Jean Paul
Hesperus oder 45 Hundposttage
Jean Paul

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Nachtrag zum 44. Hundposttag

Nichts –

Da dieser Nachtrag zu einem Posttäglein zu klein war: so wartete ich immer auf den Hund und auf neuen biographischen Pfeifenton und Teig. – Weil aber die poste aux chiens ausbleibt, so will ich nur die wenigen Katzen-Töne, die ich aus dem liebenden Konzert des vorigen Kapitels weggelassen, hier auf meine Noten setzen. Es ist lauter verdrüßliches Zeug, was ich hier noch nachzuholen habe, und eben jene Knarrtöne können wieder eine neue Lauwine herabwerfen und neuen Unfug stiften. Es ist nur dumm, daß so das Buch aus und doch nicht aus ist, da der Hund von einem – Hund ganz unerwartet weg ist, wie Schnupftabak.

Die stiefmütterliche Kammerherrin, die vom biographischen Geister- und Körperbanner seit langem aus diesen Blättern landesverwiesen ist, war bei der Ankunft der Lady aus sehr natürlicher Antipathie wegmarschiert auf ein kleines Landgut. Reise zu, du bist ohnehin meine Amancebada nicht! – Matthieu war im vorigen Kapitel nach seiner alten Kühnheit unter lauter Widersachern seines dunkelbraunen Ich ein wenig dageblieben; und saß im Schlosse, als die glückliche Prozession aus dem Garten einzog. Er wußte noch nicht, daß der Hofmann Viktor wahrhaftig nichts ist als ein bloßer platter Pfarrsohn. Anfangs setzte er den antiken Spaß seiner Lieberklärung gegen Agathen fort und reizte den Pfarrer zu Komplimenten und Dankadressen für die Dienste an, die er allen heute erwiesen. Als er aber zu viel Gleichgültigkeit gegen seine kalte Bosheit vorfand, benahm er seiner Verachtung die Zweideutigkeit. Überhaupt war sein Herz aufrichtig und stellte sich lieber boshafter als tugendhafter an, als es war; er haßte eine Verstellung, wodurch sich mancher Höfling leicht jene Miene des Tugendhaften gibt, die am besten durch Lavaters Bemerkung zu erklären ist, daß der Zornige auf seinem Gesicht die Mienen dessen, den er hasset, bekomme.

Endlich erriet Matthieu die Geheimnisse, und der Pfarrer bestätigte sie ihm. Ein solches Wasser für seine Schneide- und Sägemühle, auf der er Menschen für sein Throngerüste zurechtschnitt, war noch nie auf ihn zugeflossen – wenn er dieses neue Falsum, diesen neuen entsetzlichen abscheulichen Betrug, den der Lord dem Fürsten gespielt, dem Fürsten vorträgt: so muß – schließet er – Jenner außer sich kommen vor Erstaunen über Lord Horions Lügen und über Matthieus Wahrheiten. – Jetzt hielt ers für Pflicht, zu lächeln zwar, aber nicht mehr schadenfroh wie Matz, sondern ordentlich verachtend, wie ein Hof-Lehnmann soll; auch fühlte er, wie sehr es unter seiner Würde sei, sich länger in dieses bürgerliche Quodlibet, ohne es doch zum Narren zu haben, mit einquirlen zu lassen. Er ging mithin – um die Neuigkeit aus seinem Säetuch in gutes Land auszuwerfen – nach einem kurzen, aber aufrichtigen Glückwunsche zur Vermählung noch dieselbe Nacht an den Hof zurück – – – und der Teufel folgte ihm als Kammermohr anständig hinterdrein.

Ich wollte, der Spitzbube täte keinen Tritt mehr in meine biographische Schreibstube und casa santa; er ist sich so vieler unmoralischer Hülfquellen bewußt, daß er ordentlich im Kraftgefühl derselben mit den Sünden spielt und immer einige mehr wagt, als er braucht; so wie er z. B. in der Maienthaler Allee mit der Stimme der Nachtigall aus bloßem Übermut Viktor und Klotilde in seine Nähe lockte, obgleich Flamin beide ohne jene Philomelenmaschinerie hätte belauschen können. Von dieser Seite wünsch' ich fast gar nicht mehr, daß der Posthund weiter kömmt; ich muß zu sehr besorgen, daß Matthieu neuen Krötenlaich und eine neue Essigmutter des Elends an die Wärme Jenners bringt, damit sie neues giftiges scharfes Unglück aushecke; denn er wird es gewiß höchsten Orts berichten, daß die drei Engländer sich in die Insel wie in eine Katakombe verstecken – daß Flamin sich ihnen zugeselle – daß Viktor bisher einen Fürsten belogen, dessen Untertan er sei – noch anderer Dinge zu geschweigen, welche die ministerialische Spionin und Kammerherrin von Le Baut mitteilt und sein so antiklubistischer Vater schwarz färbt, und die jene zeichnet und dieser koloriert. Und wenn ich bedenke, daß in dieser Lebensbeschreibung ein kleines Unglück immer die Eierschale und das Eiweiß eines großen war: so bin ich sehr geneigt zu glauben, daß der Ausdruck des Pfarrers am 21. Oktober mehr Witz als Wahrheit enthalte: »daß sie gegenwärtig alle statt des Tränenbrots den Brautkuchen der Freude anschnitten.«... Ihr guten Menschen! worin mag jetzt in dieser Minute euer Busen auf- und niedergehen, im weichen dünnen Äther der Freude oder im Gewitter-Brodem der Angst? –

Nachtrag zum Nachtrag

Ich habe hierzu, während sich die erste Auflage vergriff, einige recht interessante Umstände für die zweite erfahren. Julius umhalsete im Garten seinen Viktor recht fest und sagte: »Ich bin sehr froh, daß ich wieder da bin – ich war den ganzen Tag so allein und hörte keinen Menschen – dein italienischer Bedienter ist ganz fortgelaufen.« In Viktor stieg über diese unerklärliche Entweichung eines treuen glücklichen Dieners, wenn nicht eine Gewitterwolke, doch ein Nebel auf. Die stille Marie hatte dem Blinden die Dienste des Flüchtlings emsig getan. »Ich hätte dem Italiener gern vorher seinen Brief gegeben,« (fuhr Julius fort) »aber da hab' ich ihn noch.« Viktor besah ihn und fand voll Erstaunen die Adresse von der Hand des – Lords. Der Brief wurde einige Minuten nach des Menschen Flucht an den Blinden mit der Bitte abgereicht, ihn niemand als dem Welschen zu geben. Wiewohl Flamin und die Lady und die Pfarrerin versprachen, das Erbrechen des Briefes zu verantworten: so ging Viktor doch an diese Auflösung einer neuen Scharade seines Lebens ungern; denn Klotilde schwieg dazu. Hier ist die vidimierte Kopie:

»Sie haben recht. Aber reisen Sie nicht erst morgen, sondern auf der Stelle zum Mr. ***. Der Ort bleibt . Aber VI sind notwendig.«

Mr. konnte den Monsieur (den fünften Sohn) bedeuten. Weiter war aus diesem Wolkenzug nichts vom künftigen Wetter durch die besten Wetterpropheten zu erraten. Aber nur aus ihrer eignen bangen Wißbegierde nach der Deutung dieser Himmelzeichen können sich die Leser eine Vorstellung von der großen unsers Helden machen.


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