Pjotr Alexejewitsch Kropotkin
Die Große Französische Revolution 1789-1793 – Band I
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin

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17. Der 4. August und seine Folgen

Die Nacht des 4. August ist eins der großen Daten der Revolution. Wie der 14. Juli und der 5. Oktober 1789, der 21. Juni 1791, der 10. August 1792 und der 31. Mai 1793 bezeichnet er eine der großen Etappen der revolutionären Bewegung und bestimmt ihren Charakter für die nachfolgende Periode.

Die Geschichtslegende hat sich mit Liebe daran gemacht, diese Nacht auszuschmücken, und die meisten Historiker, die den Bericht nachschreiben, den einige Zeitgenossen von ihr gegeben haben, stellen sie als eine Nacht voller Begeisterung und heiliger Entsagung dar.

›Mit der Eroberung der Bastille‹, so sagen diese Historiker, ›hatte die Revolution ihren ersten Sieg errungen. Die Nachricht verbreitet sich in der Provinz, und überall ruft sie entsprechende Erhebungen hervor. Sie dringt in die Dörfer, und angereizt von allen möglichen zweifelhaften Elementen, greifen die Bauern ihre Grundherren an und brennen die Schlösser nieder. Nun werden der Klerus und der Adel von patriotischem Feuer ergriffen, sie sehen, daß sie noch nichts für die Bauern getan haben, und verzichten in dieser denkwürdigen Nacht auf ihre Feudalrechte. Die Adligen, der Klerus, die ärmsten Geistlichen und die reichsten Feudalherren, die Städte, die Provinzen, alle wollen ihre jahrhundertealten Vorrechte auf dem Altar des Vaterlandes opfern. Begeisterung reißt die Versammlung hin, alle eilen, ihr Opfer zu bringen. ›Die Sitzung war eine heilige Feier, die Tribüne ein Altar, der Beratungssaal ein Tempel‹, sagt einer der Historiker, der im allgemeinen ziemlich ruhig ist. ›Es war eine Bartholomäusnacht für das Eigentum‹, sagen die andern. ›Und als der erste Schimmer Frankreich die Sonne des kommenden Tages verkündete, – hatte das alte Feudalsystem aufgehört zu existieren. Frankreich war ein gerettetes Land, das ein Autodafé aus allen Mißbräuchen seiner privilegierten Klassen veranstaltet hatte.‹

Nun, das ist Legende. Es ist wahr, helle Begeisterung erfaßte die Versammlung, als zwei Adlige, der Vicomte von Noailles und der Herzog von Aiguillon, die Abschaffung der Feudalrechte und ebenso der verschiedenen Privilegien des Adels verlangten und als zwei Bischöfe (der von Nancy und der von Chartres) sprachen, um die Abschaffung der Zehnten zu verlangen. Es ist wahr, die Begeisterung wurde immer stärker, und im Verlauf dieser Nachtsitzung folgten einander die Adligen und die Geistlichen auf der Tribüne und machten sie einander streitig, um auf ihre herrschaftliche Gerichtsbarkeit zu verzichten; man hörte von Privilegierten freie, unentgeltliche und gleiche Rechtspflege für alle verlangen; man sah weltliche und geistliche Territorialherren, die ihre Jagdrechte aufgaben . . . Die Versammlung war hingerissen in Begeisterung . . . Und in dieser Begeisterung beachtete man die Klausel nicht, die die beiden Adligen und die zwei Bischöfe in ihre Reden eingeflochten hatten, die Klausel, die von der Ablösung der Feudalrechte und der Zehnten sprach. Das war eine furchtbare Klausel, gerade durch ihre Unbestimmtheit, denn sie konnte alles oder nichts bedeuten, und sie schob, wir werden es sehen, die Abschaffung der Feudalrechte vier Jahre hinaus – bis in den August 1793. Aber wer unter uns ist beim Lesen des schönen Berichts, den die Zeitgenossen von dieser Nacht gegeben haben, wer ist nicht ebenfalls von Begeisterung ergriffen worden? Und wer hat nicht über diese verräterischen Worte ›Ablösung zum dreißigfachen Jahresertrag (rachat au denier 30)‹ hinweggelesen, ohne ihre furchtbare Tragweite zu verstehen? Und das nämliche geschah in Frankreich im Jahre 1789.

