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Aber Yann sagte nichts.
Es wurde Abend und auch der Abend brachte uns keinen Wind. Wir trieben mit dem Strom an der Insel vorüber, nach Norden. Eine Zeitlang mußten sich die Matrosen im Nachen vorspannen und Yann und ich arbeiteten mit dem langen Ruder. Wir strichen haarscharf an den Klippen vorbei, an denen der Gischt sausend emporschoß.
»Nun, Yann, wie geht es?«
Yann sah mich scheu an. »Gut, wie sonst?«
Die Sonne sank und das Meer blinkte wie tausend Fensterscheiben. Sie glühte purpurn in einem violetten Himmel, dann wurde sie gelb und matt und der Himmel hinter ihr fahlgrau. Die blendende Straße, die von ihr bis zu uns ans Boot führte, schrumpfte zusammen, wurde kürzer und kürzer und verschwand. Die Sonne war gegangen; auf dem Stillen Ozean graute der Morgen. Hinter der dunkeln Insel schossen Lichtgarben hervor, das war Creach. Stiff leuchtete dicht vor uns, weiß, weiß, rot, immer ferner.
Die Dämmerung war weich wie blauer Rauch.
Der mousse fachte Kohlen auf einem kleinen Ofen an, und als sie glühten, legte er unsere große Krabbe mit dem Rücken darauf. Zuerst fühlte sie sich behaglich; das war eine Art Julisonne, die ihr auf den Rücken brannte, sie streckte sich wohlig aus, dann aber wurde es ihr zu heiß. Sie ruderte verzweifelt mit den Scheren und mahlte mit den Freßwerkzeugen. Die Schale bekam ein Loch, es zischte in den Kohlen, aber immer noch regte sie sich. Endlich lag sie still und das war das Zeichen, daß sie gar war.
Wir hatten Brot, einen Tiegel ranziger Butter und als Leckerbissen unsere Krabbe. Ich bekam die Scheren. Hallo! Wie das schmeckte! Auch die Butter war eigentlich nicht ranzig und mundete vorzüglich. Wir waren ausgehöhlt vom Hunger und hätten Blechbüchsen und Sägespäne verschlungen. Yann entkorkte eine Flasche und ließ sie zirkulieren.
Ich muß sagen, es war schön. Wir waren müde, satt und tranken. Sie alle saßen im Kreise, braun und wild, mit hellen Augen im Kopf, gutmütig, wie Kinder, die das Meer groß gezogen hatte, mit kräftigem, anheimelndem Lachen. L’honneur erzählte ein Erlebnis. Wie ihr Schiff zu Eis wurde, im Norden von Neufundland. Das Deck vereiste zuerst und die Reling, die Maste vereisten und lange Eiszapfen hingen von den Rahen und Tauwänden herab, das Steuer vereiste und schließlich war das ganze Schiff ein schwerfälliger Eisklumpen. Und das Treibeis kam und schloß es ein und preßte es, daß es knarrte. So trieb es langsam dahin, viele Tage lang. L’honneur hatte einen sorgfältig gehüteten Zeitungsausschnitt in der Kajüte und holte ihn. Ich mußte ihn lesen.
Dann erzählte Petitjean von seinem Patron. So erzählte er: »Der Patron, siehst du, war klein und breit. Viereckig. Er war stark und riß einen Anker mit der Hand aus dem Grund. Er wird zornig, siehst du, und sein Nacken steigt über den Kopf empor. So! Wir haben Kohle geladen. In England. Kohle? Dreck! Der Patron geht herum und spricht nicht. Gib acht! sagen wir. Der Patron sieht sich den Himmel an. Das Meer. Die Küste – da in der Ferne. Der Patron kennt jeden Stein im Meer. Mit verbundenen Augen segelt er um die Erde. Auf Ehre! Der Patron kommt übers Deck geschaukelt, eine Flasche in der Hand. Garçons, wir wollen ein Gläschen trinken. Verstehst du? Das ist das Zeichen. Wir packen unser Bündel. Morgen ist das Schiff nicht mehr über Wasser.«
»Der Patron war ein Seemann. Ein Seemann! Er segelte bei schlimmstem Wetter mit einem Taschentuch an den Stangen zwischen zwei Häusern hindurch. Auf Ehre! Der Patron war ein Künstler, ein professeur!« sagte Petitjean und riß die Augen furchtbar weit auf.
