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V.

»Wo des Weltherrn Zepter dem Inquisitor
Schürte den Holzstoß.«

Platen.

Torquemadas Nachfolger (1498) in der Würde eines Großinquisitors, der Dominikaner Diego Deza, erhielt die päpstliche Bestätigung zwar, jedoch nur über Kastilien. Der glaubenswütige Dominikaner wußte indes auch die Verleihung der ganzen Gewalt seines Amtsvorgängers vom Heiligen Vater zu erlangen.

Um der Tätigkeit der Inquisition neuen Aufschwung zu verleihen, erließ er bald neue Verordnungen, u. a. solche, welche sich auf Einziehung der Ketzergüter, diesen für den König wichtigsten Punkt, bezogen. Auch schlug er demselben vor, die Inquisition nach dem neuen System in Sizilien und Neapel einzuführen, wodurch sie der bisherigen geringen Abhängigkeit von Rom entzogen und ganz dem nur unter dem König stehenden Generalinquisitoriat von Spanien unterworfen werden mußte, auf welchen Vorschlag der Monarch natürlich gern einging.

In Sizilien fand man aber so heftigen Widerstand, daß es drei Jahre langen militärischen Einschreitens bedurfte, bevor die Inquisition Boden faßte, und auch später zeigten sich im Volke dort vielfach drohende Bewegungen gegen das fremdländische Institut brutaler Willkürherrschaft. Noch hartnäckiger bekämpften die Neapolitaner die Einführung der spanischen Inquisition; zuletzt beschränkte sich Ferdinand in Neapel auf die Vertreibung der Marranos.

Am 12. Februar 1502 erschien auf Diego de Dezas Veranlassung ein königlicher Befehl, welcher die Mauren von Kastilien und Leon denen von Granada gleichstellte und auch ihnen die Annahme der Taufe oder Auswandrung befahl. Auch wurde auf Rat des Großinquisitors die Inquisition in Granada eingeführt. Die furchtbare Strenge gegen die Moriskos trieb diese zu einem Aufstand, infolgedessen und des Auswanderungsbefehls Spanien wieder Tausende edler, reicher und betriebsamer Bewohner den Rücken kehrten. Gleichzeitig vertrieb man eine große Zahl fremder Juden, welche sich während ihres Aufenthalts in Spanien das Christentum nicht aufzwingen lassen wollten.

Ferdinand erweiterte den Wirkungskreis der Inquisition unausgesetzt, und man dehnte sie jetzt auch auf Wucher und Sodomiterei (widernatürliche Unzucht) aus.

Grausamer noch als Deza hauste der Inquisitor Lucero in Kordova.

Ein Stern der Hoffnung schien allen Unterdrückten aufzugehen, als Ferdinands Schwiegersohn und Sohn Kaiser Maximilians I., Philipp, den Thron von Kastilien bestieg, der auch wirklich den Generalinquisitor Deza und den Inquisitor Lucero ihrer Ämter entsetzte. Allein schon am 25. Sept. 1506, drei Monate nach seiner Thronbesteigung, starb Philipp I., und sogleich begann Deza sein früheres Treiben wieder. Gegen Lucero erhob sich das Volk in Kordova, erstürmte die Kerker der Inquisition und befreite die Gefangenen. Nur mit genauer Not konnte sich der Bluthund Lucero retten. Ferdinand V., der rasch die Regentschaft übernahm, suchte die Ruhe wiederherzustellen, aber Deza legte besorgt sein Amt nieder, und an seine Stelle trat Franz Ximenes de Cisneros, ein geistreicher Staatsmann, der die Verhältnisse in der größten Verwirrung vorfand, sie aber zu lösen suchte.

Mit Bewilligung des Königs richtete er eine aus zweiundzwanzig Personen bestehende Junta ein, welche mit Erledigung aller durch Lucero in Kordova eingeleiteten Prozesse betraut wurde. Diese Junta, die sogenannte »katholische Kongregation«, hielt 1508 zu Burgos ihre erste Sitzung und entließ nach einigen Monaten die noch in Haft befindlichen Angeklagten, stellte die Verstorbenen, wegen Ketzerei Beschuldigten in ihren Ehren wieder her und ließ die niedergerissenen Häuser derselben wiederaufbauen. Dieses Edikt, welches das Volk freudig erregte, wurde zu Valladolid veröffentlicht. Auch verordnete Ximenes, daß die bei der Inquisition angestellten Beamten in bezug auf ihr sittliches Benehmen zu den weiblichen Inquisitionsgefangenen unter strenge Aufsicht gestellt wurden. Im übrigen führte Ximenes die Inquisition auch auf den Kanarischen Inseln und in Cuenca ein und widerstand dem allgemeinen Wunsche des Volkes nach einer durchgreifenden Verbesserung der Inquisition.

Ganz besonders erregte die maßlose Schreckensherrschaft des heiligen Gerichts die gerechte Erbitterung der auf ihre Landesprivilegien stolzen Aragonier, die mit achtungswertem Mute dem Despotismus entgegentraten. Ihre Haltung wurde eine so drohende, daß sich Ferdinand V. im Jahre 1510 genötigt sah, die Cortes zu berufen, um die Beschwerden gegen die Ausschreitungen des Inquisitionspersonals entgegenzunehmen. Die Cortes bestanden fest auf Haltung der vom Monarchen beschworenen Landesgesetze und drangen auf Einführung der Öffentlichkeit der Inquisitionsprozesse. Der König gab ausweichende Antworten, mußte aber bei einer zweiten Versammlung derselben im Jahre 1512 ihre Beschlüsse annehmen, welche in Form eines Vertrages zwischen König und Volk und in fünfundzwanzig Artikeln abgefaßt die Beschränkung der Gerichtsbarkeit der Inquisitoren und die Verminderung ihrer angemaßten Vorrechte bedingten; von der Forderung der Öffentlichkeit standen die Aragonier zu ihrem großen Schaden jedoch törichterweise ab. Der König hatte nur unter dem Druck der Verhältnisse nachgegeben und zeigte bald sein wahres Gesicht. Er ließ sich vom Papste seines gegebenen Eides entbinden, und nun war die Inquisition sofort wieder in alter mörderischer Weise in Betrieb. Ein Schrei der Entrüstung ging durchs Land, und der Aufstand wurde so drohend, daß Ferdinand auf die päpstliche Eidesentbindung verzichtete und beim Heiligen Vater sogar die Ungültigkeitserklärung der Cortesbeschlüsse erwirkte.

Mittlerweile hatten die zum Christentum übergetretenen Mauren und Juden in Kastilien dem König zur Bestreitung des Krieges gegen Navarra 600 000 Dukaten angeboten unter der Bedingung, daß er durch ein Staatsgrundgesetz die Öffentlichkeit im Inquisitionsprozeß einführe. Ein gleiches Anerbieten wurde seinem Enkel Karl von Österreich, dem nachmaligen Kaiser Karl V. gemacht; Ximenes wußte jedoch beide Male die Könige zu bewegen, die Angebote abzulehnen. Die Bereitwilligkeit Ferdinands im ersteren Falle war auch nur Trug gewesen; denn gerade durch die Heimlichkeit und das Spioniersystem erhielt sich das für Ferdinands Krone so wichtige geistliche Polizeiinstitut. Kurz nach Ferdinands Tode (1517) starb auch Ximenes. Sein Nachfolger König Karl I. (Kaiser Karl V.) hatte in bezug auf Aragonien und Katalonien die Erhaltung der Landesprivilegien feierlich versprochen und mit den Cortes einen Vertrag abgeschlossen, nach welchem in Inquisitionsangelegenheiten alles nach den heiligen canones und den Verfügungen des päpstlichen Stuhles entschieden werden sollte. Die Nation gab sich nun großen Hoffnungen hin, täuschte sich aber bitter; denn bald stellte sich heraus, daß der König sowohl wie die Inquisition auf die Unterdrückung der Selbständigkeit und Freiheit des Volkes hinarbeiteten. Beispielsweise ließ die Inquisition zu Saragossa unter einem nichtigen Vorwande den Sekretär von Aragonien verhaften und Karl die Cortes auflösen, unbekümmert darum, daß ihm dieselben bewiesen, daß er dazu gar kein Recht habe, und sie die Steuern verweigerten. Durch den Papst aber wurde er in diesem unsauberen Handel diesmal in die Enge getrieben. Papst Leo X. suchte die Inquisition dem König zu entwinden und befahl, die Inquisitoren sollten von ihren Ämtern zurücktreten und das Tribunal des heiligen Gerichts sollte mit Domherren besetzt werden, welche die Bischöfe und Kapitel vorzuschlagen das Recht hätten. Das paßte aber den Inquisitoren durchaus nicht in den Kram, und frech verweigerten sie der Verordnung des Heiligen Vaters den Gehorsam. In dieser Verlegenheit schickte der König eine außerordentliche Gesandtschaft an Leo X., die die Zurücknahme der päpstlichen Verfügung erwirkte. Die Aragonier führten ihre Angelegenheit beim päpstlichen Stuhle aber auch noch fort, und gerade die Geistlichkeit, namentlich der Bischof von Zamora, stand an der Spitze der Bewegung gegen die Inquisition. Auf des Königs Veranlassung gestattete der Heilige Vater die Verfolgung der aufsässigen Geistlichen, allerdings unter der Bedingung, daß keine andere Strafe als Exkommunikation gegen sie verhängt werden dürfe. Daran kehrte sich aber Karl nicht. Sein Hofrichter verurteilte den Bischof von Zamora zum Tode, und der König ließ das Urteil auch vollstrecken. Man sieht, das Staatsinteresse war jetzt die Hauptsache geworden, und die Inquisition die vorzüglichste Stütze des Thrones. Großinquisitor war damals (nach Ximenes' Tode bis zum Jahre 1522) der Kardinal Adrian Florencio, welcher mit dem unseligen Institut auch Indien und Ozeanien heimsuchte und diesen Fluch der Christenheit auf bisher glückliche Völker ausdehnte. Und dieser Großinquisitor avancierte nach Leos X. Tode sogar selbst zum Papst und übertrug bei Besteigung des päpstlichen Stuhls die Großinquisitorwürde dem Erzbischof von Sevilla, Alfonso Manriquez.

Leider trug in Spanien die damals in Deutschland zum Heil der Christenheit entstandene Reformation gerade wesentlich zur Verschärfung der Inquisition bei, und nun befürchtete auch der päpstliche Stuhl die Verbreitung der lutherischen Lehre in Südeuropa. Angesichts dieser Gefahr gab er seinen langen geheimen und offenen Widerstand gegen die spanische Krone in bezug auf die Inquisition auf und die Spanier der Willkürherrschaft preis. Es war ein Akt der Selbsterhaltung; denn nichts Geringeres stand auf dem Spiele als das Papsttum selbst.

Zur Verschärfung der spanischen Inquisition gaben damals die gerade sich entfaltenden neuen Bewegungen der Moriskos Veranlassung.

Manriquez, der zu jener Zeit jeden Christen verpflichtete, binnen sechs Tagen alles dem römischen Stuhl Zuwiderlaufende dem heiligen Gericht zur Anzeige zu bringen, benahm sich zwar gegen die Moriskos so milde, als es ihm seine Stellung irgend gestattete, aber zu ihrem Unglück brach um diese Zeit gerade ein Bürgerkrieg zwischen Valencia und Kastilien aus, an welchem sie sich beteiligten. Darüber aufgebracht, ließ Karl V. das Edikt vom Jahre 1502 gegen sie in Anwendung bringen und stellte durch königlichen Befehl von 1525 allen Mauren in Valencia, Kastilien und Aragonien anheim, entweder das Christentum anzunehmen oder auszuwandern. Diese flüchteten jetzt zum großen Teil in die Gebirge und leisteten des Königs Truppen so hartnäckige Gegenwehr, daß Karl auf etliche Bedingungen einging, unter welchen sie allein sich unterwerfen wollten, wie: sie von der Inquisition unbehelligt, ihnen die Sprache und Tracht zu lassen und zu keinen höheren Abgaben heranzuziehen, als die christliche Bevölkerung. Nach Annahme dieser Bedingungen seitens des Königs ließen sich die Mauren taufen; indes auch von ihnen kehrten die meisten sehr bald zum Glauben ihrer Väter zurück. Durch diese Abtrünnigkeit verfielen sie der Inquisition, welche schonungslos gegen sie wütete, und ihre förmliche Ausrottung begann; glücklich waren diejenigen zu preisen, welchen die Flucht nach Afrika gelang.

Die Furcht vor dem Eindringen der Reformation in Spanien richtete um diese Zeit die Aufmerksamkeit der Inquisition namentlich auf das Bücherwesen, und der Rat der Suprema ließ sämtliche Bibliotheken nach Reformationsschriften durchsuchen und verpflichtete die Katholiken aufs strengste, jedermann, der solche Bücher besaß oder gelesen hatte, anzuzeigen. Karl V. ließ im Jahre 1539 sogar ein Verzeichnis gefährlicher Bücher veröffentlichen, und unter Androhung von Todesstrafe wurde der Besitz und das Lesen der Schriften des Erzketzers Luther untersagt. Man ging noch weiter und wies jeden Katholiken an, der Inquisition alle Personen anzugeben, von welchen man Äußerungen vernommen hatte, die nach Luthers Lehrsätzen hinneigten, und damit wurde dem niederträchtigsten Denunziantentum Tür und Tor geöffnet. So konnte es nicht ausbleiben, daß bei einer solchen Ausdehnung der Wirksamkeit der Inquisition viele ausgezeichnete Männer durch ihre Gelehrsamkeit den dummen Inquisitoren verdächtig erschienen, auch wohl aus Neid und Privathaß in böse Prozesse verwickelt wurden, wie der gelehrte Benediktiner Virues, ein Liebling Karls.

