Thomas Edward Lawrence
Aufstand in der Wüste
Thomas Edward Lawrence

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21. Ein Zug wird abgefangen

Die Verpflegung war zunächst unsere Hauptsorge. Wir hielten unter kaltem strömenden Regen Rat, was zu tun sei. Um von Lasten unbehindert zu sein, hatten wir von Azrak nur für drei Tage Proviant mitgenommen und reichten damit noch bis zum Abend. Aber wir konnten doch nicht so ganz unverrichteter Dinge umkehren. Die Beni Sakhr verlangten nach Waffenruhm, und die Serahin wünschten ihre jüngste Schande wieder gutzumachen. Wir besaßen noch einen Reservesack mit dreißig Pfund Sprengmunition; und Ali ibn el Hussein, der von unserm gelungenen Werk bei Maan gehört hatte, sagte als echter Araber einfach: »Sprengen wir einen Zug in die Luft.« Der Vorschlag wurde mit Freudenrufen begrüßt, und alles blickte erwartungsvoll auf mich; ich konnte jedoch so ohne weiteres ihre Hoffnungen nicht teilen.

Fahrende Züge in die Luft zu sprengen ist eine schwierige Kunst, erfordert umfangreiche Vorbereitungen, dazu eine ausreichend starke Truppenabteilung und vor allem Maschinengewehre. So aufs Geratewohl unternommen, konnte die Sache gefährlich werden. Die Hauptschwierigkeit war nun hier, daß die einzig verfügbaren Maschinengewehrschützen Inder waren; gut genährt waren es tüchtige Soldaten, aber bei Kälte und Hunger nur halb soviel wert. Ich mochte es nicht verantworten, sie ohne Verpflegungsvorrat auf ein gewagtes Abenteuer mitzunehmen, das eine Woche in Anspruch nehmen konnte. Mit den zähen Arabern war es etwas anderes, die starben nicht gleich an ein paar Hungertagen und würden sich mit leerem Magen genau so gut schlagen; äußerstenfalls blieb ihnen immer noch das Fleisch ihrer Kamele, während die Inder, obgleich Mohammedaner, Kamelfleisch grundsätzlich nicht aßen.

Ich setzte ihnen meine Bedenken besonders wegen der Verpflegung auseinander. Ali erklärte sofort, ich brauchte nur den Zug in die Luft zu sprengen und es dann ihm und seinen Arabern zu überlassen, mit dem Wrack fertig zu werden, auch ohne Hilfe von Maschinengewehren. Da in dieser Gegend zur Zeit keine großen Truppentransporte stattfanden, so stand zu erwarten, daß wir nur auf einen kleinen Zug mit Passagieren oder höchstens einen schwachen Ersatztransport treffen würden, und so erklärte ich mich denn bereit, die Sache zu unternehmen. Die Entscheidung wurde mit viel Beifall aufgenommen; dann setzten wir uns in dichtem Kreis zusammen und hielten mit den Resten unserer Vorräte ein sehr verspätetes und kaltes Abendessen (der Regen vereitelte jedes Feueranmachen), doch einigermaßen frohgemut bei dem Gedanken an ein neues Wagnis.

Bei Morgengrauen brachen wir, etwa sechzig Mann, auf und wandten uns wieder der Eisenbahn zu. Ich führte nach Minifir, wo eine nach rückwärts abgedachte Bergkuppe uns einen ausgezeichneten Beobachtungsstand, ferner Lagerstätte, Weidegrund und gedeckten Rückzugsweg bot. Dort oben blieben wir frierend bis zum Abend sitzen; unter uns die unendliche Ebene, die sich mit Um el Djemal und seinen Schwesterdörfern gleich einer Landkarte bis zu den wolkenverhangenen Gipfeln des Djebel Druse erstreckte.

Bei Dunkelwerden stiegen wir zur Bahn hinunter, um die Mine zu legen. Ein Wasserdurchlaß bei Kilometer 172 schien die geeignete Stelle. Während wir dort standen, ertönte ein Rattern, und plötzlich tauchte aus Dunkel und Nebel ein Zug auf, gerade um die nördliche Kurve biegend, dreihundert Yard von uns entfernt. Wir schlüpften unter den breiten Bogen und hörten ihn über uns dahinrollen. Das war ärgerlich, aber sobald die Luft wieder rein war, machten wir uns eiligst daran, die Ladung einzugraben. Der Abend war bitter kalt, und Regenschauer fegten talab.

