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Dreizehntes Kapitel.
Der Kabbalist


Der Kanzler konnte sein Haupt nicht eher sanft niederlegen, bis er abermals großes Souper gegeben hatte. Dieses neue Festin sollte noch prachtvoller werden, als das erste geworden wäre, wenn Freund Zufall sein Spiel nicht mit den Kappershäusern gehabt hätte.

Damit aber nicht abermal der Böse seinen Spaß treiben mögte, wurde alles so eingerichtet, daß man vor etwas Aehnlichem sicher seyn konnte. Der erste Trätöhr erhielt wieder den Auftrag, für neun und neunzig Couverts. Der erwähnte Major stellte wirklich eine Wache von sechs Mann vor das Trätöhrhaus, mit der geschärften Order: das Essen von niemanden holen zu lassen, als von den Leuten des Herrn Kanzlers; und nur gleich drein schlagen, wenn Studenten, sie mögten von Schilda oder Kappershausen seyn, dasselbe mit Gewalt nehmen wollten. Aber diese Vorsicht war dieses Mal eben nicht nötig: die Studenten hatten kein Geld mehr, auch nichts mehr zu versetzen, konnten folglich das theure Essen auch nicht mehr bezahlen.

Der Kanzler war außerordentlich froh, daß das große Souper endlich zu Stande war, und eben so froh waren seine Gäste, deren viele dießmal noch länger vorher gefastet hatten, als das erste Mal.

Zu Anfange des Schmauses hörte man kein Wort: denn alle Gäste hatten blos mit dem Geschäfte des Essens zu thun, endlich aber wurde es lauter und lauter; und als gar der Burgunder seine Wirkung anfing, konnte man sein eigen Wort nicht mehr verstehen.

Nach dem Essen trennten sich die, welche nicht tanzen wollten, von der übrigen Gesellschaft, und bezogen ein Nebenzimmer, um Tabak zu rauchen, und zu trinken: die andern Herren und Damen fingen an zu tanzen, und die Musik war das Mal auch besser, als das erstemal. Walzen, und recht unsinniges Walzen war auch hier der Haupttanz; und es forderte keiner ärger dazu auf, als gerade die Dümmsten oder die Brüder und Schwestern von der Sippschaft der Venus.

Gegen Mitternacht fiel es der Frau Kanzlern ein, ein Wort mit dem Sekretär geheim zu sprechen, den sie schon sehr nahe hatte kennen lernen, als der Herr Kanzler sie durch Schnellern von seinem Landgute hatte abholen und nach Schilda bringen lassen. Sie gab ihm ihren Wunsch zu verstehen, und beyde entfernten sich. Zum Unglück hatte die gnädige Frau den Schlüssel zu ihrem Kabinette verlohren, und war daher genöthigt, in das Zimmer der Kammerjungfer abzutreten. Aber gerade hier lauerte schon hinter dem Kleiderschrank, in der Ecke am Alkhofen, Herr Fünfkäs, Professor der Rechte, auf die Kammerjungfer, die er dahin bestellt hatte. Er erkannte den Sekretär an der Stimme, und hielt, um unbemerkt zu bleiben, sich in seinem Winkel ganz stille, und dämpfte sein Odemholen mit dem Taschentuch sehr behutsam.

Den Auftritt zwischen dem Sekretär und der gnädigen Frau errathen meine Leser von selbst; und darum finde ich es nicht nöthig, das Papier mit einer Erzählung von Dingen anzufüllen, die in der kleinen und großen Welt nichts fremdes sind. Ich könnte sonst ganz kommode erzählen, wie beyde sich immer inniger umfaßten, wie sie Küsse auf Küsse häuften, die Thüre verschlossen, wie sie aufs Bette fielen, wie das Bettgestelle krachte, wie sie hernach keuchten: kurz, ich könnte die Avantüre so beschreiben, wie der renommistische Kraftmann, Herr Kramer, im Erasmus Schleicher eine ähnliche beschrieben hat. Vielleicht würde – wie man zu sagen pflegt – Manchem das Maul dabey wässern; und viele neuen Schriftsteller setzen viel Werth auf die Kunst, das Maul ihrer Leser wässern zu machen.

Der Professor Fünfkäs, so lüstern er auch geworden war, erhielt zwar für dießmal seinen Zweck nicht; denn die Kammerjungfer konnte zur verschloßnen Thüre nicht herein: aber er entschloß sich, den Vorfall von Seiten der Oekonomie zu benutzen. Als daher die Verliebten wieder in den Tanzsaal zurück waren, schlich er nach, nahm bald darauf den Sekretär auf die Seite, und sprach zu ihm also: Aber Herr Sekretär, wie in aller Welt kommen Sie dazu, die Frau Ihres Wohlthäters, unsers Herrn Kanzlers, zu verführen?

Sekretär: ( erschrocken) Wer? Ich – Ich sollte des Kanzlers Gemahlin verführen?

Fünfkäs: Ja, Sie, Sie, Herr! Wir haben Beweise. Sind Sie nicht noch vor einigen Minuten im Zimmer der Kammerjungfer gewesen? Ich und noch einer von meinen Collegen haben Sie herein und herausschleichen sehen, haben das Schloß abschließen hören, haben gehorcht, und mehr als zuviel gehört: Leugnen würde also nichts helfen, wenn es uns anders gefiele, Sie zu stürzen.

Sekretär: Aber ums Himmels willen, Sie werden doch nicht!

Fünfkäs: Nein, ich werde nicht, wenn Sie erkenntlich sind.

Sekretär: Fodern Sie, theuerster Mann! was Sie wollen! Ich stehe Ihnen ganz zu Dienste.

Fünfkäs: Sehen Sie, Herr Sekretär, ich habe viele Kinder, eine schlappige Frau, wenig Zuhörer und blutwenig Besoldung. Ich weiß, Sie können beym Kanzler viel ausrichten. Morgen werde ich Ihnen eine Supplik schicken: diese übergeben Sie ihm, mit der Bitte, daß er sie dem Fürsten empfehlen wolle. Thun Sie das! Es soll Ihr Schade nicht seyn: verlassen Sie sich drauf; und wenn Sie klug seyn wollen, so haben Sie Gelegenheit, ein angesehner, reicher Mann zu werden.

Sekretär: Höher, als ich jezt bin, kann und mag ich nicht kommen. Am Ende ist doch alles Lari Fari!

Fünfkäs: Sie reden wunderlich! Es scheint, als wenn meine Entdeckung Sie besorgt oder muthlos gemacht habe; und das sollte mich sehr schmerzen. Thun Sie nur, worum ich Sie ersucht habe: und dann rechnen Sie auf meine Verschwiegenheit ganz zuverlässig. Uebrigens muß man das ad altiora nie aus den Augen lassen, vorzüglich auf einer Carriere nicht, wie die Ihrige ist. Sie müssen noch, wie Themistokles durch seine Mutter seinen Vater, und durch seinen Vater ganz Athen regierte, so auch durch die Frau Kanzlerin den Kanzler, und durch den Kanzler ganz Schilda regieren. Ich hoffe, wir werden schon noch bekannter werden.

Der Sekretär versprach alles: Herr Fünfkäs schickte den folgenden Tag eine Bittschrift um Zulage; und da sie vom Kanzler, auf Betrieb des Herrn Schnellers, bey dem Fürsten wohl und nachdrücklich empfohlen wurde, so erhielt er, was er gesucht hatte.


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