Karl V., damals selbst besorgt, daß ihm die Macht der Inquisition übers Haupt wachsen könnte, enthob den Großinquisitor Manriquez seiner Würde und befahl ihm, sich in sein Erzbistum Sevilla zurückzuziehen. Außerdem nahm er dem heiligen Gericht im Jahre 153Z5 die königliche Jurisdiktion ab, welches Verhältnis zehn Jahre währte. Nachdem Manriquez zu Sevilla im Jahre 1538 gestorben, ernannte Karl den Erzbischof zu Toledo, Juan Pardo de Tabera, zum Großinquisitor, den aber Papst Paul III. erst nach einem Jahre bestätigte, während dieser Zeit verbot der König den Inquisitoren in Amerika die Verfolgung der Indianer.

Am 27. September 1540 bestätigte der Papst durch die Bulle » Regimini militantis ecclesiae« den durch Ignaz Loyola gestifteten Jesuitenorden, dessen spanische Mitglieder aber bald die Eifersucht der Inquisitoren erregten. Fünf Jahre später, am 1. April 1545, kam eine neue wichtige Gründung, die des Generalinquisitoriats zu Rom, welche aus sechs durch den Papst erwählten Kardinälen, aus zwei Notaren, einem Assessor und mehreren Konsultoren und Qualifikatoren, vielen untergeordneten Dienern und einer Unzahl von Spionen, welche alle große Vorrechte genossen, bestand. Von dieser höchsten Instanz, an deren Spitze der Heilige Vater selbst stand, fand selbstredend keine weitere Berufung statt. Diese päpstliche Congregatio Sancti Officii bedrohte die Unabhängigkeit der spanischen Inquisition, und trotz der päpstlichen Versicherung, daß die letztere in ihren alten Vorrechten dadurch keineswegs gekränkt werden sollte, zeigten sich doch die wahren Absichten des römischen Stuhles sehr bald, indem das Generalinquisitoriat sich des öfteren in die von der spanischen Inquisition erlassenen Gesetze einzugreifen gestattete. Die letztere setzte jedem Eingriff energischen und zähen Widerstand entgegen und weigerte sich geradezu, solchen apostolischen Breves Gehorsam zu leisten, welche den Entscheidungen des Rates der Suprema nicht entsprachen. Damals schon fühlte sich die spanische Inquisition aber auch bereits stark genug, auch dem König Trotz zu bieten. Noch um jene Zeit, als ihr Karl V. die königliche Jurisdiktion entzog, d. i. das Vorrecht, ihre Beamten, Familiaren und sonstige weltlichen Angehörige über nichtgeistliche Vergehen zu richten, verwickelten die Inquisitoren von Barcelona den Vizekönig von Katalonien in einen ärgerlichen Prozeß, lediglich, weil er einen Familiaren, einen Gefängniswärter und den Bedienten eines Großsergeanten des heiligen Gerichts in Untersuchung gezogen hatte, was die Inquisitoren als eine Beleidigung der Inquisition ansahen. Sie verlangten von Karl V. die Bestrafung des Vizekönigs, und nach Zustimmung Karls mußte sich der Vizekönig wirklich zu einem Autodafé stellen, wo er die Absolution von dem Verbrechen der Inquisitionsbeleidigung erhielt, die dadurch mit dem Verbrechen der Majestätsbeleidigung gewissermaßen auf eine Stufe gestellt wurde. Ganz ähnlich erging es dem Vizekönig von Sizilien. –

Unter Taberas Großinquisitoriat erhielt auch die portugiesische Inquisition ihre Organisation, und zwar infolge eines eigentümlichen Betruges. Ein gewisser Juan Parez de Saavedra, welcher ein ganz besonderes Geschick besaß, Handschriften nachzuahmen, hatte sein Talent zur Erwerbung von Reichtümern und falschen Titeln benutzt und zuletzt die Frechheit so weit getrieben, falsche päpstliche Breves anzufertigen. In Gemeinschaft mit einem Jesuiten stellte er eine päpstliche Bulle her, worin er zum Legaten a latere ernannt und beauftragt wurde, die Inquisition in Portugal einzuführen unter der Voraussetzung, daß der König seine Einwilligung dazu gebe. Der schlaue Handschriftenfälscher verschaffte sich glücklich sowohl die Anerkennung der Geistlichkeit, wie die des portugiesischen Hofes. Da entdeckte Tabera plötzlich den Betrug und ließ den falschen Legaten gefangensetzen. Er wurde zu den Galeeren verurteilt; die von ihm eingerichtete Inquisition für Portugal ließ man aber bestehen, weil sie der vielen aus Spanien eingewanderten Juden halber unentbehrlich sei.

Tabera starb im Jahre 1545. An seine Stelle als Großinquisitor trat Karls V. Beichtvater, der Dominikanerprior Garcia de Loaisa, den aber schon im nächsten Jahre der Tod ereilte, während welcher Zeit die Einführung der spanischen Inquisition in Neapel einen Aufstand der dortigen Bevölkerung hervorrief. Papst Paul III. hatte dabei die Hand im Spiele, und das Ergebnis war, daß die päpstliche Inquisition siegte.

Loaisa folgte als Großinquisitor Fernando Valdes, ein nahezu siebzigjähriger Greis, der es besonders auf das Luthertum abgesehen hatte, so daß kein Gelehrter vor dem Argwohn der unwissenden Inquisitoren sicher war. Der Erzbischof von Toledo, Bartholomäus Tarranza, welchen Valdes unversöhnlich haßte, sowie der glaubenseifrige Prediger Dr. Egidius und dessen Lehrer Rodriguez de Valero befanden sich unter der Zahl der Verfolgten. Die fünfundachtzigjährige Frau Maria von Burgund wurde deshalb des Judentums geziehen, weil ein Sklave die Äußerung von ihr gehört haben wollte, »die Christen hätten weder Glauben noch Gesetz«. Fünf volle Jahre ließ man sie im Kerker schmachten, dann mußte die Neunzigjährige die Folter bestehen, der sie erlag. Ihre Leiche und ihr Bild wurden verbrannt. In dieser Weise schaltete der fanatische Greis, der sich beeilte, während der kurzen Spanne Zeit, die ihn noch vom Code trennte, möglichst viele Menschen seinem finsteren Wahn zu opfern.

Kaiser Karl V. hatte es nicht an Bemühungen fehlen lassen, die spanische Inquisition auch in den Niederlanden einzuführen, wo die Reformation schnell Eingang gefunden hatte. Alsbald flammten auch dort die Scheiterhaufen empor, und übermütige Mönche mißbrauchten frech ihre Macht, die Religion des Friedens zu verhöhnen und ein glückliches und reiches Volk knechten zu wollen. Allein die Sache nahm dort einen ganz anderen Ausgang, als die Fanatiker geahnt hatten. Das kräftige und freigesinnte Volk der Niederländer wehrte sich mannhaft, und das heilige Blutgericht vermochte es nicht, in den Niederlanden heimisch zu werden.

Unter Karls V. Regierung kamen einige ganz besonders interessante Prozesse vor, welche so recht den Geist der Zeit widerspiegeln. Unter anderem wurde dem Pfarrer von Bargota in dem Sprengel von Calahorra wegen Zauberei der Prozeß gemacht. Er sollte angeblich in der Zeit von wenigen Minuten die größten Reisen gemacht und mehrere Siege des Kaisers zu derselben Zeit, als sie errungen wurden, in Logrogno und Viana erzählt haben, ohne daß er seinen Aufenthalt verließ, und seine Mitteilungen wurden durch die auf gewöhnlichen Wegen später eingehenden Berichte als wahr bestätigt. Sein dienstbares Teufelchen sollte ihm auch anvertraut haben, daß in einer gewissen Nacht der Papst Alexander VI. durch die Hand eines beleidigten Edelmannes eines gewaltsamen Todes sterben würde. Da hintergeht der gute Pfarrer aus Besorgnis um das Leben des Heiligen Vaters seinen Teufel und läßt sich von demselben unter dem Vorgeben, der Beisetzung des Papstes beiwohnen zu wollen, flugs nach Rom bringen, eilt zum Oberhaupt der Kirche, teilt ihm den Mordanschlag mit und beichtet ihm zugleich, auf welche unchristliche Weise er denselben entdeckt habe. In Anbetracht der ihm geleisteten wichtigen Dienste erteilt ihm der heilige Vater hierauf die Absolution, und auch die Inquisition, die sich lebhaft für die Angelegenheit interessierte, entließ den ehrlichen Pfarrherrn in Gnaden gegen sein Versprechen, künftig nichts mehr mit dem Teufel zu schaffen haben zu wollen.

Ein anderer Prozeß ist der gegen Torralba aus Cuenca. Dieser war in Rom mit einem Dominikaner bekanntgeworden, der auch über einen dienstbaren Geist – aber einen guten – verfügte, der Zequiel hieß, alles Verborgene wußte, sich durch keinen Vertrag binden ließ, sondern alles aus Freundschaft tat. Bruder Peter, der Dominikaner, war so gefällig, seinem Freunde Torralba den Zequiel zu seiner Verfügung anzubieten, und dieser erschien demselben als ein hübscher Jüngling und versicherte ihm, er wolle ihm für die Lebenszeit überallhin folgen. Torralba war fest überzeugt, Zequiel sei ein guter Geist, da er nie über die Kirche sprach und ihm Vorwürfe machte, wenn er einen Fehltritt beging. Torralba, der unter dem Schutze des Kardinals von Volaterra als Arzt in Rom eine hübsche Praxis hatte, kehrte von dort im Jahre 1510 nach Spanien zurück, und daselbst eingetroffen, eröffnete ihm sein Freund Zequiel, daß König Ferdinand V. bald eine unangenehme Neuigkeit erfahren würde. Torralba teilte dies dem Erzbischof Ximenes mit, und wirklich erhielt der König noch an demselben Tage die Nachricht von einer Niederlage seiner Truppen gegen die Mauren. Ximenes hatte gehört, daß der Kardinal von Volaterra Zequiel von Angesicht gesehen und wünschte nun auch dessen persönliche Bekanntschaft zu machen. Trotz der Bitte Torralbas wollte sich der Geist jedoch nicht herbeilassen, beauftragte indessen seinen Freund Ximenes zu sagen, daß er einst noch König würde. Nach manchen anderen Voraussagungen und mehrjährigem Zusammenleben riet Zequiel im Jahre 1525 Torralba, von einem neuen Aufenthalt in Rom nach Spanien zurückzukehren, weil er dort die Stelle eines Leibarztes bei der Infantin erhalten würde. Torralba teilte dies dem Herzog von Bejor und dem Erzbischof von Bari mit, und durch ihre Vermittelung erhielt er im folgenden Jahre wirklich die Leibarztstelle. Während der Belagerung Roms durch die Kaiserlichen sprach Torralba den Wunsch zu Zequiel aus, dies mit anzusehen, und sogleich brachte ihn der gefällige Geist in kaum einer halben Stunde von Spanien nach Rom und in anderthalb Stunden nach Valladolid zurück. Da Torralba sein inniges Verhältnis zu dem Geist nicht geheimhielt, so stand er bald im Rufe eines Zauberers und wanderte deshalb in die Kerker der Inquisition. Er leugnete nicht. Seine Sache kam vor den Rat der Suprema, welche ihn foltern ließ, namentlich, um zu ermitteln, ob Zequiel ein guter oder ein böser Geist sei. Unter der Tortur gestand nun Torralba auf die Frage, ob Zequiel ihm vorhergesagt habe, daß er in die Hände der Inquisition kommen werde, ganz unumwunden: »Der Geist habe ihn allerdings gewarnt, nach Cuença zu gehen, indem ihn dort ein großes Unglück erwarten würde.« Im übrigen blieb er dabei, daß alle seine früheren Aussagen wahr seien, und die Inquisitoren glaubten ihm. Sie absolvierten ihn nach dreijähriger Gefangenschaft unter der Bedingung, daß er die gewöhnliche Abschwörungsformel für Ketzereien ablege, eine Gefängnisstrafe ausstehe, den San Benito so lange, als es der Großinquisitor für gut finden würde, trage und sich verpflichte, sich in keiner Weise mehr mit seinem Freude Zequiel einzulassen. –

Nach Karls V. Abdankung war Philipp II. (1556) Herr sämtlicher zur spanischen Monarchie gehörigen Reiche geworden. Diese Regierung war für die spanische Inquisition überaus günstig, da Philipp II. weit bigotter war als sein Vater und seine übrigen Vorfahren. Im Großinquisitor Valdes fand er das geeignetste Werkzeug, auch die letzten Regungen der Denk- und Glaubensfreiheit in Spanien auszurotten.

