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Romantischer Katholicismus.

Man könnte den Katholicismus die Nachtseite des christlichen Glaubens nennen. Wir haben entsprechend den zwei Gruppen, in welche ich die Romantiker eingetheilt habe, zwei Arten von Katholicismus zu unterscheiden: die romantischen Naturen neigten zu ihm als zum südlichen Pole der christlichen Religion, die romantischen Denker feierten ihn als »über den Polen« stehend. Oder: jene meinten den alten, im Gegensatz zu dem Protestantismus bestehenden Katholicismus, das christliche Heidenthum, diese eine neue Religion ohne Gegensatz, Protestantismus und Katholicismus, Heidenthum und Christenthum umfassend. Sie legten in den Katholicismus alles, was die modernen Menschen seit Friedrich Schlegel und Schleiermacher von der Religion verlangt hatten, und bezogen sich dabei nicht auf die Kirche, wie sie in Wirklichkeit ist, sondern auf ihre Idee, besonders wie einige mittelalterliche Kirchenlehrer sie auffaßten, und auf die Möglichkeiten ihrer Entwickelung. In den Mythologien ist die Nacht einmal die Mutter aller Dinge, zu der auch alle Dinge wiederkehren, daneben aber erscheint sie auch als Schwester des Tages; so ist der Katholicismus sowohl die christliche Ur-Religion, aus der der Protestantismus hervorging und mit der er sich wieder vereinigen wird, wie auch der Gegensatz des Protestantismus, der Einzel-Religion. Als jene All-Religion über den Polen faßten ihn Baader, Görres, Schelling, Daumer, Passavant – als Gegensatz zum Protestantismus Brentano, Werner, Jonas und Philipp Veit und die Mehrzahl der romantischen Convertiten. Schelling unterschied die petrinische (katholische), paulinische (protestantische) und die johanneische, die Kirche der Zukunft, in welcher die ersten beiden sich ausgleichen. Man könnte ebensogut sagen die unbewußte und die bewußte, die natürliche und die geistige, die männliche und die weibliche, und die dritte, welche die getrennten Pole zusammenfaßt.

Sehr lehrreich ist die Geschichte von Daumer's Uebertritt zur katholischen Kirche. Daumer wird geschildert als ein zarter, inniger, menschenscheuer Einsiedler, ein dichterischer Philosoph und philosophischer Dichter, dem das Bedürfniß nach abgerundeter Weltanschauung zur Leidenschaft wurde, die sein Leben erfüllte. Durch seine Reizbarkeit fühlte er sich oft von den Menschen abgestoßen, liebte aber schwärmerisch die Thiere, das Unbewußte in der Natur. Ebenso hielt er es im weiteren Kreise zwischen Geist und Natur: wie ein Kind, das sich vor dem strengen Vater zur Mutter flüchtet, die sein Gefühl versteht, klammerte er sich, von Gott dem Geiste abgewandt oder eigentlich ihn leugnend, an die mütterliche Natur. Das Christenthum erschien ihm nur in der spiritualistischen Form, in der es im Mittelalter sich vorzüglich darstellte, als das Fleisch asketisch bekämpfend, die Natur dem Teufel zuweisend, und als solches verfolgte und beschimpfte er es. Nichts ließ er von der Kirche gelten als den Marienkultus: das Weib, die Vertreterin der Mutter- und Menschenliebe, die große Fürbitterin, die zugleich Dienende und Herrschende, war ihm ein Symbol der Natur, das sich unbegreiflicherweise in die Molochs-Religion hineinverirrt hätte. Den Marienkultus wollte er zum Mittelpunkt der neuen Religion machen, die sich, wie er meinte, aus den übereinstimmenden Ideen der größten Geister unter den Menschen herausbilden müsse.