Und wir lachten, weil er die Augen so fürchterlich aufriß.
Nun aber kam die Reihe an mich.
»He, und nun spiele etwas!« sagte Mathieu.
Ich zog die Flöte aus der Tasche, blies den Tabak heraus und feuchtete die Lippen an.
»Was wollt ihr hören?«
»Einerlei.«
Also spitzte ich die Lippen, blies in meine kleine Flöte hinein und ließ die Finger im Stechschritt auf den Löchern spazieren gehen. Wunderbar klar klang meine kleine Flöte übers Meer:
Letzte Rose, wie magst du so einsam hier blühn?
Deine freundlichen Schwestern sind längst, schon längst dahin,
Keine Blü – üte ....
Sie saßen alle im Kreise und lauschten.
»Weiter!«
Und ich ließ die Finger auf der Flöte tanzen und blies:
Freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht,
Pflücket die Rose, eh’ sie verblüht ...
Ich schloß mit einem wunderbaren Triller und hiermit war mein Repertoir erschöpft.
»Wie schön er spielt!«
»Du wirst doch nicht schon aufhören? Vorwärts!«
»Ihr wollt also noch mehr hören? Gut.«
Ich klopfte die Flöte aus und setzte sie wieder an den Mund.
Und abermals sang meine kleine Flöte:
Letzte Rose, wie magst du so einsam hier blühn –
Und hierauf:
Freut euch des Lebens, solange noch das Lämpchen glüht – –
Wiederum schloß ich mit einem wunderbaren Triller, den ich leise ausklingen ließ, und das Konzert war zu Ende.
Sie saßen im Kreise und nickten.
»Schön hast du gespielt, heute!«
Nur Yann sagte nichts.
Der Himmel wurde tiefblau und die Nacht kam. Alle verkrochen sich, nur Mathieu hockte wie ein regungsloser Schatten am Steuer. Ich lag auf dem Verdeck, das sich voll Wärme gesogen hatte, die Arme unter dem Kopf verschränkt und lauschte auf all die kleinen Geräusche, die am Boot pickten und klopften. Stiff im Süden blinkte und Creach stach mit gleißenden Dolchen nach uns. Dort schlief Yvonne. Im Norden kroch ein grüner Funke: ein Dampfer, der in den Kanal hineinfuhr. Haarscharf zeichneten sich die Taue über mir vom Himmel ab. Die Sterne blitzten und flimmerten. Wie ein Regen fällt – dachte ich.
Da kam der Mond herauf. Glühend rot und übermäßig groß stand er am Horizont und all die kleinen Wellen schauerten ihm entgegen. Er stieg, erhaben und würdig, ohne jedoch Scheu oder Furcht einzuflößen. Er wurde zitronengelb, und als er höher stieg, silberweiß und gleißend. Die Taue warfen haarscharfe Schatten über das Deck, die sich zuweilen leicht schwangen und ineinander flossen. Mit dem Mond war eine kleine, schmale Wolke heraufgekommen. Sie hatte sich über den ganzen Himmel ausgebreitet und schimmerte weiß wie frischgefallener lockerer Schnee. Aber so schnell wie Schnee schmilzt, so schnell zerging sie und im Augenblick war der Himmel wieder klar. Dann erschien am Himmelsrand unter dem Mond ein Rudel kleiner Wolken, wie die Kundschafter eines Heeres, die kamen um auszulugen. Sie schwenkten und verschwanden wieder, das Heer kam nicht herauf. Überall züngelten kleine Rauchwölkchen auf den kleinen Wellen, als ob das Meer zu brennen anfinge. Sie wurden dichter und auf dem Meer schwamm eine Insel von Dunst, wie auf einer Wiese im Herbst. Und plötzlich erhob sich die Nebelinsel und schwebte langsam in die Höhe: das – Meer hatte eine Wolke geboren.
»Wir werden Nebel bekommen,« sagte Mathieu, wie eine Stimme aus dem Meer.
