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Achtzehntes Kapitel.
Anstalten beyder Societäten


Simon erhielt von seinem Kränzchen ein Pettschaft, worauf ein Student mit einer Tabakspfeife im Munde, und mit einem großen Schmollisglas in der Hand abgebildet war. Dieses Insiegel sollte in Zukunft gebraucht werden, die Verordnungen, die Receptionsscheine und andre die Gesellschaft betreffende Schriften zu beglaubigen. Dabey wurde aber doch dem Oberaufseher erlaubt, seine Briefe mit eben dem Pettschaft zu besiegeln, welches er denn auch in seiner großen Einfalt für eine große Ehre hielt, und noch denselben Tag zwölf Briefe auf die Post schickte, blos um die Freude zu haben, das Wappen des Kränzchens, dessen Vorsteher er auch war, auf seinen Briefen paradiren zu sehen.

Simon war auch der allgemeine Dutzbruder aller Kränzianer, wurde aber, da er doch Juris Doktor und Professor war, nicht schlechthin Bruder, sondern Herr Bruder genannt, und wenn in seiner Abwesenheit von ihm gesprochen wurde: so hieß es: der Herr Bruder hat es gesagt, der Herr Bruder hat es gethan. Auch wurde dieserwegen das Gesetzbuch mit folgender neuen Vorschrift vermehrt:

»Item soll jedesmal der Obervorsteher, wenn er Doktor oder Professor ist, nicht schlechtweg Bruder, sondern jedesmal Herr Bruder genannt werden: doch soll das Ehrenwort, Herr, durchaus kein Dominium noch irgend eine Domination bedeuten: denn dieses wäre gegen die Gleichheit aller Glieder.«

Höre, Herr Bruder, sagte eines Tages der Senior Marefitz zum Obervorsteher Simon: Du bist ein Gelehrter und ein Dichter: wir wollen dir hiemit auftragen, ein Burschengesangbuch für unser Kränzchen zu verfertigen, damit wir bestimmt wissen können, welche Lieder auf der Straße und bey Kommersen gesungen werden dürfen, und welche nicht. Du erhältst für deine Arbeit pro Bogen 1 fl. 24 Kreuzer: bist Du das zufrieden?

Mit großem Vergnügen nahm der Herr Professor Simon die Bedingung an: denn er war wirklich ein Versifex, obgleich ein sehr elender. Als Versifex bildete er sich ein, daß er lauter Meisterstücke liefere, und hatte auch schon mehrmals eine Sammlung Gedichte einigen Verlegern angeboten, war aber wegen der Armseligkeit seines Machwerks allemal abgewiesen worden: doch hatte man in einige Musen-Almanache und andre poetische Flugschriften Simonische Hymnen, Epigramme und Episteln aufgenommen, die denn auch gelesen, und sogar bewundert wurden.

Meister Simon durchlief nun alle Kommersbücher, durchstänkerte den Günther, Hofmannswaldau, Hanke und andre Poeten dieses Schlages, und sammelte alle Saft- und Kernvollen Lieder, worunter auch einige recht zärtliche aufgenommen wurden, z. B. Ich liebte nur Ismenen, Ismene liebte mich. – Sollen nun die grünen Jahre. – Mein Herzchen, ach, der Feuerschein, der schießt aus deinen Aeugelein. – Daß alle Gassenhauer, die nur aufzutreiben waren, diese Sammlung zieren mußten, versteht sich von selbst. Also fand man da die bekannten Lieblichkeiten: Hab mal drey Batzen gehabt. – Jungfer Lieschen lag droben. – Gestern Abend war Vetter Michel da, u. dgl. – Aber die vornehmsten Stücke des akademischen Gesangbuchs waren citra controversiam die eingerückten Gedichte des Herrn Obervorstehers selbst. Wir wollen nur eins davon anführen, um unsre Leser zu bewegen, die ganze Sammlung anzuschaffen. Dieses Lied befindet sich gleich pagina eins, und geht nach der Melodie: »Nun ruhen alle Wälder.« Es lautet also:

1.

Der Bursch ist stäts zufrieden,
Mit dem, was ihm beschieden,
Er lachet früh und spat,
Er preißt das gute Glücke,
Und lobet sein Geschicke,
Das so für ihn gesorget hat.

2.

Er jagt die bange Sorgen
Schon mit dem frühen Morgen,
Von sich dem Teufel zu:
Denn nie ist er zu Hause,
Stäts sitzet er beym Schmause,
Und ziehet Bier, wie eine Kuh.

3.

Will er die Gurgel schmieren,
Und sich encanoniren,
So trinkt er Brantewein.
Und ist er dann besoffen,
So wird herumgeloffen:
Philister muß periret seyn.

4.

