Timm Kröger
Eine stille Welt - Novellen
Timm Kröger

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Anna und Elsa und deren Kinder

Eine Schweinegeschichte

l

Rasche Winde, auf der Reise von England nach Gotland, summen für und für über Klaus Riepers Hofstelle. Schweinestalle und Rinnsteine und Dunggruben riechen nicht nach Rosen, aber daraus macht man sich nichts, das ist nun mal mit Ställen vermacht. Eine ganze Reihe von Türen und Luken. Dahinten schlafen die Borstenträger, die Rüsseltiere, die Speckbringer, die »Feck, Feck«, die Franzosen. »Oui« können sie sagen und »neuf« und, wie sies machen, klingt beides dumpf und schwer. Aber wenn man sie beim Ohr faßt, dann singen sie, dann kommt reine Klangfülle aus runden, fetten Kehlen.

Rauchende Leute sind gute Leute; Klaus Rieper in seiner Stube rauchte, Klaus Rieper war guter Gesinnung. Schane aber, seine Frau, schälte Kartoffeln und führte eine scharfe Klinge. Den runden Dingern schälte sie freilich nur die Haut herunter, ihre Freundin jedoch, Nachbarin Stine Klasen, mußte Haut und Ehre und Ansehen und Reputation in der blauen Küchenschürze lassen.

Was die sich wohl einbilde! Prahle im Dorf herum und tue, wie eine Gräfin und sei doch auf einer Art Schlachterkarren gekommen. Packenträger sei ihr Vater gewesen und zugewandert – woher? wisse kein Mensch. Nach ihrem Tatergesicht vielleicht daher, wo die Mausefallkerle wohnen. Nun, dafür könne sie ja nicht, und davon sei denn auch nicht zu reden. Aber von wegen des Prahlens, da solle sies noch mal ordentlich haben. »Dat ol gele Minsch!« So redete die blonde, wohlgenährte Frau; Kartoffeln, die zu groß waren und sich deshalb nicht gut kochten, schnitt sie halb durch, und Keimaugen bohrte sie mitleidslos mit ihrem Mordwerkzeug aus.

Der rauchende Klaus Rieper sagte: »Lat ehr, Schane! Se hett dor jo Lust to, un uns schadt dat ni.– Awer nu komm man mal mit nan Swinsstall, wie wüllt sehn, ob 't bald Farken givt.«

Rauhes Märzwetter stieß noch immer, wo die Schweine wohnten, gegen Tür und Luke, aber im Stall selbst war es warm. Es war ein großer Raum mit vielen Verschlägen. Links die Stallungen für Hornvieh, rechts die für Schweine. In den beiden am Westende lag je eine Schweinemutter, die ihrer Stunde, nicht des Abgestochenwerdens, sondern der Niederkunft entgegensah. Klaus ging mit Schane die Reihe längs und sagte, als sie vor den Wochenbettsställen standen: »Ik bün nieschieri, wakeen toeerst kommt, un woveel se bringt.«

Die Schweinemütter kümmerten sich nicht um ihren Herrn; ihr Frühstück hatten sie, nun lagen sie hoch oben an Trog und Wand im weichen Stroh und grunzten und schnarchten und ließen sichs wohl sein.

Der Bauer liebte seine Schweine, er hatte ihnen Namen gegeben, Else und Anna hatte er sie genannt. Else, jetzt etwas angeschmuddelt, war in ihrer Jugend ganz weiß und blond gewesen, wie die von Brabant. Anna hatte immer einen dunkleren Teint gehabt, sah recht schwärzlich aus und zeigte an beiden Hinterschenkeln je einen dunkeln Fleck. »Anna is de smuckste«, sagte der Bauer zu seiner Frau. Aber diese antwortete: »De Speck vun de witten is söter, ik mag se ok leewer liden.«

Am folgenden Tag kam der Bauer nicht in den Stall, aber der Futterknecht rief ihn. Beide Schweinemütter waren dabei, die Zahl der Rüsseltiere des Hofes zu vergrößern.

Und das Geschäft ging glatt vonstatten. Else warf vier, Anna drei junge Ferkel. Es war nicht genug, aber dafür waren die Kinder kreuzfidel und die Mütter den Umständen nach wohl. Elses Kinder alle zart und weiß wie Federdaunen, Annas hatten dunklere Schatten, eines sogar schwarze Flecken am Hinterteil. Aber Lebenslust zeigten die weißen wie die dunklen, nach wenig Tagen schon kannte jedes Ding den Milchzitz, auf den es Anspruch hatte, sog auch mit der den Schweinekindern eigentümlichen Inbrunst daran. Das Schmatzen hörte man noch dort, wo das Jungvieh schmauchend verdaute und widerkaute.