Die überwiegende Liebe zur Natur findet sich vielfach bei den Romantikern, bald als kindlich zärtliches Sichanschmiegen wie bei Justinus Kerner und Schubert, bald als kindliche Zuversicht des naiven Sinnenmenschen, dem es thöricht vorkommt, daß es außer ihr, der den Sinnen sich offenbarenden, noch ein Princip, den Sinnen nicht zugänglich, geben sollte. Auf diesem Standpunkt stand Schelling im Beginne seiner Laufbahn; es war kein materialistischer, aber ein pantheistischer, der Gott nicht anders als in der Natur begreift. Wenn ein Umschwung erfolgt, so hängt das hauptsächlich mit der zunehmenden geistigen Entwickelung des Menschen zusammen. Bei Daumer soll der Anlaß seiner Sinnesänderung die Stelle in einem Werke von Charles Nodier gewesen sein, wo dieser sich in Träumereien über die wahrscheinliche Entwickelung der organischen Schöpfungsreihe über den Menschen hinaus ergeht. Die Idee eines »Zukunftsmenschen« eröffnete ihm neue Aussichten, er begeisterte sich und fand, daß sich ihre Möglichkeit nicht nur durch die Naturwissenschaft, sondern auch durch die christliche Religion erweisen ließe. Es ging ihm auf, daß die Lehre von der Wiedergeburt auf die ganze Menschheit, und zwar nicht sinnbildlich, sondern wirklich anzuwenden sei, daß Christus. bedeutungsvoll »des Menschen Sohn« genannt, als der Erstling der umgewandelten Menschen aufgefaßt werden müsse, daß die Begriffe vom jüngsten Tage, vom Gericht, vom neuen Himmel und der neuen Erde, vom zweiten Adam in diesem Sinne ihre richtige Erklärung fänden. Die Worte des Apostel Paulus »In Christo gilt nichts als eine neue Kreatur« schienen ihm, wie er sie jetzt verstand, einen hohen, auf erreichbare irdische Zukunft deutenden Optimismus auszudrücken. Nachdem er diesen Standpunkt einmal gewonnen hatte, sah er den mittelalterlichen Spiritualismus nur mehr für eine Richtung an, die nicht nothwendig zur katholischen Kirche gehöre. Neben dem Marienkultus bewies ihm die Liebe vieler Heiligen zu den Thieren und die Lehre von der Auferstehung des Fleisches, daß die Natur keineswegs dem Geiste geopfert werden sollte. »Der Katholicismus«, so äußert er sich nun, »ist ein Kuß, den der Himmel der Erde und die Erde dem Himmel giebt. Er ist die große heilige, sinnlich-geistige und geistig-sinnliche Verbindung und Wiedervereinigung zweier im Zwiespalt aus einander getretener, doch nie völlig zu trennender und nur in ihrer innigsten Verschmelzung das Wahre, Vollkommene, Genügende darstellender Sphären der Existenz, des Bewußtseins und der allgemeinen Lebensentwickelung.«

Dasselbe hatte von jeher Baader sich bemüht begreiflich zu machen, daß Gott keineswegs naturlos, sondern naturfrei zu denken, daß er die Union von Geist und Natur sei. Auch für Baader waren Christus und Maria Zukunftsideale, androgyne Wesen, wie Adam vor der Erschaffung der Eva war und wie er dereinst wieder werden sollte. Der einflußreiche Bischof Sailer stand auf demselben Standpunkt. »Aus der Menschwerdung Gottes folgt ja von selbst« sagt sein Schüler Diepenbrock, »daß das Christenthum allen in der menschlichen Natur liegenden Kräften und Anlagen ihr Recht will widerfahren lassen.«

Ferner fand Daumer mit Genugthuung in der katholischen Kirche den Trieb, das Geglaubte auch vernunftgemäß zu begreifen. Gehörten doch die Kirchenväter zu den hervorragendsten Philosophen ihrer Zeit, und hatte ihrer einer doch den Ausspruch gethan: Credo sed intelligere desidero, ich glaube, aber ich möchte wissen. Daumer, Baader, Görres, Passavant betrachten die Vereinigung von Glauben und Wissen – was im Grunde dasselbe bedeutet wie Vereinigung von Katholicismus und Protestantismus – als eine hauptsächliche Aufgabe ihres Strebens und ließen dem Protestantismus durchaus Gerechtigkeit widerfahren. Daumer hielt es für wünschenswerth, daß die Ergebnisse protestantischen Denkens und Dichtens in den Katholicismus hereingezogen würden. Görres sprach mit Achtung von der Reformation, die »zu Recht gesessen, um den Verfall der alten Zucht in und außer der Kirche, die Erstarrung des höheren geistigen Lebens zu züchtigen.« Der Gegensatz von Katholicismus und Protestantismus sei derselbe wie auf politischem Gebiete der des Historischen und Radikalen und in seinem innersten Grunde »in seiner höheren Einheit leicht erkennbar.« Jetzt müsse sich die katholische Kirche näher als je an ihre Einheit schließen, die protestantische dagegen die Reformation in der begonnenen Richtung fortführen, bis überall die Gewalt bei der Gemeinde sei. Es wäre dann auf dem Wege der Allheit dasselbe Verhältniß hergestellt, das der Katholicismus auf dem Wege der Einheit suche. »Es ist eine Irrlehre, daß nur der Glaube im höheren Licht wandle, die Vernunft aber, ein durch Hochmuth gefallener Geist, in der Finsterniß regiere; Hochmuth ist nur ein zeitliches Verderben; da er in der Kirche eingerissen, ist die Kirche in der Rückwirkung erstarrt; die Vernunft aber, wenn sie seiner sich entschlagend, in lauterem Streben und reingeistig dem angeborenen Freiheitstriebe bis zum Ende folgt, wird am Ziele sich an der Stätte wiederfinden, wo sie ausgegangen, und Glauben und Wissen wird in der rechten Ueberzeugung sich als eins bewähren.«

Das Verlangen nach einer allumfassenden, einer Einheitskirche, entsprach überhaupt durchaus der auf die Einheit gerichteten Anschauungsweise der Romantiker. Ein Monument von erhabener Pracht hat Görres in seiner christlichen Mystik der Kirche errichtet.

