Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.
Das Examen


Der Pastor Silander empfahl also dem Herrn von Ekolsbach zum Sekretär unsern Schneller.

Ich will 'n wohl nehmen, antwortete der Kanzler, aber es ist die Frage, ob der Herr auch perstanda perstiren kann. Na, woll'n mal sehen! Hat der Herr studirt?

Schneller: Ja, Ihr Excellenz, zu Gießen, Jena, Erlangen, Halle, Göttingen, Würzburg und Marburg.

Kanzler: Na, schöne! Wer auf so viel Universitäten gewesen ist, muß schon was wissen. Aber jezt muß ich nach etwas Wichtigerm fragen. Sag' mir der Herr: ob er lesen und schreiben kann? Denn lesen und schreiben muß mein Sekretär können. Mein voriger war so 'n dummer Esel, daß er beydes nicht recht konnte: da hab ich dann Mühe und Noth gehabt.

Schneller versicherte, daß er recht gut lesen und schreiben könnte.

Kanzler: Aber rechnen kann der Herr doch auch?

Schneller bejahte auch diese Frage.

Kanzler: Wie sieht's aber aus mit der Geographie, Herr? Denn die muß mein Sekretär aus dem Follement wissen, damit, wenn die Studenten zu Schilda sollen examinirt werden, er mir sagen kann: das ist ein Schwabe, das ist ein Baier, das ist ein Holländer, und das ist ein Lappländer u. s. w. Versteht das der Herr?

Schneller: O ja, Ihr Excellenz! ( lacht in die Faust.)

Kanzler: Na, das wär' ja alles recht schön! Aber der Herr muß auch Verse machen können: denn sieht er, dem Fürsten muß ich bey Gelegenheit so ein Ding schicken. Ich habe zwar meinen alten Hofmeister noch, das ein profekter Poetus ist: aber es wär' mir doch lieber, mein Sekretär könnt so was auch machen.

Schneller, so wenig Dichter er auch war, hoffte doch, so gut als der alte Hofmeister poetisiren zu können, und versprach dem Herrn Kanzler auch in der Poeterey seine Dienste.

Dieser also war vor Freuden außer sich, und als ihm Schneller noch gar zu verstehen gab, daß er reiten, Hasen und Vögel schießen, und vier Butellen Wein, ohne berauscht zu werden, ausstoßen könnte, umarmte er ihn zu wiederholten Malen, und nannte ihn seinen Freund, seinen Kumpan, und die Krone aller Sekretäre.

Der Pastor war froh, daß der junge Mann, für den er sich Tages vorher schon interessirt hatte, so gut angekommen war, und meynte, er habe doch Recht gehabt mit seinem: nil desperandum.

Na, sagte der Kanzler endlich, als es anfing Nacht zu werden, der Herr muß heute mit mir auf mein Gut: da will ich ihn ekioppiren lassen: denn so darf er sich nicht in der Residenz produciren, so studentisch gestaffirt: der Herr ist jezt kein Student mehr: er ist jezt mein Sekretär.

Schneller machte einen tiefen Bückling und ging einer gewissen Nothwendigkeit wegen zur Thür hinaus. Pfeilschnell war die Frau Pastorn hinter ihm her, und lispelte ihm zu: Aber höre, Carl, daß ja niemand erfährt, daß wir uns schon von langer Hand her kennen.

»Sey kein Närrchen, Jule!« erwiederte dieser: und damit wars für dießmal gut.

Herr von Ekolsbach wollte durchaus nicht zugeben, daß einer von seinen Leuten zu Fuße gehen sollte; also mußte der Pastor Silander ein Pferd besorgen, worauf der angeworbene Herr Sekretär auf das hochadeliche Gut des Herrn Kanzlers reiten konnte.


 << zurück weiter >>