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Neuntes Kapitel.
Wie Cara sich zu helfen weiß

Es schien durchaus vernünftig und logisch, zu glauben, daß der erste Effect, welchen die Verhängung der Curatel über Leon hervorbringen sollte, so beschaffen sein würde, wie der Advocat Favas vorher gesagt hatte: ein vollständiger Bruch zwischen Leon und Cara. Ein Weib wie Cara verläßt einen Liebhaber, der über nichts als Liebe verfügt. Dieses Wort des Advocaten hatte Herr Haupois häufig nachgesprochen und es war endlich das Stichwort seiner Familie geworden. Selbst Baron Valentin, welchen Herr und Madame Haupois wie ein Orakel verehrten, wenn er über die Sitten und Gebräuche der Welt und der Halbwelt sprach, erklärte es für eine Unmöglichkeit, daß die Liaison seines Schwagers mit dieser Dirne länger fortdauere.

»Sie kennen,« sagte er zu seiner Schwiegermutter, welche ihn häufig in mütterlicher Besorgnis consultirte, »Sie kennen die Lebensart dieser Damen nicht, die alle Bedürfnisse und Luxusartikel zwei bis drei Mal so theuer bezahlen müssen, als sie werth sind. Cara ist in der gleichen Lage, wie jene Kaufleute, die drei bis vierhundert Franken laufende Tageskosten haben und keinen Sou in der Kasse. Sie können sich nur dadurch helfen, daß sie ohne Unterlaß immer neue stille und vermögende Theilhaber düpiren. Cara macht es ebenso. Ohne Zweifel wird es ihr sehr unangenehm sein, daß ihr diesmal der Fisch aus dem Netze geschlüpft ist, denn sie hat sicherlich gehofft, wie ein geschickter Taschenspieler sein Vermögen in ihre Tasche zu eskamotiren, um später ein ruhiges und bürgerliches Leben führen zu können. Aber sie wird sich nun mit guter Miene ins böse Spiel finden und Leon den Titel des begünstigten Liebhabers belassen. Freilich, er wird sich in diese Ehre mit mehreren anderen Günstlingen theilen müssen.«

»Mein Sohn sollte so handeln?« schrie Madame Haupois auf. Bei diesem Gedanken empörte sich ihr Inneres.

»Beruhigen Sie sich, liebe Mama. Ich wollte eben hinzusetzen, daß Leon niemals eine solche Rolle übernehmen wird. Ich bin daher derselben Meinung wie Favas, der Bruch zwischen Leon und seiner Geliebten kann unmöglich ausbleiben.«

Aber er blieb aus! Merkwürdiger Weise! Herr Haupois schob von Tag zu Tag den Befehl auf, das »fette Kalb« zu schlachten, um den verloren gegangenen und wiedergefundenen Sohn damit zu bewirthen, denn Leon ließ sich nicht wieder sehen und seit dem Tage, wo die Curatel über ihn verhängt war, ließ er sich im elterlichen Hause sowohl wie auch im Geschäftslokale nicht mehr blicken. Endlich zog Herr Haupois senior auf dringende Bitten seiner Frau nähere Erkundigungen ein und erfuhr zu seinem Erstaunen, daß die Liaison Cara's und Leons statt getrennt sich allem Anschein nach nur noch mehr befestigt hatte.

Ja so war es! Leon war nicht nur der Geliebte, sondern auch der einzige Geliebte Cara's geblieben, trotzdem er kaum über ein Vermögen von etlichen tausend Franken zu verfügen hatte. Wie das möglich wurde, verdient näher erzählt zu werden.

Als Leon seiner Geliebten zuerst Mittheilung machte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren, war die Taktik der letzteren eine sehr kluge. Sie ließ den erregten jungen Mann ruhig aussprechen, hörte die bitteren Reden über die Hartherzigkeit der Eltern mit theilnahmsvoller Miene an und seufzte nur in stiller Resignation. Dann aber hielt sie ihm sein unkindliches Betragen vor und erklärte ihm mit dem frömmsten Gesichtsausdrucke, daß auch die reinste Liebe sich in die Beschlüsse väterlicher Intoleranz mit Ruhe und Ergebung fügen müsse.

Leon blickte sie unruhig an.