Zwei Urlehren der Menschheit legt er uns dar, den Monismus und den Dualismus, beide groß gedacht und von hinreißender Folgerichtigkeit. Nach der einen ist Gott der allein wahrhaft Seiende und Ewige, das Böse ist ein Geschaffenes, zu erklären aus Mißbrauch der Freiheit. Es hat nicht eigene Daseinskraft, um sich zu tragen, da es die Schwere selbst, eigentlich das Nichts, das Unlebendige ist; das Gute, Leichte, Lichte muß es überwinden. Nach der dualistischen Lehre ist das Böse von Ewigkeit, ein selbstständiges Sein wie das Gute. Der Teufel steht Gott als seinesgleichen gegenüber, allmächtiger Herrscher im Reiche der Sinnlichkeit wie Gott im Reiche des Geistes.

Aus dieser Lehre, die in der ersten christlichen Zeit als Manichäerthum, später als Lehre der Albigenser von neuem auftauchte, ist, nach Görres, jede Ketzerei abgeleitet. Ihre Bekenner zeichnen sich oft durch mönchische Strenge aus und werfen der Kirche allzu weitgehende Nachsicht mit Sündern vor; dennoch ist es eine Irrlehre von höchster Gefährlichkeit. Die Trennung des Sinnenreiches vom Geisterreiche entreißt der Kirche die bildsamste Menschlichkeit und überweist sie dem Teufel. Mit entsetzlichem Sophismus kann der heuchlerische Sünder sein Fleisch und seine Sinne, als das, woran Gott doch keinen Theil hat, unbeherrscht ihren Trieben überlassen. Die Kirche dagegen will den Menschen ganz, will seine Sinne nicht tödten, sondern sie verklären. Auch Adam Müller sagt gelegentlich, die absolute Trennung der Sinnenwelt vom Geisterreiche sei höchste Sünde, und eben deshalb bestehe die Kirche so unbeugsam auf der Transsubstantiation.

Den Wunderbau dieser Allkirche erhebt Görres in seiner Mystik. Aus den Elementen des Guten und Bösen thürmt er ihn zusammen, und ein ungeheures Weltendrama führen Licht und Finsterniß an seinem Gerüste aus. Der Geist rüstet sich zum Kampfe mit der Schwere, treibt mit göttlichem Hauch die Riesenpfeiler und bläht die Gewölbe. Auf Gesimsen und Bögen stehen in Reihen die Seligen und Heiligen, die, welche überwunden haben und die, welche noch ringen, überirdisch schlank, leidend, anbetend, todtverachtend. Dazwischen hervor grinsen Thierfratzen und verzerrte Menschengesichter, springen Drachen, Kobolde und drohende Teufel. Phantastische Blätter und Gestalten, Gluth der Farben, reizende Verwirrung der Linie, jeder Zauber und Schrecken der Natur breitet sich über das Münster und dient seiner Herrlichkeit. Am Ende aber löst sich der Streit, und auf der Spitze des durchbrochenen Thurmes ist der Stein in eine geöffnete Blume verwandelt.

So wirkt das merkwürdige Buch, das die Geschichte der Menschheit in ihrem Kampfe mit Dämonen und ihrer Sehnsucht nach den Himmeln, verschworen mit dem Bösen und bestimmt für das Göttliche vor uns entrollt.

Passavant, von französischen Hugenotten abstammend, trat niemals zur katholischen Kirche über, obwohl er ihr sehr zugeneigt war, und obwohl er die innigste Verehrung für Sailer hatte und zeitlebens warm befreundet mit Diepenbrock blieb. Da seiner Meinung nach zur wahren Kirche der Protestantismus so gut gehörte wie der Katholicismus, wäre ein Religionswechsel für ihn sinnlos gewesen. Indessen arbeitete er ernstlich an einer Union, für welche er die Zeit gekommen hielt, da man schon so vielfach anfing, die beiden Richtungen als Polaritäten anzusehen, als einen Gegensatz also zwischen zweien, die sich wechselseitig voraussehen und in einem Dritten eine innere Einheit haben. »Wie bei der beginnenden Trennung früherer Jahrhunderte die Gegensätze immer schärfer auseinander gingen und sich zum Widerspruch steigerten, so würden bei der beginnenden Versöhnung die Widersprüche sich wieder zu Gegensätzen umgestalten und diese als complementäre Farben zum Lichte einer höheren Wahrheit verwandelt werden.«

Sailer stand solchen Plänen sehr nahe, und Diepenbrock ermunterte Passavant lebhaft, durch gründliche wissenschaftliche Beleuchtung der streitigen Punkte einer gegenseitigen Annäherung den Weg vorzubereiten. Passavant behandelte denn auch eine Reihe von Dogmen, die er für besonders schwierig hielt, nämlich die Lehre von der Erbsünde, der Erlösung, der stellvertretenden Genugthuung und einige andere in feinster Weise und von einem hohen und freien Standpunkte, so daß viele von den Gebildeten beider Kirchen die gemeinsame Grundlage gewiß herausgefunden hätten. Wie anders es im praktischen Leben aussah, mußte Diepenbrock selbst erfahren, als er i. J. 1845 als Fürstbischof nach Breslau kam, wo die Stimmung zwischen den Confessionen so gehässig war, daß er selbst auf offener Straße verfolgt und verhöhnt wurde.

