften, einer der Piloten des Schilling,« fuhr er fort, »und komme nun – hi! hi!« – ein scharfer Blick auf Aminen – »um Euch hinwegzuholen aus den Armen der Liebe –« ein weiterer Blick nach dem Schranke – »hi! hi! von aller Bequemlichkeit, und auch von diesem!« rief er, während des Aufstehens vom Sopha mit dem Fuß auf den Boden stampfend – »von der Terra firma! – hi! hi! – vielleicht zu einem nassen Grabe. Angenehm!« fuhr Schriften kichernd fort, während er sein einziges Auge mit einer bedeutsamen Miene auf Philipps Gesicht heftete.

Philipps erster Gedanke war, den Besuch zur Thüre hinauszuwerfen; Amine jedoch, welche seine Gedanken las, trat mit verschlungenen Armen vor den kleinen Mann, blickte ihn mit Verachtung an und bemerkte:

»Wir alle müssen unser Schicksal über uns ergehen lassen, guter Freund, und der Tod will das seinige haben, sei es auf dem Lande, oder auf der See. Aber selbst wenn ihm der Tod in's Auge schaut, wird Philipp Vanderdecken's Wange nicht so weiß sein, wie die Eurige jetzt.«

»Meint Ihr?« entgegnete Schriften, augenscheinlich ärgerlich über diese ruhige Entschiedenheit von Seiten eines so jungen und schönen Wesens; dann heftete er seine Augen auf den silbernen Tabernakel der heiligen Jungfrau, der auf dem Kaminmantel stand.

»Ihr seid ein Katholik, wie ich bemerke – he?«

»Ich bin Katholik,« versetzte Philipp, »aber was geht das Euch an? Wann segelt das Schiff aus?«

»In einer Woche – hi! hi! – nur eine Woche zur Vorbereitung – nur sieben Tage, um dann Alles zu verlassen – kurze Frist!«

»Mehr als zureichend,« entgegnete Philipp, sich vom Sopha erhebend. »Ihr mögt Eurem Kapitän sagen, daß ich nicht fehlen werde. Komm, Amine, wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Nein, in der That nicht,« erwiderte Amine; »aber unsere erste Pflicht ist Gastfreundlichkeit. Mynheer, dürfen wir Euch Erfrischung anbieten nach Eurer Wanderung?«

»Heute über acht Tage,« sagte Schriften zu Philipp, ohne Aminen eine Antwort zu geben.

Philipp nickte mit dem Kopfe. Der Kleine wandte sich um, verließ das Zimmer und war in kurzer Zeit nicht mehr zu sehen.

Amine sank auf das Sopha nieder. Das Ende ihrer kurzen Glücksstunde war dem zärtlich liebenden, obgleich heroischen Weibe doch zu plötzlich und zu grausam beigebracht worden. In den Worten und in dem Wesen des einäugigen Boten lag eine gewisse Bosheit und ein Ausdruck, wie wenn er mehr wisse als Andere, so daß sowohl Philipp, als sie selbst scheu und verwirrt wurden. Amine weinte nicht, bedeckte aber ihr Antlitz mit den Händen, während Philipp mit unstäten Schritten in dem kleinen Gemache auf- und abging. Die halbvergessenen Scenen tauchten wieder auf's Lebhafteste in seiner Erinnerung auf. Abermals trat er in die verhängnißvolle dunkle Stube. Die Stickerei lag zu seinen Füßen, und wieder fuhr er zurück, als er den Brief auf dem Boden bemerkte.

Sie waren beide aus dem Traume ihres gegenwärtigen Glücks erwacht und schauderten vor der furchtbaren Zukunft, die ihnen jetzt mit ihren düsteren Ahnungen nahe trat. Indeß reichten einige Minuten zu, um Philipp seine natürliche Selbstbeherrschung wieder gewinnen zu lassen. Er setzte sich an Aminens Seite und schlang sie in seine Arme. Sie blieben stumm – kannten sie ja doch gegenseitig ihre Gedanken zu gut, und es kostete sie eine peinliche Anstrengung, ihren Muth und ihre Herzen gegen die Ueberzeugung zu stählen, daß sie sich für eine Zeitlang trennen müßten – vielleicht für immer!