Und wieder lag ich und gab acht auf all die merkwürdigen Dinge, die ringsum vor sich gingen.
Das Meer wurde dunstig und grau, als sei der Mond plötzlich untergegangen. Stiffs Feuer in der Ferne sah aus wie ein entzündetes rotes Auge, das sich nur mühsam unter Schmerzen öffnete und augenblicklich wieder schloß. Am Horizont aber huschten fahlschimmernde Lichthiebe, das war Creach.
Ein Schatten tauchte aus der Luke und ich hörte nackte Füße auf dem Deck. Ich schloß die Augen.
»He!« flüsterte Yann und kauerte sich knackend neben mir nieder.
Ich rührte mich nicht. Ich hatte ja gewußt, daß sein Besuch mir galt.
»He!« Yann rüttelte mich und ich schlug die Augen auf. Eine Weile sah mich Yann an, dann sagte er: »Reise ab!«
Ich öffnete vor Erstaunen den Mund, ich entgegnete nichts.
»Reise ab!« wiederholte Yann.
Ich lächelte. Yanns Augen waren wie dunkle glänzende Löcher. Selbst jetzt im Halbdunkel konnte ich bemerken, daß sie blutunterlaufen waren. Kognaknebel strömten aus seinem Mund.
»Yann,« sagte ich, »du bist verrückt. Gehe schlafen, mein Freund!«
»Daß du es weißt,« fuhr Yann fort, »mit unserer Freundschaft ist es aus. Wir haben nichts mehr miteinander zu tun.«
Er sprach die Wahrheit, ich hörte es an seiner Stimme. Ich richtete mich auf.
»Yann?«
Yann knurrte. »Rosseherre hat mir alles gesagt. Gestern nacht. Heute früh war ich bei dir, aber du warst fort. Deshalb kam ich aufs Meer heraus. Ja, sie hat mir gestanden, daß sie bei dir war – in einer schwachen Stunde, ich war in Brest, da kam sie zu dir und klopfte und du kamst heraus. Sie lief davon, aber du holtest sie ein und trugst sie auf den Armen ins Haus.«
Ich erstaunte immer mehr. Meine Gelenke wurden ganz schwach. »Sie hat es dir also gesagt, Yann?«
»Ja, alles. Und ich habe sie geschlagen, bei Gott, furchtbar schlug ich sie. Ich war außer mir. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte sie totgeschlagen. Aber sie gab keinen Laut von sich, deshalb hörte ich auf.«
Pause.
Eine Sternschnuppe glitt über den Himmel. Auch da draußen war nicht alles in Ordnung. Ich dachte nach. Wie sollte ich Rosseherre je verstehen? Sie hatte sich Yann ausgeliefert – nur um ihn gegen mich aufzureizen. Aus keinem andern Grund.
»Das ist alles, was ich dir sagen wollte,« flüsterte Yann von neuem. »Du hast mich betrogen. Einer ist nun zuviel auf der Insel. Reise ab, sage ich dir!«
»Und wenn ich nicht reise?« fragte ich nach einer Weile.
Yann schwieg. Dann lachte er leise und heiser. »Reise!« flüsterte er. »Du bist mein Freund gewesen und deshalb sage ich dir: reise! Ich bin toll, hörst du? Reise mit dem nächsten Boot!«
Das war unsere ganze Unterredung. Ich lag und dachte lange nach, über Nacht war alles anders geworden. Ich hatte Yann verloren und wir waren doch so gute Kameraden, wie? Lebe wohl, Yann! Ob ich aber reisen würde oder nicht, das war wohl meine Sache. Da überrieselte es mich kalt. O ja, Yann war ein Bursche, dem man manches zutrauen konnte. Ich lachte leise vor mich hin. Mochte er in Gottes Namen tun, was er wollte. Er sollte sehen, wie er mit diesem Anfall von Eifersucht fertig würde – gute Nacht!
Ich schlief, tief und gesund. Gegen Mitternacht erwachte ich bei einem Pfeifen, das über mich hinging. Es donnerte fern, Blitze irrten am Horizont wie fein verzweigtes Geäder aus Feuer und beleuchteten die Ränder schwerer Wolkenmassen über uns. Das Segel knatterte wie Salven und wir trieben rasch dahin.