Für die andere Gruppe von Romantikern, deren Typus Tieck oder Brentano anzeigt, war keine Idee zum Anschluß an die Kirche maßgebend, sondern ihre natürliche Anlage: Sinnlichkeit, Reizbarkeit, Schwäche. Wo jeder Reiz das entsprechende Gefühl schnell auf einen solchen Hitzegrad treibt, daß es in's Bewußtsein übertritt, ist auch ein empfindliches Gewissen vorhanden, das Wahrzeichen des religiösen Gemüthes. Sowohl Werner wie Brentano waren beständig von einem wahren Verbrecherbewußtsein erfüllt, zerknirscht wie arme Sünder, der Erlösung sich bedürftig fühlend. Während der Selbstbewußte und Willensstarke auf eigenen Wegen die Wahrheit suchen will, also der geborene Protestant ist, verlangt derjenige, der von heißen Trieben hin- und hergerissen wird und ihnen keine Widerstandskraft entgegensetzen kann, eine Hand von oben, einen außer ihm befindlichen Retter und eine Autorität, die ihm Halt giebt. Der Protestantismus, der den Einzelnen auf sich stellt, ist keine Religion im eigentlichen Sinne, als welche ein Band zwischen den Menschen und dem All sein soll, jedenfalls keine, die dem Schwachen, in dem sich noch kaum ein festes Mittelpunkts-Ich entwickelt hat, genügen kann.

Vom Gedanken aus fand Brentano nie eine Brücke zum Katholicismus; als ihn Luise Hensel zuerst darauf hinwies und er sein Wesen mit der Einsicht zu erfassen suchte, erschien er ihm »leer, todt und grau, theilweise wie eine politische Organisation, theilweise eine gräßliche, scheußliche Magie.« Kaum hatte der edle Sailer Macht über ihn gewonnen, als gegenüber der persönlichen Befriedigung, die ihm wurde, jeder Zweifel, ja überhaupt jedes Bedürfniß nach Ergreifen und Billigen der Lehre schwand. Das gänzliche Unterwerfen unter einen geistlichen Oberen entspräche seiner Natur allein, hatte er gesagt; und einen solchen, einen milden, überlegenen, durch religiöse Weihe verklärten Menschen fand er nun in Sailer. Die Aussicht zu beichten, die Last des eigenen Seins auf einen alles begreifenden und verzeihenden Menschen, einen Stellvertreter Gottes, abwerfen zu können, lockte ihn in den Schooß der Kirche. Die Beichte hat bei den meisten Convertiten romantischer Art nach ihrem eigenen Geständniß die größte Rolle gespielt. Wir haben bei Clemens und Bettine gesehen, wie mächtig das Bedürfniß dieser Naturen war sich auszuströmen. Ihre Briefe waren nichts anderes als Beichte, die man in der Jugend wohl ohne Besinnen irgend einem hochverehrten älteren Haupte, ja wohl einem ruhigen Freunde, einer Freundin oder Geliebten ablegt. Ein rechter Beichtvater für Freunde war Justinus Kerner. Lenau, der wie Brentano schwer an sich selbst zu tragen hatte, sagte ihm einmal nach erfolgter Aussprache: »Die Beichte war mir nothwendig. Du trägst jetzt mit mir.« Nicht jeder aber hatte die Gabe selbstlosen Aufnehmens anderer, und auf der anderen Seite hielt auch wohl den ältergewordenen Eitelkeit und Scham zurück, sich einem ganz in Demuth hinzugeben, der nur ein Mensch wie er selbst war. Wer würde sich nicht gerne von Gott selbst erkennen und durchschauen lassen? Es war bedeutungsvoll für die katholische Kirche, daß es einige Priester gab, Sailer in Deutschland, Ostini in Rom, die ein liebevolles Verständniß für die hülfesuchenden Verirrten bei eigener, vorwurfsfreier Haltung, die nichts erzwungenes hatte, sondern aus harmonischem Wesen natürlich hervorging, zu Vertretern göttlicher Güte und Weisheit geeignet machte.