Alle Ferkel haben, wie ich Unkundigen, wenn es solche geben sollte, mitteile, heitere, wie Pfropfenzieher gewundene Ringelschwänzchen. Bei Annas Scheckigen war er ganz besonders gelungen: lang, zart, geschmeidig und doch stark, mit kräftigem Bogen, am Ende ein reizendes Haarbüschelchen.

Anna war stolz darauf. In der die Ställe trennenden Bohlenwand war eine Ritze. Durch diese Ritze unterhielt sie sich mit Else (den Menschen klangs wie Grunzen, es war aber hochfeine Schweinesprache) und suchte sich herauszureden, daß sie nur drei Junge habe. Und das mache gar nichts, sagte sie. Ihre Kinder seien so hübsch und süß, wie es noch keine gegeben habe. Eines sei sogar ein Bunter. Und ein Schwänzchen habe es, das übertreffe schier alles.

Else antwortete etwas empfindlich. Auch ihre Kinder seien nicht von Pappe. Weiß die Haut und blond das Haar, rosenrot die kleinen Schnuten und blau die Augen. Und der Jüngste ... nun, es frage sich noch, wer von allen sieben das hübscheste Schwänzchen habe.

Die Mütter ereiferten sich, die Kinder mußten vor der Ritze Parademarsch machen und die Schwänzchen kräuseln – der Streit blieb unentschieden. Man werde ja sehen, wenn der Bauer zum ersten Sonnenschweinebad austreibe.

Aber die Reihe der durchreisenden Winde riß gar nicht ab; das Wetter blieb rauh, Else und Anna waren damit zufrieden und grunzten vergnügt im Stall.

Zur Futterstunde wurde die Gesellschaft munter, sonst verschliefen sie einen großen Teil des Tages im gelben Stroh. Es kamen aber auch Stunden, wo die Mütter wachten und aus ihrem Leben erzählten.

Else war auf dem Hof groß geworden, sie erzählte von ihren Geschwistern. Viele waren auf eigene Weise abhanden gekommen, mehrfach in Verbindung mit dem Erscheinen eines freundlichen Mannes in weißer Schürze. Männer in weißen Schürzen holen, so glaubt man in Schweinekreisen, die ab, die zu Sängern ausgebildet werden sollen. Sie, Else, habe auch wohl Lust gehabt und auch Stimme, sei aber doch geblieben, was sie war. Beneidet aber habe sie drei von ihren Geschwistern; die seien auf hohen Wagen davongefahren ... jawohl, von Haus und Hof gefahren, hinaus in die weite Welt!

Die alte Sau war ganz begeistert. »Mir ist es nicht beschieden gewesen. Aber euch, meine Kinder, sollen günstigere Sterne scheinen.« Die Sprecherin hob, in Wallung gekommen, den Kopf und schlug sich die Behänge um die Backen. »Hinauf auf den Wagen, das sei euer Ziel! Man wird an Schwanz und Ohren gehobenen, ein bißchen weh tut es. Das mag wahr sein, dafür schreit man. Das hat nichts zu bedeuten. Was will das bedeuten, wenn man in die Welt hinausfährt?«

»Kinder,« erzahlte Anna in dem andern Verschlag, »ich bin eine rechtschaffene Sau. Die nebenan bildet sich ein, auch eine zu sein. Und eine Sau ist sie, das soll ihr nicht bestritten werden, aber mit mir an einem Tage gar nicht zu nennen. Seht mich an! Ich bin dunkel angehaucht und am Hinterteil habe ich zwei kleine Flecke. Ich bin eine schöne Sau, aber die ... blond und charakterlos von oben bis unten, blond und charakterlos, alle ihre Kinder. Was seid ihr dagegen für süße Geschöpfe! – Ich habe euch lieb«, schloß Anna, sie erhob sich mühsam und grunzend. Die treuen Mutteraugen waren von den nach vorne fallenden Ohrlappen etwas verhängt, aber welche Seele wohnte in diesem verschleierten Blick! Sie sah ihre Kinder mit quellender Zärtlichkeit an: »Ich bin euch gut, Kinder!« wiederholte sie, grunzte und legte sich nieder.

