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13. Kapitel.

Frau Ellinor verließ die Wohnung des Detektivs in sehr gedrückter Stimmung. Sie war ein Weib - wie hätte die rückhaltlose Bewunderung, die wirkliche Leidenschaft, die ihr aus Frank Wessons Worten entgegenwehte, sie nicht bezaubern sollen?!

Aber mit der Eitelkeit, die so sehr ein Attribut der Schönheit ist, verband sich bei dieser Frau eine große Kühle der Empfindungen.

Sie erinnerte sich nicht, jemals mehr als ein starkes Wohlgefallen an einem Mann gehabt zu haben. Vielleicht waren die Gefühle der Männer zu schnell und zu heftig im Ausdruck gegenüber einer so bezaubernden Erscheinung, als daß die Leidenschaft Frau Ellinors jemals Zeit gehabt hätte, zu ihrer ganzen Höhe emporzuwachsen. Wahrscheinlich jedoch hatte diese Frau, der eine so große Anzahl von Vorzügen verliehen war, gerade im Punkte des Gefühls ein starkes Manko. Und so wurde es ihr am Ende nicht schwer, sich zu beherrschen und Herrin der Lage zu bleiben.

Nur die Treue gegenüber ihrem Gatten und die Liebe zu ihren Kindern, meinte sie, seien die Beweggründe, die sie abhielten, sich auf solche Weise Frank Wesson als Bundesgenossen zu sichern.

Dabei gefiel ihr dieser Mann. Seine kühle, nahezu gleichgültige Entschlossenheit wäre auf die Dauer wohl imstande gewesen, sie immer mehr zu fesseln. Aber der Detektiv kam zu schnell mit seiner Liebesforderung, und Frau Ellinor, für die die Ueberlegung einer Sekunde genügte, um für tausend Mark echte Spitzen verschwinden zu lassen, war in den Dingen des Herzens von äußerster Unentschlossenheit. Diese ganze Gefühlswelt interessierte sie nicht genug, war ihr zu fremd und gab ihrem nach Abenteuern dürstenden Geiste zu wenig Nahrung, um sich so rasch und schnell in sie zu versenken, wie Frank Wesson es wohl gewünscht hätte.

Das Ergebnis ihres Gesprächs mit dem Detektiv war nun doch eine große Enttäuschung. Sie hatte so gar nicht Zeit und Muße, sich wiederum nach einem Helfer in ihrer Not umzusehen, und doch blieb ihr nichts anderes übrig, als abermals die alte Margutta aufzusuchen, von der sie noch am ersten einen Rat erhoffte.

 

Es war neun Uhr, als die schöne Rotblonde in der Rosenstraße anlangte. Auch heute mußte sie wieder eine geraume Zeit warten, ehe man sie einließ, und dann fand sie dasselbe Mädchen bei der Alten, das ihr schon an jenem Abend so unsympathisch gewesen war und das heute nicht wie damals das Zimmer verließ, obwohl es ihr die Alte mehrfach und in heftigem Tone befahl.

»Nu, was haben Sie, mein Täubchen?« fragte die Hehlerin. »Soll ich wieder Spitzen kaufen? Lassen Sie sehen. Wenn ich bloß Geld hätt', aber ich habe keins! Wo soll ich denn alles hernehmen? Aber zeigen Sie doch, mein Kind, mein Liebstes, mein Bestes, was Sie da haben! Immer lassen Sie sehen!«

Frau Ellinor schüttelte den Kopf. Sie hatte nichts … Ihre Blicke deuteten nach der schwarzhaarigen Recha hin, die mit unverschämter Neugier zu ihr hinüberstarrte.

»Na, biste immer noch da?« rief die Alte gereizt, »wirste machen und rausgehen, Satan! … Was habe ich dir gesagt: Wenn ich bekomme Kundschaft, sollste nehmen die Beine in die Hand und verschwinden!«

Das Mädel lachte frech.