Und vor allem, die Abendsitzung vom 4. August begann mit der Panik, und nicht mit der Begeisterung. Wir haben eben gesehen, daß eine Menge Schlösser im Verlauf der letzten vierzehn Tage niedergebrannt oder ausgeplündert worden waren. Die Bauernerhebung, die im Osten angefangen hatte, dehnte sich nach dem Süden, dem Norden und dem Zentrum aus: sie drohte allgemein zu werden. An manchen Orten waren die Bauern gegen ihre Herren in wilder Wut vorgegangen, und die Nachrichten aus den Provinzen übertrieben die Ereignisse. Die Adligen merkten mit Entsetzen, daß es an Ort und Stelle keine Gewalt gab, die imstande war, den Aufruhrbewegungen Einhalt zu tun.

Die Sitzung wurde also mit der Verlesung eines Vorschlags eröffnet, der eine Erklärung gegen diese Aufstände verlangte. Die Versammlung wurde aufgefordert, gegen die Aufständischen einen energischen Tadel auszusprechen und die Achtung vor dem Eigentum laut zu betonen, ob es feudal sei oder nicht, gleichviel überhaupt, wie es entstanden sei, bis die Versammlung den Gegenstand gesetzlich regeln würde. ›Es scheint, daß das Eigentum und die Besitzungen, gleichviel welcher Art, die Beute der verruchtesten Räuberei sind‹, sagt der berichterstattende Ausschuß. ›Überall sind die Schlösser niedergebrannt, die Klöster zerstört worden, die Pachtgüter der Plünderung preisgegeben. Die Steuern, die herrschaftlichen Abgaben, alles wird vernichtet. Die Gesetze sind machtlos, die Behörden ohne Autorität . . .‹ Und der Bericht verlangt, die Versammlung solle die Unruhen streng tadeln, und erklärt, ›daß die alten Gesetze (die Feudalgesetze) in Kraft sind, bis die öffentliche Gewalt der Nation sie abgeschafft oder geändert hat; daß alle vom Gewohnheitsrecht geschaffenen Abgaben oder Leistungen, wie von alters her, erfüllt werden müssen, bis es von der Versammlung anders geordnet wird‹. ›Das sind keine Räuber, die das tun!‹ ruft der Herzog von Aiguillon; ›in mehreren Provinzen hat das ganze Volk einen Bund zur Zerstörung der Schlösser und zur Verwüstung der Ländereien gebildet, und vor allem wollen sie sich der Archive bemächtigen, wo die Urkunden der Feudalrechte und Besitzungen in Verwahrung sind.‹ Hier spricht gewiß nicht die Begeisterung: eher die Furcht.

Die Versammlung sollte demnach den König bitten, strenge Maßregeln gegen die rebellischen Bauern zu ergreifen. Es war schon am Tag vorher, am 3. August, davon die Rede gewesen. Aber seit einigen Tagen hatten sich eine Anzahl Adlige, die etwas vorgeschrittenere Ideen hatten als die übrigen ihrer Klasse und die ein klareres Verständnis für die Ereignisse hatten – der Vicomte von Noailles, der Herzog von Aiguillon, der Herzog de La Rochefoucauld, Alexandre von Lameth und einige andere –, schon im geheimen über die Haltung gegenüber der Jacquerie verständigt. Sie hatten eingesehen, daß das einzige Mittel zur Rettung der Feudalrechte darin bestand, die Ehrenrechte und die Vorrechte von geringem Wert zu opfern und die Ablösung der Feudallasten, die auf dem Grund und Boden lasteten und einen reellen Wert hatten, durch die Bauern zu fordern. Sie beauftragten den Herzog von Aiguillon, diese Gedanken vorzutragen. Und so taten das der Vicomte von Noailles und der Herzog von Aiguillon.

Seit dem Anfang der Revolution hatten die Landbewohner die Abschaffung der Feudalrechte verlangt.Projekte, für die in so vielen Denkschriften, rührenden Äußerungen und lebhaften Forderungen in den Provinzialtagen, Bezirksversammlungen und an andern Orten, an denen sich die Staatsbürger während achtzehn Monaten versammeln konnten, gestimmt worden war.‹ So das offizielle Blatt ›Moniteur‹. Jetzt, sagten die zwei Wortführer des liberalen Adels, hatten sich die Bauern voller Unzufriedenheit darüber, daß drei Monate lang nichts für sie geschehen war, empört; sie waren nicht mehr zu zügeln, und es galt in diesem Augenblick, ›zwischen der Vernichtung der Gesellschaft und einigen Zugeständnissen‹ zu wählen. Diese Zugeständnisse formulierte der Vicomte von Noailles folgendermaßen: die Gleichheit aller Personen vor der Steuer, die im Verhältnis des Einkommens gezahlt werden sollte; alle öffentlichen Lasten sollten von allen getragen werden; ›alle Feudalrechte von den (ländlichen) Gemeinden‹ gemäß dem Durchschnitt des Jahreseinkommens abgelöst werden, und endlich ›die Abschaffung der herrschaftlichen Fronden, der toten Hand und andrer persönlicher Servituten ohne Entschädigung‹.

