Oskar Loerke
Atem der Erde
Oskar Loerke

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Die Rast

        Im Sturme wenden sich alle Blätter nach Westen,
Wagrecht eingelegt ist des Gesetzes Pfeil,
Das Gesetz ist groß,
Ihm folgen alle.

Ein Raubvogel steht, bereit zum Stoß,
Im graugefleckten Blau.
Lotrecht niederschlägt der Keil
Und trifft genau
Im Niederfalle.

Ich fege die Welt mit meinem Glauben klar,
Geordnet harrt sie, wie sie geordnet war.

Freunde können erscheinen.
Die noch nie das Schweigen brachen,
Öffnen sich, und ihre Sprachen
Schweigen nun auch in der meinen.

Haben die Füße mich mattgetragen,
Hinab des Herbstes Strahlenschiefe,
In des Wintergesenkes Tiefe,
So wird ein Fels mir guten Abend sagen.

Das Kinn wird im Handballen liegen,
Über mir hören auf zu wiegen
Die Knospen, verpackt in Schuppenleder,
Mit Harz verklebt, in Wollhaar eingebettet –
Behütet wurde der Keime jeder,
Seine Künftigkeit gerettet –
Kein Schnee verfällt, der einwärtsdränge,
Zerlöst den Panzer sprengte, daß er spränge.
Und ich sehe
Schon wagrecht eingelegt des Windes Pfeil,
Der Stamm schwingt wie des Bogens Seil,
Regensilber sät lotrecht Keil an Keil.

In mir übt seine Sprache verfrüht
Der Wipfel: er enthüllt sich, er blüht.

 


 


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