Der Bogen bestand aus solidem Mauerwerk von vier Metern Spannweite und überbrückte ein kiesiges Flußbett, das oben bei unserer Bergkuppe seinen Ursprung nahm. Der Winterregen hatte es zu einer schmalen, vier Fuß tiefen Rinne ausgewaschen, die uns mit ihren starken Biegungen einen vortrefflichen Annäherungsweg bot, bis auf dreihundert Yard an die Bahn. Dann erweiterte sich das Bett und lief kanalartig gerade auf den Durchlaß zu, vom Eisenbahndamm frei einzusehen.

Wir vergruben den Sprengstoff sorgfältig auf dem Oberbau des Bogens, tiefer als sonst und unter einer Schwelle, damit nicht etwa darüberschreitende Patrouillen die weiche Masse unter ihren Füßen spürten. Die Drähte wurden über den Damm hinunter in das Kiesbett des Wasserlaufs gezogen, wo sie leicht zu verstecken waren, und dann das Bett entlang den Hang hinauf, soweit sie reichten. Unglücklicherweise war das nur auf sechzig Yard; die Drähte endigten indessen gerade bei einem kleinen Busch am Rande der Wasserrinne, und wir vergruben die Enden neben diesem leicht erkennbaren Zeichen. Doch war es unmöglich, sie an dieser Stelle gleich mit dem Zündapparat zu verbinden, denn der dunkle Fleck seines Kastens hätte von den regelmäßigen Patrouillen bei ihrer Runde gesehen werden können.

Infolge des schlammigen Bodens dauerte die Arbeit länger als gewöhnlich und war erst kurz vor Morgen beendet. Ich wartete unter dem zugigen Bogen, bis es Tag wurde, ein nasser und trüber Tag, und verwandte dann eine weitere halbe Stunde darauf, überall an der Arbeitsstelle die Spuren zu verwischen, streute Blätter und welkes Gras und überspülte den zertretenen Lehmboden mit Wasser aus einem nahen Regenloch. Dann winkten sie mir, daß die erste Patrouille käme, und ich stieg zu ihnen hinauf.

Ehe ich sie noch erreicht hatte, kamen sie schon heruntergelaufen und besetzten ihre vorher bestimmten Plätze am Wasserlauf und Hang. Ein Zug näherte sich von Norden. Hamud, einer von Faisals Sklaven, hatte den Zündkasten; doch bis er ihn mir herangebracht hatte, war der kurze Zug mit sechs Personenwagen schon vorübergebraust. Infolge der Regenböen in der Ebene und des nebligen Morgens hatte unser Ausguckposten den Zug zu spät gesehen. Dieser zweite Mißerfolg verstimmte uns noch mehr, und Ali äußerte schon, daß uns bei diesem Unternehmen überhaupt nichts glücken werde. Eine solche Feststellung konnte leicht die gefährliche Folge haben, daß man darauf verfiel, daß einer unter uns den bösen Blick habe; und um von derlei Gedanken abzulenken, schlug ich vor, noch zwei Beobachtungsposten weiter entfernt aufzustellen, einen bei den Ruinen im Norden und den andern bei dem Steinhügel auf dem südlichen Bergkamm.

Dem Rest der Mannschaft aber wurde der Befehl gegeben, auch ohne Frühstück keinen Hunger zu haben. Sie nahmen das denn auch mit Humor auf, und eine Zeitlang hockten wir ganz vergnügt im Regen, uns gegenseitig wärmend, eng aneinander hinter einer Brustwehr triefender Kamele. Durch die Feuchtigkeit kräuselte sich die Wolle ihres Fells hoch, so daß sie ganz wunderlich zerzaust aussahen. Wenn, wie es häufiger geschah, der Regen nachließ, fauchte ein eisiger Wind und lüftete die weniger Geschützten unter uns gehörig durch. Bald waren wir bis auf die Haut durchnäßt, und die feuchten Kleider klebten unbehaglich am Leibe. Wir hatten nichts zu essen, nichts zu tun, nichts, um darauf zu sitzen als Schlamm und nasses Gras. Ich mußte daran denken, daß dieses anhaltend schlechte Wetter Allenbys Vormarsch auf Jerusalem verzögern und ihm so möglicherweise seine große Gelegenheit verderben würde. Das große Mißgeschick des Löwen war für die Mäuse ein kleiner Trost. Unter solchen Umständen war anzunehmen, daß er und wir bis ins nächste Jahr hinein Partner bei diesem Spiel sein würden.