Man muß auch hinzufügen, daß seit einiger Zeit die persönlichen Servituten von den Bauern nicht mehr gezahlt worden waren. Man hat zum Zeugnis dafür unzweifelhafte Erklärungen der Intendanten. Nach der Empörung vom Juli war es klar, daß sie überhaupt nicht mehr gezahlt werden würden – ob die Herren darauf verzichtet hatten oder nicht.

Nun, diese Zugeständnisse, wie sie der Vicomte von Noailles vorgeschlagen hatte, wurden noch eingeschränkt, von den Adligen wie von den Bürgerlichen, von denen sehr viele Grundbesitz hatten, der Feudalansprüche mit sich brachte. Der Herzog von Aiguillon, der Noailles auf der Tribüne folgte und den die oben genannten Adligen als ihren Wortführer erwählt hatten, sprach mit Sympathie von den Bauern; er entschuldigte ihren Aufstand; aber warum? Um hinzuzusetzen: ›Der barbarische Rest Feudalgesetze, die noch in Frankreich in Kraft sind, stellt, man kann es sich nicht verhehlen, ein Eigentum vor, und alles Eigentum ist heilig. Die Billigkeit verbietet, von jemandem den Verzicht auf ein Eigentum zu verlangen, ohne dem Eigentümer eine angemessene Entschädigung zu gewähren.‹ Aus diesem Grunde milderte der Herzog von Aiguillon die Wendung Noailles' hinsichtlich der Steuern und sagte, alle Bürger müßten sie ›ihrem Vermögen entsprechend‹ tragen. Und in betreff der Feudallasten verlangte er, daß all diese Lasten – die persönlichen ebenso wie die andern – von den Vasallen, ›wenn sie es wünschten‹, zum dreißigfachen Ertrag abgelöst würden, das heißt, der Betrag der Abgabe, wie sie jetzt jährlich bezahlt würde, sollte verdreißigfacht werden! Das hieß die Ablösung illusorisch machen, denn für Grundrenten ist eine 25fache Ablösung schon sehr drückend und im Handel kapitalisiert sich eine Grundrente gewöhnlich 20fach oder auch nur 17fach.

Diese beiden Reden nun wurden von den Herren des dritten Standes mit Begeisterung aufgenommen, und sie sind als Akte erhabener Entsagung von Seiten des Adels zur Nachwelt übergegangen, während in Wirklichkeit die Nationalversammlung, die dem Programm, das der Herzog von Aiguillon entworfen hatte, folgte, damit gerade die Grundlage zu den schrecklichen Kämpfen schuf, die späterhin die Revolution so blutig machten. Die paar Bauern, die es in dieser Versammlung gab, traten nicht auf, um den geringen Wert der ›Verzichte‹ der Adligen zu zeigen; und die Masse der Abgeordneten des dritten Standes, die zum größten Teil Städter waren, hatte nur eine sehr unbestimmte Vorstellung, was es mit den Feudallasten auf sich hatte und ebenso über die Stärke des Bauernaufstandes. Ihnen kam der Verzicht auf die Feudalrechte, selbst unter der Bedingung der Ablösung, schon wie ein erhabenes Opfer vor, das der Revolution gebracht wurde.

Le Guen de Kérengall, ein bretonischer Abgeordneter, der ›als Bauer gekleidet‹ war, sprach dann schöne und ergreifende Worte. Diese Worte, wie er von den ›verruchten Pergamenten‹ sprach, die die Verpflichtungen zu persönlichen Leistungen enthielten und Überreste der Leibeigenschaft wären, ließen die Herzen erzittern und lassen sie noch erzittern. Aber auch er griff die Ablösung der Feudallasten nicht an, worunter auch jene selben ›verruchten Servituten‹ begriffen waren, die ›in den Zeiten der Unwissenheit und Finsternis‹ auferlegt worden waren und deren Ungerechtigkeit er so beredt aufdeckte.