»Nimm dich in acht, daß du nicht über Bord gehst!« rief Mathieu lachend. Er hatte immer noch Wache.
Wie konnte ich denn über Bord gehen, da ich so nahe an der Reling lag! Es begann zu regnen und ich zog einen Segelfetzen über mich; der Regen floß über mein Gesicht, er war lauwarm. Die Blitze blendeten durch meine Lider hindurch und leuchteten rings durch mein Gehirn. Ich schlief wieder.
Als ich bei einem Gefühl der Übelkeit erwachte, war es Morgen. Der »Kirchturm« rollte, drückte sich in die Wogen und stieg. Die beiden kleinen Nachen im Schlepptau folgten ihm hastig und mit ängstlichen Sprüngen, wie zwei junge Hunde der Mutter. Das Meer war grau und ein grauer, feiner Regen fegte schräg darüber hin. Wir waren von einem kreisrunden Wall von Rauch eingeschlossen und konnten keine zweihundert Meter weit sehen.
An Deck waren sie geschäftig.
»Wohin fahren wir?«
»Nach England. Es wird schlimme See geben, l’honneur! Trinke deinen Kaffee drunten.«
Wohlan, nach England! Ich kletterte in die Kajüte hinab, es gab hier keine Treppe, man mußte einen Klimmzug machen und seine Beine geschickt durch die Luke schwingen. Ich trat auf Fleisch. Das war Yann, der sich auf dem Boden zusammengeringelt hatte und schlief. Poupoul lehnte mit dem Rücken gegen ihn und streckte die Pfoten in die Höhe. Nur Petitjean saß auf der schmalen Holzbank und trank aus dem Blechtopf.
»Er hat die ganze Nacht nicht geschlafen, der kleine Kapitän!« flüsterte er, nachdem wir uns guten Morgen gesagt hatten. »Was hat er doch?« Petitjean schob mir den Blechtopf hin. Ich trank rasch, denn hier unten gefiel es mir nicht.
Die Kajüte war winzig, eine Kiste, in der man nicht aufrecht stehen konnte. In der Ecke stand eine kleine bunte Madonnenstatue und an die Wand war in verschnörkelten Buchstaben gemalt: Dieu protège le Clocher du village et son équipage. Darunter hatte L’honneur geschrieben: Gott beschütze die Trunkenbolde.
Nun, ich hatte genug und turnte an Deck. Ein Dreimaster ritt durch den Dunst, erdrückt von seinen fünfzig schweren Segeln. Er profitierte vom Wind.
Ja, es gab schlimme See. Die raschen Wasserhügel bedeckten sich mit den bekannten weißen Schnüren und die Schaumkronen brachen nicht mehr über, sondern stiegen gezackt in die Höhe und der Wind zerriß sie wie Fahnen. In unseren Seilen tremulierte der Wind in den höchsten Lagen. Die toten Fische rutschten über das triefende Deck und der mousse, blaß und krank, sammelte sie in einen Korb. Dampfer tuteten, heulten und winselten da draußen und zuweilen erschien der trübe Schatten eines Dampfers innerhalb unseres Rauchwalls, um rasch wieder zu verschwinden.
Da geschah etwas ganz Außerordentliches. L’honneur am Steuer wandte sich plötzlich ab und begann zu spucken.
» L’honneur!« schrien wir alle und lachten laut.
L’honneur wandte uns das grüne Gesicht zu. »Ha! O, Hölle, das ist mir seit sechs Jahren nicht mehr passiert, l’honneur!«
Der Schiffsjunge aber lag flach auf dem Deck, die Arme links und rechts ausgestreckt und bei jeder Bewegung des »Kirchturms« wackelte sein Lausbubengesicht hin und her. Er sah wie tot aus.
Auch ich hatte Unglück. Eine Schaufel Spritzwasser war ausgerechnet in meine linke Hosentasche gestürzt und hatte mir den Tabak durchnäßt. Also mußte ich hinunter in die Kajüte, Kohlen anfachen, den Tabak trocknen. Yann war eben aufgestanden. Er saß auf der Bank, den Blechtopf in den Händen, und sah mich mit leeren. Augen an.