Zu einer Zeit, als sein Umschwung nach der Kirche hin noch fern lag, erzählte Clemens seinem Freunde Arnim: »Als ich noch klein und fromm war und zur Beichte ging, empfand ich immer tiefe, freudige Bangigkeit, eh' ich in den Beichtstuhl trat. Da die Zeit mir den Glauben genommen hatte, so konnte sie mir doch nie das Bedürfniß dazu nehmen. Meine Liebe, meine Hinneigung zu anderen waren die Sakramente, von welchen ich oft allen himmlischen Trost begehrte.«

Von der Wohlthat der Erleichterung des Gewissens durch die Beichte, spricht auch Schütz, ein Freund Tieck's, dessen Erstlingswerk Lacrimas Wilhelm Schlegel in den hoffnungsvollen Zeiten der Romantik herausgegeben hatte. »Niemals werde ich die geistige Wonne vergessen, die der Herr mir schenkte, nachdem ich zum ersten Male meine Sünden gebeichtet, die Absolution erhalten und das Abendmahl genommen hatte.« Liest man Christian Brentano's Schilderung von dem Zustand, in dem er sich befand, bevor er seine erste Beichte ablegte, wie er auf dem Wege zu dem betreffenden Priester von Angst und Sehnsucht wechselweise gemartert und zum Himmel erhoben wurde, als ginge es zur Begegnung mit einer Heißgeliebten, so hat man den Eindruck, daß es sich hier um ein zwingendes Bedürfniß der Seele handelte, ihre Last von sich zu werfen.

War nun das geschehen und die Seele fühlte sich frei und leicht, so trat bei den meisten Convertiten an die Stelle früherer Unruhe und Verwirrung eine kindliche Heiterkeit, die wohl hie und da an das kindische streift. Schon Dorothea Schlegel erzählt, wie fröhlich der Tag verläuft, wenn man frühmorgens die Messe gehört hat, wie gut hernach, im Winter wenn es kalt ist, der warme Kaffee schmeckt, wie man überhaupt die guten Gaben des Lebens so harmlos genießt. Auf diese Heiterkeit war man stolz, fühlte sich an ihr so recht als Kind Gottes. Die Verantwortung für alles Thun und Treiben war abgeworfen: manchen mag ähnlich zu Muthe gewesen sein wie einer jungen Frau, die einen guten Mann bekommen hat, der für sie denkt und sorgt und sie auf sicheren Händen trägt, ohne von ihr etwas anderes zu verlangen als Liebe und Hingabe, bei deren Eintreibung noch dazu sehr nachsichtig vorgegangen wird.

Bei den Brüdern Brentano kam noch das hinzu, daß sie durch die Propaganda für die Kirche eine Art von Beruf bekommen hatten, ferner, daß ihnen ein gewisser Freundeskreis gegeben war, an dem sie keine Kritik üben und in dem sie ihren Witz nicht ohne eine gewisse Vorsicht und Bescheidenheit glänzen lassen durften. Für Clemens, der so große Angst vor dem Alleinsein hatte, aber stets seine besten Freunde, getrieben durch den Teufel, den er im Leibe hatte, mit irgend einer Grimasse von sich stieß, war es eine Wohlthat. daß gegenüber Glaubensgenossen, sofern sie eifrig in der Religion waren, Kritik ausgeschlossen war. Er stand nun mitten in einer Schaar, deren Zuneigung er gewiß sein konnte, weil sie weniger seiner Person als seinem Bekenntniß galt. Allerdings mußte manches geopfert werden: die Eitelkeit, die Spottlust, der kecke Witz, dem nichts heilig ist, und das mochte Clemens zuweilen schwer werden. Wilhelm Grimm schrieb einmal an Görres über ihn, während er am Krankenlager der stigmatisirten Nonne Emmerich war: »Ich glaube, es quält ihn selbst am meisten, daß es Stunden giebt, in welchen er nicht weiß, was wahr in seiner Gesinnung ist und um was es ihm wirklich zu thun ist.« Und Görres antwortete: »Ob er gleich den bösen Feind, den er im Leibe hat, mit frommen Betrachtungen in Abstinenz hält, ist dessen festes Temperament doch nicht so abgeschwächt, daß er nicht von Zeit zu Zeit sich wieder aufrichtet und den Herrn im Hause spielen will.«