Es ist nicht zu leugnen, daß das Schicksal, das die Nationalversammlung in dieser Nacht des 4. August bot, schön gewesen sein muß, denn man sah, wie die Vertreter des Adels und des Klerus auf Privilegien verzichteten, die sie jahrhundertelang ohne Widerspruch ausgeübt hatten. Die Gebärde, die Worte waren wundervoll, als die Adligen auf ihre Steuerprivilegien verzichteten, als die Priester aufstanden und auf den Zehnten verzichteten, als die ärmsten Geistlichen ihre Nebeneinkünfte, die großen Herren ihre herrschaftliche Gerichtsbarkeit aufgaben und als alle auf das Jagdrecht verzichteten und das Verbot der Taubenschläge forderten, über die sich die Bauern so beschwerten. Es war auch schön zu sehen, wie ganze Provinzen auf Privilegien verzichteten, die ihnen eine Ausnahmestellung im Reiche geschaffen hatten. So wurden die ständischen Provinzen unterdrückt, und die Privilegien der Städte, von denen einige Feudalrechte in den benachbarten Landbezirken besaßen, wurden abgeschafft. Die Vertreter des Dauphiné (dort war, wie wir gesehen haben, die Erhebung mächtiger und allgemeiner gewesen) hatten damit angefangen, diese Unterschiede zwischen den Provinzen abzuschaffen, die andern folgten.

Alle Zeugen dieser denkwürdigen Sitzung geben eine begeisterte Schilderung davon. Nachdem der Adel die Ablösung der Feudalrechte im Prinzip angenommen hat, wird der Klerus aufgefordert, sich zu äußern. Der Klerus nimmt die Ablösung der kirchlichen Feudalverpflichtungen unter der Bedingung völlig an, daß der Ablösungspreis im Schoß des Klerus keine persönlichen Vermögen schaffen, sondern das Ganze zu Werken des allgemeinen Besten verwendet werden solle. Ein Bischof spricht dann von dem Schaden, den die Jagdmeuten der Herren in den Feldern der Bauern tun, und verlangt die Abschaffung des Jagdprivilegs – und sofort gibt der Adel mit einem mächtigen und leidenschaftlichen Zuruf seine Zustimmung. Die Begeisterung hat ihren Gipfel erreicht, und wie die Versammlung sich um zwei Uhr nachts trennt, fühlt jeder, daß die Grundlagen zu einer neuen Gesellschaft gelegt worden sind.

Fern von uns sei der Gedanke, die Tragweite dieser Nacht verkleinern zu wollen. Es bedarf der Begeisterung dieser Art, damit die Dinge vorwärtsgehen. In der Revolution war es von Wichtigkeit, die Begeisterung hervorzurufen, solche Worte auszusprechen, die die Herzen erzittern ließen. Die Tatsache allein, daß der Adel, die Geistlichkeit und alle möglichen Privilegierten in dieser Nachtsitzung auftraten und die Fortschritte der Revolution anerkannten; daß sie beschlossen, sich zu unterwerfen, anstatt sich gegen sie zu bewaffnen, – diese Tatsache allein war schon ein Sieg des menschlichen Geistes. Sie war es um so mehr, als der Verzicht enthusiastisch stattfand. Allerdings beim Glanze der brennenden Schlösser: aber wie oft hat solcher Glanz die Privilegierten nur zu hartnäckigem Widerstand, zu Haß und Gemetzel getrieben! In der Nacht des 4. August brachte dieser ferne Glanz andere Worte hervor – Worte der Sympathie für die Empörer – und andere Taten – Taten der Beruhigung.

Das kam daher, daß seit dem 14. Juli der Geist der Revolution – das Resultat all der Gärung, die in Frankreich hervorgebrochen war – über allem schwebte, was Leben und Regung in sich hatte, und dieser Geist, das Ergebnis millionenfachen Willens, gab den Aufschwung, der den Menschen in gewöhnlichen Zeiten fehlt.

Aber nachdem wir die schönen Wirkungen der Begeisterung gezeigt haben, die die Revolution hervorbringen mußte, muß der Historiker noch einen ruhigen Blick auf die Vorgänge werfen und muß sagen, wie weit die Begeisterung ging und welche Schranke sie nicht zu überschreiten wagte, muß zeigen, was sie dem Volke gab und was sie ablehnte, ihm zu bewilligen.

Ein allgemeiner Charakterzug genügt schon, diese Schranke zu bezeichnen. Die Versammlung sanktionierte nur im Prinzip und verallgemeinerte, was das Volk in manchen Gegenden schon selbst durchgesetzt hatte. Und sie ging nicht darüber hinaus.

