Jean Paul
Vorschule der Ästhetik
Jean Paul

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II. Programm

Stufenfolge poetischer Kräfte

§ 6

Einbildungkraft

Einbildungkraft ist die Prose der Bildungkraft oder Phantasie. Sie ist nichts als eine potenzierte hellfarbigere Erinnerung, welche auch die Tiere haben, weil sie träumen und weil sie fürchten. Ihre Bilder sind nur zugeflogne Abblätterungen von der wirklichen Welt; Fieber, Nervenschwäche, Getränke können diese Bilder so verdicken und beleiben, daß sie aus der innern Welt in die äußere treten und darin zu Leibern erstarren.

§ 7

Bildungkraft oder Phantasie

Aber etwas Höheres ist die Phantasie oder Bildungkraft, sie ist die Welt-Seele der Seele und der Elementargeist der übrigen Kräfte; darum kann eine große Phantasie zwar in die Richtungen einzelner Kräfte, z. B. des Witzes, des Scharfsinns u. s. w., abgegraben und abgeleitet werden, aber keine dieser Kräfte lässet sich zur Phantasie erweitern. Wenn der Witz das spielende Anagramm der Natur ist: so ist die Phantasie das Hieroglyphen-Alphabet derselben, wovon sie mit wenigen Bildern ausgesprochen wird. Die Phantasie macht alle Teile zu Ganzen – statt daß die übrigen Kräfte und die Erfahrung aus dem Naturbuche nur Blätter reißen – und alle Weltteile zu Welten, sie totalisieret alles, auch das unendliche All; daher tritt in ihr Reich der poetische Optimismus, die Schönheit der Gestalten, die es bewohnen, und die Freiheit, womit in ihrem Äther die Wesen wie Sonnen gehen. Sie führt gleichsam das Absolute und das Unendliche der Vernunft näher und anschaulicher vor den sterblichen Menschen. Daher braucht sie so viel Zukunft und so viel Vergangenheit, ihre beiden Schöpfung-Ewigkeiten, weil keine andere Zeit unendlich oder zu einem Ganzen werden kann; nicht aus einem Zimmer voll Luft, sondern erst aus der ganzen Höhe der Luftsäule kann das Ätherblau eines Himmels geschaffen werden.

Z. B. Auf der Bühne ist nicht der sichtbare Tod tragisch, sondern der Weg zu ihm. Fast kalt sieht man den Mordstoß; und daß diese Kälte nicht von der bloßen Gemeinheit der sichtbaren Wirklichkeit entstehe, beweiset das Lesen, wo sie wiederkommt. Hingegen das verdeckte Töten gibt der Phantasie ihre Unendlichkeit zurück; ja daher ist, weil sie den Todesweg rückwärts macht, eine Leiche wenigstens tragischer als ein Tod. So ist das Wort Schicksal in der Tragödie selber die unendliche des Weltall, der Minengang der Phantasie. Nicht das Schwert des Schicksals, sondern die Nacht, aus der es schlägt, erschreckt; daher ist nicht sein Hereinbrechen (wie in Wallenstein), sondern sein Hereindrohen (wie in der Braut von Messina) echt und tragisch. Hat sich dieser Gorgonenkopf dem Leben aufgedeckt gezeigt, so ist es toter Stein; aber der Schleier über dem Haupte lässet langsam die kalte Versteinerung die warmen Adern durchdringen und füllen. Daher wird in der Braut von Messina der giftige Riesenschatte der schwarzen Zukunft am besten – aber bis zur Parodie – durch den freudigen Tanz der blinden Opfer unter dem Messer gezeigt; unser Voraussehen ist besser, als unser Zurücksehen wäre.

Wer die Entzückung auf die Bühne bringen wollte – was so schwer ist, da der Schmerz mehr Glieder und Übungen zum Ausspruche hat als die Freude –, der gebe sie einem Menschen im Schlafe; wenn er ein einzigesmal entzückt lächelt, so hat er uns ein sprachloses Glück erzählt, und es entfliegt ihm, sobald er das Auge aufschließt.

