Gotthold Ephraim Lessing
Hamburgische Dramaturgie
Gotthold Ephraim Lessing

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Sechsundsechzigstes Stück

Den 18. Dezember 1767

Der dritte Aufzug fängt sich mit einer langen Monologe der Königin an, die allen Scharfsinn der Liebe aufbietet, den Grafen unschuldig zu finden. Die Vielleicht werden nicht gesparet, um ihn weder als ihren Mörder, noch als den Liebhaber der Blanca denken zu dürfen. Besonders geht sie mit den Voraussetzungen wider die Blanca ein wenig sehr weit; sie denkt über diesen Punkt überhaupt lange so zärtlich und sittsam nicht, als wir es wohl wünschen möchten, und als sie auf unsern Theatern denken müßte.No pudo ser que mintiera
Blanca en lo que me contó
De gozarla el Conde? No,
Que Blanca no lo fingiera:
No pudo haberla gozado,
Sin estar enamorado,
Y cuando tierno y rendido,
Entónces la haya querido,
No puede haberla olvidado?
No le vieron mis antoios
Entre acogimientos sabios,
Muy callando con los labios,
Muy bachiller con los ojos,
Cuando al decir sus enojos
Yo su despecho reñí?

Es kommen der Herzog und der Kanzler: jener, ihr seine Freude über die glückliche Erhaltung ihres Lebens zu bezeigen; dieser, ihr einen neuen Beweis, der sich wider den Essex äußert, vorzulegen. Auf der Pistole, die man ihm aus der Hand genommen, steht sein Name; sie gehört ihm; und wem sie gehört, der hat sie unstreitig auch brauchen wollen.

Doch nichts scheinet den Essex unwidersprechlicher zu verdammen, als was nun erfolgt. Cosme hat, bei anbrechendem Tage, mit dem bewußten Briefe nach Schottland abgehen wollen und ist angehalten worden. Seine Reise sieht einer Flucht sehr ähnlich, und solche Flucht läßt vermuten, daß er an dem Verbrechen seines Herrn Anteil könne gehabt haben. Er wird also vor den Kanzler gebracht, und die Königin befiehlt, ihn in ihrer Gegenwart zu verhören. Den Ton, in welchem sich Cosme rechtfertiget, kann man leicht erraten. Er weiß von nichts; und als er sagen soll, wo er hingewollt, läßt er sich um die Wahrheit nicht lange nötigen. Er zeigt den Brief, den ihm sein Graf an einen andern Grafen nach Schottland zu überbringen befohlen: und man weiß, was dieser Brief enthält. Er wird gelesen, und Cosme erstaunt nicht wenig, als er hört, wohin es damit abgesehen gewesen. Aber noch mehr erstaunt er über den Schluß desselben, worin der Überbringer ein Vertrauter heißt, durch den Roberto seine Antwort sicher bestellen könne. »Was höre ich?« ruft Cosme. »Ich ein Vertrauter? Bei diesem und jenem! ich bin kein Vertrauter; ich bin niemals einer gewesen, und will auch in meinem Leben keiner sein. – Habe ich wohl das Ansehen zu einem Vertrauten? Ich möchte doch wissen, was mein Herr an mir gefunden hätte, um mich dafür zu nehmen. Ich, ein Vertrauter, ich, dem das geringste Geheimnis zur Last wird? Ich weiß zum Exempel, daß Blanca und mein Herr einander lieben, und daß sie heimlich miteinander verheiratet sind: es hat mir schon lange das Herz abdrücken wollen; und nun will ich es nur sagen, damit Sie hübsch sehen, meine Herren, was für ein Vertrauter ich bin. Schade, daß es nicht etwas viel Wichtigeres ist: ich würde es ebensowohl sagen.«Qué escucho? Señores míos,
Dos mil demonios me lleven,
Si yo confidente soy,
Si lo he sido, o si lo fuere,
Ni tengo intención de serlo.
– – – Tengo yo
Cara de ser confidente?
Yo no sé que ha visto en mi
Mi amo para tenerme
En esta opinion; y á fe,
Que me holgara de que fuese
Cosa de más importancia
Un secretillo muy leve,
Que rabio ya per decirlo,
Que es que el Conde a Blanca quiere,
Que están casados los dos
En secreto – – –
Diese Nachricht schmerzt die Königin nicht weniger, als die Überzeugung, zu der sie durch den unglücklichen Brief von der Verräterei des Grafen gelangt. Der Herzog glaubt, nun auch sein Stillschweigen brechen zu müssen und der Königin nicht länger zu verbergen, was er in dem Zimmer der Blanca zufälligerweise angehört habe. Der Kanzler dringt auf die Bestrafung des Verräters, und sobald die Königin wieder allein ist, reizen sie sowohl beleidigte Majestät, als gekränkte Liebe, des Grafen Tod zu beschließen.

