Thomas Edward Lawrence
Aufstand in der Wüste
Thomas Edward Lawrence

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32. Die Königliche Luftflotte greift ein

Vom strategischen Gesichtspunkt war es unsere Aufgabe, Umtaiye zu halten, von wo aus wir die drei in Deráa zusammenlaufenden Hauptbahnen nach Belieben in der Hand hatten. Blieben wir dort noch eine weitere Woche stehen, so konnten wir die türkischen Armeen abschnüren, ganz gleich, wieweit das Vorgehen Allenbys gelang. Taktisch gesehen freilich war Umtaiye ein denkbar ungünstiger Platz. Mit unterlegenen Kräften, lediglich aus Regulären bestehend, ohne Deckung durch Kleinkriegsunternehmungen der Stämme war der Ort kaum mit einiger Sicherheit zu halten. Und doch mußten wir binnen kurzem auf diese unsere paar regulären Formationen beschränkt sein, wenn unsere Ohnmacht in der Luft weiter so anhielt.

Die Türken hatten mindestens neun Maschinen. Wir waren nur zwölf Meilen weit von ihrer Flugstation gelagert, zudem in der offenen Wüste, an der einzigen ausreichenden Wasserstelle, und notwendigerweise war eine große Anzahl Kamele und Pferde ringsumher auf den Weiden zerstreut. Schon die ersten türkischen Bombenangriffe hatten die Irregulären, die doch gewissermaßen unsere Augen und Ohren waren, stark in Unruhe versetzt. Wir sahen voraus, daß sie über kurz oder lang aufbrechen und sich nach Hause verziehen würden, damit aber waren wir so gut wie gelähmt. Auch Taiyibe, das nächste Dorf, das uns gegen Deráa hin deckte, lag wehrlos dem Feinde preisgegeben, und seine Bevölkerung zitterte unter den wiederholten Angriffen.

Danach also war unsere erste und wichtigste Aufgabe, Luftverstärkung von Allenby zu erbitten. Nach seinen Dispositionen sollte übermorgen ein Nachrichtenflieger nach Azrak kommen. Ich hielt es für ratsam, persönlich zu Allenby zu gehen und mit ihm darüber zu sprechen. Ich konnte am 22. September wieder zurück sein. Umtaiye würde sich so lange halten können, und um den feindlichen Fliegern die Arbeit zu erschweren, konnten wir zudem zeitweilig das Lager nach Um el Surab verlegen, der nächsten altrömischen Ansiedlung.

Ich fuhr mit einem Panzerauto nach Azrak zu Faisal; tags darauf kam auch der englische Flieger aus Palästina und brachte die ersten Nachrichten von dem wunderbaren Sieg Allenbys. Sein Angriff hatte die türkischen Linien geworfen, durchbrochen und rückwärts getrieben in einem Umfang, der fast unbegreiflich schien. Mit einem Schlage hatte sich der Krieg zu unsern Gunsten gewendet. Rasch unterrichtete ich Faisal von dem Umschwung und riet ihm, diese neue Lage für den allgemeinen Aufstand in weitestem Maße nutzbar zu machen. Eine Stunde später landete ich wohlbehalten in Palästina.

In Ramleh gab mir die Fliegerabteilung ein Auto, das mich zum Hauptquartier brachte. Dort fand ich den großen Mann in der gelassenen Ruhe des seiner selbst sicheren Führers; und nur wenn Bols alle fünfzehn Minuten hereingeeilt kam mit Bericht von weiteren Erfolgen, leuchtete etwas in seinen Augen auf.

Er gab mir einen kurzen Überblick über seine nächsten Absichten. Das historische Palästina war in seiner Hand, und die geschlagenen Türken, jetzt in den Bergen des Libanon, erwarteten ein Nachlassen der Verfolgung. Aber da täuschten sie sich. Bartholomew und Evans holten bereits zu drei neuen Schlägen aus: die eine Gruppe, Neuseeländer unter der Führung Chaytors, sollte über den Jordan gehen und auf Amman vorstoßen; eine zweite, Barrow und seine Inder, gleichfalls über den Jordan gegen Deráa; eine dritte, Chauvel mit den Australiern, über den Jordan gegen Kuneitra. Chaytor sollte in Amman stehenbleiben; Barrow und Chauvel sollten nach Erreichung der ersten Ziele konzentrisch auf Damaskus vorgehen. Die arabischen Streitkräfte sollten das Vorgehen der drei Gruppen unterstützen – und mein Unterfangen, Damaskus zu nehmen, sollte nicht eher ausgeführt werden, als bis wir alle vereinigt wären.