Philipp erließ gleich bei Antritt seiner Regierung eine Verfügung, in welcher er dem Angeber den vierten Teil von den Gütern des betreffenden Angeschuldigten, wenn dieser verurteilt wurde, überwies. In einer weiteren Verordnung (1558) verhängte er die Todesstrafe über Kauf, Verkauf und Lesen von verbotenen Büchern.

Sosehr Philipp aber auch die Inquisition begünstigte, sowenig wollte er doch die Stiftung eines neuen militärischen Ordens zu ihren Gunsten, welchen man vorgeschlagen hatte, nämlich des » Ordens der heiligen Maria vom weißen Degen«, dessen Großmeister der Großinquisitor von Spanien sein sollte und dessen Mitglieder bloß aus solchen Spaniern bestehen sollten, unter deren Ahnen sich weder Juden, Mauren, noch Ketzer, noch Christen, die irgendein Strafurteil der Inquisition erduldet hatten, befinden durften. Zweck des geplanten Ordens war, die katholische Religion zu verteidigen, und Juden, Mauren und Ketzer jeder Art von dem Eindringen in Spanien abzuhalten. Fast die ganze spanische Geistlichkeit sowie vierhundert adlige Familien waren für diesen Plan; natürlich billigten ihn auch der Großinquisitor und der Rat der Suprema. Man stellte dem König vor, daß durch die Stiftung des »Ordens vom weißen Degen« der Staat eine sehr beträchtliche und noch dazu kostenlose Verstärkung der Armeen erhalten würde. Philipp II. ging dessenungeachtet nicht auf den Leim. Er liebte es, trotz seines blinden Glaubenseifers, alles eingehend zu prüfen. Deshalb beauftragte er seinen Rat mit Untersuchung des Projektes, wobei ihn ein kastilischer Edelmann darauf aufmerksam machte, wie leicht der »Orden vom weißen Degen« einst selbst die königliche Autorität überflügeln könne, wenn der Großinquisitor, als Großmeister des Ordens, unbeschränkte Macht über die fanatischen Truppen ausübe, wie überaus bedeutend die Macht der Inquisition bereits sei und wie unpolitisch es gehandelt sein würde, dieselbe noch zu vermehren. Das schlug durch. Philipps Furcht vor jeder Beschränkung seiner souveränen Gewalt war erwacht, und er erklärte: »Er habe sich von der Notwendigkeit der Stiftung jenes neuen Ordens nicht überzeugen können.«

Mit Zustimmung des Papstes Pauls V. wurden die inquisitorischen Maßregeln immer mehr verschärft. Unter anderem befahl dieser Papst dem Großinquisitor, alle Lutheraner den weltlichen Gerichten zu überliefern und alle diejenigen Personen, welche verbotene Bücher lasen oder aufbewahrten, unnachsichtlich zu verfolgen. Die Beichtväter mußten ihre Beichtkinder auffordern, zu bekennen, ob sie jemand wüßten, der solche Bücher besitze, sie lese oder anderen zu lesen gebe. Über alles dies mußten sie unter Strafandrohung des schärfsten Kirchenbannes dem heiligen Gericht Anzeige machen; diejenigen Beichtväter, welche es unterlassen hatten, diesem Befehl nachzukommen, wurden ebenso bestraft wie die Schuldigen, selbst wenn ihre Beichtkinder Erzbischöfe, Bischöfe, Kardinäle usw. waren. Diese Maßregeln, hauptsächlich gegen das Luthertum gerichtet, trugen bald die furchtbarsten Früchte, die Autodafés vermehrten sich in ganz ungeheuerlicher Weise und forderten ihre Opfer aus jedem Range und Stande, Alter und Geschlecht.

Papst Paul IV. wurde von den Römern verabscheut, weil er die Inquisition so begünstigte. Der Aufstand bei seinem Tode in Rom, wobei man seine Statue auf dem Kapitol niederriß und die Inquisitionskerker mit Gewalt erbrach, hatte keinen Einfluß auf die Inquisition in Spanien. Unter den damaligen dortigen Opfern befanden sich Gefängniswärter, welche verurteilt worden waren, weil sie einzelnen Gefangenen erlaubt hatten, sich miteinander zu unterhalten und weil sie mehrere davon milder behandelt hatten, als ihre Vorschrift gestattete, ferner öffentliche Dirnen, weil sie geäußert hatten, daß ihr Gewerbe keine Todsünde sei, sodann ein Tuchfabrikant, weil er gegen einen Alkalde der Inquisitionsgefängnisse sich verschworen hatte, außerdem mehrere Personen, welche, nachdem sie aus dem Inquisitionsgefängnisse entlassen waren, die schrecklichen Geheimnisse derselben bekanntgemacht hatten. Es verging kaum ein Jahr, in welchem nicht Autodafés stattfanden, wobei nicht einmal das Völkerrecht respektiert wurde; denn man verbrannte sogar Konsuln fremder Nationen und zog deren Güter ein. Aber trotz aller Gütereinziehungen befanden sich die Finanzen der Inquisition durch schlechte Verwaltung häufig in übler Verfassung, so daß man neue Einnahmequellen ausklügeln mußte, wobei die Last wieder auf die Bischöfe und die Kapitel fiel, wie denn die Inquisition die Macht und den Einfluß der hohen Geistlichkeit im Lande nach Kräften zu schwächen und zu vernichten suchte. Die Bischöfe und Kapitel ihrerseits widersetzten sich jedoch entschieden den Gewaltmaßregeln, welche die Inquisition durch ein päpstliches Breve zu beschönigen sich bemühte. Der Inquisition wie dem König flössen ganz unermeßliche Reichtümer zu, aber es war, als ob der Fluch für die ungerechte Erwerbung auf denselben ruhe; die Tyrannen wurden durch ihre eigenen Diener betrogen!

Auch Philipp II. setzte alles daran, die spanische Inquisition in den Niederlanden vollständig zu organisieren, was endlich dort die Gärung im Volke zum Ausbruch brachte. Das fluchbedeckte Wort »Inquisition« wurde die Losung des allgemeinen Volkskrieges gegen die verhaßte spanische Herrschaft. Selbst Philipps II. Feldherr und Generalstatthalter in den Niederlanden, der finstere, furchtbare Herzog Alba, konnte es weder durch seine große Kriegsmacht noch durch seine entsetzlichen Grausamkeiten und durch die Hinrichtung von 18 000 Ketzern innerhalb sechs Jahren dahin bringen, seines Königs Augapfel, die Inquisition, zum Siege zu verhelfen. Das niederländische (deutsche) Blut wehrte sich heldenhaft dagegen und fühlte, was der spanische Tyrann mit der Einführung seines Blutgerichts bezweckte. Die Niederländer wußten, es galt ihre Volksfreiheit; sie wollten weder kirchlich noch politisch mit den Spaniern über einen Kamm geschoren sein. Die nördlichen Provinzen des Landes, in welchen der Protestantismus längst unausrottbare Wurzeln gefaßt und Blüten getrieben hatte, rissen sich gänzlich von der spanischen Oberherrschaft los, und selbst die südlichen Provinzen, welche katholisch geblieben waren, wußten bei ihrer Wiederunterwerfung sich die Inquisition fernzuhalten.

Im Herzogtum Mailand versuchte Philipp II. die spanische Inquisition ebenfalls einzurichten, jedoch auch ohne Erfolg. In diesem Herzogtum, in welchem 1563 plötzlich an Stelle der römischen Inquisition die spanische eingeführt werden sollte, erhoben sich der Adel und die gesamte Geistlichkeit, die Bischöfe an der Spitze, die Magistrate und das Volk einmütig dagegen. Infolgedessen bat der königliche Statthalter, um den drohenden Abfall Mailands von der spanischen Oberherrschaft zu verhüten, den König dringend, seinen Plan zurückzunehmen.

Die amerikanischen Inquisitions-Tribunale setzte Philipp auf drei fest, die in Lima, Mexiko und Karthagena ihren Sitz erhielten und unter der Gerichtsbarkeit des Großinquisitors von Spanien standen. Das erste Autodafé in Mexiko ging im Todesjahre Franz Cortez', des spanischen Eroberers des Landes (1547), in Szene.

Der bigotte König geriet im Jahre 1571 sogar auf die Idee, das heilige Gericht auf dem Meere herrschen zu lassen. Selbst der Ozean sollte den Ketzern keine Freistatt mehr gewähren. Zu dem Zwecke errichtete er wandernde Inquisitionen, welche anfangs den Namen » Inquisition der Galeeren« und dann den Namen »Inquisition der Flotten und Heere« erhielt, aber nicht von langer Dauer war, weil sie den Handelsverkehr zu sehr beeinträchtigte, der ohnehin schon unter der » Inquisition der Douanen« schwer zu leiden hatte, indem Beamte des heiligen Gerichts in allen Hafenstädten die Einfuhr verbotener Bücher hindern mußten, eine Gelegenheit, ihre Willkür walten zu lassen und ihre Habsucht zu befriedigen.

In Portugal, welches Philipp II. im Jahre 1580 in Besitz genommen hatte, war die spanische Inquisition schon seit 1536 im besten Zuge. Sie stand mit dem spanischen Großinquisitoriat schon seit 1544 in gegenseitigen Wechselbeziehungen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde allmählich seitens der Inquisition auf den Mißbrauch gelenkt, welchen viele Beichtväter, besonders Mönche, mit ihren weiblichen Beichtkindern trieben. Dieser war allmählich so arg geworden, daß sich der Heilige Vater veranlaßt fand, die Inquisitoren aufzufordern, alle Beichtväter, welche die öffentliche Meinung deshalb anklagte, mit aller Strenge zu verfolgen. In dieser Angelegenheit ging die Inquisition mit äußerster Vorsicht zu Werke und vermied sorgfältig das Bekanntwerden solcher Fälle. Zahlreich waren derartige Prozesse, und sie enthalten eine Fülle der frevelhaftesten, gar nicht wiederzugebenden, gotteslästerlichen Unsittlichkeiten.

Am 2. September 1561 erließ Valdes nach längeren Beratungen mit den Mitgliedern der Suprema von Madrid ein aus 81 Artikeln bestehendes Edikt, welches sämtliche Bestimmungen und damals bestehenden Inquisitionsgesetze umfaßte und fortan das Strafgesetzbuch der Inquisition bildete. Dasselbe war schärfer als sonst die Bestimmungen gewesen und gewährte der Willkür der Ketzerrichter und deren Organen den weitesten Spielraum.

Die spanische Inquisition stand nunmehr auf dem Gipfel ihrer höchsten Macht.

In jene Zeit fällt der schon angedeutete Prozeß wider Bartholomäus Carranza, dessen Akten 24 Foliobände, jeder 11 000 bis 12 000 Seiten stark, füllten. Carranza, ein Muster von Frömmigkeit, wurde wegen seines makellosen Lebenswandels und seiner Mildtätigkeit weit und breit verehrt. Karl V. hatte ihn zum Konzil von Trident abgeordnet gehabt, Philipp II. zum Beichtvater erwählt und zum Erzbischof von Toledo ernannt und Papst Paul IV. ihm Beweise seiner Achtung gegeben. Allein alle diese Vorgänge schützten den ehrwürdigen Carranzo nicht vor dem Hasse des Großinquisitors Valdes, der sein Verderben beschlossen hatte. Zunächst wurde gegen ihn vorgegangen, weil ihn sein Feind heimlich verdächtigt hatte, er begünstige lutherische Lehren. Groß war die Bestürzung bei seiner Verhaftung. Sein Gefängnis mußten Inquisitoren teilen, sein Tun zu beobachten. Carranza weigerte sich anfangs, die Kompetenz des Großinquisitors anzuerkennen. Dieser hatte sich indessen bereits ein päpstliches Breve verschafft, das ihm die Ermächtigung zu seinem Verfahren gegen Carranza verlieh. Grund dieses erklärte er sich selbst für kompetent. Die Sache war äußerst verwickelt, und Valdes wußte es sogar so weit zu bringen, daß der König sowohl wie der Papst Sixtus IV. den unglücklichen Carranza für einen Ketzer hielten. Trotz alledem vermochte der Elende nicht die geringsten Beweise für diese Behauptung beizubringen, um die Verurteilung zu erreichen. Deshalb zog er den Prozeß fünf Jahre lang hin und würde Carranza bis zu dessen Tode im Gefängnis festgehalten haben, hätte sich der König nicht schließlich von den Ränken des Großinquisitors überzeugt. Der Papst berief Carranza nach Rom, und die Inquisition sah sich genötigt, den Dulder im Jahre 1566 freizusprechen und aus dem Gefängnis zu entlassen. Valdes fiel selbst in die Grube, die er Carranza gegraben. Er wurde seiner Großinquisitorwürde entkleidet, die er länger als zwanzig Iahre, dem Lande zum Unheil, innegehabt, in welchem er 2500 Personen zum Scheiterhaufen und zusammen 19 000 verurteilt hatte.