»O, ich verstehe, was deine Blicke sagen wollen,« fuhr das schöne Weib mit einem bestrickenden Lächeln fort. »Du willst einem Zweifel an meiner Treue Raum geben. Nein, mein Geliebter, was auch kommen wird und wenn die Welt dich zum Bettler macht, ich werde dich nicht verlassen, ich werde Kummer und Trübsal mit dir theilen.«

Leon blickte sie noch immer ungläubig an und Cara erwiderte, indem sie sich zärtlich an ihn schmiegte:

»O, wenn du es noch nicht glaubst, daß ich für dich nicht Cara sondern Hortense bin, so sollst du es bald mit Augen sehen, ungläubiger Thomas. Ich liebe dich und in dieser Liebe habe ich mein besseres Selbst wiedergefunden. Es ist wahr, ich habe eine Vergangenheit, die mich mit Schmach bedeckt und meinen Charakter verdächtigt. Aber giebt's kein Mittel, meine Sünden zu sühnen? Ja, durch die Liebe! Erinnere dich der Marguerite Gauthier, welche für ihren Geliebten sterben konnte, auch ich will es thun, wenn's nöthig sein sollte. Doch nun kein Wort weiter über diese Angelegenheit. In acht Tagen ist der Gerichtstag, an welchem sich dein Schicksal entscheiden soll. Behalten deine Eltern Recht, so sollst du meinen Plan erfahren.«

Diese acht Tage verflossen schnell, Cara blieb während dieser Zeit stets dieselbe zärtliche, aufmerksame, ganz nur für Leon lebende Geliebte.

Am Gerichtstage begleitete sie ihn bis zur Thür des Justizpalastes und wartete dort in einem Wagen. An der Art, wie ihr Geliebter die breiten Stufen der Treppe wieder herunterschritt, errieth sie sogleich, daß die Curatel bewilligt worden war, zeigte aber keine Spur von Aerger darüber. Sie schloß ihn, als er zu ihr in den Wagen gestiegen war, zärtlich in die Arme und hielt ihn lange Zeit so umfangen.

»Ich bleibe dir, Leon,« sagte sie, »ich bleibe dir allein. Wenn man unglücklich ist, ist es schön, dennoch geliebt zu werden. Du wirst sehen, daß ich dich liebe.«

Als Leon, still in sich versunken, kein Wort erwiderte, machte sie ihm sanfte Vorwürfe.

»Sei doch nicht über eine Angelegenheit so betrübt, die im Grunde nur eine Geldfrage ist.«

»Ach, mich selbst bedauere ich nicht, aber dich, meine theure Cara.«

»Mich? Weißt du denn nicht, daß ich nur dich haben will, nicht dein Geld. Uebrigens habe ich einen Entschluß gefaßt.«

Er betrachtete sie mit unruhigen Blicken.

»Du siehst wohl ein, daß wir nicht länger auf demselben Fuße leben können, wie bisher.«

»Was willst du damit sagen?« fragte er und ward noch unruhiger.

»Man kann von der Liebe allein nicht leben, und da du von jetzt an keinen Sou besitzt und ich nur einige Werthsachen habe, so müssen wir eine Aenderung unserer Lebensweise in ernstliche Ueberlegung ziehen.«

»Und du hast schon einen Plan, Cara?«

»Ja, mein Geliebter.«

»Willst du ihn mir jetzt mittheilen?«

»Ich muß wohl.«

Als sie merkte, wie Leon voller Unruhe ihrer Auseinandersetzung, entgegensah, fuhr sie schnell fort:

»So weiter leben, wie bisher, ist eine reine Unmöglichkeit, deshalb greife ich zu einem radicalen Hilfsmittel. Ich verkaufe mein Hab' und Gut, meine Möbeln, Wagen und Pferde, meinen Schmuck und meine Luxusgegenstände. Ich werde alsobald den Befehl zu einer Generalliquidation meines Besitzthums geben. Ich hoffe, daß ich dadurch soviel Geld flüssig machen werde, um uns eine kleine bescheidene, aber elegante Wohnung mit einem Speisesaale, einem kleinen Salon und zwei Zimmern miethen zu können. Und in dieser Wohnung wollen wir zusammen wohnen.«

Leons verdüsterte Miene erhellte sich mehr und mehr, und als sie schwieg, umarmte er sie zärtlich und drückte einen Kuß auf ihre Lippen.

»Du bist die beste, die zärtlichste und die hingebendste Frau unter der Sonne.«

»Ich liebe dich, das ist meine einzige Tugend! Wir werden glücklich sein, nicht wahr?«

Leon verfiel plötzlich in Nachdenken und ein Gefühl der Ehre ließ ihn wieder trauriger werden.