»Was braucht sich die zu genieren vor der Chamrusse?« sagte sie spöttisch. »Ich arbeit' doch auch in dem Geschäft, wenn ich auch nicht grad ›die Spitzenkönigin‹ heiße.«

Frau Ellinor horchte auf. So nannte man sie? Ein Gefühl der Angst, das doch mit einem gewissen Stolz gemischt war, stieg in ihr auf. Also man kannte sie! Selbst in den Kreisen der Verbrecher war sie schon berüchtigt … und mit einem Schauder sagte sie sich selber, wie bald der Augenblick kommen würde, an dem nicht allein diese Menschen, sondern auch die Polizei sie kennen würde! …

Bei weiterer Ueberlegung aber sah sie ein, daß die gewaltsame Entfernung des Mädchens ihr weniger nützen als schaden konnte, und plötzlich kam ihr die Idee, ob sie nicht durch dieses Mädchen auch etwas über jenen Menschen erfahren konnte, der sie damals beobachtet hatte und den der Detektiv Anton H. Wisecky nannte.

Sich mit dem freundlichen Ausdruck ihres schönen Angesichts, dem ja so leicht niemand widerstehen konnte, zu »Spitzfinger« hinwendend, fragte sie die Taschendiebin:

»Da Sie mich doch schon kennen, Fräulein, haben Sie wohl auch von dem Pech gehört, das ich neulich gehabt, und von dem Menschen, der mich verfolgt hat?« Und nun erzählte sie nochmals ausführlich ihr ganzes damaliges Erlebnis.

Spitzfinger lächelte sehr verschmitzt und sehr geschmeichelt durch die Anrede dieser Frau, deren Ueberlegenheit sie ohne weiteres anerkannte.

»Ha, den kenne ich schon lange! Das ist der ›schmale Anton‹ … So nennen wir'n wenigstens. Er war früher bei Freitag Söhne ›Jeheimer‹, und jetzt macht er Geschäfte als Linksanwalt, Winkelkonsulent und so was. Wohnt in der Fischerstraße … Die Hauptsache, wovon er lebt, ist, daß er Leute abfaßt in de Warenhäuser beim Stippen und nachher macht er'n Ballonfahrer … Bei Ihnen wohl ooch, was?«

Frau Ellinor verstand diese Fachausdrücke nicht, aber trotzdem war sie von einer jubelnden Freude erfüllt. Alles das, was der Detektiv ihr nur unter einer so unerfüllbaren Bedingung hatte sagen wollen, das hörte sie hier ausführlich umsonst und vielleicht noch genauer. Es war gar kein Zweifel, daß Spitzfinger den Erpresser genau kannte … O, er sollte nur noch einmal in ihre Wohnung kommen. Sie würde es sich gewiß sehr überlegen, ob sie ihn nicht trotz alledem einfach bei der Behörde anzeigen sollte.

Sich wieder an die Taschendiebin wendend, sagte sie:

»Ich habe von Frau Makropolska gehört, daß es Ihnen zur Zeit nicht gerade besonders gut geht. Vielleicht erlauben Sie mir, daß ich Ihnen ein bißchen aushelfe … Wir sind ja Kolleginnen!« setzte sie mit einem Lächeln, das ihr ins Herz schnitt, hinzu

Dann nahm sie ihre Börse hervor, suchte nach einem passenden Geldstück und reichte, als sie es nicht fand, der Taschendiebin einen von den fünf Hundertmarkscheinen, die ihr der Detektiv zurückgegeben hatte.

Das war Frau Ellinor wie sie leibte und lebte! Ein Taler hätte Spitzfinger auch schon erfreut. Aber die schöne Frau gab hundert Mark, weil ihr der Unterschied im Augenblick gar nicht klar wurde, weil ihr das Geld auch heute noch, trotzdem sie so viele und große Schuld deswegen auf sich geladen hatte, in dem Augenblick wertlos deuchte, wo sie es in der Hand hielt.

Die Schwarze bekam einen ganz roten Kopf vor Freude. Sie stammelte etwas, was wie Danksagung klang, aber Frau Ellinor hörte es kaum noch. Sie war schon wieder draußen auf dem dunklen, feuchten und übelriechenden Hof, den sie mit geheimem Schauder durchschritt, um dann rasch die kurze, schlecht beleuchtete Straße hinaufzugehen. An der Ecke sprang sie in eine Droschke und war bald nach ein halb zehn Uhr zu Hause angelangt.

Immer argwöhnisch und jeden Augenblick auf ein Ereignis gefaßt, das ihre ganze Existenz von Grund auf umwerfen würde, sah sie mit scharfem Auge das Dienstmädchen, das ihr öffnete, an und glaubte in dessen Gesicht etwas Besonderes zu lesen.

»Ist mein Mann zu Haus?« fragte Frau Ellinor.

Das Mädchen nickte.