Sein Nachfolger wurde der Kardinal Diego Espinosa, Bischof von Siguenza und Präsident des Rats von Kastilien, ein Günstling des Königs. In die Amtsführung dieses Großinquisitors fällt der berühmte Prozeß gegen den Infanten Don Carlos, an welchem die Inquisition indes nicht den ihr zugeschriebenen großen Anteil hatte. Nicht die Liebe des Kronprinzen zu seiner Stiefmutter, wie nach Schillers berühmtem Trauerspiel so gern geglaubt wird, sondern eine Verschwörung desselben gegen seinen Vater war die Ursache, weshalb Don Carlos vom Staatsrate – nicht durch die Inquisition – zum Tode verurteilt wurde. Letztere hatte mit dem Prozesse nichts zu schaffen. Es kam übrigens nicht zur Urteilsvollstreckung, da der Infant nach sechsmonatlicher Krankheit eines natürlichen Todes starb.

Nach einer sechsjährigen Amtsführung zog sich Espinosa die Ungnade des Königs zu, hauptsächlich deshalb, weil er die Strafe der Exkommunikation zu oft und namentlich weil er sie im Jahre 1571 auch über die Deputation von Aragonien verhängte. Über letztere Exkommunikation erhob sich in ganz Aragonien ein Sturm der Entrüstung, den zu dämpfen Philipp kein anderes Mittel übrigblieb, als den den Aragoniern so verhaßten Großinquisitor seines Amtes zu entsetzen. Nach Espinosas im Jahre 1572 erfolgtem Tode verlieh Philipp die Großmeisterwürde dem Bischof von Plasencia, Pedro Ponce de Leon, welchen jedoch, noch ehe er sein Amt übernahm, der Tod ereilte.

Ihm folgte 1573 der Kardinal Casparde Quiroga, Erzbischof von Toledo. Dieser führte die Inquisition nun auch in dem bis dahin noch von ihr verschont gebliebenen Galizien ein.

Quiroga bemühte sich, den Großmeister der Malteser, einen von Spanien ganz unabhängigen souveränen Fürsten, welcher sich der Errichtung eines Inquisitions-Tribunals widersetzte, in einen Prozeß zu verstricken. Auch brachte es die anmaßende Inquisition, die im Sinne Philipps II. handelte, dahin, daß die Königin Johanna von Navarra als verstockte Ketzerin samt ihren Kindern, Heinrich und Katharina, durch den Papst in den Bann getan, ihrer Krone verlustig erklärt und ihr Land Philipp II. unter der Bedingung zugesprochen wurde, daß er es von den Ketzern säubere.

Den Gipfel der Verwegenheit aber erreichte die Inquisition, indem sie sogar dem Papst Sixtus V. selbst den Prozeß machte, weil er die Bibel ins Italienische, also in eine lebende Volkssprache übersetzt und den Gläubigen das Lesen dieser Übersetzung empfohlen hatte, und mit blindem Eifer bemühte sich die spanische Inquisition, die Verbreitung der Sixtinischen Bibel zu verhindern, was ihr jedoch nicht gelang. Kaum aber hatte Sixtus das Zeitliche gesegnet, so verdammte sie seine Bibelübersetzung ohne weiteres.

Bezeichnend ist auch der Prozeß gegen den königlichen Staatssekretär Antonio Perez. Dieser hatte – vermutlich im Einverständnis mit dem König – den dem letzterem gefährlich erscheinenden Juan Escovedo, den Geheimschreiber und Vertrauten des Helden Don Juan von Österreich, des Königs Halbbruder, welcher damals Statthalter in den Niederlanden war, ermordet. Später aber ließ Philipp sein Werkzeug Perez verhaften und hielt ihn zwölf Jahre zu Madrid im Kerker. Der Gefangene mußte die Tortur aushalten; es gelang ihm aber, nach Aragonien zu entfliehen, wo er sich unter den Schutz der alten freien Landesverfassung, » fueros«, stellte. Philipp jedoch erließ einen Verhaftsbefehl, und Perez wurde ins Gefängnis geworfen. Trotz des Königs Protestieren wurde er aber in das Reichsgefängnis gebracht, wo die Gefangenen unmittelbar unter der »Justizia« von Aragonien standen und das Privilegium genossen, sowohl von diesem an jeden anderen Gerichtshof appellieren, wie auch auf ihr Ehrenwort frei umhergehen zu dürfen. Vergeblich bemühte sich nun der König, Perez' Auslieferung von der ständigen Deputation von Aragonien zu erlangen. Zuletzt mußte er den in Kastilien begonnenen Prozeß Perez nach Aragonien überweisen, wovon er jedoch, da er ein Perez günstiges Urteil voraussah, Abstand nahm. In dieser Verlegenheit nahm Philipp noch, bevor Perez in Freiheit gesetzt wurde, seine Zuflucht zur Inquisition, und diese beeiferte sich, dem Wunsche des Königs entgegenzukommen. Befand er sich nur erst in den Kerkern der Inquisition, dann war es auch um ihn geschehen.

Man machte ihm deshalb schleunig den Prozeß wegen Ketzerei, und der Rat der Suprema befahl, ihn und einen seiner Freunde heimlich aus dem Reichsgefängnis in das der Inquisition überzuführen; allein der Aufseher des ersteren weigerte sich entschieden, ohne ausdrücklichen Befehl der »Justizia« Perez auszuliefern.

Jetzt brauchten die Inquisitoren Gewalt gegen den Magistrat, und schon sollte Perez' Überführung vor sich gehen, als der Adel, entrüstet über die Verletzung der » fueros«, das Volk zu den Waffen rief. Bald war ganz Saragossa in hellem Aufruhr. Der Vizekönig wurde ermordet und der Inquisitionspalast in Flammen gesteckt. Erst als man Perez in dem Reichsgefängnis beließ, legte sich der Sturm.

Alsbald versuchten der König und die Inquisition ein anderes Mittel. Sie ordneten die Zusammensetzung einer Kommission von Rechtsgelehrten zur Untersuchung und Entscheidung in Sachen Perez' an. Diese Juristen waren zuvor für die Interessen des Hofes und der Inquisition gewonnen und fällten demgemäß den Spruch: »Die Inquisitoren hätten allerdings durch Verletzung der Reichsprivilegien ihre Befugnisse überschritten; wenn sie jedoch von der ›Justizia‹ die Auslieferung des Gefangenen und die Suspension des Privilegiums für die Dauer des Prozesses verlangten, so würden durch wirkliche Auslieferung die › fueros‹ keineswegs verletzt.«

Die Partei des Perez wandte dagegen mit Recht ein, daß diese Suspension des Genusses der Privilegien in Wahrheit schon einer Aufhebung der letzteren gleichkomme.

Der König bestand jedoch auf seinem Willen, und die Inquisition, deren Autorität auf dem Spiel stand, nicht minder. Einem abermaligen Volksaufstand bei Perez' Überführung zum Inquisitionsgefängnis vorzubeugen, begaben sich eine große Zahl von Familiaren nach Saragossa, auch verlegte man 3000 Söldlinge dahin. Allein auch das fruchtete nichts; denn sobald die Abführung des Gefangenen in die Inquisitionskerker vor sich gehen sollte, brach der Volksaufstand los. Die königlichen Truppen und die Familiaren wurden von dem erbitterten Volk angegriffen und mit Verlust zahlreicher Toten in die Flucht geschlagen und Perez aus den Händen der Inquisitoren befreit.

Bald darauf gelang es ihm, nach Frankreich zu entfliehen, wo er seine äußerst interessanten Denkwürdigkeiten herausgab.

Übrigens stellte sich bald heraus, daß der Aufstand in Aragonien Philipp II. gar nicht unwillkommen gewesen war, indem er dadurch einen Vorwand erhalten hatte, seine längst gehegten Pläne zur Unterdrückung und Vernichtung der Verfassung und der Gerechtsame Aragoniens mit Waffengewalt nunmehr ausführen zu können.

Die dienstfertige Inquisition wütete entsetzlich gegen die am Aufstande beteiligt Gewesenen, hauptsächlich gegen den Adel; der Präses der »Justizia« wurde enthauptet, sein Amt abgeschafft und die alte freie Verfassung aufgehoben.

Es ist übrigens hervorzuheben, daß unter der Regierung Philipps III. sowohl das Andenken des Perez wie auch das aller beim Aufstand Beteiligten wiederhergestellt wurde. Im Jahre 1594 starb der entsetzliche Quiroga.

Sein Nachfolger war Hieronymus Manrique de Lara, der aber schon 1595 starb, und dem Pedro Portocarrero, Bischof von Kordova, in der Großinquisitorwürde folgte. Infolge des 1598 erfolgten Ablebens Philipps II. wurde die Dauer seiner Amtsführung abgekürzt.

Philipp III., Philipps II. Nachfolger, machte, um einen Großinquisitor nach seinem Geschmack zu erlangen, von einer päpstlichen Bulle Gebrauch, nach welcher alle Bischöfe ihren Wohnsitz in ihren Sprengeln nehmen mußten. Dem mußte sich auch Portocarrero fügen und sich nach Curença zurückziehen. An seine Stelle wählte Philipp III. den Kardinal Fernando Nina de Guevra zum Großinquisitor.

Mit welcher namenlosen Frechheit die Inquisition übrigens selbst dem Könige entgegentrat, das sollte Philipp III. an sich selbst erfahren. Derselbe befand sich eines Tages auf dem Balkon seines Palastes mit einigen seiner vertrautesten Höflinge, als sich der Zug eines Autodafé vorüberbewegte. Es waren zwei arme Kapuziner, die man wegen einiger von ihnen geäußerten irrigen Lehrsätze verbrennen wollte. Der König wandte sich, erschüttert von diesem Anblick, weg und sagte zu seiner Umgebung: »Da seht Männer, welche für Lehrsätze sterben, welche vielleicht richtiger sind, als diejenigen hegen, welche sie verdammen.« Am folgenden Tage fand sich der Großinquisitor, von zwei Inquisitoren begleitete, bei dem Monarchen ein. Ihre Haltung war feierlich und ernst. »Sire«, begann der Großinquisitor, indem er sich vor dem Monarchen tief verneigte, »wir erscheinen vor Ew. Majestät mit Gram im Kerzen über das, was wir zu tun gezwungen sind. Ew. Majestät wollen uns verzeihen in Rücksicht auf den Beweggrund.« Philipp schwieg erstaunt, »Haben Ew. Majestät vielleicht vergessen, was sich gestern zugetragen?« Jetzt erst gedachte der Monarch der Prozession. Er gab indes keine Antwort. »Ew. Majestät Schweigen beweist mir, daß Sie von demjenigen unterrichtet sind, was ich leider benötigt bin zu bestrafen.« – Der König erhob rasch das Haupt mit Stolz; aber sein Blick war gezwungen, sich vor dem strengen Auge des Großinquisitors zu neigen. »Es geschieht mit dem tiefsten Schmerze – aber wir müssen so handeln. – Wir strafen nur im Namen Gottes – Sie haben ihn beleidigt, Sire. Sie haben das Urteil derjenigen gelästert, die in seinem Namen richten – Sie müssen bestraft werden!« Philipp schwieg noch immer und blickte finster vor sich hin. Was konnte er auch erwidern? Endlich nahm er auf die wiederholte Aufforderung des Großinquisitors das Wort und bemerkte, wie es keineswegs seine Absicht gewesen sei, die göttliche Majestät zu beleidigen, vor der alle irdischen Könige sich neigen müßten, und daß ein ihm entschlüpftes Wort ihm gewiß von dem Ewigen verziehen werden würde, da seine Seele rein von jedem argen Gedanken gewesen sei. »Das ist möglich, mein Sohn«, versetzte der Mönch, »jeder Fehler aber verdient Bestrafung, und der Ew. Majestät ist um so bedeutender, weil Sie als Beispiel dastehen sollten.« was konnte der König darauf erwidern? Hätte er Beistand angerufen gegen die Inquisition, es hätte ihm denselben niemand geleistet, denn seine Gegner würden ganz Spanien gegen ihn aufgeregt haben; er bekannte sich also für strafbar und bat, ihm eine Buße aufzuerlegen. Drei Tage lang beratschlagte man über die Strafe, welche man über den Monarchen verhängen wolle. Der Großinquisitor selbst verwarf als zu strenge mehrere Vorschläge der Inquisitoren. Endlich wurde beschlossen, daß der Wundarzt des Königs ihm die Ader schlagen, das gelassene Blut aber von dem Henker verbrannt werden solle!

Unter Fernando Niño de Guevra erhoben sich Zwistigkeiten zwischen den Jesuiten von Alkala und der spanischen Geistlichkeit über die Frage, ob es ein Glaubensartikel sei oder nicht, »daß Papst Klemens VIII. der wirkliche Stellvertreter Christi auf Erden sei«.

Nachdem sich die Inquisition in den Streit gemischt, endete derselbe damit, daß der König Niño die Großinquisitorwürde entzog. Sein Nachfolger, Juan de Zuñiga, Bischof von Kartagena, starb bereits nach einigen Monaten, und auch der nun folgende Großinquisitor, Juan d'Acebedo, führte sein Amt nur von 1603 bis 1607, worauf der Kardinal-Erzbischof von Toledo, Bernhard de Santoval y Roxas, der das Amt übernahm, welches er bis zu seinem im Jahre 1618 erfolgten Tode behielt. Er erlebte den Widerstand der Cortes, allerdings nur in Form von Vorstellungen und Bitten beim König. Man bat um Aufhebung der Mißbräuche und Beschränkung der Willkür des heiligen Gerichtes und drang vornehmlich darauf, daß der König die Gerichtsbarkeit über alle nicht geistlichen Vergehen und Verbrechen der Inquisition entziehen möchte. Der Monarch versprach auch Abhilfe, allein es blieb bei dem Versprechen; eine spätere erneuerte Vorstellung hatte denselben Erfolg.