Es ist eigen, wie trotz aller Heiterkeit, die die Convertiten zur Schau trugen und wohl auch zu besitzen glaubten, jeweilen durchblickt, daß ihr Anschluß an die Kirche im Grunde doch eine Verzweiflungsthat war, ein letzter Rettungsversuch oder doch etwas Erzwungenes. Overbeck trat als junger Mann über, nicht wie Werner entnervt und entkräftet, augenscheinlich weil er der Ueberzeugung war, ein vorgeschriebener Glaube mit bestimmten Symbolen sei dem religiösen Maler der er nun einmal sein wollte, nothwendig, sodann, weil er sich nach einer Autorität im Denken sehnte. Brentano war dankbar, überhaupt eine Meinung zu bekommen – denn eigentlich hatte er nie eine ernstliche über ernste Dinge – Overbeck wollte unter verschiedenen, zwischen denen er schwankte, eine bestimmte angewiesen bekommen. Ostini's Hinweis, es könne doch nur eine Wahrheit geben, und die sei in der Kirche, wo die Tradition sei, überzeugte ihn. Seitdem befriedigte ihn der Gedanke, daß er nicht mehr schwankenden Ansichten preisgegeben, sondern auf den Felsgrund der Kirche gestellt sei. Er und seine Genossen waren im Grunde der Meinung, wenn sie nur denselben naiven Glauben hätten wie Fiesole und Boticelli und Rafael, könnten sie auch ebenso schön malen; auch kam es wohl vor, daß sie sich vor der Kritik hinter der Heiligkeit ihrer Absicht versteckten. Wie es mit der Gläubigkeit Overbeck's im Innersten bestellt war, und ob er Frieden aus ihr schöpfte, wer möchte das entscheiden? Von der Reinheit seines Wandels, von seiner himmlischen Sanftmuth und von der Demuth, mit der er sich Gottes Willen unterwarf, berichten seine Freunde und Zeitgenossen. Ueberaus merkwürdig sticht davon der Bericht eines jungen frühverstorbenen Hamburger Malers ab, Erwin Speckter's, der als Overbeck's Jünger, von seinen Bildern begeistert, ungeduldig ihn zu sehen, nach Rom kam. Ihn empfing ein langer magerer Mann mit wenig kurzem, gescheitelten blonden Haar, dessen Augen trüb und unendlich leidend blickten. Ein gezwungenes süßes Lächeln begleitete jedes Wort, das er sprach. Er trug eine Bescheidenheit, ja Demuth zur Schau, die etwas Lächerliches hatte, und im Verein mit seiner übertriebenen Freundlichkeit nicht wohlthuend, sondern unheimlich wirkte. Er kam dem jungen Speckter wie ein schüchterner Gefangener vor, der in jeder Ecke einen Späher fürchtet; das Wesen, glaubte er, müsse angenommen sein. Bei näherer Bekanntschaft nahm Speckter sein Urtheil im Ganzen nicht zurück.

Man kann nicht wissen, ob Erwin Speckter, wenn er länger gelebt hätte, nicht auch katholisch geworden wäre. Er war ein irrender Pilger wie irgend ein Romantiker, sauste durch Höhen und Tiefen, fühlte sich wie auf ein ewig bewegtes Rad gebunden. Bald hob es ihn schwindelnd empor, und sein geblendetes Auge sah herrliche Luftschlösser; aber sowie er darnach greifen wollte, hatte sich das Rad schon wieder kopfunter in den Abgrund gedreht, um ebenso unaufhaltsam wieder nach oben zu schwingen. Er schwärmte für das ungebändigte Genießen des antiken Lebens, und wiederum lockte ihn jedes Kloster, das er sah, zum Bleiben.

Das Leben unter einer Regel, in einer bestimmten Gemeinschaft zog Naturen an, die entweder so schwach waren, daß sie sich vor dem Leben fürchteten, oder so schwach, daß sie eine innerliche ausschweifende Regellosigkeit, unter der sie litten, von sich aus nicht bemeistern konnten. Von der ersten Art waren die meisten der jungen Künstler in Rom, die man Nazarener nannte: der junge Schadow, ein »seraphischer, dem oberen Vaterlande eigentlich angehöriger« Mensch, der »jungfräuliche« Schlosser, der kindlich reine Philipp Veit, der himmlisch sanfte Overbeck, ihnen allen fehlte im Grunde die Kraft des Schaffens, weswegen sie sich instinktiv aneinanderschlossen und die Religion zu dem Quell machten, aus dem das wunderbare Vermögen in sie überströmen sollte.

Es ist eigenthümlich, daß auf die Bekehrung dieser gutartigen und unschuldigen Jünglinge ein gemeiner Mensch wie Zacharias Werner, den der Ekel und die Zerknirschung, mit der er sich im Schlamme wälzte (ein Schwein mit Gewissen), nur um so widerlicher macht, einen gewissen Einfluß haben konnte. Der sonderbare, schon durch seine Erscheinung abstoßende Mann durfte sich trotzdem großer Macht über die Menschen rühmen, besonders, wie er selbst sagt, über die vornehmen Klassen und innerhalb derselben über Frauen und körperlich kräftige Männer, zum Beispiel Militairs. Aber sogar Goethe, der ihn eigentlich hätte verabscheuen müssen, kam dazu, ihn einen »sehr genialischen« Menschen zu nennen, der einem Neigung abgewänne, wodurch man in seine Productionen, die einem erst »einigermaßen widerstehen« nach und nach eingeleitet werde. Sein Feuer, seine Offenheit, vor allem seine höchst originelle Persönlichkeit müssen den Gegenwärtigen bezaubert haben. Wer ihn liebgewinnen oder sich mit ihm versöhnen will, braucht nur bei E. T. A. Hoffmann zu lesen, wie die Serapionsbrüder, einmüthig, den unkräftigen, halbverrückten Dichter zu belachen und zu verdammen, plötzlich aber anderes Sinnes werden, als Theodor sein Bild auf den Tisch stellt. »Ist es möglich? Ja, unter diesen buschigten Augenbrauen glimmt aus den dunklen Augen das unheimliche Feuer jener unseligen Mystik hervor, die den Dichter in's Verderben reißt! Aber diese Gemüthlichkeit, die aus allen übrigen Zügen spricht, ja dieses schalkische Lächeln des wahren Humors, das um die Lippen spielt, und sich vergebens zu verbergen strebt im lang gezogenen Kinn, das die Hand behaglich streicht. Wahrhaftig, ich fühle mich seltsam hingezogen zu dem Mystiker, der, je mehr ich ihn anschaue, desto menschlicher wird. – – Seht, er blinkt mit den Augen, er lächelt – gleich wird er etwas sprechen, das uns erfreut – ein göttlicher Spaß – ein fulminantes Witzwort schwebt auf den Lippen – nur zu –– nur zu, werther Zacharias – genire dich nicht, wir lieben dich, verschlossener Ironiker!« Die Freundschaft blieb dem Sonderling treu; auch diejenigen, die seit seinem Uebertritt seine Gesinnungen nicht mehr theilen konnten, bewahrten Verständniß und Mitleid für den unglücklichen Mann, dem ein Giftkeim mit eingeboren war, der mit ihm wuchs, und für den, wie E. T. A. Hoffmann sagt, sein heißes Blut ein nur zu üppiger Dünger war.

