Oskar Loerke
Atem der Erde
Oskar Loerke

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8
Nebelheim

        Dies ist ein Pfad im Unterreiche.
Sein Harzgeruch mischt sich mit Luder.
Der Baum im Wald ist ohne Bruder,
Und immer springt vor mich der gleiche,
Voll Zapfenpuppen
In schwarzen Schuppen;
Halb Fisch, halb Made
Vom Gespenstergestade.

Der Nebel mengt des Raumes Schichten,
Läßt Fernen in die Nähen gleiten,
Will ich noch Menschenschritte schreiten,
So muß die frühre Welt sie richten.
Welche Macht will mich quälen!
Nicht kann ich mehr wählen
Zwischen Jäh und Geduldig,
Unschuldig und Schuldig.

Es regt sich leis im weiten Stillen,
Es schleichen Aale durch den Moder.
Wie auf der Havel, auf der Oder
Zu Meere treiben breite Zillen.
Niemand macht Feuer,
Keine Hand für das Steuer,
Für Netze und Reusen;
Zerbrochen die Schleusen.

Die Hansastadt liegt steingebürdet;
An Speichern schläft der Kran, die Rolle;
Die Schafe kauern in der Wolle,
Nah vor den Toren eingehürdet.
Wasserseile hängen.
Strullen in Wassersträngen.
Die starren Tiere vergessen
Algen und Salz zu fressen.

Seehunde vor der Küsten Wandung –
Und große Wellen streicheln jeden.
Mir kaum vernehmbar, unterreden
Sich Abgeschiedne in der Brandung.
Leicht an Schmeer,
Lassen die toten Hündlein sich heben,
Leicht vom Nicht-Mehr,
Mögen die Seefahrer schweben.

Ein Krämer schläft im hohen Norden
Bei Flintenpulver und Rosinen,
Die See ist in der Tür erschienen –
Des ist er nicht gewahr geworden.
Als er nach Jahren
Aufgeschrocken,
Nahm er Schlick aus den Haaren,
Das Pulver war trocken.

Zum reinen Himmel aufgestiegen,
Ist Unterwelt der Welt gewichen,
Und Flut, die durch mein Herz gestrichen,
Seh ich mir blau zu Füßen liegen.

 


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