Schon im Leben übet die Phantasie ihre kosmetische Kraft; sie wirft ihr Licht in die fernstehende nachregnende Vergangenheit und umschließet sie mit dem glänzenden Farben- und Friedenbogen, den wir nie erreichen – sie ist die Göttin der Liebe; sie ist die Göttin der Jugend.S. das weitere davon Q. Fixlein, 2te Auflage, S. 343: Über die Magie der Einbildungkraft. Aus demselben Grunde, warum ein lebengroßer Kopf in der Zeichnung größer erscheint als sein Urbild, oder warum eine bloß in Kupfer gestochene Gegend durch ihre Abschließung mehr verspricht, als das Original hält, aus eben diesem Grunde glänzt jedes erinnerte Leben in seiner Ferne wie eine Erde am Himmel, nämlich die Phantasie drängt die Teile zu einem abgeschlossenen heiteren Ganzen zusammen. Sie könnte zwar ebensowohl ein trübes Ganze bauen – aber spanische Luftschlösser voll Marterkammern stellet sie nur in die Zukunft; und nur Belvederes in die Vergangenheit. Ungleich dem Orpheus, gewinnen wir unsere Eurydice durch Rückwärts- und verlieren sie durch Vorwärtsschauen.

§ 8

Grade der Phantasie

Wir wollen sie durch ihre verschiedenen Grade bis zu dem begleiten, wo sie unter dem Namen Genie poetisch erschafft. Der kleinste ist, wo sie nur empfängt. Da es aber kein bloßes Empfangen ohne Erzeugen oder Erschaffen gibt; da jeder die poetische Schönheit nur chemisch und in Teilen bekommt, die er organisch zu einem Ganzen bilden muß, um sie anzuschauen: so hat jeder, der einmal sagte: das ist schön, wenn er auch im Gegenstande irrte, die phantastische Bildungkraft. Und wie könnte denn ein Genie nur einen Monat, geschweige jahrtausendelang von der ungleichartigen Menge erduldet oder gar erhoben werden ohne irgendeine ausgemachte Familienähnlichkeit mit ihr? Bei manchen Werken gehts den Menschen so, wie man von der Clavicula Salomonis erzählt: sie lesen darin zufällig, ohne im geringsten eine Geister-Erscheinung zu bezwecken, und plötzlich tritt der zornige Geist vor sie aus der Luft.

§ 9

Das Talent

Die zweite Stufe ist diese, daß mehre Kräfte vorragen, z. B. der Scharfsinn, Witz, Verstand, mathematische, historische Einbildungkraft u. s. w., indes die Phantasie niedrig steht. Dieses sind die Menschen von Talent, deren Inneres eine Aristokratie oder Monarchie ist, so wie das genialische eine theokratische Republik. Da, scharf genommen, das Talent, nicht das Genie Instinkt hat, d. h. einseitigen Strom aller Kräfte: so entbehrt es aus demselben Grunde die poetische Besonnenheit, aus welchem dem Tiere die menschliche abgeht. Die des Talents ist nur partiell; sie ist nicht jene hohe Sonderung der ganzen innern Welt von sich, sondern nur etwa von der äußern. In dem Doppelchor, welches den ganzen vollstimmigen Menschen fodert, nämlich im poetischen und philosophischen, überschreiet der melodramatische Sprachton des Talents beide Sing-Chöre, geht aber zu den Zuhörern drunten als die einzige deutliche Musik hinunter.