»Ja, und der Herr ist wieder bei ihm, der neulich schon hier war.«

»Der Herr, der neulich hier war, … der gleichzeitig mit mir gekommen ist letzten Freitag?«

»Ganz recht, gnädige Frau. Er ist schon seit mehreren Stunden beim Herrn.«

Ohne sich auch nur Zeit zu lassen, ihren Hut und Mantel abzulegen, ging Frau Ellinor mit raschen Schritten in das Arbeitszimmer ihres Gatten hinein.

Dort traf sie die beiden Männer, die ihren Kampf offenbar schon ausgekämpft hatten, stillschweigend beieinander.

Der Geierkopf auf dem langen, hageren Körper des Winkelkonsulenten beugte sich über eine Zeitung und fuhr, als Frau Ellinor eintrat, mit einem kurzen Ruck empor, worauf sofort jenes höhnische Lächeln auf dem Gesicht des Mannes erschien, das hier im dämmernden Lampenlicht noch fahler und häßlicher wirkte.

Vor einem Schreibtisch, in sich zusammengesunken, lehnte Hermann Brunner im Sessel. Er schien mutlos und verzweifelt, und der Eintritt seiner Frau brachte bei ihm kaum eine leise Bewegung hervor.

Die schöne Frau blieb mitten im Zimmer stehen.

Ohne ein Wort mit ihrem Mann zu wechseln, wandte sie sich an den Erpresser.

»Was wollen Sie von uns?«

Anton H. Wisecky grinste, sodaß sein ganzes Gesicht sich in höhnische Falten zog.

»Geld!« sagte er. »Was soll ich denn sonst von Ihnen wollen?! Glauben Sie etwa, ich will Sie Ihrem Mann abspenstig machen?«

Frau Ellinor zuckte zusammen. Sie dachte an den anderen, bei dem sie noch vor so kurzer Zeit geweilt und der wirklich dieses Begehren gehabt hatte.

Mit einer fast unnatürlichen Ruhe sagte sie:

»Wie kommen Sie denn dazu, Geld von uns zu verlangen?!«

»Fragen Sie doch nicht so dumm!« sagte der Erpresser, der noch immer ruhig in seinem Sessel saß und mit der zusammengeknifften Zeitung auf sein spitzes Knie hieb.

»Ich will fünftausend Mark haben, sonst zeige ich Sie an wegen Diebstahls.«

Mit einem leisen Lachen entgegnete Frau Ellinor:

»Ach, das ist drollig! Herr Anton H. Wisecky, der von Freitag Söhne entlassen worden ist, weil er an den Kunden Erpressungen verübt hat, der kommt zu mir und will mich anzeigen wegen Diebstahls …«

Bei diesen Worten hatte sich Hermann Brunner aufgerichtet. Man merkte, daß er begriff, wie seine Frau inzwischen nicht untätig gewesen war und Material gesammelt hatte, um diesen Schurken zu entlarven. Der Makler faßte die geschnitzten Köpfe der Sessellehne und richtete sich aus seiner trägen Haltung auf.

Auch der Erpresser wollte sich von seinem Stuhle erheben.

Aber die schöne Frau trat ihm jetzt näher und sagte mit einer unterdrückten Wut in der Stimme, vor der der mit dem Geierkopf sich instinktiv zurückbog:

»Wenn Sie nicht augenblicklich machen, daß Sie hinauskommen, und wenn Sie noch jemals wagen, einen Fuß über meine Schwelle zu setzen, dann sind Sie geliefert! Ich bin Ellinor Brunner, die Gattin dieses überall bekannten und geachteten Mannes hier! Sie sind ein Schurke, der wegen seiner gemeingefährlichen Schandtaten von seinem Geschäftshause hinausgeworfen wurde und den ich … ich … jederzeit ins Gefängnis bringen kann.«

Die letzte Farbe war aus dem Antlitz des Erpressers gewichen. Vor diesem ganz unerhörten Schlage, über dessen Ursachen er sich so rasch nicht klar zu werden vermochte, wich er zurück, und für den Augenblick wenigstens hatte er das Gefühl, diese Frau sei ihm überlegen.

Er stotterte etwas vor sich hin, was unverständlich blieb, aber dann raffte er sich auf, und durch das Grinsen wurde er zu einer wahrhaft teuflischen Fratze.