Erinnern wir uns, was das Volk in Straßburg und andern Städten schon getan hatte. Es hatte, wie wir gesehen haben, alle Einwohner, Adlige und Bürgerliche, der Steuer unterworfen und die Einkommensteuer proklamiert: die Versammlung nahm das im Prinzip an. Es hatte alle Ehrenämter abgeschafft – und die Adligen verzichteten am 4. August darauf: sie akzeptierten den revolutionären Akt. Das Volk hatte auch die herrschaftliche Gerichtsbarkeit abgeschafft und seine Richter selbst durch Wahl ernannt: die Versammlung akzeptierte auch das. Endlich hatte das Volk die Privilegien der Städte und die Steuerschranken der Provinzen abgeschafft – das war im Osten geschehen –, und jetzt verallgemeinerte die Versammlung im Prinzip die Tatsache, die in einem Teil des Königreichs schon durchgesetzt war.

Was das Land angeht, akzeptierte der Klerus im Prinzip, daß der Zehnte abgelöst wurde; aber in wie vielen Orten zahlte ihn das Volk schon gar nicht mehr! und wenn die Versammlung nächstens verlangen wird, er müsse bis 1791 bezahlt werden, muß man zur Androhung der Exekution seine Zuflucht nehmen, um die Bauern zum Gehorsam zu zwingen. Freuen wir uns ohne Zweifel, daß der Klerus sich der Abschaffung des Zehnten – vermittelst der Ablösung – unterworfen hat; aber sagen wir auch, daß der Klerus außerordentlich viel besser getan hätte, wenn er nicht auf der Ablösung bestanden hätte. Wieviel Kämpfe, wieviel Haß, wieviel Blut hätte er erspart, wenn er den Zehnten aufgegeben hätte und sich dafür, um leben zu können, an die Nation oder noch besser an die Mitglieder seiner Kirchengemeinde gehalten hätte!

Und hinsichtlich der Feudalrechte – welche Kämpfe hätten vermieden werden können, wenn die Versammlung, anstatt den Antrag des Herzogs von Aiguillon anzunehmen, nur schon am 4. August 1789 den im Grunde sehr bescheidenen des Vicomte de Noailles angenommen hätte: die Abschaffung der persönlichen Lasten ohne Ablösung und Ablösung nur der Zinsen, die an den Grund und Boden geknüpft waren! Wieviel Blut mußte im Verlauf von drei Jahren vergossen werden, bis zum Jahr 1792, um das zu erreichen! Ohne von den heißen Kämpfen zu reden, die geführt werden mußten, um 1793 die völlige Abschaffung der Feudalrechte durchzusetzen.

Aber tun wir für den Augenblick, was die Menschen von 1789 taten. Alles war nach dieser Sitzung voller Freude. Alle wünschten sich Glück zu dieser Bartholomäusnacht der Feudalmißbräuche. Und das beweist uns, was es in einer revolutionären Periode bedeutet, ein neues Prinzip anzuerkennen oder wenigstens zu proklamieren. Kuriere aus Paris brachten in der Tat die große Nachricht in die entferntesten Winkel Frankreichs: ›Alle Feudalrechte sind abgeschafft!‹ Denn so wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung vom Volk aufgefaßt, und so war auch der erste Artikel des Beschlusses vom 5. August abgefaßt! Alle Feudalrechte sind abgeschafft! Keine Zehnten mehr! Keine Grundzinsen, keine Abgaben bei Kauf und Verkauf, keine Kehrzehnten, keine Kopfsteuer! Kein Jagdrecht! Nieder mit den Taubenhäusern! Alles Wild gehört jedermann! Keine Adligen schließlich mehr, keine Privilegierten irgendwelcher Art: alle gleich vor dem Richter, den alle gewählt haben!

So zum mindesten faßte man in der Provinz die Nacht des 4. August auf; und lange bevor die Beschlüsse des 5. bis 11. August von der Versammlung redigiert waren, und ehe die Grenze zwischen dem, was abgelöst werden mußte, und dem, was von Stund an verschwand, bestimmt und bezeichnet war, lange bevor diese Akte und Verzichte in Gesetzesartikeln formuliert waren, brachten schon die Kuriere dem Bauern die gute Botschaft. Von jetzt an – ob man ihn erschießt oder nicht – wird er nichts mehr zahlen.