Ich setzte unsere Lage und Absichten auseinander und wies nach, daß durch unsere Ohnmacht in der Luft alles in Frage gestellt sei. Allenby drückte auf eine Klingel; und wenige Minuten später saßen wir mit Salmond und Borton zur Besprechung zusammen. Die Luftflotte hatte im Operationsplan Allenbys einen wesentlichen Faktor ausgemacht, und sie hatte die ihr gestellte Aufgabe erfüllt. Kein türkischer Flieger erschien mehr am Himmel – ausgenommen bei uns, wie ich schleunigst einschaltete. Um so besser, erklärte Salmond; man würde uns zwei Kampfflugzeuge nach Umtaiye senden, die bei uns bleiben sollten, solange wir sie brauchten. Ob wir Vorräte hätten? Benzin? Nicht einen Tropfen? Wie man das dort hinschaffen könnte? Nur auf dem Luftwege? Eine Fliegerformation auf dem Luftweg versorgen? Noch nicht dagewesen!

Nun, Salmond und Borton waren nicht die Männer, vor Neuem zurückzuschrecken. Sie machten sich sofort daran, die erforderlichen Materiallasten für »D. H. 9« und »Handley-Page« zu berechnen, während Allenby dabei saß und lächelnd zuhörte, sicher, daß es geschafft würde. Die Luftflotte hatte in einer außerordentlich geschickten, raschen und verständnisvollen Weise mit den Operationen der Landarmee zusammengewirkt und deren Erfolge wirksam auszunutzen gewußt. Sie war es gewesen, die den türkischen Rückzug zur Flucht gewandelt hatte, die des Gegners telephonische und telegraphische Verbindungen zerstört, seine Kolonnenbewegungen gehemmt und seine Infanterieformationen zersprengt hatte. Tul Keram, Messudieh, Jenin und Afuleh waren nacheinander so wirksam aus der Luft in Schach gehalten worden, daß ihr Nutzen für den Feind bereits Stunden vor dem Angriff der Landarmee illusorisch wurde.

Zum Schauplatz des stärksten Luftangriffes jedoch und zu einer wahren Schreckensstätte für die Türken wurde das tiefe Tal des Esdraelon, eines kleinen Flusses, der bei Beisan in den Jordan mündet. Die modern ausgebaute Autostraße, der einzige Rückzugsweg der türkischen Divisionen, drängte sich hier in mörderischem Engpaß zwischen Steilwänden und zerrissenen Felsen hindurch. Vier Stunden lang hatten hier unsere Flugzeuggeschwader einander abgelöst über den zurückflutenden Kolonnen: neun Tonnen Bomben aller Größe und die Geschosse von fünfzigtausend Maschinengewehr-Ladestreifen waren ununterbrochen auf den Feind herabgeregnet. Als sich dann der Rauch verzogen hatte, zeigte sich, daß die Truppenverbände des Gegners dahingeschmolzen waren. Da war nur noch eine verstreute Horde zitternder Einzelwesen, die, nur auf Rettung ihres Lebens bedacht, in alle Ritzen und Falten des Felsgebirges sich verkrochen. Kein Führer vermochte es, sie wieder zusammenzubringen. Als am nächsten Tage unsere Kavallerie in das totenstille Tal einritt, zählte sie neunzig Geschütze, fünfzig Lastautos und an die Tausend verlassener Packwagen mit allem Zubehör. Die Luftflotte hatte fünf Tote verloren, die Türken ein Armeekorps.

Salmond und Borton wandten sich an mich mit der Frage, ob wir auch einen geeigneten Landungsplatz hätten für einen schwer beladenen »Handley-Page«. Ich hatte die starke Maschine früher mal in ihrem Schuppen stehen sehen und sagte ohne Zögern »ja«, wenngleich es vielleicht besser gewesen wäre, man hätte in einem der »Bristols« morgen einen Sachverständigen mit mir nach Umtaiye geschickt, um die Sache fachmännisch festzustellen. Er hätte schon gegen Mittag zurück sein können und die Handley gegen drei Uhr dort. Salmond erhob sich. »Also gut«, erklärte er, »wir werden das Nötige veranlassen.« Damit war die Frage erledigt, und ich ging um zu frühstücken.