»Das wird Ihnen schlecht bekommen! Denken Sie ja nicht, daß Sie mich fangen können! Wer ich bin, das weiß ich, aber wer Sie sind, das wird bald die ganze Welt erfahren!«

Er hatte sich bei seinen Worten nur an die Frau gewandt. Der Mann mochte ihm zu gleichgültig scheinen, als daß er in dieser wilden und verzweifelten Situation auch nur einen Blick an ihn verschwenden sollte. Und doch hätte er wohl daran getan, auch den Makler im Auge zu behalten, der beim Aufstehen aus seinem Sessel einem Trunkenen gleich schwankte und sich jetzt an seiner Frau und Wisecky vorbei nach der gegenüberliegenden Wand begab.

Der Winkelkonsulent hatte in diesen zwei Stunden dem Makler furchtbar zugesetzt. Und Hermann Brunner war dadurch in einen Zustand der Betäubung geraten, daß er die Lage nicht mehr klar überschauen konnte.

Er hatte jetzt nur noch den einzigen Wunsch, nur das war ihm noch klar, daß dieser Mann da in jedem Falle verhindert werden müsse, Uebles von seiner Frau zu reden oder gar Ellinor bei der Behörde anzuzeigen …

Er sah seine Frau eintreten und hörte, daß sie Waffen gefunden habe gegen den Erpresser. Aber sein Verstand, der in dieser Minute nicht so klar wie sonst arbeitete, stand dieser Tatsache in einer Art von dumpfer, ungläubiger Verwunderung gegenüber.

Und der Mann, der sich so fern wußte von dieser Welt des Diebstahls, der Lüge und der bodenlosen Schlechtigkeit, er hörte das erbitterte Gezänk der beiden wohl, aber er begriff nicht, was es ihm und seinem Hause nützen sollte. In diesem Augenblicke dachte Hermann Brunner nicht mehr an seine Liebe für diese Frau, die sich ihrer Familie so unwürdig zeigte - jetzt waren es nur noch seine Kinder und deren Ehre, die ihn vorwärts trieben zu einem dunklen und unwiderruflichen Entschluß.

Er ging an seiner Frau, die ihm auf einmal so fremd vorkam, vorbei an die gegenüberliegende Wand, an der das Zigarrenschränkchen hing. Dort nahm er scheinbar eine Zigarre heraus, aber gleichzeitig ließ er einen kleinen Revolver im Aermel verschwinden und begab sich dann mit schleichenden Schritten, einem Menschen ähnlich, dem eine verbrecherische Tat suggeriert wurde, wieder an seinen Platz.

Aber er setzte sich nicht auf den Stuhl, sondern auf den Rand des Schreibtisches und verdeckte so mit seinem Rücken die Lampe.

»Und du hörst bei alledem ruhig zu?!« fragte Frau Ellinor jetzt ganz empört.

Hermann Brunner erwiderte nichts, er ließ nur langsam und vorsichtig den Revolver aus dem Aermel in die herabhängende Rechte gleiten.

»Ihr Mann weiß ganz genau, daß er dazu gar nichts sagen kann!« meinte der Erpresser.

»Nein, sagen kann ich dazu nichts …«

Es kam tonlos, hart und trocken von den Lippen des Maklers, der seinen Arm in derselben Sekunde erhob.

Dann blitzte es zweimal rasch hintereinander mit scharfem Knall auf, die Stube füllte sich mit Qualm und, als gleich darnach die beiden Dienstmädchen und Käte schreckensstarr und mit ängstlichen Fragen herbeieilten, lehnte Hermann Brunner ohnmächtig in seinem Sessel, während sich Frau Ellinor um ihn bemühte.

»Es ist nichts,« sagte sie mit behenden Lippen, »Papa ist unvorsichtig gewesen, er wollte dem Herrn, der vorhin hier war, seinen Revolver zeigen, und wie er jetzt die Waffe wieder sichern wollte, ist sie los gegangen.«

Dabei irrten ihre Augen noch immer angstvoll suchend im Zimmer umher. Aber der Mann, auf den der Makler in seiner tiefen, ohnmächtigen Erbitterung die Waffe gerichtet hatte, der war fort … Es unterlag keinem Zweifel, beide Schüsse waren fehl gegangen, und jener Schurke hatte sich im letzten Augenblick unter dem Schutze des Pulverrauches davongemacht.

Jetzt kam Hermann Brunner wieder zu sich, sah seine Tochter und seine Frau zu beiden Seiten des Sessels stehen - die Dienstmädchen hatte man bereits wieder hinausgeschickt - und schien sich allmählich auf das zu besinnen, was vorgefallen war.

