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Einundzwanzigstes Kapitel.
Eine neue Verbindung


Die Herren von der Fidelität, oder die sogenannten Bierhengste, entdeckten bald, daß Stein das Haus des Professors Fünfkäs fleißig besuchte, und stellten ihn deswegen zur Rede. Marefitz holte das Gesetzbuch, und las ihm aus dem neunten Abschnitt den siebzehnten Titel vor, der also lautete:

»Item soll kein Mitglied des Kränzchens andre Gesellschaften besuchen, noch mit fremden Verbundenen Umgang haben, sub poena exclusionis.«

Als dieses Gesetz verlesen und mit einem Commentar erläutert war, verboth Marefitz im Namen der Gesellschaft dem Bruder Stein das Besuchen des Fünfkäsischen Hauses. Aber Stein konnte das Verbot nicht halten: Mienchen zog ihn zu unwiderstehlich, und so hatte er immer Vorwürfe auszustehen. Als er den Besuch dennoch fortsezte, trat endlich bey einer vollen Versammlung ein Mitglied auf, mit folgender Beschwerde:

Ihr Herren und Brüder,

Mein Gewissen zwingt mich, vor Euch anzubringen, was ich erfahren habe. Der Bruder Stein hat eine vornehme Liebschaft: Mamsell Mienchen, des Professors Fünfkäs Nichte, ist seine Liebschaft. Da aber alle Liebschaften mit vornehmen Frauenzimmern, besonders mit Mamsellen, in unsern hochlöblichen Gesetzen verboten sind: so fodere ich Euch auf, daß Ihr judicirt und decidirt, was in diesem Fall Rechtens ist.

Stein wurde hierauf verhört, überführt und erhielt zum Bescheid: daß er einen Brief in continenti an Mamsell Mienchen schreiben, ihr in den gröbsten Ausdrücken aufkündigen, und sie hernach nicht mehr besuchen sollte. Stein konnte sich dazu nicht entschließen: er wurde also nach der Form Rechtens ausgestoßen, und mußte sogar aus dem Hause des Professor Simon ziehen, weil man durchaus nicht gestatten wollte, daß ein Excludirter bey dem Oberhaupte des Kränzchens wohnen dürfte. Stein machte sich aus der Exclusion nichts, war vielmehr froh darüber, indem ihn nun nichts mehr hinderte, seinen Umgang mit Mamsell Mienchen ungestört fortzusetzen.

Die Herren von der Politur oder die Fünfkäser hatten indeß auch gefunden, daß Mienchen schön war, und machten ihr daher auch die Cour, oder wie der Student spricht, Knöpfe; aber vergebens. Mienchen hatte zuviel Einsicht, als daß sie die fatalen Prisen, die Petimäter, hätte leiden können.

Stein hatte sich aber einmal an geschloßne Verbindungen gewöhnt, und als daher noch einige sonst gute Bursche aus Kappershausen nach Schilda kamen: so beschlossen sie unter einander, eine ganz neue Gesellschaft aufzurichten, um sich gegen die Neckereyen der Bierhengste und der Fünfkäser zu sichern. Stein wurde der Senior dieser Verbindung, welche auch ihre Gesetze hatte, die aber von jenen der andern Klubs in mancher Rücksicht verschieden waren. Sie betrafen eine freundschaftliche Gemeinschaft, die zum Fleiß und zur Ordnung abzweckte. Dabey hatte man aber vorzüglich die Absicht, die Hudeleien der andern Gesellschaften abzuwehren.

Es dauerte auch nicht lange, so bekam der neue Klub Händel mit den Fidelitäts-Brüdern: denn zweye von jenem gingen einst Abends zu Hause und begegneten einem Trupp von diesen, von welchen sie erkannt und geneckt wurden. Sie sezten sich zur Wehre, und waren glücklich genug, sich gegen sie zu behaupten.

Den folgenden Tag lauerte eine ganze Menge Bierhengste dem Senior des neuen Klubs auf, und zerprügelten ihn dermaßen, daß er einige Tage das Bette hüten mußte. Er schickte einen seiner Freunde an den Prorektor, und bath um Genugthuung: denn das sey kein Stückchen, meynte er, welches unter Studenten ausgemacht werden könnte, sondern ein meuchelmörderischer Anfall; und gegen solche Nachtbüberey müßte man die Gesetze anrufen.