Auch im besten Fall ist untätiges Abwarten eine arge Sache. Heute war es schlechthin schauderhaft. Selbst die feindlichen Patrouillen stolperten nachlässig und achtlos durch den Regen. Gegen Mittag endlich, als sich der Himmel einen Augenblick aufgehellt hatte, schwenkte der Beobachtungsposten auf der Südspitze heftig den Mantel zum Zeichen, daß ein Zug nahte. Im Nu war alles in Stellung, da wir die letzten Stunden im Bett des Wasserlaufs nahe der Bahn gehockt hatten, um nicht wieder die Gelegenheit zu verpassen. Die Araber hatten sich gut gedeckt. Ich überblickte von meinem Zündungsstand aus ihre Stellung und sah nichts als graues Gestein.

Ich konnte das Kommen des Zuges nicht hören, verließ mich aber auf die Meldung und kniete tatbereit wohl eine halbe Stunde; die Ungewißheit wurde unerträglich, und ich signalisierte hinauf, was denn los wäre. Sie gaben zurück, daß der Zug sehr langsam herankäme und gewaltig lang wäre. Sehr schön; je länger der Zug, um so reicher die Beute. Dann hieß es, er habe angehalten; bald darauf wieder: er führe weiter.

Endlich, gegen ein Uhr, hörte ich ihn herankeuchen. Die Lokomotive war augenscheinlich defekt (Holzfeuerung taugt nie viel), und die schwere Last auf der Steigung ging über ihre Kraft. Ich versteckte mich hinter meinem Busch, indes der Zug bei der letzten Biegung auftauchte und auf dem hohen Damm über mir langsam auf den Durchlaß zu herankroch. Die ersten zehn Waggons waren Güterwagen, dicht mit Truppen besetzt. Lange zu überlegen war keine Zeit mehr, und als die Lokomotive gerade über der Mine war, drückte ich den Hebel am Zündapparat herunter. Nichts erfolgte. Wieder schaltete ich den Hebel ein, vier- oder fünfmal.

Nicht das geringste geschah. Der Apparat funktionierte nicht, und ich kniete hier an einer weithin sichtbaren Stelle, während auf fünfzig Yard von mir ein türkischer Truppenzug langsam vorüberfuhr. Der Busch, der mir mindestens einen Fuß hoch erschienen war, schrumpfte zu einem Feigenblatt ein. Hinter mir war auf zweihundert Yard hin offenes Feld bis zu der Deckung, wo meine Araber warteten, höchst erstaunt, was mit mir los wäre. Es war unmöglich, ungesehen zu ihnen hinzugelangen; die Türken würden sofort den Zug angehalten und mit ihrer starken Übermacht uns erledigt haben.

So hockte ich denn da, nur auf das nackte Leben bedacht, indes der lange Zug mit seinen vierundzwanzig Waggons vorüberrollte. Die Maschine keuchte immer schwerer und kam immer langsamer vorwärts; ich glaubte, im nächsten Augenblick würde ihr endgültig die Puste ausgehen, aber schließlich verschwand die rote Schlußscheibe in der nördlichen Kurve. Ich sprang auf, vergrub rasch die Drahtenden, nahm den durchnäßten Zündkasten unter den Arm und rannte wie ein gescheuchtes Kaninchen in Deckung.

Mifleh war den Tränen nahe, da er dachte, ich hätte den Zug absichtlich durchgelassen; als die Serahin die wahre Ursache erfuhren, sagten sie: »Unglück ist mit uns.« Der Tatsache nach hatten sie ja recht, aber sie meinten es als eine Prophezeiung, worauf ich einige sarkastische Bemerkungen machte über ihren kühnen Mut bei der Brücke neulich, und daß Kamelehüten wohl ihrem Stamm am besten läge. Sofort gab es Aufruhr; die Serahin stürmten zornentbrannt auf mich ein, die Beni Sakhr verteidigten mich. Ali sah den Tumult und kam eiligst herbeigerannt.