»Entsetzlich!« murmelte er leise, - »entsetzlich! Hab' ich ihn getroffen?«

Frau Ellinor sah ihm mit einem beschwörenden Blick in die Augen, der jedes fernere Wort auf seinen Lippen bannte.

Käte aber, von bangen Ahnungen erfaßt und gar nicht überzeugt, daß die Revolverschüsse von vorhin nur einem Zufall zuzuschreiben waren, quälte sich innerlich mit ihren Zweifeln und wagte doch nicht, eine Frage zu stellen. Ein so gutes Herz das junge Mädchen auch hatte, das Mißtrauen gegen ihre Stiefmutter hatte sie nie zum Schweigen bringen können, so viele Vorwürfe sie sich selbst deswegen machte.

Und jetzt wuchs dieses Mißtrauen und ward immer stärker beim Anblick des schwer leidenden Vaters.

Doch dieser selbst schickte die Tochter aus dem Zimmer.

Als er mit seiner Frau allein war, fragten seine Augen: Wo ist er geblieben?

Sie flüsterte:

»Gott sei Dank, daß du vorbeigeschossen hast! -Wie konntest du auch nur! - Den Menschen wären wir ja sowieso los gewesen!«

Er schüttelte den Kopf.

»Nie, nie!« sagte er trübe. »Er wird uns immer von neuem quälen!«

»Wenn du mich doch dafür sorgen lassen wolltest, Hermann!«

Da nickte er traurig und voller Wehmut.

»Ja, ja, ja … wenn ich dich sorgen lassen wollte … Du hast schön gesorgt für uns!«

Er schwieg wieder, und sie, wollte ihm nun auseinandersetzen, was sie alles über Anton H. Wisecky in Erfahrung gebracht hatte.

Aber er weigerte sich, sie anzuhören.

»Es war zu viel!« sagte er fast wimmernd, »zu viel, Ellinor! - Hier, sieh her!«

Dabei holte er aus seiner Tasche ein Fläschchen und eine feine Metallspritze hervor, die er der Frau zeigte.

»Ich habe heute in deiner Abwesenheit in deinem Zimmer gesucht und das hier gefunden! Das ist dein und unser aller Unglück!«

Sie war entsetzt zurückgewichen. Und auf den Sessel niedersinkend, auf dem vorher der Erpresser gesessen hatte, stammelte sie:

»Aber wieso? - Was ist denn … wer sagt dir denn das? - Gib das her, Hermann!« rief sie plötzlich herrisch, »das geht dich nichts an, das ist meine Sache! …«

Da packte den sonst so nachgiebigen Mann die Wut!

Mit einem Fluch warf er die Spritze und das Gläschen zu Boden und trampelte darauf umher wie ein Rasender. Dann stürzte er sich auf sein Weib, riß sie vom Sessel empor, schüttelte sie hin und her und stieß sie von sich, um ihr dann wieder nachzulaufen und sie von neuem zu packen und wie ein Toller zu schütteln.

Kein Wort fiel. Nur heisere Töne der Wut und des Hasses stieß er aus. Sein Gesicht hatte eine dunkelrote Färbung, und die sonst so sanften Augen funkelten in mörderischem Ingrimm. Auch in diesem weichen, sanftmütigen Menschen lauerte tief auf dem Grunde einer zarten und kindlichen Seele die Bestie, die sich in dieser Stunde zum zweiten Mal hervordrängte, um jetzt über die eigene Frau herzufallen!

Ellinor wollte reden, schreien, sich wehren, aber sie kam nicht dazu. Ohnmächtig, ein Spielball seiner maßlosen Wut, flog sie hin und her und war zerkratzt und zerschunden, als er sie endlich losließ und sie mit zerrissenen Kleidern entfliehen konnte.

Als sie hinaus war, blieb Hermann Brunner einen Augenblick bewegungslos stehen. Dann erschütterte ein trockenes Schluchzen die gequälte Brust, und leise, ganz allmählich tropften die Tränen aus seinen Augen und linderten die brennende Qual.

Unhörbar wurde die Tür geöffnet. Ein schlankes, blondes Mädchen glitt herein, und über den wieder in seinen Sessel gesunkenen, von wildem Schmerz überwältigten Vater neigte sich die Tochter, ihn zu trösten und zu beruhigen.



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