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17.

Füglich könnte ich nun den Vorhang über unser Kinderhimmelreich fallen lassen. Noch aber muß ich einer kleinen Herzensangelegenheit Erwähnung tun, die doch auch in das Leben eines jungen Mädchens gehört und ihre Rechte fordert, sobald man in die Welt tritt.

Im Schwestkatheater traf ich unter den Mitgliedern einen jungen Studenten wieder, mit dem und dessen Freund wir in den »drei Kronen« auf Grußfuß standen, da sie im alten Hinterhause wohnten und wir uns oft auf der einzig dahinführenden und mit unserem Hause verbundenen Treppe begegneten. Er wollte nun auch Schauspieler werden. Wir wußten, daß er ein ruhiger, gebildeter Mensch war, und freuten uns herzlich, ihm dort wieder zu begegnen. Obwohl ich nie von ihm erfuhr, daß er sich wirklich für mich interessierte – denn bald schien es so, bald wieder nicht – feuerte es mich mächtig an; nun wünschte ich etwas zu leisten! Nur wurde ich nicht klug aus seinem Benehmen und hatte manchmal meinen kleinen Kummer. Er klagte viel über ein Herzleiden, das wir ihm ausredeten und an welches auch niemand glaubte. Doch war er eines Tages verschwunden, es hieß: er sei nach Hause gereist. Nicht lange darauf bekam ich aus Reichenberg, woher er war, eine kleine Schachtel, die einen Brief, einen gepreßten Strauß und ein Heiligenbildchen enthielt, das mir als Lesezeichen gedient hatte. In dem Briefe stand, »er habe nie das Herz gehabt, mir von seiner Liebe zu sprechen, weil er mich nicht an einen Menschen ketten wollte, der krank und gebrechlich nicht mehr lange leben könne. Er sende mir die Reliquien seiner Liebe zurück, sage mir Dank für alle Freundlichkeit und hiermit Lebewohl.« – Der Brief erschreckte mich, besonders da ich sah, daß er mich wirklich liebte und nun so grundlos – wie es mir damals schien – Lebewohl sagte. Aber es kam doch alles so, wie er gesagt. Wenige Monate später überbrachte uns sein treuer Freund die Nachricht von seinem Tode. Es war die erste Neigung, die ich jemand entgegenbrachte, die nur Poesie war, nichts Reales an sich hatte. Ich wünschte, ich hatte mich nie wieder für jemand interessiert, es wäre mir viel Kummer und weit größerer erspart geblieben. –

siehe Bildunterschrift

Lilli Lehmann fünfzehn Jahre alt.

Schon vorher hatte meine Mutter zwei Heiratsanträge für mich erhalten. Über den ersten lachte sie, und ich heulte vor Wut. Der Bruder meiner Freundin Bunzl hatte sich unglückseligerweise in mich verliebt, hielt um mich an, blitzte aber furchtbar ab und lag dann liebeskrank danieder. Da es den Ärzten nicht gelang, ihn wiederherzustellen, ersuchte die Familie mich, nur einen Augenblick die Ärztin zu spielen und ihn mit ein paar freundlichen Worten zu heilen – was ich schließlich sehr widerwillig zu tun gezwungen ward. Von da ab wurde er gesund, und ich ging ihm aus dem Wege. – Ein zweiter, sehr ernster Antrag, wurde ebenfalls abgelehnt. Ein junger Professor wollte so lange auf mich warten, bis Mama mich ihm zuführen würde; dann wollte er mich zeitlebens unter Glas setzen, mich wie ein Kleinod hüten, wofür ich denn herzlich danken mußte. Beim dritten Antrage eines mir völlig Fremden, der meine Mutter glänzend zu versorgen versprach, hätte ich aus falscher Fürsorge für diese, die doch nicht glücklich geworden wäre, beinahe Ja gesagt. Ihr Alter, die Sorgen und meine eigene Schwäche ließen mich ja so oft – gleich anderen, daran zweifeln, ob ich mit meinen, kraftlosen Körper und der kleinen Stimme jemals eine Stellung würde ausfüllen können. Ein gütiges Geschick bewahrte mich aber vor dieser Übereilung.


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