Ein anderes wichtiges Ereignis, wobei die Inquisition gleichsfalls die Hand im Spiele hatte, hatte üble Folgen für des Landes Wohlstand.

Auf den Rat des Erzbischofs von Valencia, »alle Moriskos aus Spanien zu vertreiben«, um dadurch die Glaubenseinheit herzustellen, forderte Philipp III. das Gutachten einer Versammlung von Staatsräten, an deren Spitze der Großinquisitor stand, über jenen unpolitischen Vorschlag. Vergebens wies der Adel die verderblichen Folgen einer solchen unklugen Maßregel nach. Der Einfluß des Großinquisitors drang durch, und die Räte, welche anderer Meinung waren, wurden in Prozesse verflochten.

Der unselbständige König genehmigte die Ausweisung und brachte sich und sein Land um über eine Million braver und fleißiger Menschen. Die große Vertreibung von Morisken aus Valencia ging im Jahre 1609 und im folgenden Jahre die aus Spanien überhaupt vor sich. Die Heimatlosen suchten in Afrika eine Zuflucht.

In demselben Jahre 1610 wurden auf einem Autodafé elf Personen als Zauberer und Hexen verbrannt und neunzehn ebendeshalb mit anderen Strafen belegt, alle aus Navarra. Sie hatten einen Zaubererkönig, Michael Goiburu, nebst einer Königin der Zauberer, und gestanden die aberwitzigsten Dinge.

Nach Santovals Tode wurde Franzisko Luis de Aliaga, des Königs Beichtvater, Großinquisitor. Er verlor diese Würde jedoch nach Philipps Tode (1621).

Der neue König Philipp IV. erhob den Staatsrat Andrea Pacheco zur Würde eines Großinquisitors.

Philipps IV. Thronbesteigung wurde durch ein Autodafé feierlich begangen, bei welchem auch ein liederliches Weibsbild, Maria de la Conception, im San Benito und mit dem Knebel im Munde vorgeführt und zum allgemeinen Ergötzen durchgepeitscht und dann auf Lebenszeit ins Gefängnis geworfen wurde. Die Vettel hatte vordem einmal im Geruch großer Heiligkeit gestanden, aber unter dieser Hülle mit ihrem Beichtvater und anderen Dienern der Kirche arge Ausschweifungen getrieben; allein deshalb hatte man sie keinesfalls bestraft, sondern wegen angeblichen Ketzereien und eines Bundes mit dem Teufel.

Unter Pacheco erlaubte sich die Inquisition die empörendsten Anmaßungen. Unter anderem belegte sie den Bischof von Murcia mit dem Kirchenbann und die Stadt selbst mit dem Interdikt, lediglich, weil der Korregidor von Murcia sich geweigert hatte, den Richter von Lorca, mit dem die dortigen Inquisitoren in Streit lagen, verhaften zu lassen. Allerdings erklärte der Bischof, daß die Bevölkerung durch das Interdikt keinesfalls gebunden sei, allein die Inquisitoren forderten ihn deshalb vor den Großinquisitor nach Madrid und ließen mehrere Dom- und Pfarrherrn in Haft nehmen. Nur das Eingreifen des Königs und des Papstes machte dem Skandal ein Ende. In Toledo exkommunizierten die Inquisitoren ein Magistratsmitglied nur deshalb, weil dieses einen Metzger, welcher Lieferant der Inquisition war, wegen falschen Gewichtes zur Rechenschaft gezogen hatte. Dieser Skandal verursachte einen Auflauf, und schließlich mußte der König dieserhalb eine außerordentliche Kommission zusammensetzen.

Dies geschah im Jahre 1622, und schon im nächsten Jahre erlaubte sich die Inquisition in Granada ganz ähnliche Übergriffe, während gleichzeitig in Madrid der Graf de Francos verfolgt wurde, weil er in einigen Schriften die Unabhängigkeiten der Souveräne von der Inquisition und vom päpstlichen Stuhle verteidigt hatte. De Francos war Erzieher Karls II., dessenungeachtet wagte der König nicht, den Grafen gegen die Inquisition in Schutz zu nehmen, welch letztere den Freimütigen in ihren Kerkern begrub.

Im Jahre 1626 starb Pacheco, und der Kardinal-Erzbischof von Burgos und Patriarch von Indien, Antonio de Zapata y Mendoza, wurde Großinquisitor.

In seine Amtsführung fällt u. a. ein Skandalprozeß gegen ein ganzes Nonnenkloster, dessen Insassen angeblich vom Teufel besessen waren, in Wirklichkeit jedoch in allzuvertrautem Umgang mit ihrem – Beichtvater standen, wennschon sie geraume Zeit ihres ganz absonderlich »exemplarischen« Lebenswandels halber für wandelnde Heilige gehalten worden waren.

Nönnlein und Pfäfflein hatten eben verstanden, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

Die böse Inquisition erklärte sie aber der Allumbrados stark verdächtig, und die Sekte der Allumbrados hatte nunmehr mancherlei Verfolgungen auszustehen.

Der Nachfolger Zavatas wurde im Jahre 1632 der Beichtvater Philipps IV., Antonio de Sotomayor. Unter diesem Großinquisitor geriet das heilige Gericht wiederum in Zerwürfnisse mit den weltlichen Behörden.

An Autodafés ließ es Sotomayor ebenfalls nicht fehlen. Bei einem derselben, im Jahre 1636, wurden zehn Unglückliche als jüdische Apostaten mit der einen Hand an ein Kreuz genagelt, während man ihnen das Urteil vorlas, das auf lebenslängliche Einkerkerung lautete. Auf Befehl des Königs mußte Sotomayor von seinem Amte im Jahre 1643 zurücktreten. An seine Stelle trat Diego de Arce y Reynoso, unter dem namentlich der Herzog von Olivarez, ein gestürzter Minister Philipps IV., unter dem Mantel der Ketzerei verfolgt wurde. Dieser Großinquisitor starb im Jahre 1656 an demselben Tage, als der Tod auch Philipps IV. nicht gerade ruhmvolle Laufbahn beschloß.

Jetzt übernahm des Königs Witwe Anna von Österreich die Regentschaft. Sie übertrug zuerst dem Kardinal-Erzbischof von Toledo, Pascal von Arragon, und bald darauf ihrem Beichtvater, dem Jesuiten Johann Eberhard Nithard, einem Deutschen, die Großinquisitorwürde. Aus persönlichem Haß gegen Don Juan von Österreich, einem natürlichen Sohn Philipps IV., verdächtigte ihn Nithard der Ketzerei in einem Inquisitionsprozeß, mußte aber auf Befehl der Königinmutter sein Amt niederlegen.

Der der Regentin in der Regierung folgende König Karl II. war ein Schwächling; daher kam es, daß die Inquisition freien Spielraum hatte. Unter ihm wurde in Madrid ein großes Autodafé im Jahre 1680 – das letzte in Madrid – veranstaltet. Es diente zur Verherrlichung seiner Vermählung, dieses »Pfeilers des Glaubens«, wie ihn die Kirche nannte, mit Marie Louise von Frankreich. Diesem König war es Genuß, sein christliches Auge an der Hinrichtung unglücklicher Schlachtopfer des wahnsinnigsten Glaubenseifers zu weiden. Einen Monat vorher setzten die Beamten des unheimlichen »heiligen Gerichts« auf dem großen Platze zu Madrid unter Trompeten- und Paukenschall die zahlreiche Volksmenge von dem bevorstehenden Menschen-Verbrennungsfeste in Kenntnis und luden nach Art der Marktschreier Stadt und Umgegend zu dem Schauspiele ein. Da die Bewohner seit Jahren das Schauspiel hatten entbehren müssen, so wurden zu einer besonders glänzenden Feier die nötigen Zurüstungen getroffen. Zu dem Zwecke wurde auf jenem Platze eine fünfzig Fuß lange Bühne errichtet, die mit einem für den König bestimmten Balkon endigte. An ihn schloß sich zur Rechten ein Amphitheater von 25 bis 30 Stufen für den Rat der Inquisition, wie für hohe Staatsbeamte bestimmt. Unter einem Thronhimmel stand der Sessel des Großinquisitors. Zur Linken jenes Balkons erhob sich ein zweites Amphitheater, auf welchem die Delinquenten zur Schau aufgestellt wurden, und zwar in Käfigen, welche oben offen waren. In der Nähe war ein Altar errichtet. Auf dem Balkon selbst war Raum für die königliche Familie und deren Kavaliere und Damen. Für die fremden Gesandten und den sonstigen Hof waren besondere Balkons und für die übrigen Volksmassen einfache Gerüste errichtet.

Das Fest begann am 29. Juni mit einer Prozession, welche sich in folgender Ordnung aus der Marienkirche bewegte: Den Zug eröffneten hundert mit Piken und Musketen bewaffnete Kohlenbrenner, welche die Ehre der Zugeröffnung deshalb genossen, weil sie das Holz zum Scheiterhaufen herbeizuschaffen hatten. Ihnen folgten die Dominikaner unter Vorantragung des weißen Kreuzes. An sie schloß sich der Herzog von Medina-Celi an, der nach einem alten Erbrecht seiner Familie die rote damastene Fahne der Inquisition trug, welche außerdem noch mit einem Lorbeerkranz und dem Wappen Spaniens geschmückt war. Hinter ihm wurde ein grünes, schwarz umflortes Kreuz getragen. Nun kamen die Großen des Reiches und die Diener der Inquisition in ihren mit weißen und schwarzen Kreuzen gezierten Mänteln. Fünfzig Hellebardiere, als Leibwache des Gerichts, beschlossen den Zug, der sich nach dem großen Platze hinbewegte und hier die Standarte und das grüne Kreuz auf die Bühne aufstellte. Die Dominikanermönche brachten dort einen großen Teil der Nacht mit Psalmsingen zu, und von Anbruch des Tages an lasen sie stundenlang am Altare Messen.

Am 30. Juni, früh 7 Uhr, erschien dann die königliche Familie auf dem Balkon, und zugleich strömten die Massen des Volks, zum Teil aus fernen Gegenden herbeigelockt, als Zuschauer herbei. Eine Stunde später näherte sich der Zug wie tags zuvor dem Balkon und stellte sich zur Linken des Königs auf. Zur Rechten stand seine Leibgarde, und hinter derselben kamen dreißig Personen, welche Figuren aus Pappe in Lebensgröße trugen. Diese Puppen stellten teils die Ärmsten vor, welche unter der Folter ihr Leben ausgehaucht hatten, und deren Leichname man in Kasten, welche mit Flammen bemalt waren, hinterher trug, teils die Glücklichen, die sich durch die Flucht dem Feuertode entzogen hatten und nun in contumaciam, verurteilt worden waren. Nun erschienen zwölf Delinquenten, Männer und Weiber, mit Stricken um den Hals, Pechfackeln in den Händen und einer drei Fuß hohen Mütze aus Pappe, mit den Bildern ihrer angeblichen Verbrechen auf dem Haupte. Diesen folgten fünfzig andere Verurteilte, gleichfalls mit Fackeln in den Händen und in den San benito gehüllt. Es waren Juden, die man aufgestöbert hatte. Büßende, die auf einige Jahre Gefängnis oder zum Tragen des San benito – Bußhemd – verurteilt worden waren. Auf diese kamen zwanzig Juden, die als hartnäckige und verstockte Sünder dem Feuertode übergeben werden sollten. Diejenigen, die jetzt noch Reue zeigten, sollten vorher erdrosselt werden, die verstockt Bleibenden dagegen lebendig den Scheiterhaufen besteigen. Alle trugen Bußkleider mit Teufeln und Fratzen bemalt. Fünf der Verstocktesten hatten Knebel im Munde, angeblich um verhindert zu werden, Gotteslästerungen auszustoßen. Dagegen wurden sie von etlichen Mönchen begleitet, die durch ihr kreischendes Ermahnen die Unglücklichen zu betäuben strebten.

In dieser Ordnung mußten die Verurteilten unter dem Balkon des Königs hinziehen, und während die Zuschauer sich ordneten, wurden sie auf einer der Bühnen zur Schau ausgestellt. Nach Beendigung einer feierlichen Messe begab sich der Großinquisitor nach dem königlichen Balkon, begleitet von einigen Dienern, die ein Kruzifix, die Bibel und ein anderes Buch trugen, das den feierlichen Eid enthielt, durch den die Könige von Spanien sich verpflichteten, die römisch-katholische Religion zu beschützen und alle Ketzereien in ihrem Reiche auszurotten. Mit entblößtem Haupte legte der König diesen Eid ab. Einen ähnlichen leisteten alsdann die Räte, und nun bestieg ein Dominikaner die Kanzel und hielt eine salbungsvolle Predigt gegen die Ketzer und zur Verherrlichung der Glaubensgerichte. Endlich gegen Mittag war man so weit, den zum Tode Verdammten ihr Urteil vorzulesen und sie in die obenerwähnten Käfige zu schließen. Darüber vergingen wieder mehrere Stunden, und erst gegen Abend konnte der Großinquisitor mit Erteilung der Absolution an die reuigen Sünder das ganze unheilige Gaukelspiel beschließen.