Ihr Atem ging regelmäßig und ruhig, als ob sie schlafe. Aber sie schlief nicht, ihr Kopf kam wieder ein wenig hoch, und sie hub wieder zu reden an: »Hat die (ich meine die da drüben) hat die was erlebt? Nichts hat sie erlebt. In diesem Stall ist sie geboren und daraus kaum herausgekommen. Aber ich, ich habe in einer anderen Gegend die Luft eines anderen Stalles geatmet. Ich bin in einem Haus zur Welt gekommen, das weit weg ist. Genau kann ich nicht sagen, wie weit, aber es ist sehr weit. Als junges Schweinekind bin ich in einen Sack gesteckt worden. Jawohl, in einen Sack! Ja, du mein Wickelschwänzchen, merk dirs! Deine Mutter ist in einen Sack gesteckt worden. Denn das passiert nur ganz ausgezeichneten Ferkeln. Im Sack war es dunkel, und bequem lag ich auch nicht. Gequiekt habe ich den ganzen Weg. Das machte mir aber nichts aus, eine Ehre war es für eure Mutter. Mütter können ihre Kinder nicht immer bei sich behalten; es wird mir ein großer Schmerz sein, euch wegzugeben. Meine arme Mama hats auch erfahren müssen. Aber es kommt nicht auf die Mütter, auf euer Wohl kommt es an. Möchtet ihr alle in den Sack kommen! Das ist mein Wunsch.«

Klaus Rieper schlarrte just den Schweinesteig herauf. Die letzten Worte hatte er noch gehört, aber nicht verstanden, er hielts für gewöhnliches Grunzen. Da kam auch Schane, und beider Gesichter sahen in die Ställe.

Else und ihre Kinder und Anna und ihre Kinder wurden aufgestört und mußten Paradeschritt machen. Klaus war selbst in den Stall gestiegen und hatte die Alten roh mit dem Fuß in die Flanken gestoßen. Nun stand er wieder im Steig vor dem Verschlag und musterte die Schweinemütter.

»De ward to old, Schane, dat's keen Geschäft. Wenn de Farken vun Titt sünd, wüllt wi s' massen, un ton Winter ward s' inslacht.«

»Ja«, entgegnete Schane, »dat's wullt das best. Betjn vel dicken Speck. Awer vun dicke Blöck kann man afsniden, un blivt na ümmer wat na.«

»Hest recht, Fru!«

»Ja, Klas, un wenn wi denn twe vun de Farken fett makt un slacht, un twe vun de günt Siet (du weets, vun vergangn Jahr) denn hebbt wi so vel, as wi brukt. De annern fief verköpt wi. Wi slacht awer vun de witten, de smeckt beter.«

»So schallt warrn. Awer twe kriggt Kassen Wewer un Hinrich Tank as Puttfarken, se hebbt mi dorüm angahn. In veer Weken künnt se s' in Sack mitnehm.«

So standen Bauer und Bäuerin vor der blonden Else Stall. Klaus hatte den Müttern ein frisches Bund Stroh geschüttet. Else lag darin an der Wand und grunzte, die Kleinen aber spielten in den gelben Halmen, verkrochen sich, kamen wieder hervor, ließen ihre Ringelschwänzchen spielen, tollten und quiekten, machten viel Unsinn und sahen etwas dreist und etwas dumm und neugierig und ein bißchen unverschämt die Bäuerin an. Die nahm es aber nicht übel, fing vielmehr auch an, zu kosen und zu scherzen, quiekte auch, so gut sie konnte, und machte Feck, Feck. Aber in Gedanken salzte sie dabei die zarten, weißen Brüste ihrer Lieblinge ein und füllte Schwarzsauertöpfe mit deren Blut. Es war eine falsche, blutdürstige Schane, die in den Schweinestall guckte.

 

Endlich trieb Klaus Rieper Säue und Ferkel in die Sonne. Warm und groß und gelb stand sie (die Sonne) am Himmel, die Obstgärten, nebenan bildeten ein einziges Dach von Blüten. Die kleinen Schweine hatten es noch niemals gesehen, die Alten hatten es vergessen. So war es allen zusammen neu. Zwei große, eben konfirmierte Knaben (Schanes Peter und der gelben Stine Hein) liefen als Hüter mit den Ferkeln um die Wette voran, die Schweinemütter folgten bedächtig Schulter an Schulter dem Trupp langsam nach.