Allenbys Hauptquartier war ein Ort, wo es sich wohlsein ließ: ein großes, weiß getünchtes Haus mit kühlen, luftigen Räumen, geschützt gegen die Fliegenplage und umrauscht von den windbewegten Bäumen draußen. Ich schämte mich fast, hier den seltenen Luxus eines sauber gedeckten Tisches und gewandt bedienender Ordonnanzen zu genießen, während meine Leute draußen in Umtaiye wie Eidechsen zwischen den Steinen lagen, ungesäuertes Brot aßen, gefaßt darauf, daß vielleicht im nächsten Augenblick eine Bombe zwischen sie schlug. Ich fühlte mich unruhig wie das dunstige Sonnenlicht, das durch das Laubdach hindurch zuckende Lichter über die Pfade spann; so lange gewöhnt an den herben Zauberbann der Wüste, empfand ich Blumen und Wiesen als etwas Spielerisches, und das Keimen und Sprossen des trächtigen Lebens allerwärts bekam in seiner Üppigkeit etwas niedrig Erdgebundenes.

In der Frühe des nächsten Morgens standen auf dem Flugplatz der Australier zwei »Bristols« und ein »D.H.9« zum Aufstieg bereit. In dem einen saß Ross Smith, mein alter Pilot, auserwählt, später den neuen »Handley-Page« zu führen. Es war die einzige Maschine ihres Typs in Ägypten und von Salmond wie sein Augapfel gehütet. Daran, daß sie uns zu einem so unwürdigen Zweck, lediglich zum Benzintransport über die feindlichen Linien weg, zur Verfügung gestellt wurde, ließ sich so recht die Bereitwilligkeit gegen uns ermessen.

In einer Stunde hatten wir Umtaiye erreicht und stellten fest, daß die Armee von dort abgezogen war. Also flogen wir nach Um el Surab zurück und fanden sie dort: die Panzerwagen schußbereit in ihren Abwehrstellungen, die Araber auf unser verdächtiges Geräusch hin eiligst sich verbergend, wo es gerade ging, indes die klugen Kamele sich längst weithin über die Ebene verstreut hatten und sich ruhevoll den Bauch mit fettem Gras füllten. Als Young unser Abzeichen erkannte, gab er das Landungssignal und ließ Rauchbomben auf dem Rasenfleck aufsteigen, den seine und Nuri Saids Vorsorge von allen Steinen gesäubert hatte.

Ross Smith schätzte, einigermaßen besorgt, Länge und Breite des ausgesperrten Platzes und prüfte seine Unzulänglichkeiten, kam aber dann mit heiterer Miene zu uns zurück, wo die Fahrer gerade das Frühstück herrichteten. Der Landungsplatz war auch für den später zu erwartenden »Handley-Page« als »all right« befunden worden. Young berichtete von den wiederholten Bombenangriffen gestern und vorgestern; einige Reguläre und mehrere von der Batterie Pisani wären getötet, und ihr Aufenthalt in Umtaiye sei für jedermann so unerquicklich geworden, daß sie in der vergangenen Nacht das Lager nach Um el Surab verlegt hätten. Die dummen Türken bombardierten nach wie vor Umtaiye, trotzdem jetzt nur noch Wasserholer des Nachts oder in den kampflosen Mittagsstunden dorthin gingen.

Das Eintreffen der drei prächtigen Flugzeuge hatte den Arabern neuen Mut gemacht. Sie ergingen sich in Lobpreisungen der Engländer und ihrer eigenen Tapferkeit und Ausdauer, indes ich ihnen das wunderbare Epos vortrug von Allenbys märchenhaftem Erfolg: – Nablut genommen, Afuleh genommen, ebenso Beisan und Semath und Haifa. Die Herzen meiner Zuhörer schlugen mir zu wie Flammen. Tallal fing Feuer und geriet in wilde Prahlereien; die Rualla verlangten mit stürmischem Geschrei sofortigen Aufbruch zum Marsch auf Damaskus. Durch das ganze Lager ging eine Woge der Selbstgewißheit und Zuversicht. Ich beschloß bei mir, jetzt zum glorreichen Finale Faisal und Nuri Schaalan zur Armee zu rufen.