Als wir die Sache dann beigelegt hatten, war die anfängliche Niedergeschlagenheit schon halb überwunden. Ali unterstützte mich großartig, trotzdem der Ärmste blau war vor Kälte und von Fieberanfällen geschüttelt wurde. Er rief den Arabern zu, daß ihr Ahnherr, der Prophet, den Scherifs die Gabe des Hellsehens verliehen habe, und dadurch wisse er, daß sich jetzt unser Geschick wenden werde. Das gab ihnen wieder Mut und Vertrauen; und schon stellte sich auch gleichsam die erste Anzahlung auf kommenden Erfolg ein, indem es mir gelang, mit meinem Dolch als Werkzeug, den Zündkasten zu öffnen und das elektrische Triebwerk wieder richtig in Gang zu bringen.

Wir kehrten zu unserer Beobachtungsstelle an den Drähten zurück; aber nichts ereignete sich. Der Abend kam und brachte nur stärkere Regenschauer und heftigere Kälte. Alles war mißmutig und brummig. Ein Zug kam nicht, zum Feuermachen war es zu naß; zur Nahrung hatten wir nur die Kamele. Aber es verlangte niemanden, in dieser Nacht rohes Fleisch zu verzehren, so blieben unsere Tiere bis zum Morgen am Leben.

Ali lag auf dem Bauch – man spürt dann den Hunger weniger – und versuchte, sich sein Fieber wegzuschlafen. Khazen, Alis Diener, hatte ihm seinen Mantel als Extradecke geliehen. Ich stieg den Hang hinab, um den Zündapparat anzuschließen, und verbrachte dann die Nacht allein bei den singenden Telegraphendrähten, mit dem brennenden Wunsch, nur schlafen zu können, denn die Kälte war unerträglich. Alles blieb ruhig während der langen Stunden der Nacht, und die feuchtgraue Dämmerung des Morgens war noch bedrückender als zuvor. Als die türkische Frühpatrouille die Schienen entlang kam, kletterte ich zu meinem Trupp zurück. Der Tag hellte sich ein wenig auf. Ali erwachte und fühlte sich neu gestärkt. Seine gute Laune heiterte uns auf. Hamud, der Sklave, förderte etwas Brennholz zutage; er hatte es die ganze Nacht unter den Kleidern an seinem Körper geborgen, und es war daher ziemlich trocken. Wir schabten etwas Schießbaumwolle von einem Stück, und mit der heißen Flamme brachten wir ein leidliches Feuer zustande. Die Sakhr gingen hin und schlachteten ein Kamel, das magerste der Reittiere, und begannen, es mit ihren Messern in handgerechte Stücke zu zerlegen.

Just in diesem Augenblick meldete der nördliche Posten einen Zug. Wir ließen Feuer Feuer sein und rannten in atemloser Hast in die vorgesehenen Stellungen, sechshundert Yard bergabwärts. Der Zug bog laut pfeifend um die Kurve – ein prächtiges Exemplar mit zwei Maschinen und zwölf Personenwagen – und dampfte mit voller Kraft der entscheidenden Stelle entgegen. Ich schaltete den Hebel ein, als das vordere Triebrad der ersten Maschine über der Mine war, und die Explosion war fürchterlich. Eine Wolke von Erde und Steinen spritzte mir ins Gesicht, ich wurde wie ein Ball herumgewirbelt und verlor die Besinnung. Bald kam ich wieder zu mir und humpelte mühsam das Tal hinauf, indes die Araber bereits in die zusammengeprallten Wagen hineinschossen, was das Zeug hielt.

Als der Feind das Feuer zu erwidern begann, befand ich mich gerade zwischen beiden Parteien. Ali hatte mich fallen sehen, und in der Annahme, ich sei schwer verwundet, kam er mit Turki und zwanzig anderen den Hang heruntergestürmt, um mir zu helfen.

Der Zug war gründlich entgleist; die Waggons, zum Teil geborsten und schief ineinandergeschoben, standen kreuz und quer über dem Geleis. Einer war ein Salonwagen, mit Flaggen geschmückt: Mehmed Djemal Pascha, der Kommandierende General des achten türkischen Korps, war auf der Fahrt zur Front, um Jerusalem gegen Allenby zu verteidigen.

Wir sahen bald, daß wenig Aussicht war, an die zerstörten Waggons heranzukommen. Einige vierhundert Mann waren im Zuge gewesen, und die Überlebenden, vom ersten Schrecken erholt, lagen jetzt in Deckung und eröffneten scharfes Feuer.