Yann schwieg.
Dann hörten wir einen großen Dampfer tuten. Er brüllte hinter unserem Rauchwall, der mit uns wanderte, so schnell wir auch fuhren, bald schrumpfte und bald sich weitete. Wir legten die Ohren über die Reling und sprachen kein Wort. Das surrende Tuten kam näher, aber es war unmöglich die Richtung zu bestimmen. Plötzlich aber warf sich Mathieu gegen das Steuer und brüllte: Changez les voiles! Wir heulten zur Antwort und gingen an die Arbeit. Mathieu hatte zuerst den Bug des Dampfers gesehen und wagte es nicht ihn zu kreuzen. Der Dampfer zog vorüber. Er hatte vier braune Schornsteine und vier Maste und ein dreistöckiges langes Verdeckgebäude. Ein Lloyddampfer. Die Sturzseen schlugen über sein Vorderdeck, aber er lag vollkommen ruhig. Die Brücke war mit Segeltuch abgedeckt und keine Seele war an Bord zu sehen. Wie tot sah er aus, nur seine Schornsteine qualmten. Aber horch! Horch doch! – Musik! Wir sahen einander an und lächelten. Diese Lumpen saßen bei der Tafel und die Kapelle konzertierte! Er durchdrang den Rauchwall und verschwand. Wir schnupperten in der Luft. Das war sein Rauch. » L’honneur!«
Gegen fünf Uhr drehte sich der Wind um einige Striche und raste nun wie ein Orkan daher. Wir aber waren guter Dinge.
Petitjean und Yann lagen am Steuer, die Sturmkappen tief über die nassen, zerzausten Gesichter gezogen und sangen ein bretonisches Lied. Sie brüllten, daß ihnen die Augen aus dem Kopf traten.
Die See sah wenig ermutigend aus. Von allen Seiten stürmte sie gegen uns an. Wir waren verloren in den Wogen wie die Laus im Gesäusel der Blätter.
Ich kauerte mich in einen Winkel, zog die Knie an und blies mit aller Kraft in meine Flöte. Der Sturm riß in meinen Haaren und verbog mir die Nase im Gesicht.
Freut eu–ich des Lebens ...
Meine Finger wurden schwach. »Hehe – die Flöte geht nicht mehr –!«
Und wieder brüllten die Steuerleute.
»Du vielgeliebtes Mädchen am fernen, fernen Strand –«
Ich hörte sie in weiter Ferne, das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich fühlte, wie ich bleicher und bleicher wurde, aber ich biß die Zähne zusammen: ich werde mich nicht ergeben –! Der kalte Schweiß brach mir aus den Schläfen, das Meer floß in einem grauen Strudel zusammen, der steiler und steiler wurde.
Gesichter tauchten aus dem kreisenden Strudel auf, es wimmelte von ekelhaften Fratzen und Larven unter mir im Meer. Hände griffen nach mir. Da erhielt ich einen Schlag in die Magengrube, daß es mir dunkel vor den Augen wurde. Eiserne Finger schraubten sich um meine Schläfen. Aber dann – während mich ein Dutzend Hände an den Haaren festhielt – schob sich ein schleimiger, spinnenbeiniger Finger durch meine Zähne in den Mund, den Schlund hinab, bis zum Magen. O, hoho! Ich schüttelte mich. Da zerrten die Hände an meinen Haaren, daß sie meterlang wurden – ich war steif und kraftlos am ganzen Körper – und die Hände zerrten mich über Bord. Sie rissen mich in die Tiefe und schleiften mich an den Haaren durch das nachtschwarze Meer. Blitzschnell, meilenweit. Plötzlich ließen sie mich fahren und mein Schädel krachte gegen den Grund. Ich rang nach Luft und stieg kreiselnd empor. Sollte es denn kein Ende haben – noch eine Sekunde und ich kann nicht mehr. Da – ich war oben und schöpfte Luft. Ich war immer noch an Bord des »Kirchturms« und hörte die Steuerleute wieder brüllen.
»Hehe!« rief mich Mathieu an. »Wie geht es?«
»Vorzüglich,« schrie ich und sah ihm mit verglasten Augen ins Gesicht.