Wenn er des Nachts umstreichet,
Und in dem Finstern schleichet,
Als wie die Pestilenz:
So sucht er hübsche Dirnen,
Die fromm sind, und nicht zürnen,
Und spricht: ihr Kindchen kommt absents!

5.

Drum Bursche, du sollt leben,
Lab Dich mit Saft der Reben,
Mit Tabak, Schnapps und Bier.
Sey stäts fidel und schmause,
Bis man dich ruft nach Hause,
Bis man dir singet: fort von hier!

Dieses Kernlied wurde so bewundert, daß es sofort von allen Kränzianern auswendig gelernt, und jeden Abend durch alle Straßen der ganzen Stadt Schilda abgegröhlt wurde.

Zu den Liedern, welche keine bekannte Melodie hatten, komponirte der Herr Stadtmusikus Krazbogen sehr artige Arien, welche auch bey dem Verleger des Gesangbuchs herauskamen. Doch hatte der Verleger den Verdruß, daß ein gewinnsüchtiger Drucker zu Kappershausen das ganze Ding nachdruckte. Er beschwerte sich zwar bey der dasigen Universität darüber, erhielt aber zur Antwort: daß Studentensachen frey wären, und folglich niemals Konterbande werden könnten: und dabey blieb es denn. Doch habe ich nachher erfahren, daß der Verleger zu Schilda das Gesangbuch noch mehrmals in verschiednem Format aufgelegt hat. Der Nachdruck mag ihm daher nicht viel geschadet haben; aber der Absatz muß auch nicht schwach gewesen seyn, und die Singerey der Studenten nicht gemein.

Auch beschäftigte sich der thätige und geschickte Herr Obervorsteher mit Verfertigung eines Burschenlexikons, das über 6000 Burschenwörter, und unter jedem Worte eine hinlängliche Phraseologie enthielt. Es sey mir erlaubt, einige Artikel daraus anzuführen.

Hund, animal notissimum. Als Schimpfwort ist es unter Burschen nicht sehr gebräuchlich. Man merke nur folgende Redensarten: Auf den Hund kommen, oder auf dem Hund seyn, bedeutet, in schlechten Umständen der Gesundheit, des Beutels u. s. w. sich befinden. Das ist kein Hund, heißt: die Sache ist vortrefflich. Das Mädel ist kein Hund, soll sagen: es ist ein sehr schönes Mädchen.

Ochs, animal satis notum. Von daher stammt ochsig, oder sehr, außerordentlich, z. B. Ich freue mich ganz ochsig; es ist ochsig kalt. Der Kerl ist gelehrt ganz ochsig.

Luder, animalis cadaver. In der Burschensprache heißt es: 1) Ein Pferd z. B. was für 'n Luder reutest du heute? 2) Fleisch z. B. Ich esse lieber Schweineluder als Schafluder. 3) Eine Hure, z. B. höre du: es sind drey frische Luder bey der Gevatterin angekommen. Luderös heißt sehr, stark. Kerl du hast dich ja ganz Luderös in Wichs geworfen, das ist: du bist prächtig gekleidet.

Niederträchtig significat proprie mores turpes et abjectos. Bey den Burschen heißt es so viel als gar sehr. Z. B. Es ist ganz niederträchtig warm: Oberon ist doch ein niederträchtig schön Ding.

Muse nomen Dearum Picridum. Bey den Burschen bedeutet Muse: 1) Einen Studenten, 2) Ein Pferd. –

Dieses mag zur Probe genug seyn, zumal da wir schon von mehrern Universitäten dergleichen Onomastika und Idiotika haben, worunter vielleicht das des Magisters Kindleben, wegen der Zotologischen Artikel, den Vorzug verdient. Daß aber auch Herr Simon die zotologischen Wörter und Phrasen nicht ausgelassen habe, läßt sich schon daraus abnehmen, daß eben diese gleichsam die Quintessenz der Burschensprache ausmachen. Am Ende des Werkes waren Gespräche in diesem Dialekt angehängt, welche gar artig und erbaulich sich lesen ließen, wie man leicht denken kann.

Das Kränzchen der Fidelität kam regelmäßig alle Sonnabend auf einer Dorfkneipe zusammen, wo sie den Wirth eidlich verpflichtet hatten, ihnen jedesmal gutes Bier und Breuhan zu schaffen. Die Verrichtungen des Kränzchens waren erst Untersuchungen über die vorgefallenen Händel, dann Aufnahme der Novizen, und endlich ein Spiel. Das ganze beschloß ein fideler Kommers, oder ein honnetter Papst. Dann wurde eine Kollekte gesammelt, um die Stube wieder reinigen zu lassen und die Gesellschaft zog unter lautem Jubel nach Hause.


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