»Es geht nicht an,« erwiderte er.

»Weshalb?«

»Weil …«

Cara ließ ihn nicht ausreden, sie hatte ihn verstanden und sagte schnell:

»Du bist ein Kind, mein Leon, und willst in dieses Arrangement nicht einwilligen, weil du es für ehrlos hältst, bei mir zu wohnen und von mir unterhalten zu werden. Das würde für mich ein kleiner Triumph sein, aber beruhige dich, ich verstehe deine Skrupel und würdige sie auch. Ich werde von dir unterhalten werden. Ich wollte dein Geld nicht, als du reich warst und nehme es jetzt, wo du arm bist. Du hast mir ungefähr hunderttausend Franken geliehen, welche ich dir aus dem Erlöse meiner Generalliquidation zurückzahlen werde, und von dieser Summe wollen wir einfach und bescheiden leben. Was sagst du dazu, Leon?«

»O Cara, ich sage, du bist ein Engel!«

Einige Tage später war an allen Straßenecken von Paris ein rothes Placat angeheftet, auf welchem in herrlicher typographischer Ausstattung zu lesen stand:

 

Auction
über ein sehr schönes und elegantes
modernes Meublement.

Schlafzimmer mit alterthümlichen Teppichen, Salon mit Brocat-Ueberzügen, Speisesaal in Ebenholz, Kunstmöbel, Spiegel, Pianos, Broncegegenstände, Kamingarnituren, Kronleuchter, Marmorbüsten nach der Antike, Silberwaaren, Teppiche, Elfenbeinsachen, marmorne Vasen, Porzellane aus China, Sachsen, Sevres etc., Bilder, Antiquitäten,
Diamanten,
Ringe, Armbänder, Halsbänder, Kreuze, Uhren, Toilette-Gegenstände, Spitzen, Pelze, Sonnenschirme, Fächer, Wäsche,
Wagen,
eine Kalesche und ein Dorsay mit acht Gespannen, Pelz-Wagendecken, Pferdegeschirr, Livreen etc. etc.

Der Verkauf wird stattfinden
in Folge der Abreise der Mademoiselle C...
im Hotel Drouot, großer Saal Nr. 1.

 

Diese Anzeige machte in einem gewissen Bruchtheile der Pariser Welt ungemeines Aufsehen und rief eine Explosion von Ausrufen, Erklärungen und Commentaren hervor. Manche gute Freundinnen riefen mit Thränen und Seufzern aus:

»Ist es denn wirklich wahr, daß die gute Cara vollständig ruinirt ist?«

Obgleich es einige weniger naive Menschen gab, welche die tollkühne Behauptung aufstellten, daß man deshalb noch nicht ruinirt zu sein brauche, wenn man seinen Hausstand verkaufe, und man häufig dies thue, um ihn mit einem schöneren und reicheren zu vertauschen, so fand diese Annahme doch zuerst wenig Glauben.

»Ihr Geliebter, der Sohn des reichen Herrn Haupois, hat nichts, denn die Eltern haben ihn unter Curatel stellen lassen.«

»Ist es denn durchaus nothwendig, daß Herr Haupois ihr einen neuen Hausstand schenkt?« war die Gegenfrage. »Vielleicht hat sie einen zahlungsfähigen Krösus gefunden.«

»Wie heißt dieser?«

»Ich kenne ihn nicht.«

An dem Tage, an welchem die Auction stattfinden sollte, drängte sich eine große Menge Neugieriger in dem Hotel Drouot. Es kamen nicht nur diejenigen von nah und fern, welche der Welt der Kokotten angehörten, sondern Männer und Frauen, welche in der ehrenhaften Gesellschaft eine Rolle spielten, um belehrt zu werden und zu bewundern. Mancherlei Gedanken durchschwirrten die Köpfe dieser Neugierigen.

Wie leben »diese« Damen? Wie sind ihre Wohnungen möblirt? Besitzen sie besondere Möbel, die zu ihrem Leben passen? Wie sieht es in ihren Schlafzimmern aus?