Amine ergriff zuerst das Wort; die Arme sinken lassend, die sie um ihren Gatten geschlungen hatte, drückte sie seine Hand an ihr Herz, als wollte sie das peinliche Klopfen desselben beschwichtigen, und bemerkte sodann –

»Gewiß war das kein irdischer Boote, Philipp! Fühltest du dich nicht in den Tod erkältet, als er an deiner Seite saß? Wenigstens ging es mir so, als er hereinkam.«

Philipp hatte wohl den gleichen Gedanken, wünschte aber nicht, Aminen zu beunruhigen, als er verwirrt antwortete:

»Nein, Amine, du bildest dir's nur ein – das heißt, sein plötzliches Erscheinen und sein seltsames Benehmen haben eine derartige Vorstellung in dir geweckt. Was mich betrifft, so sah ich in ihm nur einen Mann, der durch seine Mißgestalt zu einem neidischen Auswürfling der Gesellschaft wurde – einen Menschen, dem das häusliche Glück und das Lächeln des andern Geschlechtes versagt ist, denn welches weibliche Wesen könnte freundlich auf eine solche Creatur blicken? Seine Galle wurde rege, als er so viel Schönheit in den Armen eines Andern sah, und es machte ihm eine boshafte Freude, eine Nachricht überbringen zu dürfen, von der er wußte, sie werde eine Wonne verkürzen, die ihm unzugänglich ist. Sei versichert, meine Liebe, das ist das Ganze.«

»Und selbst wenn meine Vermuthung richtig wäre, was läge daran?« versetzte Amine. »Es gibt Nichts mehr – Nichts, was deine Lage furchtbarer und verzweifelter machen könnte. Als deine Gattin, Philipp, fühle ich weniger den Muth, den ich besaß, als ich dir meine Hand reichte. Damals kannte ich den Umfang meines Verlustes noch nicht – doch fürchte nichts: wie tief ich auch hier fühle,« fügte Amine bei, indem sie ihre Hände an's Herz drückte – »so bin ich doch gefaßt und stolz darauf, daß mein Gatte für ein solches Werk erkoren wurde.« Amine hielt inne. »Du kannst dich doch nicht geirrt haben, Philipp?«

»Nein, Amine; ich habe mich weder in der Aufforderung, die an mich ergangen, noch in meinem eigenen Muthe, oder in der Wahl meiner Gattin geirrt,« entgegnete Philipp traurig, indem er sie mit seinen Armen umschlang. »Es ist der Wille des Himmels.«

»So möge er denn geschehen!« erwiderte Amine, von ihrem Sitze aufstehend. »Der erste Schmerz ist vorüber. Ich fühle mich jetzt besser, Philipp. Deine Amine kennt ihre Pflicht.«

Philipp antwortete nicht und Amine fuhr nach einer kleinen Weile fort:

»Aber nur eine kurze Woche, Philipp – –«

»Ich wollte, es wäre nur ein Tag gewesen,« versetzte er; »auch dieser wäre schon lange genug. Das einäugige Ungeheuer ist zu bald gekommen.«

»Nicht doch, rede nicht so, Philipp. Ich danke ihm für diese Woche – es ist doch eine kurze Frist, um mich meines Glückes zu entwöhnen. Freilich, würde ich dich nach Weise so vieler anderer Weiber durch meine Thränen quälen, ärgern und entmuthigen – würde ich dir mit Bitten oder Vorwürfen zusetzen, Philipp, so wäre schon ein Tag mehr als hinreichend, um dich durch meine Schwäche elend zu machen. Doch nein, Philipp, deine Amine kennt ihre Pflicht besser. Du mußt wie ein Ritter des Alterthums zu einem gefährlichen Abenteuer ausziehen, in dem du vielleicht den Tod findest; aber Amine wird dich bewaffnen und dir ihre Liebe zeigen, indem sie sorgfältig jede Niete deines Harnisches schließt und dich ziehen läßt, voll zuversichtlicher Hoffnung deiner Rückkehr entgegenblickend. Eine Woche ist nicht zu lang, Philipp, wenn ich sie, wie ich hoffe, zweckmäßig benütze – eine Woche des Austausches unserer Gefühle, in der ich auf deine Stimme und deine Worte lausche, jedes derselben in mein Herz eingrabe, bei ihnen verweile und meine Liebe damit nähre, wenn du abwesend bist und ich mich einsam fühle. – Nein, nein, Philipp; ich danke Gott, daß es doch noch eine Woche ist.«

»Und auch ich, Amine. Im Grunde wußten wir ja, daß es so kommen mußte.«

»Ja! aber meine Liebe war so übermächtig, daß sie die Erinnerung daran ganz verbannte.«

»Und doch muß während unserer Trennung deine Liebe aus der Erinnerung Nahrung schöpfen, Amine.«

Amine seufzte. Ihr Gespräch wurde jetzt durch den Eintritt von Mynheer Poots unterbrochen, der bei dem Anblicke der Veränderung, welche sich in Aminens sonst so strahlenden Zügen zu erkennen gab, ausrief:

»Heiliger Prophet! was gibt es denn?«

»Nichts, als was wir Alle schon zuvor wußten,« versetzte Philipp; »ich bin im Begriffe, euch zu verlassen – das Schiff wird in einer Woche ausfahren.«

»Oh! also in einer Woche gedenkt Ihr abzusegeln?«

In dem Gesichte des alten Mannes lag ein wunderlicher Ausdruck von Freude, den er jedoch vor Amine und ihrem Gatten zu verbergen bemüht war. Seine Züge gingen allmälig in eine gewisse Gravität über und er sagte: –

»Das ist in der That eine schlimme Kunde.«

Amine und Philipp gaben keine Antwort darauf, sondern verließen mit einander das Gemach.