Durch Schwäche und Sinnlichkeit war Werner von vornherein für den Katholicismus bestimmt. Auch Frau von Staël, seine Freundin, urtheilt so; »er bedurfte der Stützen von allen Seiten.« Während er unaufhörlich nach Anschluß suchte, an Freunde oder noch lieber an Gemeinschaften, schüttelte er ab, was sich an ihn zu lehnen suchte. Er entledigte sich dreier Frauen, denn er wollte nicht tragen, sondern getragen werden, und auf einen Brief Chamisso's, worin dieser nach seiner Freundschaft verlangte, antwortete er ablehnend: »Sie wollen mich als einen Freund, einen Retter, eine stützende feste Säule umarmen. Auch ich kenne diese Lage … Wir sind beide füglich unbehülflich und hülfsbedürftig; aber wir haben ja Gott.« Seine ausschweifende Lebensführung schwächte ihn immer mehr; zwischen dem 30sten und 40sten Lebensjahre begann er sich vollständig erschöpft zu fühlen. In seinem Porträt sah er selbst die »erschlafften Züge eines von allen Gattungen des Leidens und der Freude geschwächten Menschen.« Als er im Jahre 1804 um irgend eine Versorgung nachsuchte, schrieb er: »es gilt Rettung des letzten Restes eines verunglückten Künstlerlebens.« Sechs Jahre später kam er, innerlich zusammengebrochen, irgend einer Wendung entgegentreibend, nach Rom, das sich aber zunächst keineswegs wunderthätig an ihm erwies. Es ging die alte, schlammige Bahn weiter, wie er in mehreren Gedichten besingt:

Selbst in der sieben Hügel Schooß
War das Gelüst mein Taggenoß,
Mein Nachtgesell das Grauen.
Gehetzt, der alten Sünde treu,
Von Reu zur Gier, von Gier zur Reu,
Selbst auf den heil'gen Bergen
Hab ich gesündigt freventlich,
Entwürdigt hab ich Rom und mich,
Das will ich nicht verbergen.

 

Und weiter:

Vergebens! den die Schuld verstockt,
Der wird zum Abgrund hingelockt,
Selbst durch der Schönheit Strahlen.
Kunst, Andacht reizten mein Gelüst,
Durch Romas Tempel rannt ich wüst
Genüssen nach und Qualen …

Nach seinem eigenen Geständniß war es die Lektüre der Wahlverwandtschaften, die ihn zu dem Entschluß brachte, nach Ottiliens Vorbild Entsagung zu geloben. Aus eigener Kraft würde er aber ein solches Gelübde kaum gehalten haben und suchte es deshalb durch äußerliche Förmlichkeiten zu stützen. Es ist bezeichnend, daß es die geistlichen Uebungen waren, die den noch Schwankenden endgültig zum Uebertritt zur katholischen Kirche bewogen. Tiefe Uebungen, von Loyola und Liguori wie es scheint mit feinster Kenntniß der Bedürfnisse kranker und sündiger Menschen zusammengestellt, bestanden in einer streng geregelten, klösterlichen Lebensführung, die von den Theilnehmern während einer gewissen Zeit unverbrüchlich mußte innegehalten werden. Jeder hatte sein Zimmer für sich, wo er sich in einen vorgeschriebenen Stoff zu versenken hatte, worüber er dem geistlichen Oberen Rechenschaft ablegen mußte. Gemeinsame Betrachtungen leitete der Geistliche, übrigens herrschte Stillschweigen, eine Vorschrift, die dem redseligen Werner, dessen Mund »immer von dem überging, wovon sein glühendes Herz voll war«, große Selbstüberwindung kosten mochte. Die mäßige Kost und die körperlichen Bewegungen, die vorgeschrieben waren, regelten das Wohlbefinden in heilsamer Weise. Alles dies zusammen mit der strengen Zeitordnung brachte für einmal dem »eitlen Zeitvergeuder« und »ewigen Juden« Ruhe. Eine öffentliche Beichte wollte er nicht ablegen, weil »die Aufdeckung einer Pestgrube der Gesundheit der Herumstehenden, noch Unangesteckten gefährlich sei«; man kann daraus schließen, daß er sich mit der Beichte einen gehörigen Haufen Unrath von der Seele ablud und, wie die übrigen Convertiten, auch dadurch eine bedeutende Erleichterung verspürte. Der Segen dieser Zeit hielt nicht so an, daß nicht die Anfälle von Angst, Reue und Zweifel wiedergekommen wären, und auch die Priesterweihe konnte nichts anderes aus ihm machen als was er war: ein früh gealteter, erschöpfter, armer, zerrissener Mensch. Immerhin wirkte der Zwang, den seine Stellung ihm auferlegte, das Ansehen, das sie ihm gab, die Thätigkeit des Seelenrettens, die sie ihm nahelegte und die seiner Begabung entsprach, wohlthätig.