Nun erst begab sich der König hinweg, nachdem er mit eiserner Standhaftigkeit den ganzen Tag in der Sonnenglut ausgehalten hatte, ohne irgend etwas zu genießen. Die Verurteilten wurden auf Eseln zum Tore hinausgeführt und nach Mitternacht hingerichtet, die sogenannten Verstockten wurden lebendig verbrannt, die Bußfertigen durch eine Schlinge erdrosselt und alsdann in die Glut geworfen. Die zu Staupbesen Verurteilten wurden tags darauf auf Eseln durch die Straßen geführt und an allen Ecken und auf freien Plätzen mit Ruten gestäupt.

Während Karls II. Regierung waren Großinquisitoren der Präsident des Rats von Kastilien, Diego Sarmiento de Valladeres, dann der Dominikanergeneral und Erzbischof von Valencia, Johann Thomas de Rocaberti, Alfons Fernandez de Cordova y Aguilar und endlich der Bischof von Segovia, Balthasar de Mendoza y Santoval.

Unter der Amtsführung Rocabertis trat auf Befehl des Königs eine Junta zusammen, welche zur Vermeidung der in letzter Zeit so häufig gewordenen ärgerlichen Streitigkeiten zwischen den Inquisitoren eine Norm feststellen sollte, die jedoch trotz aller Mühe dieses Ziel nicht erreichte, da sowohl Rocaberti wie des Königs Beichtvater dagegen intrigierten. Dabei verwickelten sich beide in eine skandalöse Angelegenheit. Weil König Karl II. schwach an Körper und Geist war, vermutete man, daß diese Schwäche die Folge einer Bezauberung sei. Auch das genannte geistliche Paar glaubte dies steif und fest und brachte dem König auch diese Meinung bei, der willenlos genug war, sich auf ihren Rat einer Teufelsbeschwörung zu unterwerfen. Zu derselben Zeit exorzisierte ein Dominikanermönch eine Nonne, welche sich für vom Teufel besessen hielt. Diesen Teufelsbeschwörer beauftragte nun im Einverständnis mit dem Großinquisitor des Königs Beichtvater, den die Nonne plagenden Teufel zu befragen: ob und wie der König verzaubert sei, und auf welche Weise man den Zauber wohl lösen könne? Das geschah, und der Teufel bezeichnete eine bestimmte Person, welche Karl behext hatte, worauf sein Beichtvater seine Anstalten traf, den Zauber zu lösen.

Da starb Rocaberti, und sein Nachfolger im Großinquisitoramt, Mendoz, machte dem Beichtvater den Prozeß, weil er eine von der Kirche verdammte Lehre geglaubt und sich des Teufels zur Erforschung von Geheimnissen bedient hatte. Aber die Theologen erklärten ihn einstimmig für unschuldig, und der Rat der Suprema setzte ihn mit der ausdrücklichen Erklärung in Freiheit, daß er nichts der römischen Kirche Zuwiderlaufendes begangen habe. Die Austreibung des Teufels war für den armen schwachen König sonach nutzlos und ein erbärmliches Blendwerk gewesen. Kinderlos sank er im Jahre 1700 in die Gruft. Jetzt brach der spanische Erbfolgekrieg aus, nach dessen Beendigung 1714 der Enkel König Ludwigs XIV. von Frankreich als Philipp V. den spanischen Thron bestieg.

Auch zur Feier seiner Thronbesteigung veranstaltete die Inquisition ein Autodafé, dem der König jedoch nicht beiwohnte. Im übrigen benutzte sie Philipp V. ebenso wie seine Vorgänger, er namentlich, um seiner Herrschaft das Übergewicht über die österreichische Partei zu verschaffen. Die Inquisition stand dabei, wie immer, auf seiten des Mächtigeren und bemühte sich auf ihre Weise, die bourbonische Dynastie auf dem spanischen Throne zu befestigen. Sie befahl u. a., daß jedermann alle diejenigen anzuzeigen habe, welche zugunsten der Ansprüche Österreichs die Meinung aufstellten oder derselben zustimmten, daß man, ohne eine Sünde zu begehen, den Philipp V. geleisteten Eid brechen dürfe. So spielte die Politik mit der Religion; unter ihrer Maske beseitigte sie ihre Gegner. Der Generalinquisitor Mendoza mißbrauchte feine Gewalt schließlich derartig, daß sogar der Rat der Suprema sie zu beschränken suchte und einigen seiner Erlasse die Zustimmung (Sanktionierung) verweigerte. Darüber erzürnt, ließ Mendoza drei Mitglieder des Rates der Suprema in Haft nehmen und in Ketten legen und wollte den Räten das Recht der Entscheidung ganz entziehen. Das beschleunigte seinen Sturz; auf des Königs Befehl mußte er seine Würde niederlegen, trotzdem ihn der Papst in Schutz nahm. Der König hielt mit Zähigkeit daran fest, daß die Inquisition nichts anderes als ein vom Throne abhängiger Gerichtshof und die Inquisitoren einzig und allein königliche Beamte seien. Er ernannte zu Mendozas Nachfolger den Bischof von Cuença, Vidal Marin, welcher, da sich der politischen Verhältnisse wegen die Untersuchungen um jene Zeit sehr mehrten, das Inquisitionstribunal in Madrid, welches bisher unter dem von Toledo stand, davon trennte, und für Madrid ein eigenes Tribunal errichtete, welches den Namen » Inquisition des Hofes« führte. Vidal Marins Nachfolger waren der Erzbischof von Saragossa, Antonio Ibañez de la Riva Herrera (1709/10) und der Kardinal Franz Judice (bis 1716).

Unter Judice wäre die Inquisition, die sich verwegen gegen den Thron auflehnte, beinahe aufgehoben worden. Sie verfolgte und verurteilte nämlich den Fiskal-Prokurator Macanaz, welcher in einer Schrift die Rechte des Thrones gegen die Ansprüche Roms mutig verteidigt hatte. Macanaz hatte sich indessen dem ihm drohenden entsetzlichen Lose glücklich durch die Flucht entzogen. Philipp V. trat jetzt entschieden für den Entflohenen ein, stieß aber bei der Inquisition auf ebenso entschiedenen Trotz. Entrüstet darüber, ließ er 1715 eine Ordonnanz zur Aufhebung der Inquisition ausfertigen, und nur den Intrigen seiner Gemahlin, der Königin, sowie des Beichtvaters, eines intimen Freundes des Großinquisitors, gelang es, das Inkrafttreten dieses Ediktes zu hintertreiben. Im Jahre 1716 legte Judice die Großinquisitorwürde nieder. Philipp V. verlieh sie 1717 dem Auditor rotae (Foltergerichtsbeisitzer) Joseph de Molines, nwelcher jedoch in österreichische Kriegsgefangenschaft geriet. Darauf ernannte der König den Rat der Suprema Juan d'Arzamendi zum Großinquisitor und nach dessen bald darauf erfolgtem Ableben den Bischof von Barcelona, Diego d'Astorga y Cespedes, der indessen seine Würde nach kurzer Zeit niederlegte.

Ihm folgte im Jahre 1720 der Bischof von Pampeluna Juan de Camargo, unter dessen dreizehnjähriger Amtsführung sich die Freimaurerei in den meisten europäischen Ländern, ja sogar in Amerika bedeutend ausbreitete. In den katholischen Ländern wurde sie aufs strengste verboten und hatte heftige Verfolgungen auszustehen, sowohl von der römischen wie von der spanischen Inquisition. Bald war in Spanien der Verdacht, ein Freimaurer zu sein, ganz so gefährlich, wie früher ein Marrano, Morisko oder Ketzer.

Zu jener Zeit verbreitete sich in Spanien auch die Sekte der Molinos und fand besonders in den Nonnenklöstern Eingang, dort die ungeheuerlichste Sittenverderbnis und die skandalöseste Schamlosigkeit herbeiführend. Kindermord war in den Nonnenklöstern damals etwas ganz Alltägliches, und die Beichtväter pflegten bei den Entbindungen die Geburtshelfer zu spielen!

Notgedrungen mußte die Inquisition gegen solche Ungeheuerlichkeiten vorgehen; sie legte in ihren desfallsigen Strafurteilen eine überaus befremdliche Milde an den Tag und dachte nicht daran, den Mönchen die Leitung und Beaufsichtigung der Nonnenklöster zu entziehen, was doch am nächsten lag, der Unzucht zu steuern.

Im Jahre 1733 starb Camargo, und Andreas de Orbe y Larretegui, Erzbischof von Valencia, wurde sein Nachfolger.

Unter ihm wurde Sizilien der spanischen Inquisition entzogen. Er starb 1740.

In diesem Jahre erließ Philipp V. eine sehr scharfe Verordnung gegen die Freimaurer, welche der Inquisition zur Grundlage ihrer Verfolgung wider den Freimaurerorden diente.

Vom Jahre 1742 bis 1745 war Manuel Isidor Manrique de Lara, bisher Erzbischof von St. Jago, Großinquisitor. Er hatte einen unversöhnlichen Haß auf den Historiographen Bellondo geworfen, der in seiner mit Bewilligung des Königs im Druck erschienenen »Geschichte Spaniens« bewiesen hatte, daß sich die Inquisition zuweilen Ungerechtigkeiten habe zuschulden kommen lassen. Nachdem der ehrliche Mann in Inquisitionskerkern geschmachtet hatte, sperrte man ihn in ein Kloster und untersagte ihm aufs strengste alle weitere Schriftstellerei.

Manrique starb schon 1745, und Franz Perez de Prado y Cuesta, Bischof von Teruel, folgte ihm in der Großinquisitorwürde.

Nach Philipps V. im Jahre 1746 erfolgten Tode bestieg Ferdinand VI. den spanischen Königsthron, unter dessen Regierung der bisherige Perez de Prado bis 1758 und dann bis 1761 Manuel Quintano Bonifaz Großinquisitoren waren.

Im Jahre 1759 folgte Karl III. seinem Bruder Ferdinand VI. als König, der 1761 Quintano Bonifaz seines Großinquisitoramtes enthob und den Bischof von Jaen, Augustin Rubin de Cevallos, an seiner Statt ernannte. Cevallos bekleidete die Stelle bis 1792.

Unter ihm erschlaffte die frühere Strenge des heiligen Gerichtes mehr und mehr, und wenn auch nicht die Zahl der Untersuchungen, so nahm doch die der Strafurteile ab.

Während der Regierung Ferdinands VI. und Karls III., also von 1746 bis 178, wurden nur vierzehn Personen durch die Inquisition zum Tode verurteilt. Die meisten Untersuchungen dieses Zeitabschnittes waren gegen die Freimaurerei und den Jansenismus gerichtet, der letztere war die Lehre des gelehrten Bischofs von Ypern in Holland Kornelius Jansen, die namentlich in dem Satze gipfelt, »daß der menschliche Wille durch die irdische Luft gefesselt sei, aber in diesem Zustande der Unfreiheit durch Gottes Gnade zum Wohlgefallen am Guten herangezogen werde; das Gute aber und die Wahrheit sei Gott selbst, und daher sei die Tugend Gottesliebe«.

Im Jahre 1769 trat für Spanien ein Ereignis von großer Wichtigkeit ein, nämlich die Vertreibung der Jesuiten. Jetzt erst konnten sich andere als die bisher im spanischen Volke herrschenden Ideen Bahn brechen und Verbreitung finden, Ideen, welche den den Staat unter die Oberherrschaft und Vormundschaft der Kirche stellenden Grundsätzen schnurstracks entgegenliefen. Allein wenn die Jesuiten, die bisher so nennenswerten Einfluß ausgeübt hatten, als Feinde des Staates auch vertrieben worden waren, so bestand doch ihre Partei bei der Inquisition noch fort, und diese wagte keck, alle diejenigen Personen, welche sich an der Vertreibung ihrer Busenfreunde, der Jesuiten, beteiligt hatten, zu verfolgen. Vorwände hierzu fanden sich ja leicht; man konnte sie ja als Jansenisten, Philosophen und dergleichen verdächtigen, und gar hochangesehene Männer kamen ans Brett, so der Minister und Staatssekretär Graf von Ronda, zwei Erzbischöfe, drei Bischöfe, der gelehrte Campomanes, Graf de Florida-Bianca, der Graf d'Aranda, Graf de Ricta, die Gelehrten Claviga, Bayle, Iriarte u. a. m.

Der französische Priester Clement, der einen Entwurf zu einer Neuorganisation der Inquisition aufgestellt und darin vorgeschlagen hatte, sie von den Diözesanbischöfen abhängig zu machen, wurde schleunigst der Ketzerei angeklagt, und er durfte von Glück sagen, daß ihn der Hof der rachedürstenden Inquisition gegenüber in Schutz nahm. Mit dem Brennen der Obengenannten aber war es vorbei. Der gewaltige Geist des achtzehnten Jahrhunderts hatte das heilige Gericht bedeutend geschwächt, wie er auch anderwärts die Willkürherrschaft gewaltig erschütterte.