In letzterer Beziehung erfuhren die Neugierigen eine ärgerliche Enttäuschung. Obgleich das Schlafzimmer mit »alterthümlichen Teppichen« als erster Artikel in dem Verzeichnisse figurirte, war dasselbe doch nirgends auf der Ausstellung zu finden und die Frauen, welche einzig und allein gekommen waren, die Ausstattung dieses intimen Wohnraumes zu betrachten, ebenso die Männer, welche gleichsam zu einem Heiligthume, das sie noch einmal anbeten wollten, gepilgert waren, hatten ihre Zeit nutzlos verloren. Die Besitzerin hatte im letzten Augenblicke das Mobiliar des Schlafzimmers von der Auction zurückgezogen.

Diejenigen, welche das Glück gehabt hatten, den Hausstand Cara's aus persönlicher Erfahrung zu kennen, behaupteten, daß noch manches andere Bemerkenswerthe fehle, so vor allem das Toilettenboudoir, welches seiner Originellität und seines Luxus wegen in gewissen Kreisen berühmt war. Außerdem waren von der Besitzerin noch andere Möbel und Gegenstände zurückgezogen worden. Es lag klar zu Tage, daß Cara nur eine Auswahl ihres Besitzes geschickt hatte, und daß das Verzeichnis nicht wahr gesprochen hatte, als es anzeigte: »In Folge der Abreise der Mademoiselle C…« Es hätte vielmehr geschrieben werden sollen: »In Folge der Wohnungsveränderung etc.«

In der That hatte Cara aus dem zurückbehaltenen Reste ihres Mobiliars eine Wohnung in der Rue Auber für sich und Leon ausstatten lassen. Diese Wohnung war nur klein, aber sehr elegant, und alle Dinge, welche aus irgend welchen Gründen der Nothwendigkeit oder der Liebhaberei wünschenswerth waren, hatten in ihr einen Platz gefunden. So war auch die vollständige Ausstattung des Schlafzimmers und des Toilettenboudoirs mit nach der Rue Auber übergesiedelt und sie bildeten zusammen ein so reizendes Schmuckkästchen, ein so niedliches Nest im Herzen von Paris, daß die schöne Besitzerin noch immer von mancher Herzogin darum beneidet werden konnte.

Trotz alledem waren noch viele schöne und theure Dinge auf der Auction zu verkaufen und sicherlich hätte Cara den Erfolg des Verkaufes noch steigern können, wenn sie denselben in ihrer bisherigen Wohnung und in ihrer eigenen Gegenwart hätte abhalten lassen. Sie selbst wäre dann der Mittelpunkt der bürgerlichen Neugierde geworden. Aber wenn sie diese Idee ausgeführt hätte, würde unzweifelhaft ihr guter Ruf gelitten haben; sie ähnelte oder wollte wenigstens jenen Blumen ähneln, welche sie täglich um sich sah, sie versteckte sich wie ein Veilchen und man mußte sie suchen, wenn man sie finden wollte.

Die Auction erzielte trotz Cara's Abwesenheit einen brillanten Erlös und bezifferte sich auf die anständige Summe von über 300 000 Franken, mit Abzug aller Unkosten. Dreimalhunderttausend Franken! Wie manches arme, fleißige, Mädchen, welches von früh Morgens bis spät Abends für fünfzehn Sous Tagelohn arbeitete, wagte selbst im Traume nicht an den Besitz einer solchen Summe zu denken!

Während die Commissionäre des Hotels Drouot die Wohnung Cara's auf dem Boulevard Malesherbes ausräumten, verlebten Cara und Leon, um der Unruhe auszuweichen, einige Tage in Fontaineblau, und ergingen sich unter zärtlichen Gesprächen im Walde. Allein, Arm in Arm, Lippe an Lippe, vergaßen sie die Vergangenheit und gaben sich leidenschaftlich den Freuden der Gegenwart hin.

Hierher erhielt Cara auch die Nachricht von dem großen Erfolge der Auction und beschloß, Leon vorerst noch nichts davon mitzutheilen. Erst als der Tapezierer ihr meldete, daß die Wohnung in der Rue Auber fertig hergerichtet sei, sprach sie davon, nach Paris zurückzukehren.

Am Tage, der Rückkunft, oder besser gesagt am Abend stand Leon eine Reihe von Ueberraschungen bevor. Sie reisten Mittags von Fontainebleau fort und kamen in Paris gerade zur Zeit des Diners an. Ehe Leon noch die Wohnung besichtigen konnte, meldete das Kammermädchen Luise, daß die Suppe angerichtet sei.