In der Philosophie ist das bloße Talent ausschließend-dogmatisch, sogar mathematisch und daher intolerant (denn die rechte Toleranz wohnt nur im Menschen, der die Menschheit widerspiegelt), und es numeriert die Lehrgebäude und sagt, es wohne No. 1. oder 99. oder so, indes sich der große Philosoph im Wunder der Welt, im Labyrinthe voll unzähliger Zimmer halb über, halb unter der Erde aufhält. Von Natur hasset der talentvolle Philosoph, sobald er seine Philosophie hat, alles Philosophieren; denn nur der Freie liebt Freie. Da er nur quantitativNur die Majorität und Minorität, ja nur die Minimität und Maximität verstatten diesen Ausdruck; denn eigentlich ist kein Mensch von einem Menschen qualitativ verschieden; der Übergang aus der knechtischen Kindheit in das moralische freie Alter, so wie das Erwachsen und Verwelken der Völker könnte den Stolz, der sich lieber zu den Gattungen als den Stufen zählt, durch diese offenbare Allmacht der Stufen-Entwicklung bekehren. von der Menge verschieden ist: so kann er ihr ganz auffallen, gefallen, vorleuchten, einleuchten und ihr alles sein, ohne Zeit im Moment; denn so hoch er auch stehe, und so lang er auch messe: so braucht sich ja jeder nur als Elle an ihm, dem Kommensurablen, umzuschlagen, sofort hat er dessen Größe; indes das Feuer und der Ton der Qualität nicht an die Ellen und in die Waage der Quantität zu bringen ist. In der Poesie wirkt das Talent mit einzelnen Kräften, mit Bildern, Feuer, Gedankenfülle und Reize auf das Volk und ergreift gewaltig mit seinem Gedicht, das ein verklärter Leib mit einer Spießbürgerseele ist; denn Glieder erkennt die Menge leicht, aber nicht Geist, leicht Reize, aber nicht Schönheit. Der ganze Parnaß steht voll von Poesien, die nur helle, auf Verse wie auf Verstärkungflaschen gezogne Prose sind; poetische Blumenblätter, die gleich den botanischen bloß durch das Zusammenziehen der Stengelblätter entstehen. Da es kein Bild, keine Wendung, keinen einzelnen Gedanken des Genies gibt, worauf das Talent im höchsten Feuer nicht auch käme – nur auf das Ganze nicht –: so lässet sich dieses eine Zeitlang mit jenem verwechseln, ja das Talent prangt oft als grüner Hügel neben der kahlen Alpe des Genies, bis es an seiner Nachkommenschaft stirbt, wie jedes Lexikon am bessern. Talente können sich untereinander, als Grade, vernichten und erstatten; Genies, als Gattungen, aber nicht. Bilder, witzige, scharfsinnige, tiefsinnige Gedanken, Sprachkräfte, alle Reize werden bei der Zeit, wie bei dem Polypen, aus der Nahrung zuletzt die Farbe derselben; anfangs bestehlen ein paar Nachahmer, dann das Jahrhundert, und so kommt das talentvolle Gedicht, wie ähnliche Philosophie, die mehr Resultate als Form besitzt, an der Verbreitung um. Hingegen das Ganze oder der Geist kann nie gestohlen werden; und noch im ausgeplünderten Kunstwerk (z. B. im Homer) wohnet er, wie im nachgebeteten Plato, groß und jung und einsam fort. Das Talent hat nichts Vortreffliches, als was nachahmlich ist, z. B. Ramler, Wolff der Philosoph etc. etc.

§ 10

Passive Genies

Die dritte Klasse erlaube man mir weibliche, empfangende oder passive Genies zu nennen, gleichsam die in poetischer Prose geschriebenen Geister.

Wenn ich sie so beschreibe, daß sie, reicher an empfangender als schaffender Phantasie, nur über schwache Dienstkräfte zu gebieten haben, und daß ihnen im Schaffen jene geniale Besonnenheit abgehe, die allein von dem Zusammenklang aller und großer Kräfte erwacht: so fühl' ich, daß unsere Definitionen entweder nur naturhistorische Fachwerke nach Staubfäden und nach Zähnen sind, oder chemische Befundzettel organischer Leichen. Es gibt Menschen, welche – ausgestattet mit höherem Sinn als das kräftige Talent, aber mit schwächerer Kraft – in eine heiliger offne Seele den großen Weltgeist, es sei im äußern Leben oder im innern des Dichtens und Denkens, aufnehmen, welche treu an ihm, wie das zarte Weib am starken Manne, das Gemeine verschmähend, hängen und bleiben, und welche doch, wenn sie ihre Liebe aussprechen wollen, mit gebrochnen, verworrenen Sprachorganen sich quälen und etwas anderes sagen, als sie wollen. Ist der Talent-Mensch der künstlerische Schauspieler und froh nachhandelnde Affe des Genies, so sind diese leidenden Grenz-Genies die stillen, ernsten, aufrechten Wald- oder Nachtmenschen desselben, denen das Verhängnis die Sprache abgeschlagen. Es sind – wenn nach den Indiern die Tiere die Stummen der Erde sind – die Stummen des Himmels. Jeder halte sich heilig, der Tiefere und der Höhere! denn eben diese sind für die Welt die Mittler zwischen Gemeinheit und Genie, welche gleich Monden die geniale Sonne versöhnend der Nacht zuwerfen.