Karl III. folgte (1788) Karl IV. auf dem Throne. Er bestellte nach dem Ableben Cevalos (1722) den Erzbischof von Selimbria, Manuel Abad y la Sierra, zum Großinquisitor. Dieser mußte jedoch schon 1794 auf Befehl des Königs abdanken. Ihm folgte Franz Lorenzano, Erzbischof von Toledo, welcher 1797 gleichfalls seine Würde niederlegen mußte; sein Nachfolger war der Patriarch von Indien, Ramon Jose de Arce.

Die Stürme der großen Französischen Revolution gingen an dem spanischen Volke zu seinem Heil nicht ganz spurlos vorüber und blieben nicht ohne wichtigen Einfluß auf die inneren Angelegenheiten des Landes. Karl IV. wähnte, sich gegen die mächtigen Ideen einer neuen Zeit noch immer mit seiner verrotteten Inquisition wehren zu können, und diese ließ es auch an ihrem alten Eifer nicht fehlen. Man verschärfte die Zensur, verbot und überwachte ängstlich die Einführung französischer Bücher und Journale, hob die Lehrstellen des Natur- und des Völkerrechtes an den Universitäten auf und verhaftete Anrüchige nach Herzenslust; unter anderem führte man den Prozeß gegen Michel de Rieux, den sogenannten »Naturmenschen« aus Marseille. Dieser hatte durch die Lektüre Voltaires und Rousseaus, sowie der Enzyklopädisten die Überzeugung erlangt, daß jede positive (dogmengläubige) Religion unhaltbar und die Naturreligion die einzig richtige sei. Solche Lehren mußten ihn selbstverständlich der Inquisition, deren ganzes auf die Dummheit gegründetes Gebäude sie erschütterten, in die Arme führen. Der »Naturmensch« setzte in seinen Verhören ganz unerschrocken seine Überzeugung auseinander, erklärte aber, sofort zur katholischen Kirche überzutreten, wenn man ihm beweise, daß er sich irre, und – wer sollte es meinen – dieser Beweis gelang einem gelehrten Theologen. Jetzt war de Rieux bereit, Katholik zu werden. Höchst befriedigt stellten ihm die Inquisitoren die leichte Bedingung, nur bei einem Privat-Autodafé zu erscheinen, auf die der Arglose auch einging. Er staunte indes nicht wenig, als eines Morgens eine Anzahl Familiaren in seine Zelle traten und ihm bedeuteten, daß er sich mit dem San Benito zu bekleiden und sich einen Strick um den Hals legen zu lassen habe. Zu dieser Ausrüstung sollte er eine grüne Kerze in die Hand nehmen und ihnen in den Verhörsaal folgen, dort sein Urteil zu vernehmen. Der »Naturmensch« weigert sich natürlich, auf eine solche Zumutung einzugehen. Die Familiaren aber brauchten Gewalt, putzten ihn an, drückten ihm die Kerze in die Hand, legten ihm den Strick um und zerrten ihn nach dem Saale. Dort erwarteten ihn neue Überraschungen. Er sah außer den Richtern eine große Anzahl Zeugen versammelt. Außer sich vor Zorn über diese Barbarei des heiligen Gerichtes rief der Überlistete: »Wenn es wahr ist, daß die katholische Religion solche Handlungen gebietet, so verabscheue ich sie aufs neue, denn unmöglich kann ein Glaube, welcher unbescholtene Menschen entehrt, der richtige sein.«

In seinen Kerker zurückgeführt, verlangte er seine Hinrichtung und tötete sich bald darauf selbst durch Erstickung. Auch Godoy, den sogenannten »Friedensfürsten«, wollte man, als durch die Intrigen des Beichtvaters der Königin und anderer Geistlichen des Atheismus verdächtigt, einkerkern, weil er seit acht Jahren nicht gebeichtet hatte, was der Großinquisitor Lorenzano jedoch aus Furcht aufzuschieben suchte. Das paßte aber den Intriganten nicht; sie wendeten sich heimlich an den Papst, durch ein Machtgebot desselben Godoys Verhaftung zu erwirken. Zu Godoys Glück fing Napoleon I. zu Genua den päpstlichen Kurier mit dem Verhaftsbefehl ab und ließ dem »Friedensfürsten« die betreffende Order des heiligen Vaters mitteilen. Nun fiel der Großinquisitor in die Grube, die man Godoy gegraben; denn der Friedensfürst wußte Lorenzanos Entfernung aus seinem Amte zu erwirken.

Zu jener Zeit bewährte sich der Charakter der Inquisition als Geheimpolizei immer mehr. Sie lenkte ihre Hauptsorge auf das Bücherwesen und bemühte sich eifrigst, alle gegen Religion und Staat gerichteten, selbst ziemlich ungefährliche Schriften zu unterdrücken. Sie ging dabei aber mit einer lächerlich übertriebenen Hast zu Werke, welche am deutlichsten verriet, bis zu welcher Schwäche die Machthaber herabgesunken waren. So wurden im Jahre 1806 beispielsweise die geographischen Werke Maltebruns und Pinkertons, die Schriften der Frau von Genlis und die gekrönte Preisschrift von Villers über die Reformation verboten, und letztere mit der wörtlichen Bemerkung, »weil sie voll Schmähungen gegen die katholische Religion sei und ketzerische, irrige, gottlose und Ärgernis gebende Behauptungen zur Begünstigung der infamen Sekte Luthers enthalte«.

In der Regel verstanden die Zensoren das Deutsche und das Englische nicht und mußten sich meist erst nach dem Inhalt deutscher und englischer Werke erkundigen. Daß es unter solchen Umständen schlimm um die Entwicklung des geistigen Lebens in Spanien stand, bedarf keines weiteren Beweises. So existierte bis zum Jahre 1806 in Spanien keine kritische Zeitschrift, ebensowenig eine Leihbibliothek.

In Spanien hielten sich daher geistige Finsternis und Scheiterhaufen am längsten. Noch im Jahre 1780 mußte ein Weib in Sevilla, der Zauberei angeklagt und durch die Folter derselben überwiesen, den Scheiterhaufen besteigen. Bei aller zunehmenden Milde des Gerichts blieb doch der verderbliche Geist der Anstalt selbst, der das spanische Volk mehr als alles andere verdummte, die edelsten Geisteskräfte niederdrückte, den Kunstfleiß des Landes lähmte und die Fortschritte zu reiner und wahrer Menschenbildung aufhielt. Nichts vermochte dagegen das Licht der Aufklärung, das in spärlichen Strahlen auch nach Spanien drang, aufzuhalten. Nur zu viele von denen, welche gegen dies lichtscheue, grausame und blutdürstige Gericht in die Schranken traten, mußten ihr kühnes Auftreten für die Wahrheit teuer bezahlen und wurden Opfer pfäffischer Ränke.

Im Jahre 1808 faßte Karl IV. infolge der drohenden Bewegung zu Aranjuez den Entschluß, die Krone zugunsten seines Sohnes, des Prinzen von Asturien, niederzulegen. Bevor jedoch dieser Entschluß bekannt wurde, erklärte sich der Prinz von Asturien selbst schon unter dem Namen Ferdinand VII. zum König von Spanien, infolge von Zwistigkeiten in der spanischen Königsfamilie. Diese Zwistigkeiten kamen dem Kaiser Napoleon I. zustatten, seine Pläne gegen die spanischen Bourbonen auszuführen, und mit dem Sturze derselben brach auch das unheilvolle, fluchbedeckte Gebäude der Inquisition zusammen.

Am 4. Dezember 1808 hob Napoleon die Inquisition als unverträglich mit der Souveränität auf und ließ sämtliche Prozeßakten, welche sich in den Archiven des Rats der Suprema befanden, mit Ausnahme von den Verzeichnissen der Resolutionen, der königlichen Ordnungen und der päpstlichen Bullen und Breves verbrennen.

Nunmehr meinten alle Freunde des Lichtes, des Rechtes und der Menschlichkeit, daß auch für Spanien eine neue glückliche Zeit der Wiedergeburt kommen müßte, nachdem endlich die Ursache aus dem Wege geräumt war, welche jahrhundertelang daselbst die freie Geistesentwicklung gehemmt und aufgehalten hatte. Allein der Druck hatte so lange auf der spanischen Nation gelastet, die geistige Knechtung war dem Volke in Fleisch und Blut übergegangen, die Barbarei und Unwissenheit hatten die Nation zu lange bevormundet, daher konnte jene Wiedergeburt nicht so schnell, als man hoffte, vonstatten gehen, denn in ihr waren nur wenige erleuchtete Männer vorhanden, welche die philosophischen, weltbewegenden Ideen des achtzehnten Jahrhunderts in sich aufgenommen hatten, noch immer schlichen zahlreich die Familiare und Spione des heiligen Gerichtes umher und fanatisierten das Volk durch Vorstellungen von angeblicher Gefahr des Glaubens. Der Dominikanerorden konnte die Grundsäule seiner Macht, die Inquisition, nicht verschmerzen, denn die Inquisition ist so alt wie dieser Orden selbst, der, eine aus dem Blute ihrer Opfer immer neu entstehende Hyder, fünf Jahrhunderte hindurch die Erde entheiligte. Weit entfernt von dem Sinne weiser Liebe und Duldung, welchen das Evangelium seinen Bekennern zur Pflicht macht, erfüllte die entartete Kirche des Herrn Weissagung: »Wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst damit.« Zu seiner Ehre loderten Jahrhunderte hindurch in allen Ländern der Christentheit die angeblich den Glauben reinigenden Scheiterhaufen gen Himmel empor, und in die Lobgesänge der Fanatiker mischte sich der Fluch von Millionen.

Das Schlimmste aber war, daß die Maßregel von Fremden ausging, welche Spaniens Boden als Eroberer betraten. Das war genug, den günstigen Eindruck, welchen die Abschaffung der Inquisition, dieses scheußlichen Blutgerichts, unter anderen Umständen hervorgebracht haben würde, zu verlöschen und in das Gegenteil zu verwandeln. Das Nationalgefühl und der Nationalstolz der Spanier bäumten sich auf gegen das Fremde, ihm Aufgezwungene, und es bedurfte geraumer Zeit, das spanische Volk mündig zu machen. –

Was deutsche Krieger, welche damals in Spanien unter Napoleon fochten, erlebten, davon sei hierunter nur ein Beispiel angeführt:

Die furchtbare Schlacht von Ramosiera (1808) in Spanien war geschlagen und der Weg über die schroffen Klippen dieser Pforte von Neu-Kastilien zur Hauptstadt gebahnt, deren Schlüssel bereits den Händen der siegreichen Franzosen übergeben worden waren. Die höchste Junta, ein Haufen bewaffneter Mönche, war vor dem anrückenden Feinde nach Toledo geflohen. General Lafalle an der Spitze der leichten Kavallerie und der General Valence mit einem Teil der polnischen Legion folgten ihnen auf dem Fuße nach, um das Gestade des Tajo von den umherstreifenden Guerillas zu säubern.

Unter Gefechten nahte man sich Toledo, und bald hatten einige polnische Lanciers und eine Abteilung Infanterie einen Weg zu ihm gebahnt. Einige seit Jahren dort wohnende Deutsche führten sie zu den Inquisitionsgebäuden, die sofort von ihnen gesprengt wurden. Schon war eine Anzahl der Eingekerkerten befreit, als das Häuflein der Lanciers durch einen wütenden Angriff des Pöbels zurückgedrängt und von den befreiten Gefangenen abgeschnitten wurde. Als kurz darauf General Lasalle Meister der Stadt geworden war, eilte er sogleich zu den Gebäuden der Inquisition, wo sich ihm ein entsetzlicher Anblick darbot. Umgeben von verwundeten und barbarisch getöteten französischen Soldaten, lagerten fünfzehn der von letzteren befreiten Unglücklichen, von Messerstichen durchbohrt, andere mit zerschmettertem Gehirn auf dem Pflaster umher, welche von durch einige fanatische Mönche geführten Pöbelhaufen hingemordet worden waren. Nach diesem Anblicke drangen die erbitterten Soldaten mit Ungestüm vorwärts, sprengten die stärksten Schlösser und erbrachen, von Gefangenenwärtern geführt, die verborgensten Kerker.

Und es war, als ob sich ihnen jetzt eine Gräberwelt öffnete, der Modergeruch entströmte.

Menschen mit zur Brust herabhängenden Bärten, Knochengerippe mit klauenartigen Nägeln starrten ihren Befreiern entgegen, denen sie nach langen Jahren dankten, Gottes Odem wieder in freier Natur einsaugen zu können. Viele, welche in engen unterirdischen Käfigen gelegen, waren verkrüppelt und steif geworden. Manche starben unter den Händen der Ärzte, und den Augen der meisten bereitete das Sonnenlicht Schmerzen.

Am folgenden Tage besichtigte General Lasalle die Schreckensräume, und die große Zahl von Marterwerkzeugen, welche sich in einem besonderen Gewölbe befanden, erschütterte selbst die auf den blutigsten Schlachtfeldern abgehärteten Krieger. Ganz besonders erregte eine einzig in ihrer Art dastehende Martermaschine ihre Aufmerksamkeit. In einem an den geheimen Verhörsaal angrenzenden unterirdischon Gewölbe stand in einer Mauerblende eine hölzerne Bildsäule, die Mutter Gottes darstellend. Ein vergoldeter Strahlenkranz umgab ihr Haupt. In der Rechten hielt sie eine Fahne, und ein seidenes Gewand wallte von ihren Schultern herab. Auffallenderweise aber trug sie eine Art von Brustharnisch. Bei genauer Untersuchung ergab sich, daß die Vorderseite dieser Statue mit einer Menge, mit den Spitzen nach auswärts gekehrter, äußerst spitzer Nägel und kleiner, schmaler, ebenso scharf zugespitzter Messerklingen besetzt war.