Der Prorektor war gerade verreiset, und die Sache kam vor den Kanzler. Hier hatten die Bierhengste an dessen Sekretär, als dessen Fac-totum, wegen des großen Pfeifenkopfs, überall eine Stütze; und der Herr Kanzler war obendrein ein großer Feind der Klubbisten geworden. Dieses war auf folgende Art zugegangen:

Ein junger Mann, ein Privatdocent von guten Kenntnissen, hatte sich schon oft angeboten, Vorlesungen über lateinische und griechische Autoren zu halten. Da aber diese Art Studium zu Schilda außer Mode gekommen war: so hatte es ihm immer an Zuhörern gefehlt, bis endlich sich der Klub formirte, und dieser ihn bat, ihnen den Suetonius und den Seneca zu erklären.

Der Kanzler, welcher die Gewohnheit hatte, – so des Scheins wegen – nun und dann eine Stunde in dem Hörsaal irgend eines Professors zuzubringen, ob er gleich nicht das geringste davon verstand, kam auch in das philologische Collegium des jungen Mannes, und fand nur sehr wenig Zuhörer. Der junge Mann, der bey dieser Gelegenheit die Philologie dem Kanzler empfehlen wollte, redete ihn in ziemlich elegantem Latein an, und empfahl sich und seine Sachen so gut er konnte, unter der Voraussetzung: der Herr von Eckolsbach verstände es. Aber dieser, welcher nicht das Mindeste davon verstand, und doch Ehren- und Amtshalben antworten wollte, sagte unter vielen Bücklingen einmal über das andere: Oui Monsieur, oui! Neutra sunt cadaver, iter, cicer atque papaver: oui, oui! –

Der junge Mann erblaßte, aber die Zuhörer zischten den Kanzler aus, und machten ihm Musik, welches er sehr übel aufnahm, mit dem Beschluß, sich zu rächen. Als deswegen die Klage des Seniors Stein gegen die Fidelitätsbrüder einkam, so ließ er alsobald den Professor Simon zu sich kommen, und befragte ihn nach dem Betragen seines Kränzchens.

Dieser hatte schon von der Sache gehört, und faselte ein langes und ein breites her, wie, daß die Klubbisten der angreifende Theil gewesen wären, und wie dieses der Parückenmacher Hansjürgen, der Balbierer Kernfuchs, und der Stiefelwichser Laufhans, nebst dem Pferdephilister Nickelsburg bezeugen könnten.

Na, wenn das ist, sagte der Kanzler, so sollen die Bursche schön anlaufen. Lassen Sie man morgen die Zeugen um acht Uhr vor's Concilium kommen: wir wollen die vertrackten Klubbisten schon moris lernen: Warte man!

Den andern Tag war Concilium. Es erschien auch Herr Professor Fünfkäs, welcher gleichfalls bey dieser Sache interessirt war. Er hatte es allerdings nicht gern gesehen, daß sich abermals eine neue Verbindung hervorthat, zu der schon einige von den Seinigen übertreten waren. Sein Betrieb ergiebt sich daher von selbst.

Der Hr. Professor Simon, als Oberaufseher des Kränzchens der Fidelität, stellte sich ebenfalls mit dem Senior Marefitz und den genannten Zeugen, und diese schwuren für baares Geld, daß Stein und andere von dem Klub der angreifende Theil gewesen wären, und daß die Herren von der Fidelität blos sich vertheidiget hätten, und also bey dem moderamen inculpatae tutetae stehen geblieben wären.

Hierauf wurde das Urtheil dahin gesprochen: daß Stein seine Prügel einstecken, die Kosten bezahlen, und den Kränzianern Abbitte leisten sollte bey Strafe der Relegation. Stein behielt sich seine Vertheidigung vor, weil er noch nicht ausgehen konnte, und machte indessen eine Vorstellung an des Kanzlers Sekretär, den er vorher, als er noch bei den Kränzianern war, hatte kennen lernen. Aber Schneller war schon eingenommen, denn die Herren Bierhengste hatten gemeinschaftlich mit den Fünfkäsern, mit denen sie jezt, um die Klubbisten zu unterdrücken, vereinigt waren, ihm mit einem Gedicht aus Simons Fabrik zum Geburtstag gratulirt, ein Ständchen gebracht und ein Geschenk beygefügt. Er war also sehr natürlich auf ihrer Seite und ließ Steinen zurück sagen, daß, was einmal in Senatu abgethan wäre, auch abgethan bleiben müßte.