Ist es den meisten Menschen schon eine Genugthuung, wie man täglich beobachten kann, einem Verein anzugehören, wie viel mehr muß das Bewußtsein heben und stärken, Glied einer uralten, an Gott selbst anknüpfenden Kirche zu sein, der die größten Geister der Vergangenheit angehörten und die mit dem Anspruch auftritt, die ganze Menschheit zu umfassen. Der Protestant, das heißt in diesem Sinne der aktive, selbstständige Mensch, pflegt dem Katholiken zu entgegnen, daß eine Gemeinschaft der Heiligen auch ohne sichtbare Kirche bestehen könne, da das gleiche auf einander wirke und zusammengehöre; der passive, nach der Allgemeinheit strebende sucht einen gegebenen Kreis, dem er sich angliedern, in den er gewissermaßen versinken und sich auflösen kann wie im Unendlichen.

»In unserer Zeit allein stehen können, heißt ein Riese sein« schrieb Brentano einmal an Arnim, indem er die Gründung einer Art romantischen Dichtergesellschaft vorschlug, an deren Spitze Tieck stehen sollte. Das Geschlecht, das im Anfange des 19ten Jahrhunderts, etwa um die Zeit der Freiheitskriege in der Blüthe der Jugend stand, fühlte mehr oder weniger deutlich, daß sich große Kämpfe vorbereiteten, die mit ganzer Seele handelnde Männer verlangte. »Weich und aufgelegt zu Lust und fröhlichem Dichten« klagten sie gegenüber der aus den Fugen gekommenen Zeit wie Prinz Hamlet: Weh, daß ich zur Welt sie einzurichten kam. So schildert der junge Eichendorff seine Zeit- und Gesinnungsgenossen in seinem ersten Romane: Ahnung und Gegenwart, der, obwohl ein ungarer Brei und schwer genießbar, doch die Art der jüngeren Romantiker theils mit theils ohne Absicht in ihrer ganzen Lebensunfähigkeit vorführt. Die drei Helden, Friedrich, Rudolf und Leontin ergreifen, enttäuscht und angewidert vom Leben der Gegenwart, die Flucht davor: Rudolf ergiebt sich der Magie und geht nach Egypten, »dem Lande der alten Wunder«, Leontin mit seiner Geliebten nach Amerika, wo er »in dem noch unberührten Waldesgrün eines anderen Welttheils Herz und Augen stärken, und sich die Ehre und die Erinnerung an die vergangene große Zeit, so wie den tiefen Schmerz über die gegenwärtige heilig bewahren will, damit er der künftigen, besseren würdig bleibe.« Friedrich, der edelste von allen, flüchtet in's Kloster. Dieses Abwenden von der Gegenwart tadelt der Dichter Faber in einem Sonett, das er einem von der Welt Flüchtenden in den Mund legt:

Der Wald empfing, wie rauschend, den Entfloh'nen,
In Burgen alt, an Stromeskühle wohnen,
Wollt ich auf Bergen bei den alten Sagen.

Da hört ich Strom und Wald dort so mich tadeln:
»Was willst, Lebend'ger du, hier über'm Leben,
Einsam verwildernd in den eignen Tönen?

Es soll im Kampf der rechte Schmerz sich adeln,
Den deutschen Ruhm aus der Verwüstung heben,
Das will der alte Gott von seinen Söhnen.«

Friedrich stimmt der hier ausgesprochenen Gesinnung bei; trotzdem hält er es für angemessen, daß gerade der, der sich zum Eingreifen berufen fühle, vor der Hand sich zurückziehe und warte. Denn »es ist noch nicht an der Zeit zu bauen, solange die Backsteine, noch weich und unreif, unter den Händen zerfließen. Mir scheint in diesem Elend, wie immer, keine andere Hülfe als die Religion.« Erst wenn das jetzige Geschlecht einmal alle seine irdischen Sorgen und Mühen abgestreift, sich zu Gott gewendet und durch die Religion geläutert hätte, so daß das Große und Göttliche wieder Raum gewänne im öffentlichen Leben, wäre die Zeit zum Handeln gekommen.

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