Arme und Hände hatten Gelenke; eine hinter einer spanischen Wand angebrachte Maschine leitete ihre Bewegungen. In diese Kerker wurde der der Ketzerei Angeschuldigte gebracht, so berichtete ein Diener der Inquisition dem General. Im Hintergrunde erleuchteten zahlreiche Lämpchen die die Bildsäule umgebende Mauerblende, deren bunter Farbenschimmer den das Haupt umgebenden Strahlenkranz der Hochgebenedeiten und die Siegsfahne in ihrer Rechten erhellte. An einem der Statue gegenüberstehenden, schwarz behangenen kleinen Altar erhielt der angebliche Verbrecher das heilige Abendmahl, und im Angesichte der Gottesmutter ermahnten ihn unter Drohungen Geistliche zum Bekenntnis irgendeiner ihm meist gänzlich unbekannten Schuld.

»Lieblich winkend«, sagten sie, »öffnet die Himmlische ihre Arme; an ihrem Busen wird sich das verstockte Sünderherz erwärmen, du wirst bekennen!«

Dann begann die Bildsäule die ausgebreiteten Arme zu heben, die Mönche führten den Staunenden in ihre Umarmung. Näher und näher, fester und fester drückte sie ihn an sich, da drangen die unzähligen scharfen Spitzen ihm in die Brust. Nur allmählich, kaum bemerkbar, drückte sie ihn immer inniger an sich, und die Messer und Nägel durchbohrten an mehr als tausend Stellen zwei bis drei Zoll den Körper des Unglücklichen. Der namenlose Schmerz entlockte entweder dem Gemarterten das Geständnis, oder der stumm Bleibende, dem aus unzähligen, nicht tötlichen Wunden Blutstropfen entrieselten, blieb ohnmächtig in den Armen der durch solche Freveltat aufs ruchloseste Entweihten und wurde zu neuen Martern in seinen Kerker zurückgebracht.

Und das geschah noch im neunzehnten Jahrhundert im Namen Gottes und von Christen! Und diese Diener der Religion der Liebe nannten diese Marterer Maschine – welch unerhörter Frevel, welche Gotteslästerung! – madre dolorosa! (Sie war hier aber nicht eine schmerzensreiche, sondern eine schmerzgebende Gottesmutter.)

Nachdem die Cortes die Inquisition mit einer Stimmenmehrheit von zwei Drittel Stimmen am 22. Februar 1813 als unverträglich mit der neuen Staatsverfassung, als eine derselben feindselige und sie bedrohende Anstalt verdammt und unterdrückt hatte, stellte sie Ferdinand VII., nachdem er im folgenden Jahre den Thron von Spanien wieder bestiegen hatte, am 21. Juli wieder her zum Leidwesen aller Denkenden, Wohlgesinnten und menschlich Fühlenden, nur zur Freude aller Bigotten, Fanatiker, Servilen und Dunkelmänner, und die neuerwählte Inquisition arbeitete im Geiste früherer Jahrhunderte, und viele würdige Männer, selbst aus den höchsten Ständen, die ihrem Vaterlande mit Aufopferung gedient hatten, wurden in ihre schauerlichen Kerker geworfen, wo sie meist unter den Qualen der Folter ihr Leben aushauchten. Aber ihre furchtbare Strenge hatte wenigstens das Gute, nunmehr das neuerstandene Institut bei der ganzen Nation für immer so verhaßt zu machen, daß ihm der Boden zu fernerer Lebensfähigkeit immer mehr entzogen wurde. Der beschränkte König glaubte aber immer noch durch das heilige Gericht den edlen Freisinn in Wort und Tat, wie überhaupt den Geist einer neuen Zeit zurückschrauben und vernichten zu können, als ob sich die Ideen der Wahrheit durch Feuer und Schwert, durch die Mächte der Finsternis und Blutgerichte für immer ausrotten ließen!

Das heilige Gericht konnte bereits, trotz seines Bluteifers, nicht mehr gleichen Schritt halten mit den freien Anschauungen, welche jetzt mit unglaublicher Schnelligkeit alle Klassen der Bevölkerung durchdrangen und den Beweis lieferten von der spanischen Volkskraft, die sich nach einer mehrhundertjährigen geistigen Umnachtung und politischen Unterdrückung kühn und begeistert zur Erreichung der edelsten Güter der Menschheit gegen seine Unterdrücker erhob. Wie erstaunte die Welt, als die Kunde durch die Länder ging, daß jener törichte Herrscher Ferdinand VII. den unpolitischen Schritt der Wiedereinführung der Inquisition, die sich längst überlebt hatte, gewagt! Der Papst erteilte allerdings seine Zustimmung, um welche der König nachgesucht hatte, verordnete aber eine zeitgemäße Milderung, namentlich Abschaffung der Folter. Allein Ferdinand und sein heiliges Gericht kehrten sich nicht sonderlich an die päpstlichen Vorschriften und überschritten in fanatischem Eifer sehr bald die zeitgemäßen Modifikationen. Aufs neue füllten sich die Kerker mit Ketzern, und vornehmlich mit Personen, deren politische Grundsätze dem herrschenden Regierungssystem zuwider liefen. Der König hatte den Erzbischof von Almeria, Franz Xaver de Mier y Campillo, zum Großinquisitor ernannt. Dieser war der fünfundvierzigste, der diese Würde einnahm.

Erst im Jahre 1820, als Spanien eine abermalige Staatsumwälzung erlitt, wurden die Fesseln schuldloser Gefangener gebrochen und das Inquisitionsgericht zum Heile der Welt und zur Ehre der Christenheit aufgehoben.

Ferdinand VII. wurde gezwungen, ein neues Staatsgrundgesetz anzunehmen und die Inquisition wieder aufzuheben, was am 7. März denn auch geschah; die Güter der Inquisition sollten zur Tilgung der Staatsschulden verwendet werden.

Das Jahr 1823 brachte indessen wieder eine neue für Ferdinands Absichten günstige Wendung der politischen Verhältnisse, und der erste Gebrauch, welchen der König von seiner wieder etwas befestigteren Machtvollkommenheit machte, war der Plan, die Inquisition wieder einzuführen. Die Dunkelmänner und Speichellecker machten vielfach desfallsige Vorstellungen und richteten Eingaben an den König. Jetzt aber legte sich die Diplomatie ins Mittel und verhinderte die Ausführung dieses abscheulichen und unpolitischen Planes, konnte aber nicht verhindern, daß mehrere Prälaten im Jahre 1825 in ihren Diözesen aus eigener Machtvollkommenheit die Inquisitionstribunale wiederherstellten, ohne dafür die Genehmigung des Königs eingeholt zu haben, der sie gewiß nicht versagt hätte und sie auch wirklich bald erteilte, zumal er mit Hilfe der Inquisition die Liberalen zu unterdrücken beabsichtigte. Gestützt auf die königliche Autorität und im vollständigsten Einklange mit den politischen Grundsätzen Ferdinands entwickelte das heilige Gericht nunmehr wieder eine unermüdliche Tätigkeit. Dadurch aber gerade trug es wesentlich dazu bei, daß die öffentliche Meinung schnell zu einer Macht erwuchs, der es nicht gewachsen war. Selbst der päpstliche Stuhl konnte sich unmöglich mit den Maßregeln einverstanden erklären, die unter dem Vorgeben, das Interesse der katholischen Kirche zu wahren, angewendet wurden, weil sie diese bei der ganzen gebildeten Welt verächtlich machen mußten. Darum suchte der Heilige Vater fortwährend im apostolischen Sinne zu vermitteln. Er lehnte die Maßregeln ab, welche vorgeblich dem Interesse der katholischen Religion dienen sollten, und entkräftete dadurch zugleich selbst bei den strengsten Katholiken die etwa noch vorhandene günstige Meinung für die Inquisition. Trotzdem hielt es noch immer ein großer Teil der spanischen Geistlichkeit mit dem verrotteten Institut und der Inquisitionspartei. Die Privatvorteile und die Privatleidenschaften hingen zu innig zusammen mit religiösen Vorurteilen und politischen Ansichten, als daß diese Leute so schnell die Sache der Inquisition verloren gegeben hätten. Allein ihre Bestrebungen waren hinfällig, das geistliche Gericht konnte sich nicht länger halten. Die Wahrheit hellte endlich auch Spanien auf, das Jahrhunderte hindurch in finsterer geistiger Umnachtung gehalten und das fluchwürdigste aller Gerichte, welches je unter dem Deckmantel der Religion den Menschengeist in Fesseln geschlagen und das Christentum, die Religion der Menschenliebe, geschändet hatte. Der Geist der Zeit überwand siegreich die grauenerregende Anstalt und den Menschenwahn finsterer Zeiten, und aus der langen Nacht brach endlich auch den Spaniern ein rosiger Morgen an. Noch vor dem Tode des unglückseligen Königs Ferdinands VII. schlossen sich die Kerker der Inquisition mit all ihren Marterwerkzeugen, den stummen und doch so beredten Zeugen eines der finstersten Zeitabschnitte in der Geschichte der Menschheit. Geldverlegenheiten nötigten den König, die Güter der Inquisition zu verkaufen, und was war der Erlös im Vergleich mit dem ungeheuren Verlust an Nationalvermögen, welches das unseligste der Institute im Laufe einiger Jahrhunderte verschlungen, und zu dem Menschenglück, welches es vernichtet hatte! Das Besitztum Hunderttausender von gewerbtätigen Personen war in tote Hand übergegangen.

Von 1481 bis 1820 verurteilte und verschlang die spanische Inquisition an Schlachtopfern:

 

    Lebendig
verbrannt
wurden
Personen
in effigie
verbrannt
wurden
Personen
Zu Geleeren u.
Gefängnis verutreilt
wurden
Personen
Unter Torquemada (1481–1499) 10220 6840 97371
" Deza (1498–1507) 2592 829 32952
" Cisnero (1507–1517) 3564 2232 48059
" Adrian (1517–1521) 1620 560 21835
In der großinquisitorlosen Zeit von 1521–1523 324 112 4481
Unter Manrique (1523–1538) 2250 1125 11250
" Tabera (1538–1545) 840 420 6550
" Loaisa und Karl I. (Kaiser Karl V. 1545–1556) 1320 660 6600
" Philipp II. (1556–1597) 3990 1845 14080
" Philipp III. (1597–1621) 1840 692 10716
" Philipp IV. (1621–1665) 2852 1428 14080
" Karl II. (1665–1700) 1632 540 6512
" Philipp V. (1700–1746) 1600 760 9120
" Ferdinand VI. (1746–1759) 10 5 170
" Karl III. (1759–1788) 4 56
" Karl IV. (1788–1808) 1 42
    _____________________________________
  Summa 34 658 18 049 288 244

 

Sonach belief sich die Zahl der Opfer von 1481 bis 1820 insgesamt auf 340 951, diejenigen nicht mitgezählt, welche unter Ferdinand VII. in den Kerkern schmachten mußten, ohne verbrannt zu werden, und sie alle waren »der Ehre Gottes« vom Menschenwahn geopfert!

Aber während das Papsttum mit zermalmender Gewalt über die Menschenwelt dahin schritt, nahmen Kirche und Geistlichkeit unendlichen Schaden an innerer Kraft und Gesundheit. Die grausamen Ketzergerichte, welche zahllose Unschuldige hinopferten, um wenige Schuldige zu treffen, vertilgten die Liebe Unzähliger zur Kirche aus der Menschenbrust und weckten Zweifel an Gerechtigkeit und Wahrheit. Die Allmacht der Hierarchie wirkte verderblich auf die Sitten des Klerus, indem sie Hoffart, Ehrsucht, Habgier und andere unreine Triebe und niedere Leidenschaften in ihm erzeugte, und solch ein Klerus mußte allerwärts zur Demoralisation der breiten Volksmassen beitragen. Aber der gesunde Kern der Bevölkerungen der verschiedenen christlichen Länder, der natürliche Menschenverstand erstarben nie völlig. Endlose Klagen erhoben sich über Nepotismus, Pfründenhäufung und Familienbegünstigung, über die Gier nach Schätzen und Genüssen, die Rom zu einem Abgrund der Käuflichkeit und des Lasters machten, über das unsittliche Leben der Hirten des Volkes im sträflichen Umgang mit Weibern und als Nährer des Menschenwahns und Afterglaubens, dem allein die Ketzer- und Hexenprozesse entsprossen sind.

Der geistliche Zwang mußte die menschliche Vernunft zum Widerstande reizen, die Zuchtmittel der Exkommunikation abstumpfen und schließlich wirkungslos machen, und endlich der lauteren Wahrheit zum Siege verhelfen; leider aber drang die Menschheit erst durch Tausende von Scheiterhaufen, durch Ströme von Blut von Millionen dem finsteren Menschenwahn in der vielgerühmten »guten alten Zeit« geopferter Unschuldiger aus Nacht zum Licht!

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