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Vorwort


Laukhard ist ohne jeden Zweifel sein ganzes Leben lang ein echter Typus des »Ewigen Studenten« gewesen. Das geht schon aus seinen »Leben und Schicksalen« hervor, wonach er noch in hohen Semestern in Halle zweimal auf Schläger »los war«. Und daß er einem Trinkgelage in mehr oder minder studentisch-strenger Form nie abhold war, ist bekannt genug. Auch in der Zotologie, dem Würfelspiel und anderen burschikosen Betätigungen stand er stets seinen Mann. Und stets ist er ein »honoriger Bursch« geblieben; wenn der arme Teufel, der für zwei Groschen die Stunde Unterricht gab, sich gewiß stets gern von Studenten und anderen Leuten freihalten ließ, so hat er sich doch niemals entwürdigen lassen. Nie hat er den »Papst gemacht« oder sonstigen Firlefanz mit sich treiben lassen, wie er in dem hiermit von neuem ans Licht gezogenen Buch ihn erbaulich genug geschildert hat.

Es könnte auffallend erscheinen, daß Laukhard mit seiner innerlichen unverwüstlichen Liebe zum Burschentum einen so unheimlich scharfen Blick für die Schwächen und Fehler der akademischen Bürger, Professoren wie Studenten hat; und noch mehr: daß er sie mit so unerbittlicher, fast grausamer Genauigkeit und Schärfe abschildert. Ich denke jedoch: der Grund ist klar. Als Laukhard seine wichtigsten Schriften, die sich mit Studenticis befassen, herausgab, war ihm seine Lage nicht zweifelhaft und er konnte sich nicht verhehlen, daß er hinter und vor sich ein verlorenes Leben hatte. Ja, als er als Musketier des Thaddenschen Regiments zu Halle in den Krieg gegen die Neufranken zog, da mochte und durfte er wohl von den soeben im Druck erschienenen zwei ersten Bänden seiner Lebensgeschichte erwarten, daß sie Interesse für ihn erwecken und dadurch zur Verbesserung seiner Lage beitragen würden. In diesem Kriege nun vollbrachte er eine kühne Tat, deren Mißlingen ihm das Leben kosten konnte und auch wirklich seinen Kopf in sehr arge Gefahr gebracht hat: er ging auf Veranlassung der preußischen Prinzen Louis Ferdinand und Friedrich Wilhelm, des Thronfolgers, als Deserteur in die belagerte Festung Landau hinein, um den ihm aus der Jugendzeit bekannten Pfälzer Dentzel, der als Représentant du Peuple bei den französischen Besatzungstruppen war, zu bestechen. Dafür erhielt Laukhard: eine Handvoll Gold; die Zusage, daß er vom Soldatendienst los und ledig sein solle; und endlich das Versprechen des Kronprinzen, daß für seine akademische Laufbahn gesorgt werden sollte – wenn er glücklich wieder aus der Löwenhöhle herauskäme.

Der Plan mißlang. Ohne Laukhards Schuld. Denn Dentzel erwies sich als unbestechlich.

Als nun aber der Magister nach vielen Gefahren und Abenteuern – die er in der zweiten Hälfte seiner »Leben und Schicksale« so ungemein interessant und ergötzlich geschildert hat – endlich nach Halle zurückkehrte und nun nach Berlin pilgerte, um den inzwischen König gewordenen Friedrich Wilhelm um seine gnädige Fürsorge zu bitten, da hatte dieser wohl sein Hohenzollernwort nicht mehr so ganz deutlich in der Erinnerung. Laukhard erhielt freilich einige halbwegs gnädige Worte, außerdem aber nur die Zusicherung, daß vom Akademischen Senat zu Halle Bericht eingefordert werden solle.

»Ei weh!« dachte Laukhard – und mit Recht. Denn was hatte er von diesen Pappelköpfen und Wackelzöpfen zu erhoffen? Seine Anstellung wurde abgelehnt, und damit war für Laukhard jede Aussicht auf eine bürgerlich anständige und gesicherte Existenz dahin.

Aus dieser Stimmung sind wohl Laukhards zwei Hauptwerke, die sich mit akademischen Verhältnissen befassen, zu erklären. Mit Reue und Ärger sah er auf seine eigene burschikose Zeit zurück; mit Grimm blickte er auf das aufgeblasene eitle Treiben des Professorenklüngels. So ist es zu erklären und zu verzeihen, wenn er von dem Recht des Satirikers auf Übertreibung manchmal einen sehr weitgehenden Gebrauch macht. Aber um ihn zu prüfen, wollen wir uns doch mal unsere Zeit ansehen. Wer die Form sucht, der wird freilich nur schwache Spuren finden (immerhin auch diese!). Aber des Geistes, der über jenen Koterien waltete, gibt es leider noch heute genug und übergenug. Doch – Beispiele sind verhaßt, würde Laukhard sagen.

 

Die Annalen der Universität Schilda sind ein dickleibiges Werk von drei Bänden. Die Satire ist vielfach so veraltet, daß sie eines Kommentares bedürfen würde. Außerdem gibt Laukhard sich in diesem Werk in ganz besonderem Maße seinem Hange zur Weitschweifigkeit hin, und sein Mangel an Kompositionstalent macht sich oft unangenehm fühlbar. Ich habe aus dem Wälzer eine knapp in sich geschlossene Episode: Den »Krieg der Fünfkäser und Bierhengste« herausgeschält – eine Geschichte, deren drastische Komik ihre Wirkung auf den Leser gewiß nicht verfehlen wird.

Im »Eulerkapper« hat Laukhard die Handlung überraschend straff durchgeführt; ja mit einem Mut, der an einen Naturalisten des »Grünen Deutschlands« so um 1885 herum erinnert, führt er den »Helden« durch alle Drangsale bis zu dem Misthaufen, auf dem der Jämmerling verreckt – und mit Recht.

Trotz dem krassen Ende findet sich neben der Satire auch in dieser Erzählung (von der ich einige überflüssige Episoden weggelassen habe) viel Humor – ein trockener Humor, der knorrige Humor eines Mannes, der doch »Auch Einer« war.

Neujahr 1912.
Victor Petersen


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