»Gieb mir deinen Arm,« sagte Cara, »und laß uns in das Speisezimmer gehen.«

Es war sehr klein, dieses Speisezimmer, und wie ausgesucht für die intime Zusammenkunft zweier Liebenden. Zwei Couverts lagen auf dem Tische, aber nicht gegeneinanderüber, sondern nebeneinander; das weiße Linnen schimmerte, die silbernen Geschirre leuchteten, die Krystalle spiegelten das Licht der Lampe buntfarbig wieder. Am Fenster stand ein Blumenkorb, gefüllt mit den buntfarbigsten und süßduftendsten Kindern Flora's und auch das Büffet war mit frischen Blumen geschmückt.

Das Menu des Mittagessens bestand nur aus drei Gängen: Fische, Braten und Gemüse, aber dies Wenige war gerade dasjenige, was Leon am liebsten speiste. Nach dem Dessert führte Cara ihren Geliebten in den Salon, wo auf einem zierlichen Tische zwei Tassen Kaffee standen und eine Cigarrenkiste.

Sie wandte sich zu ihm, zuckerte mit eigener Hand seinen Kaffee, zündete dann einen Papierfidibus an und hielt ihm denselben hin. Dann setzte sie sich neben ihm auf das Sopha.

»Jetzt,« sagte sie, »ist der Augenblick gekommen, in welchem wir unsere Angelegenheiten ordnen wollen.«

Nachdem sie aus ihrer Tasche einen großen Bündel Banknoten gezogen hatte, legte sie denselben auf den Tisch.

»27 000 Franken und 67 000 Franken machen zusammen 94 000 Franken, nicht wahr? Diese wolltest du mir leihen, nimm sie jetzt zurück, dir gehören sie und du mußt sie von jetzt an mit Oekonomie ausgeben. Ich werde dir dabei helfen, damit das Geld nicht zu schnell verrinnt. Die nöthigen Arrangements sind bereits getroffen worden. Unser Logis ist nicht theuer, ich selbst bedarf vor Ablauf von zwei Jahren keiner neuen Toilette. Luise wird unsere einzige Bedienung bilden, und sie will auch der Küche vorstehen. Sie weiß vortrefflich mit dem Herde umzugehen, wie du heute Abend selbst zugestanden hast. Wir werden also nicht viel Geld ausgeben, vielleicht 12 oder 15 000 Franken jährlich, und brauchen uns keine Sorgen zu machen. Wir wollen uns lieben und glücklich sein, wir wollen noch glücklicher sein als Ehegatten.«

Dann erhob sich das schöne Weib lächelnd, stellte sich in ernster Haltung mit erhobenem Haupte und majestätischen Mienen vor Leon hin und fuhr fort:

»Gegenwärtiger Herr Haupois-Daguillon wird hiermit aufgefordert, sich darüber zu äußern, ob er seiner Geliebten, seiner Sklavin erlaubt, ihn glücklich zu machen? Antworten Sie, wie vor dem Bürgermeister, mit Ja oder Nein.«

Er schloß sie in seine Arme, aber fast im selben Moment entriß sie sich dieser Umarmung.

»Ich habe deine Antwort vorhergesehen und im voraus deine ferneren Wünsche zu errathen gesucht. Folge mir.«

Sie nahm die Lampe und ging voraus. Das nächste Zimmer, welches auf den Salon folgte, war ihr Schlafzimmer, ebenso möblirt und auch ebenso groß wie auf dem Boulevard Malesherbes; dann folgte ein ebenso großes, welches als Ankleidecabinet hergerichtet war.

Es schien, als ob hier die Wohnung durch eine feste Wand begrenzt war, doch Cara öffnete eine Schrankthür und bat Leon, ihr zu folgen. Plötzlich befanden sie sich in einem kleinen hübsch möblirten Zimmer, durch welches sie in einen ziemlich großen Salon gelangten.

»Hier,« sagte Cara, »ist die Wohnung meines kleinen Bibi. Sie hat einen separaten Eingang vom Treppenhause, damit der Schein vor der Welt gewahrt bleibe, daß er bei sich selbst wohne.«

Leon, entzückt von der discreten Umsicht und Rücksicht seiner Geliebten, konnte sich nicht enthalten, das schöne Weib wiederum in seine Arme zu schließen.

Cara entwandte sich der Umarmung und wie zwei glückliche jungvermählte Ehegatten wandelten sie in das Wohnzimmer zurück.


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