Mittlerweile war es Frühstückszeit geworden, und es duftete lieblich nach heißen Würstchen. Also setzten wir uns rundum, schon die Gabeln gezückt, als plötzlich der Wächter an der Turmruine den Ruf ertönen ließ: »Flugzeug in Sicht.« Es kam aus der Richtung von Deráa. Unsere Australier waren mit zwei Sätzen bei den noch warmen Maschinen und machten sie im Augenblick startbereit. Ross Smith, mit seinem Beobachter, sprang in die erste beste und kletterte wie eine Katze gen Himmel. Ihm folgte Peters, während der dritte Pilot neben seiner D.H.9 stand und scharf nach mir hinsah. Ich schien ihn nicht zu verstehen. Gewiß, man hatte mich theoretisch belehrt über das Fliegen und die Handhabung der Maschinengewehre; aber vom Wissen der Vorschriften bis zu ihrer Anwendung ist ein langer und mühevoller Schritt, und ich hatte nicht die geringste Praxis. Nein, mir stand es nicht zu, zum Luftkampf aufzusteigen, mochte ich auch in den Augen des Piloten an Ansehen einbüßen.

Etwas zu sagen, war er zu respektvoll, blickte aber vorwurfsvoll nach mir hin, während wir den Kampf in der Luft beobachteten. Der Feind war mit einem Doppeldecker und drei kleinen Eindeckern gekommen. Ross Smith machte sich an den Stärksten, und nach fünf Minuten heftigen Maschinengewehrknatterns sackte der Deutsche plötzlich gegen die Eisenbahn hin ab. Während er hinter die kleine Erhöhung hinabschoß, zog sich eine Rauchfahne hinter ihm her, und von der Stelle, wo er auffiel, quoll eine weiche schwarze Wolke auf. Ein bewunderndes »Oh« kam von den Arabern um uns her. Fünf Minuten danach war Ross Smith wieder an Land, kletterte vergnügt aus seiner Maschine und erklärte, die arabische Front wäre der Platz für Flieger.

Unsere Würstchen waren noch warm; wir verzehrten sie und tranken Tee dazu (echt englischen, unser letzter Vorrat, für Gäste aufgespart). Doch eben hatten wir uns an die saftigen Trauben von Djebel Druse gemacht, als der Posten wiederum seinen Mantel schwenkte und rief: »Ein Flugzeug.« Diesmal gewann Peters das Rennen, Ross Smith wurde zweiter, und Traill mußte betrübt als Reserve zurückbleiben. Doch der Feind machte vor unserer Überlegenheit kehrt. Peters jagte ihm nach, faßte ihn erst in der Nähe von Arar und brachte ihn im Kampf zum Absturz. Später, als der Krieg sich nach jener Gegend zog, fanden wir die Trümmer der Maschine und darunter die verkohlten Leichen zweier Deutschen.

Ross Smith wäre am liebsten für immer an der arabischen Front geblieben – alle halben Stunden einen Feind! – und beneidete Peters innig um das, was ihm bevorstand. Aber er mußte ja zurück, um mit dem »Handley-Page« Benzin, Verpflegung und Vorräte heranzuschaffen. Die dritte Maschine sollte nach Azrak gehen, um den feindlichen Beobachter abzufangen, der gestern dort herumvagabundiert hatte. Ich flog mit, um Faisal zu holen.

Dreißig Stunden nach unserer Abfahrt von dort waren wir wieder in Azrak, Ghurkas und Ägypter wurden, zu weiteren Bahnzerstörungen im Norden, wieder zur Armee in Marsch gesetzt. Dann bestieg ich mit Faisal und Nuri Schaalan einen grünen Vauxhall-Wagen, und zurück ging's nach Um el Surab, um die Landung des Handley-Page zu sehen.