Und hinter den Schweinemüttern kamen noch zwei Mütter: Schane Rieper und Stine Klasen. Stine war bei Schane zum Besuch, Schweineaustreiben machte ihr Spaß, deshalb ging sie mit ihrer Freundin hinterdrein. Die Schweinemütter rieben ihre Nasen an jedem Pflasterstein, die Menschenmütter an ihrer Schürze. Die Schweinemütter grunzten sich einander was zu, und die Menschenmütter taten es auch und unterhielten sich. Der Schweinemütter fette schlenkrige Körper wackelten hin und her, und so war es auch bei Schane und Stine.

Stine prahlte von ihrem Hein, was das für ein Wunderkind sei, daß er zum Pastor auf Stunden komme und auf den Postmeister studieren wolle. Mit Peter sei es ja was anderes, da tue Schane ganz recht, ihn beim Bauern zu lassen. »Schane, ik segg, jedvereen na sin Gaben, man mutt de Kinner so bruken, as de leewe Gott fe givt.«

Stines Hochmut machte Schane geradezu übel. Sie wollte es dem gelen Tater geben, wie sichs gehörte, fand aber nicht die Worte. Über eine kleine, nette Bosheit brachte sie es nicht hinaus. »Ja, Stine«, sagte sie, »un denn kommt darup an, wo de Ümstänn sünd, ob man nödi hett, sin Sohn studeern to laten.«

Die kleine Herde watschelte aus dem Hecktor, gleich dahinter ging der Weg zum Teich hinab. Es war ein kleiner Teich. Das Gelände fiel, auf der den Müttern gegenüberliegenden Seite wurde das Wasser durch einen tüchtigen Damm zusammengehalten. Wie die Schweinemütter hinuntergingen, standen die beiden Ferkel mit den Ringelschwänzchen (der Scheckige, Annas Sohn, und der Weiße, Elses Junge) auf dem Damm sich gegenüber. Eine kräftige Nachmittagssonne lag auf dem Körperteil, um den die Mütter sich gezankt hatten, auf ihren Schwänzchen. Ein herrlicher Schmuck, das mußte man sagen. Ihr umgewendetes, nur wenig verwaschenes Bild kehrte sich aus dem Wasser den eitlen Schweinemüttern mit einer gewissen Verklärung doppelt schöner her.

»Nein, Else«, fing Anna an, »sieh doch mal hin! Ich meine unsere beiden mit den Schwänzchen. Das mußt du doch sagen, mein Schecke ist viel hübscher, und die Ringelschwänzchen sind gar nicht miteinander zu vergleichen. O, was ist das für ein süßes Ferkelchen!«

Aber Else verteidigte ihre Brut. »Das tut wohl die Mutterliebe, teure Anna! Ich kann es wirklich und wahrhaftig nicht finden, daß dein Kleiner (er ist ja ganz niedlich) hübscher ist, als meiner. Und das Ringelschwänzchen meines Jungen gefällt mir nun erst gar besser. Wie die Windungen scheinbar zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren, dann aber durch kühne Bohrbewegungen ins Weite führen. Das hat Schwung!«

»Ja, Else«, entgegnete Anna, »zu viel Schwung! Wenn er nur nichts davon verliert.«

Hein und Peter standen am Teich und disputierten. »Pflügen tu ich keine Furche«, erklärte Hein, »und mähen erst recht nicht. Ik warr Postmeister.«

»Dat is ok wat rechs«, schalt Peter, »Postmeister is gar nix, awer in de Ballrotswisch gans rüm 'n Swatt meien, dat is wat!«

Die beiden Ringelschwänze, der Scheckige und der Weiße, noch immer auf dem Damm, stritten auch. Aber es ging leise, ganz leise quiekend ab, wie mans von artigen Ferkeln verlangen kann. Des einen Ideal war, bei Schwanz und Ohr auf den Wagen gehoben zu werden und davon zu fahren, des andern, in einem Sack weggetragen zu werden.

2

Was man in der Jugend begehrt, hat man im Alter die Fülle. Das ist der Trost, der unsern jungen, die Schranken ihres Könnens und Dürfens so schmerzlich empfindenden Menschenkindern mit auf den Weg gegeben wird, es ist aber auch die ihnen und uns Alten vorgehaltene Notwendigkeit seelischen Verzichts auf restlose Erfüllung. Zuweilen wird die Erfüllung kaum noch gewünscht, wenn sie schließlich einkehrt. In der Regel läßt sie sich kahl und schal und abgeblaßt an.