Stein ergrimmte arg, und sobald er ausgehen konnte, begab er sich zu einem geschickten Juristen, der zwar sein Jus gründlich inne hatte und die dunkelsten und verworrensten Fälle in ein sehr helles Licht setzen konnte, aber doch nur wenig Praxis hatte, da er das Recht nicht drehte, und keine ungerechten Processe zu gewinnen sich bemühte. Er hieß Frisius, nahm sich Steins nachdrücklich an, und machte die bündigste Vorstellung bey dem Concilium, aber hier waren die Herren taub, und foderten mit Gewalt die Ausführung ihrer Sentenz.

Stein ersuchte den Frisius, die Sache nach Colchis ans Universitätskuratorium zu bringen. Ich will es wohl thun, erwiderte dieser, allein ich sehe vorher, daß wir nichts ausrichten. Ich kenne die Curatoren: sie verstehen sich mit den hiesigen Herren; doch wir wollen sehen!

Es ging eine Vorstellung nach Colchis; aber auch da war schon alles eingefädelt. Der Sekretär Schneller hatte im Namen der Universität berichten müssen, daß eine gefährliche Gesellschaft entstanden sey unter den Studenten zu Schilda, welche böse, ketzerische und der Landesverfassung zuwiderlaufende Grundsätze hege: es mögte wohl ein Stück vom Illuminaten-Orden seyn, oder gar eine Sprosse von Jesuiterey. So viel sey gewiß, daß die Leute eine ganz besondere Religion hätten, und ein politisches System im Kopfe führten, welches mit der vortrefflichen Verfassung des Fürstenthums Colchis nicht bestehen könnte, u. s. w.

Es währte nicht lange, so kam Antwort von Colchis, und zwar diese: daß alle Verbindungen, welche nicht unter der Direktion der Universität ständen, als gesetzwidrig anzusehen seyen, und daß besonders die Studenten-Orden dem Staate zuwiderlaufen, folglich gestört werden müßten. Es wurde daher der Universität aufgegeben, fleißig gegen die Orden zu inquiriren, und im Fall sich die Ordensbrüder nicht wollten zähmen lassen, gegen sie als Staatsverbrecher zu verfahren.

Dieses fürstliche Reskript wurde ans schwarze Brett geschlagen, und die Inquisition ging vor sich; aber troz allen Untersuchungen fand man keinen Orden, wie man ihn beschrieben hatte; und an den wirklich gefundenen Gesetzen war mehr zu loben, als zu tadeln. Indessen mußten die Klubbisten alle Kosten bezahlen, und den Kränzianern Abbitte leisten.

Stein fühlte tief das ihm zugefügte Unrecht: allein da er am Ende seiner Laufbahn war und nach dem Willen seines Onkels, durchaus in Schilda doctoriren sollte: so beschloß er, jezt noch geduldig zu leiden, und etwan zu seiner Zeit sein Recht auszumitteln.

Als er sich bald darauf zum Examen meldete, machte ihm die Fakultät anfänglich Schwierigkeit, auch wegen Klubbisterey, schlechter Lebensart u. s. w. als sie aber seine Börse mit blanken Luidoren schimmern sahen, da nahmen die Herren weiter keine Notiz davon. Nehmen wir immer das Geld, sagte der Dekan: sonst geht er nach Kappershausen, und wir sind pritsch. Stein hat doch das Seinige gelernt, und müssen wir doch oft genug Esel zu Doktoren creiren! Ja, ja, sogar Esel in der Fakultät selbst haben, brummte sein Nebensitzer ihm ins Ohr. Stein kam also durch, ward Doktor, küßte sein Mienchen, und zog ab zu seinem Onkel, der ihn um so freudiger aufnahm, da er ein Diplom aus der alma Schildana mit nach Hause brachte.


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