Philosophisch- und poetischfrei fassen sie die Welt und Schönheit an und auf; aber wollen sie selber gestalten, so bindet eine unsichtbare Kette die Hälfte ihrer Glieder, und sie bilden etwas Anderes oder Kleineres, als sie wollten. Im Empfinden herrschen sie mit besonnener Phantasie über alle Kräfte; im Erfinden werden sie von einer Nebenkraft umschlungen und vor den Pflug der Gemeinheit gespannt.

Eins von beiden macht ihre Schöpfungstage zu unglücklichen. Entweder ihre Besonnenheit, welche auf fremde Schöpfungen so hell schien, wird über der eignen zur Nacht – sie verlieren sich in sich, und ihnen geht zum Bewegen ihrer Welt, bei allen Hebeln in den Händen, der Stand auf einer zweiten ab –; oder ihre Besonnenheit ist nicht die geniale Sonne, deren Licht erzeugt, sondern ein Mond davon, dessen Licht erkältet. Sie geben leichter fremden Stoffen Form als eignen und bewegen sich freier in fremder Sphäre als in der eignen, so wie dem Menschen im Traume das FliegenEben weil er auf dem Traum-Boden die gewöhnlichen Geh-Muskeln gebrauchen will und nicht kann, in der Himmelluft aber keine Flieg-Muskeln nötig hat. leichter wird als das Laufen.

Wiewohl unähnlich dem Talentmenschen, der nur Weltteile und Weltkörper, keinen Weltgeist zur Anschauung bringen kann, und wiewohl eben darum ähnlich dem Genie, dessen erstes und letztes Kennzeichen eine Anschauung des Universums: so ist doch bei den passiven Genies die Welt-Anschauung nur eine Fortsetzung und Fortbildung einer fremden genialen.

Ich will einige Beispiele unter den – Toten suchen, wiewohl Beispiele wegen der unerschöpflichen Mischungen und Mitteltinten der Natur immer über die Zeichnung hinausfärben. Wohin gehört Diderot in der Philosophie und Rousseau in der Poesie? So augenscheinlich zu den weiblichen Grenzgenies; indes jener dichtend, dieser denkend mehr zeugte als empfing.Da auch in der Moralität die beiden Klassen des sittlichen Sinns und der sittlichen Kraft zu beweisen sind: so würde Rousseau gleichfalls in die passive zu bringen sein.

In der Philosophie gehört zwar Bayle gewiß zu den passiven Genies; aber Lessing – ihm in Gelehrsamkeit, Freiheit und Scharfsinn ebenso verwandt als überlegen – wohin gehört er mit seinem Denken? – Nach meiner furchtsamen Meinung ist mehr sein Mensch ein aktives Genie als sein Philosoph. Sein allseitiger Scharfsinn zersetzte mehr, als sein Tiefsinn feststellte. Auch seine geistreichsten Darstellungen mußten sich in die Wolffischen Wortformen gleichsam einsargen lassen. Indes war er, ohne zwar wie Plato, Leibniz, Hemsterhuis etc. der Schöpfer einer philosophischen Welt zu sein, doch der verkündigende Sohn eines Schöpfers und eines Wesens mit ihm. Mit einer genialen Freiheit und Besonnenheit war er im negativen Sinne ein frei-dichtender Philosoph, wie Plato im positiven, und glich dem großen Leibniz darin, daß er in sein festes System die Strahlen jedes fremden dringen ließ, wie der schimmernde Diamant ungeachtet seiner harten Dichtigkeit den Durchgang jedes Lichts erlaubt und das Sonnenlicht sogar festbehält. Der gemeine Philosoph gleicht dem Korkholze, biegsam, leicht, voll Öffnungen, doch unfähig, Licht durchzulassen und zu behalten.