Dem starken Wagen volle Fahrt gebend, sausten wir über die flache Ebene aus Kalk- oder Lehmboden dahin, um zur Landung rechtzeitig zur Stelle zu sein. Aber es sollte nicht sein: die Meldung von einem ausgebrochenen Zwist zwang uns, vom Wege abzubiegen nach dem Lager eines Klans der einheimischen Serahin. Doch zogen wir Nutzen aus dem Zeitverlust, indem wir die kampffähigen Männer des Klans nach Umtaiye schickten; ferner sandten wir Botschaft von unserm großen Sieg zu den Serahin jenseits der Bahn, damit sie die Straßen durch die Adjlun-Berge den zurückflutenden türkischen Armeen sperren sollten.

Dann ging es von neuem in raschester Fahrt nordwärts. Etwa zwanzig Meilen vor Um el Surab bemerkten wir einen einzelnen Beduinen, der in heller Aufregung nach Süden zu lief, sein graues Haar und der lange graue Bart flatterten im Wind, und das weite Kleid (aufgeschürzt im Leibriemen) bauschte sich hinter ihm. Er bog auf uns zu, rief uns, seine knochigen Arme schwingend, im Vorbeilaufen zu: »Das allergrößte Flugzeug der Welt!« und stürmte weiter, um die große Neuigkeit überall bei den Zelten zu verkünden.

Als wir dann Um el Surab erreichten, sahen wir den »Handley-Page« in majestätischer Größe auf dem Rasen stehen, die Bristols neben ihm nahmen sich wie Kücken aus unter seinen weitgespreizten Schwingen. Die Araber standen bewundernd herum und sagten: »Jetzt haben sie uns wirklich und endlich das Flugzeug geschickt; dagegen sind die andern Dinger ja nur kleine Fohlen.« Noch in der Nacht drang das Gerücht von Faisals neuem Machtzuwachs über Djebel Druse hinaus bis in die Ebene von Hauran und verkündete allem Volk, daß die Waage sich nun zu unsern Gunsten geneigt habe.

Borton war selbst mit dem Handley mitgekommen, um über die weitere Hilfe zu beraten. Während wir mit ihm sprachen, holten unsere Leute aus dem Leib des Handley eine Tonne Benzin heraus und Öl sowie Reserveteile für die Bristolflieger; ferner Tee, Zucker und Rationen für unsere Mannschaften; Post, Reutertelegramme und Medizinen für uns. Dann in der frühen Dämmerung stieg die große Maschine in Richtung auf Ramleh auf, um dem vereinbarten Programm gemäß Deráa und Mafrak nächtlich zu bombardieren und so den durch unsere Sprengungen gestörten Eisenbahnverkehr vollständig lahmzulegen.

Wir für unser Teil sollten mit den Sprengungen fortfahren. Von Allenby war uns im besonderen die vierte türkische Armee zugewiesen worden. Wir sollten ständig ihre Verbindungen stören und beunruhigen, bis das Vorgehen Chaytors sie aus Amman herausgezwungen hätte: dann sollten wir sie auf ihrem Rückzug fassen und tunlichst abschneiden. Dieser Rückzug war nur noch eine Frage von Tagen; und es war so sicher, wie nur etwas im Kriege sein kann, daß wir in der nächsten Woche die Ebenen zwischen uns und Damaskus zum Aufstand bringen würden. Faisal entschloß sich daher, die Rualla-Kamelreiter Nuri Schaalans aus Azrak zu unserer Truppe heranzuziehen. Das würde unsere Armee auf die Stärke von etwa viertausend Mann bringen, mehr als dreiviertel davon Irreguläre, aber zuverlässige, denn Nuri, der harte, schweigsame, zynische alte Mann hielt seinen Ruallastamm in der Hand wie ein gefügiges Werkzeug.

Ein Mann wie er, ohne jeden Sinn für weitschweifige Erörterungen und Auseinandersetzungen, war eine einzigartige Erscheinung in der Wüste. Er wollte oder wollte nicht, mehr gab es nicht. Wenn die andern mit ihren langen Reden fertig waren, so pflegte er mit wenigen kargen Sätzen seinen Willen kund zu tun, und damit gut; des Gehorsams war er sicher, denn er war gefürchtet. Er war alt und weise, was so viel bedeutete wie müde und enttäuscht: so alt, daß ich mich immer wieder wunderte, wie er sich unserer Begeisterung anschloß.


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