Da die Türken uns untätig sahen, begannen sie gegen den Abhang vorzugehen. Wir ließen sie halbwegs herankommen und pfefferten dann mehrere Salven in ihre Reihen: zwanzig fielen, der Rest zog sich zurück. Der Boden rings um den Zug war mit Toten bedeckt; aber die Soldaten kämpften unter den Augen ihres Kommandierenden und begannen nun unverzagt, sich seitlich vorzuarbeiten, um unsere Stellung von der Flanke her zu fassen.

Wir waren unser nur noch vierzig und konnten offensichtlich nichts gegen sie ausrichten. So rannten wir in großen Sprüngen durch das schmale Flußbett bis zur Höhe hinauf. Dort angekommen, warf sich jeder auf das gerade zur Hand stehende Kamel, und dann ging's in wilder Fahrt eine Stunde weit ostwärts in die Wüste hinein. Sobald man hier einigermaßen in Sicherheit war, wurden wechselseitig die Reittiere ausgetauscht. Der vortreffliche Rahail hatte in der allgemeinen Aufregung noch Zeit gefunden, ein gewaltiges Stück des Kamels, das gerade bei Ankunft des Zuges geschlachtet worden war, auf seinen Sattel zu laden und mitzuschleppen. Das gab uns den Anlaß, fünf Meilen weiter am Wadi Dhuleil, unter einem kahlen Feigenbaum, Rast zu halten. Ich kaufte noch ein weiteres mageres Kamel zur Ergänzung des Mahls, spendete Belohnungen und Entschädigungen für die Angehörigen der Gefallenen und gab Geldpreise für die erbeuteten sechzig oder siebzig Gewehre, eine recht magere, aber doch nicht zu verachtende Beute. Mehrere der Serahin, die ohne Gewehr hatten in den Kampf ziehen müssen und daher nur mit Steinen werfen konnten, besaßen nun jeder sogar zwei Flinten. Am nächsten Tage zogen wir in Azrak ein, wurden sehr freudig begrüßt und verkündeten – Gott vergebe uns –, daß wir die Sieger seien.

Der Emir von Salkhad, ein Druse, der kurz vor uns in Azrak eingetroffen war, erzählte uns das Ende der Geschichte von Abd el Kader, dem Algerier. Nachdem er sich von uns weggestohlen hatte, war er schnurstracks nach dem drusischen Dorf el Salkhad geritten und dort feierlich im Triumph eingezogen, die arabische Fahne entrollt und umsprengt von seinen sieben Reitern, die Freudenschüsse abgaben. Die Bevölkerung war höchlich verwundert, und der türkische Gouverneur erhob Protest und erklärte solches Tun für eine Beleidigung gegen ihn. Er ließ sich bei Abd el Kader melden, und dieser empfing ihn, pomphaft auf einem Diwan sitzend, mit einer bombastischen Rede, in der er erklärte, daß er, der Scherif, nunmehr Djebel Druse unter seine Verwaltung nehme, und alle Beamten wären hiermit in Amt und Gehalt bestätigt.

Am nächsten Tag wiederholte sich der Triumphzug Abd el Kaders, und wieder kam der geduldige Gouverneur sich beschweren. Emir Abd el Kader zog seinen goldgezierten Mekkasäbel und schwur, er werde damit Djemal Pascha den Kopf abschlagen. Die Drusen verbaten sich das und erklärten, derartige Worte dürften nicht in ihrem Hause in Gegenwart Seiner Exzellenz des Gouverneurs gesprochen werden. Darauf nannte Abd el Kader sie Hurensöhne, Straßengrabenbankerte, Söhne einer Hündin, ausbeuterische Hahnreis und Kuppler und schrie ihnen diese Beschimpfungen vor allen Versammelten laut ins Gesicht. Die Drusen wurden zornig. Abd el Kader wallte zum Hause hinaus, stieg wutschnaubend auf sein Pferd und rief, er brauche nur mit dem Fuße zu stampfen, und ganz Djebel Druse würde sich erheben und ihm folgen.

Mit seinen sieben Dienern trabte er dann die Straße zur Station Deráa hinunter, um dort ebenso wie in Salkhad seinen Einzug zu halten. Die Türken kannten seinen Greisenwahnsinn und ließen ihn gewähren; sie glaubten nicht mal an seine Geschichte, daß Ali und ich diese Nacht die Brücke von Yarmuk sprengen wollten. Als dann der Versuch wirklich geschah, nahmen sie die Sache ernster und sandten ihn unter Bedeckung nach Damaskus. Djemal Pascha ließ seinen grobschlächtigen Humor an ihm aus und gab ihn als einen Narren frei.


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