Unter den Dichtern stehe den weiblichen Genies Moritz voran. Das wirkliche Leben nahm er mit poetischem Sinne auf; aber er konnte kein poetisches gestalten. Nur in seinem Anton Reiser und Hartknopf zieht sich, wenn nicht eine heitere Aurora, doch die Mitternachtröte der bedeckten Sonne über der bedeckten Erde hin; aber niemals geht sie bei ihm als heiterer Phöbus auf, zeigend den Himmel und die Erde zugleich in Pracht. Wie erkältet dagegen oft Sturz mit dem Glanze einer herrlichen Prose, die aber keinen neuen Geist zu offenbaren, sondern nur Welt- und Hofwinkel hell zu erleuchten hat! Wo man nichts zu sagen weiß, ist der Reichtag- und Reichanzeiger-Stil viel besser – weil er wenigstens in seinen Selbst-Harlekin umzudenken ist – als der prunkende, gekrönte, geldauswerfende, der vor sich her ausrufen lässet: Er kommt! Auch Novalis und viele seiner Muster und Lobredner gehören unter die genialen Mannweiber, welche unter dem Empfangen zu zeugen glauben.

Indes können solche Grenz-Genies durch Jahre voll Bildung eine gewisse geniale Höhe und Freiheit ersteigen und, wie ein dissoner Griff auf der Lyra, durch Verklingen immer zärter, reiner und geistiger werden; doch wird man ihnen, so wie dem Talent das Nachbilden der Teile, so das Nachbilden des Geistes anmerken.

Aber niemand scheide zu kühn. Jeder Geist ist korinthisches Erz, aus Ruinen und bekannten Metallen unkenntlich geschmolzen. Wenn Völker an der Gegenwart steil und hoch hinaufwachsen können, warum nicht Geister an der Vergangenheit? – Geister abmarken, heißet den Raum in Räume verwandeln und die Luftsäulen messen, wo man oben nicht mehr Knauf und Äther sondern kann.

Gibt es nicht Geister-Mischlinge, erstlich der Zeiten, zweitens der Länder? – Und da zwei Zeiten oder zwei Länder an doppelten Polen verbunden werden können, gibt es nicht ebenso schlimmste als beste? – Die schlimmen will ich übergehen. Die Deutsch-Franzosen, die Juden-Deutschen, die Papenzenden, die Griechenzenden, kurz die Zwischengeister der Geistlosigkeit stehen in zu greller Menge da. Lieber zu den Genien und Halbgenien! In Betreff der Länder kann man Lichtenberg zitieren, der in der Prose ein Bindegeist zwischen England und Deutschland ist – Pope ist ein Quergäßchen zwischen London und Paris – Höher verbindet Voltaire umgekehrt beide Städte – Schiller ist, wenn nicht der Akkord, doch der Leitton zwischen britischer und deutscher Poesie und im ganzen ein potenziierter verklärter Young, mit philosophischem und dramatischem Übergewicht. –

In Rücksicht der Zeiten (welche freilich wieder Länder werden) ist Tieck ein schöner barocker Blumen-Mischling der altdeutschen und neudeutschen Zeit, wiewohl mehr den genialen Empfängern als Gebern verwandt. Wieland ist ein Orangenbaum französischer Blüten und deutscher Früchte zugleich – Goethens hoher Baum treibt die Wurzel in Deutschland und senkt den Blütenüberhang hinüber ins griechische Klima – Herder ist ein reicher blumiger Isthmus zwischen Morgenland und Griechenland – –

Wir sind jetzo nach der stetigen Weise der Natur, bei deren Übergängen und Überfahrten niemals Strom und Ufer zu unterscheiden sind, endlich bei den aktiven Genien angelandet.


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