Der Bauernaufstand nimmt jetzt einen neuen Aufschwung. Er verbreitet sich über Provinzen, die bis dahin ruhig geblieben waren, wie die Bretagne. Und wenn die Eigentümer die Bezahlung gleichviel welcher Abgaben verlangen, bemächtigen sich die Bauern ihrer Schlösser und verbrennen alle Archive und Grundbücher. Sie wollen sich den Augustdekreten nicht unterwerfen und zwischen ablöspflichtigen und abgeschafften Rechten nicht unterscheiden, sagt Duchatellier. Überall, in ganz Frankreich, werden die Taubenhäuser zerstört und das Wild weggeschossen. Man aß sich jetzt satt in den Dörfern, und man ergriff Besitz von den ehemaligen Gemeindeländereien, die die Herren an sich gerissen hatten.

Damals zeigte sich im Osten Frankreichs zuerst der Vorgang, der während der nächsten zwei Jahre die Revolution beherrschen wird: das Bürgertum wendet sich gegen die Bauern. Die liberalen Historiker übergehen das mit Stillschweigen, aber es handelt sich um eine Tatsache von größter Wichtigkeit, die wir hervorheben müssen.

Wir haben gesehen, die Bauernerhebung hatte ihre größte Macht im Dauphiné und überhaupt im Osten erreicht. Die Reichen, die Grundherren flohen, und Necker klagte, er habe in vierzehn Tagen 6000 Pässe für reiche Leute ausstellen müssen. Die Schweiz war von ihnen überschwemmt.

Aber die mittlere Bourgeoisie blieb, bewaffnete sich und organisierte ihre Milizen; und die Nationalversammlung beschloß bald (am 10. August) eine drakonische Maßregel gegen die aufständischen Bauern. Unter dem Vorgeben, der Aufstand sei das Werk von Räubern, autorisierte sie die Stadtverwaltungen, Truppen zu requirieren, alle Menschen ohne Beruf und Domizil zu entwaffnen, die Banden auseinanderzusprengen und sie summarisch zu verurteilen. Das Bürgertum des Dauphiné machte in weitem Umfang Gebrauch von diesen Rechten. Als eine Schar aufständischer Bauern von Burgund herankam und die Schlösser niederbrannte, verbanden sich die Bürger der Städte und Dörfer gegen sie. Eine dieser Banden, sagen die Deux Amis de la Liberté, wurde bei Cormatin am 27. Juli geschlagen, und es gab 20 Tote und 60 Gefangene. In Cluny gab es 100 Tote und 160 Gefangene. Die Stadtverwaltung von Mâcon lieferte den Bauern, die sich weigerten, den Zehnten zu zahlen, regelrechten Krieg und hing zwanzig von ihnen an den Galgen. In Douai wurden zwölf Bauern gehängt; in Lyon bekämpfte die Bürgerschaft die Bauern, tötete 80 und machte 60 Gefangene. Der Obervogt des Dauphiné durchzog das ganze Land und ließ die aufständischen Bauern hängen (Buchez et Roux, II, 244). In der Provinz Rouergue rief die Stadt Milhaud die benachbarten Städte zu Hilfe und forderte sie auf, sich ›gegen die Räuber und die, die sich weigern, die Abgaben zu zahlen‹, zu bewaffnen (Courrier parisien, Sitzung vom 19. August 1789, S. 1729).

Kurz, man sieht an diesen wenigen Tatsachen, deren Zahl ich leicht vergrößern könnte, daß da, wo die Bauernbewegung am heftigsten war, das Bürgertum sich daran machte, sie zu unterdrücken; und es hätte darin ohne Zweifel großen Erfolg gehabt, wenn die Nachrichten, die nach der Nacht des 4. August aus Paris kamen, dem Ausstand nicht neue Kräfte gegeben hätten.

Die Bauernerhebung wird, wie es scheint, im September und Oktober, vielleicht wegen der Feldarbeiten, schwächer; aber im Januar 1790 hatte, wie wir aus dem Bericht des Feudalrechtsausschusses ersehen, die Jacquerie sich wieder tüchtig erholt, wahrscheinlich im Zusammenhang mit eingeforderten Zahlungen. Die Bauern wollten sich der Unterscheidung, die die Nationalversammlung zwischen den Lasten, die an das Grundstück geknüpft waren, und den persönlichen Verpflichtungen gemacht hatte, nicht fügen, und sie erhoben sich, um gar nichts mehr zu zahlen.

Wir kommen auf diesen wichtigen Gegenstand in einem der nächsten Kapitel zurück.


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