Nunmehr bringt uns der Dichter zu ihm in das Gefängnis. Der Kanzler kömmt und eröffnet dem Grafen, daß ihn das Parlament für schuldig erkannt und zum Tode verurteilet habe, welches Urteil morgen des Tages vollzogen werden solle. Der Graf beteuert seine Unschuld.

»Der Kanzler. Ihre Unschuld, Mylord, wollte ich gern glauben: aber so viele Beweise wider Sie! – Haben Sie den Brief an den Roberto nicht geschrieben? Ist es nicht Ihr eigenhändiger Name?

Essex. Allerdings ist er es.

Der Kanzler. Hat der Herzog von Alanzon Sie, in dem Zimmer der Blanca, nicht ausdrücklich den Tod der Königin beschließen hören?

Essex. Was er gehört hat, hat er freilich gehört.

Der Kanzler. Sahe die Königin, als sie erwachte, nicht die Pistole in Ihrer Hand? Gehört die Pistole, auf der Ihr Name gestochen, nicht Ihnen?

Essex. Ich kann es nicht leugnen.

Der Kanzler. So sind Sie ja schuldig.

Essex. Das leugne ich.

Der Kanzler. Nun, wie kamen Sie denn dazu, daß Sie den Brief an den Roberto schrieben?

Essex. Ich weiß nicht.

Der Kanzler. Wie kam es denn, daß der Herzog den verräterischen Vorsatz aus Ihrem eignen Munde vernehmen mußte?

Essex. Weil es der Himmel so wollte.

Der Kanzler. Wie kam es denn, daß sich das mörderische Werkzeug in Ihren Händen fand?

Essex. Weil ich viel Unglück habe.

Der Kanzler. Wenn alles das Unglück, und nicht Schuld ist: wahrlich, Freund, so spielst Ihnen Ihr Schicksal einen harten Streich. Sie werden ihn mit Ihrem Kopfe bezahlen müssen.

Essex. Schlimm genug.«Con. Sólo el descargo que tengo
    Es el estar inocente.
Senescal. Aunque yo quiera creerlo
    No me dejan los indicios,
    Y advertid, que ya no es tiempo
    De dilación, que mañana
    Habeis de morir. Con. Yo muero
    Inocente. Sen. Pues decid:
    No escribísteis a Roberto
    Esta carta? Aquesta firma
    No es la vuestra? Con. No lo niego.
Sen. El gran duque de Alanzón
    No os oyó en el aposento
    De Blanca trazar la muerte
    De la Reina? Con. Aqueso es cierto.
Sen. Cuando despertó la Reina
    No os halló, Conde, a vos mesmo
    Con la pistola en la mano?
    Y la pistola que vemos
    Vuestro nombre allí gravado
    No es vuestro? Con. Os lo concedo.
Sen. Luego vos estais culpado.
Con. Eso solamente niego.
Sen. Pues como escribísteis, Conde,
    La carta al traidor Roberto?
Con. No lo sè. Sen. Pues cómo el Duque,
    Que escuchó vuestros intentos,
    Os convence en la traición?
Con. Porque así lo quiso el cielo.
Sen. Cómo hallado en vuestra mano
    Os culpa el vil instrumento?
Con. Porque tengo poca dicha. –
Sen. Pues sabed, que si es desdicha
    Y no culpa, en tanto aprieto
    Os pone vuestra fortuna,
    Conde amigo, que supuesto
    Que no dais otro descargo,
    En fe de indicios tan ciertos,
    Mañana vuestra cabeza
    Ha de pagar –

»Wissen Ihro Gnaden nicht«, fragt Cosme, der dabei ist, »ob sie mich etwa mit hängen werden?« Der Kanzler antwortet Nein, weil ihn sein Herr hinlänglich gerechtfertiget habe; und der Graf ersucht den Kanzler, zu verstatten, daß er die Blanca noch vor seinem Tode sprechen dürfe. Der Kanzler bedauert, daß er, als Richter, ihm diese Bitte versagen müsse; weil beschlossen worden, seine Hinrichtung so heimlich, als möglich, geschehen zu lassen, aus Furcht vor den Mitverschwornen, die er vielleicht sowohl unter den Großen, als unter dem Pöbel in Menge haben möchte. Er ermahnt ihn, sich zum Tode zu bereiten, und geht ab. Der Graf wünschte bloß deswegen die Blanca noch einmal zu sprechen, um sie zu ermahnen, von ihrem Vorhaben abzustehen. Da er es nicht mündlich tun dürfen, so will er es schriftlich tun. Ehre und Liebe verbinden ihn, sein Leben für sie hinzugeben; bei diesem Opfer, das die Verliebten alle auf der Zunge führen, das aber nur bei ihm zur Wirklichkeit gelangt, will er sie beschwören, es nicht fruchtlos bleiben zu lassen. Es ist Nacht; er setzt sich nieder zu schreiben, und befiehlt Cosmen, den Brief, den er ihm hernach geben werde, sogleich nach seinem Tode der Blanca einzuhändigen. Cosme geht ab, um indes erst auszuschlafen.


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