Was man in der Jugend begehrt, hat man im Alter die Fülle. Und da ist es bei Menschenkindern doch noch anders als bei Anna und Else und deren Kindern. Wir Menschen können doch wenigstens die Klinke zu der Tür in die Hand nehmen, wohinter wir unserer Wünsche Ziel vermuten. Schweine aber können das nicht, die müssen einfach warten ... darauf warten, was ihnen beschert wird. Und sie tun es auch als echte Fatalisten, schnarchend und grunzend, grunzend im gelben Stroh tun sies und träumen und warten, was da wohl kommt: Der Mann mit der weißen Schürze? Oder der Sack, in den sie gesteckt werden? Vielleicht gar der Wagen auf dem sie in die weite Welt fahren?

Kassen Weber und Hinrich Tank hatten ihre Puttfarken erhalten, einige Schweinchen waren von dem Schürzenmann zur Gesangsakademie berufen worden, die beiden Wickelschwänzchen und ihre Mütter und ein Töchterchen der blonden Else waren noch zu Hause.

Als es Winter geworden, als Schnee gefallen, Frost gekommen war, als die Landstraße den schönsten Knüppeldamm hergab, da legte Klaus Rieper die Schweinetralle auf einen roten Leiterwagen, ließ ihn in den Koben schieben, die Wickelschwänze hinaufheben, und fuhr dann selbst mit ihnen zur Stadt.

So war der Blonde am Ziel der von ihm für und für im gelben Stroh geträumten Hoffnungen.

Während der Fahrt kümmerten er und sein schwärzlicher Kollege sich nicht umeinander. Was war aber auch aus den schlanken Kindern, die auf dem Teichdamm ihre Ideale ausgetauscht hatten, geworden und was aus ihrem Schmuck? Die Weichheit der Büschel, der Schwung war dahin, die Schwänzchen kräuselten sich nur noch wie ausgestoßene, verhungerte, ins Ungemessene gewachsene Trichinen vor der Fettschicht prächtiger Schweineschinken. Die Schweinchen waren nicht mehr so quietschvergnügt, sie waren ernst, beinahe mürrisch geworden, sie waren kurzatmig, dick, fett und aufgedunsen. Das mußte einen Grund haben und hatte auch einen. Ich klage hiermit Schane Rieper an, die unnatürliche Fettsucht vorsätzlich durch überstürzte Fütterung herbeigeführt zu haben.

Beide waren froh, als die Fahrt ein Ende hatte. In einem Koben wurden sie abgeladen, da kamen Leute, die sie kniffen und befühlten, sie mußten über eine Waage gehen, sie erhielten ein Zeichen und eine Nummer und kamen endlich in einen heißen, stänkerigen, nach Wasserdampf und Schweineborsten riechenden Raum.

Dort beschnüffelten sie sich und hielten dann ihre Nase eine Weile nachdenklich und kraus nach oben. Die Nase erzählte ihnen Heimatsgerüche und längst, ach wie lange schon, vergrabene Geschichten von Gras und Klee und Sonnenschein, von Wärme, Blütenduft und Vogelsang und von dem blanken Wasserspiegel eines Teiches.

»Haben wir uns nicht mal gesehen?« fragte der Scheckige.

»Es kommt mir so vor«, war die Antwort.

»Nicht wahr, beim Teich?«

»Das ist wohl so. Und nun ... ?«

»Ja ... nun ... ?«

Weiter kamen sie nicht. Der Boden wich unter ihren Füßen, sie verschwanden in einer Versenkung.

 

Von den Ringelschwanzschweinejünglingen ist niemals wieder Kunde geworden. Klaus Rieper war ganz unbekümmert um das Schicksal seiner Lieblinge. Er hatte, als er nach Hause fuhr, zehn Mark mehr in der Tasche, als er sich ausgerechnet hatte. Das machte ihn gut gelaunt.

Der Hausschlachter der Gegend saß mit auf. Morgen geht es den Müttern an die Kehle, übermorgen den Schweinchen von Kassen Weber und Hinrich Tank. Elses blonde Tochter, die junge Frau Katrin, blieb dann allein im heimischen Stall zurück. Sie war von Klaus und Schane für Mutterfreuden ausersehen, auch schon guter Hoffnung. Klaus war neugierig, wieviel sie bringen werde, und ob es ein Geschäft sei, sie länger als Sau liegen zu lassen.

»Wat kost de Speck?« fragte ein junger Bursche, der auch mitfuhr und tapfer rauchte.

Das war Hein Klasen; er war durchs Postexamen gefallen und reiste nach seinem Dorf zurück. Vom Studieren wollte er nichts mehr wissen, er wollte Bauer werden und nichts anderes. Er war voll Eifer und sprach den ganzen Weg von Landwirtschaft.

»Wat kost hunnert Pund rein Speck?« fragte er.


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