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VII

Ich erwachte beim kläglichen Blöken eines Hammels. Die Türe stand offen und die Sonne schien herein. Sie leckte schon nach meinem schwarzen Kamin, es war nach Mittag. Ich sprang auf, Poupoul kam herein um beim Lever gegenwärtig zu sein. Ich schämte mich ein wenig vor ihm und blinzelte ihn scheu an. Aber seine Hochachtung und Zuneigung hatte nicht im geringsten gelitten. Dann ging ich hinunter zum Meer und schwamm, bis ich eiskalt bis in die Knochen wurde. Nun war ich frisch und guter Dinge. Ich hatte heute nacht eines der tiefsten Bohrlöcher meiner Existenz erreicht – nun würde es gesetzmäßig in die Höhe gehen, immer höher, Gott weiß wohin.

Der Tag war herrlich und entfachte Mut.

Das Meer war spiegelglatt und blau wie Seide. Der Himmel war vollkommen wolkenlos und von wunderbar tiefblauer Färbung. Er flimmerte und da und dort war er durchsichtig wie Kristall: dort sausten die Windströme. Über die Insel aber hauchte nur eine kaum fühlbare Brise. Sie streifte das Meer und breitete einen großen stahlblauen Fächer darauf aus, der sich bald öffnete, bald schloß. Ein Schwarm von kleinen leuchtenden Segeln stand draußen. All die Fischer, die gestern betrunken vor dem Grandhotel rollten, waren bei der Arbeit. Es wurde Abend, der Himmel färbte sich grünlich. Das Meer wurde rot wie Wein und die leise Brise hauchte und tupfte das Meer mit fransigen metallgrünen Flecken, die wanderten.

Die kleinen Segel glitten heimwärts durch die Bai und waren bleich.

Ich ging hinunter zum Hafen und stieg in Kedrils Boot. Als es dunkelte, zogen wir das Segel auf. Unmerklich glitten wir dahin, lautlos wie ein großer Vogel, und erst nach einer Stunde hatten wir die große Bai hinter uns. Die Mondsichel gleißte. Alle großen Sterne funkelten am Himmel, die kleinen waren nicht zu sehen. Es waren tausend Stockwerke des Raums über uns. Die Mondsichel schwebte tief unten im Meer und die großen Sterne blitzten aus der Tiefe. Es waren tausend Stockwerke unter uns. Zwischen Oben und Unten war eine dünne Glasscheibe und darauf glitten wir dahin.

Die große Stille der Nacht machte uns still und jeder hing seinen Gedanken nach. Am Horizont im Süden sprühte ein Stern, halb im Meer, wie ein schwimmendes Feuer. Er sandte knisternde Strahlen nach mir – er sprach mit mir. Ihr Wesen, die ihr euch an diesem Feuer wärmt, wie nennt ihr diese Sonne? Hala? Wandelte ich einst unter Halas Strahlen oder ist es mir bestimmt auf meiner großen Reise dort vorüber zu kommen?

Du großer Geist über den Wassern: Laß mich einst unter Hala wandeln, laß meine Seele in den Bisonochsen fahren oder den Brüllaffen, einerlei – laß sie nicht sterben –

Kedril nieste. Kedril, Unreiner, weshalb niesest du zu unrechter Zeit und vermischst deinen Unrat mit dem Weihrauch, den ich dem großen Geiste emporsende?

Wir lagen und warteten auf die » Lady of Ireland« aus Queenstown. Creach in der Ferne schwang seine Lichtwindmühle durch die Nacht und alle sieben Sekunden blendete uns sein Feuer zweimal nacheinander. Dann schien es, als wären wir hundert Schritte entfernt und blickten mitten in die gleißende Linse und erblindeten.

Das Meer pochte am Boot und das Spiegelbild der Mondsichel verzerrte sich und manchmal brach es in Stücke und Splitter. Die großen Sterne gleißten in der Tiefe wie faustgroße Brillanten, und zuweilen lösten sie sich in ein Geflimmer zitternder Funken auf, die sofort wieder zusammenschmolzen. Ich sah in das schwarze glänzende Pech hinein, durch mein mattes Spiegelbild hindurch; zuweilen wölbte es sich lautlos, als atme es. Feindselig und schaurig sah das Meer in der Tiefe aus – man glitt hinab, ohne Laut, tiefer und tiefer, es war dunkel und weich und immer noch fühlten die Füße keinen Grund ... Plötzlich fiel mir der Traum von heute nacht ein: da drunten feierte ich Hochzeit mit Rosseherre –. Ich lachte leise.

»Siehst du das Licht?« fragte Kedril.

Ich machte die Augen scharf. Ein rötliches Pünktchen flimmerte am Horizont, hundertfach feiner als der verglimmende Docht einer Kerze in einem dunkeln Raum.

»Verteufelt scharfe Augen hast du, Pilot!«

Die » Lady of Ireland« rauschte heran. Ohne Laut. Das Deng-deng der Glocke auf der Brücke klang klar durch die Stille. Ein paar Schatten beugten sich herab. Kedril ging an Bord.

Wir wechselten einige Worte mit den Schatten da droben. Eigentümlich klingen menschliche Stimmen in der Nacht auf dem Meer! Wie Gespenster waren wir.


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