Wir müssen diese Woche übergehen, da sie eben mit Vorbereitungen zu Philipps Abreise ausgefüllt wurde, während Aminens Heldenmuth ihre Gefühle beherrschte, wie sehr auch der Schmerz über die Trennung von ihrem angebeteten Gatten ihr Innerstes zerriß. Auch können wir nicht bei dem Widerstreite in der Brust unseres Helden verweilen, der Wohlstand, Glück und Liebe verlassen sollte, um Gefahren, Entbehrungen und dem Tode entgegen zu gehen. Das einemal war er fest entschlossen, zu bleiben, das anderemal nahm er wieder die Reliquie von seiner Brust, rief sich sein Gelübde in's Gedächtniß und wünschte sich fast den Tag der Abreise früher herbei. Auch Amine pflegte in den Armen ihres Gatten die wenigen Stunden zu zählen, die ihnen noch übrig waren, oder konnte schaudernd zusammenfahren, wenn sie wachend dalag, und über Philipps Zukunft Betrachtungen anstellte, während der Wind draußen heulte. Es war für Beide eine lange Woche; aber obgleich sie wähnten, daß die Zeit mit Flügeln dahineile, fühlten sie doch fast eine Erleichterung, als der Morgen des Abschiedes herankam, denn dann konnten sie doch ihren ängstlich verhaltenen gepreßten Gefühlen Luft machen. Die ungewisse Spannung war dann verschwunden und die Hoffnung blieb zurück, um den dunkeln Horizont der Zukunft aufzuhellen.

»Philipp,« sagte Amine, als sie mit verschlungenen Händen neben einander saßen, »ich werde weniger erschüttert sein, wenn du fort bist. Ich will mir in's Gedächtnis rufen, daß du mir Alles vor unserer Vermählung vorausgesagt hast, und daß ich aus Liebe zu dir das Wagniß übernahm. Die Stimme der Zärtlichkeit in meinem Innern flüstert mir oft zu, daß du zurückkehren wirst; aber sie könnte mich täuschen. – Du kehrst vielleicht zurück, aber nicht im Leben. In diesem Zimmer werde ich dich erwarten: auf diesem Sopha, das seine alte Stelle wieder einnehmen soll, will ich sitzen, und wenn ich dich auch im Leben nicht mehr sehen sollte, so versage mir's nicht, wo möglich doch nach deinem Tode zu erscheinen. Ich werde mich vor keinem Sturme, vor keinem Auffliegen des Fensters fürchten. O nein! Auch die Anwesenheit deines Geistes soll mir willkommen sein. Noch einmal – laß dich nur sehen – laß mich überzeugt sein, daß du todt bist, damit ich wisse, ich habe hienieden für Nichts mehr zu leben und könne freudig einer Wiedervereinigung in einer bessern Welt entgegeneilen. Versprich mir das, Philipp.«

»Ich verspreche dir Alles, was du wünschest, vorausgesetzt, daß es mir vom Himmel gestattet wird; aber Amine« – und Philipps Lippen zitterten – »ich kann nicht – barmherziger Gott! diese Prüfungsstunde ist zu schwer – Amine, ich kann nicht länger weilen.«

Aminens dunkle Augen hafteten auf ihrem Gatten – sie vermochte nicht zu sprechen – ihre Züge waren krampfhaft verzerrt – die Natur konnte nicht länger gegen das Übermaß der Gefühle Stand halten – sie sank in seine Arme und blieb regungslos liegen. Als ihr Philipp einen letzten Kuß auf die blassen Lippen drückte, bemerkte er, daß sie ohnmächtig geworden war.

»Sie fühlt es jetzt nicht,« sagte er, als er sie auf das Sopha niederlegte; »es ist besser, daß es so kam – ach, nur zu bald wird sie zum Elend erwachen!«

Er rief aus dem anstoßenden Zimmer Mynheer Poots herbei, damit er seiner Tochter Hilfe leiste, griff nach seinem Hute, drückte noch einen glühenden Kuß auf ihre Stirne, stürzte aus dem Hause und war schon ferne, ehe sich Amine aus ihrer Ohnmacht erholte.


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