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Zunftkämpfe

Staatskunst ist schwierig, weil die Tendenzen der inneren Politik denen der äußeren oft entgegengesetzt sind und doch beide berücksichtigt werden müssen. Nur der kann nach außen die notwendige Stärke zeigen, der über ein einmütiges, lenkbares Volk verfügt; Einmütigkeit setzt blinden Gehorsam oder gerechte Verteilung der Rechte und Lasten und erträgliche Verteilung der Güter voraus, diese besteht aber selten, wo eine bevorzugte Schicht herrscht, die mit schneidiger Vehemenz die Zügel der Regierung straff hält. Demokratische Verfassung, das heißt eine solche, bei welcher das Volk in allen seinen Schichten nach Möglichkeit an der Verwaltung und Leitung beteiligt ist, macht den Gang des Gemeinwesens umständlicher, schwerfälliger, als wo eine geschulte Regierung oder ein allmächtiger Wille die unterwürfige Menge wie eine Waffe nach Belieben gebraucht. Freiheit im Inneren kann die Freiheit nach außen beeinträchtigen, außer in den Fällen, wo die Freiheit zur Ordnung geworden ist, und die demokratische Gesinnung alle Teile des Volkes so durchdringt, daß sie in der Not einen Körper mit einer Seele, einem Willen bilden können.

In der Zeit ihres Aufschwungs lag in den Städten des Reiches die Regierung in den Händen einiger patrizischer Familien, die sich bewußt waren, daß sie des guten Willens der übrigen Schichten des Volkes, der Gemeinde, bedurften. Ohne daß sie dazu verpflichtet gewesen wären, pflegten sie bei wichtigen Gelegenheiten die Gemeinde zu versammeln und sich ihrer Zustimmung zu versichern. Sie überließen es den Handwerkern, ihre Angelegenheiten selbst zu verwalten, ihre Zunftmeister zu wählen, die anfänglich der Stadtherr, dann die städtische Regierung, der Rat, ernannt hatte, und bedienten sich derselben, um durch sie die Stimmung des Volkes kennenzulernen und zu beeinflussen. Ein solches Verhältnis erhielt sich in manchen Städten sehr lange, wie zum Beispiel in Göttingen, wo der Rat stets darauf bedacht war, daß die Handwerksgilden nicht dächten, er verschmähe sie oder achte sie für nichts, und damit erreichte, daß bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts der innere Frieden nicht gestört wurde. Es versteht sich, daß dies besonders bei Städten tunlich war, die ein verhältnismäßig bescheidenes Dasein führten; große Unternehmungen, Kriege, Eroberungen, Käufe kosteten viel Geld und nötigten zu Steuererhebungen, die das Volk verstimmten und mißtrauisch machten. Je üppiger ein Gemeinwesen erblühte, desto mehr nahm der Reichtum auch der Handwerker zu und weckte in ihnen das Streben, auf Grund der Vermögensgleichheit soziale und politische Gleichheit zu erringen.

Sieht man die Schiffe, mit denen die niederdeutschen Kaufleute das Meer befuhren und Schlachten schlugen, die bauchigen Koggen mit dem hohen Bord und vergoldetem Zierat, sieht man die geschnitzten Truhen, das Gerät in der Küche, die Schwerter, die Harnische, so stellt man sich gern den Mann vor, der diese Dinge herstellte, versunken in seine Aufgabe, unverfälscht wie sein Werk, ein Handwerker, der ein Künstler war, wie der Künstler seine Kunst als Handwerk ausübte. Die Redlichkeit, Ehrbarkeit und Zucht, das Herzhafte und Sinnreiche des mittelalterlichen Städtewesens beruhte hauptsächlich auf dieser Klasse, die mit ihrer Handarbeit eine gediegene Kultur begründen half. An Bildung stand sie den Geschlechtern kaum nach, auch nicht an Wehrhaftigkeit, wenn auch die Geschlechter beritten ins Feld zogen, die Handwerker zu Fuß. Die eigentliche Stärke im Kriege machten doch die Handwerker aus, und sie verteidigten die Mauer, die ihnen in Abschnitten zur Bewachung zugewiesen war. Sehr unterschieden sich die Handwerker von den Kaufleuten in ihren geschäftlichen Sitten, die sie im Sinne der Kirche auffaßten, entsprechend den Worten des Paulus: Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so laßt uns begnügen. Die Arbeit sollte den Arbeiter ernähren, nicht der Anhäufung von Reichtümern dienen; zu diesem Zwecke wurde die Zahl der Gesellen, die jeder halten durfte, beschränkt. Trotzdem angestrebt und auch erreicht wurde, daß jeder Zunftangehörige sein Auskommen hatte und daß die Lebenshaltung so ziemlich auf gleicher Ebene blieb, gab es doch bedeutende Unterschiede zwischen den Zünften wie zwischen den einzelnen. Die Schuster, Bäcker, Schmiede, Weber und einige andere erfreuten sich in manchen Städten bedeutender Vorzüge, wurden etwa die großen Ämter genannt und eher und mehr zum Regiment hinzugezogen als andere. Infolge des starken Verbrauches von Tuch und Wollstoffen kamen an manchen Orten die Weber zu Reichtum und Ansehen. Andere Zweige des Handwerks gingen zurück, wenn der Absatz sich aus irgendeinem Grunde minderte. Unter solchen herrschte natürlich Unzufriedenheit. Neben den Zünften gab es Handwerker, die nicht geeint waren, gab es Gewerbe, die für unehrlich galten wie die Müller und Leineweber, gab es eine beträchtliche Zahl von Ackerbürgern, die überhaupt keine geregelte Vertretung hatten. Immer und überall gibt es unter der geformten, sauberen, erfaßbaren Oberfläche des Lebens einen dunklen Strom, der trübe schleichend oder wild gärend immer entgleitet. Aus den Reihen der Glücklichen oder Gefaßten sinkt es ständig in ihn hinab, wie Gestein verwittert; Schwache, Kranke, Böse, Bettler, Vagabunden, Träumer, von Natur und Schicksal Gezeichnete treiben in diesem Strom der Ohnmacht, die auf ihre Stunde lauert. Trotz der aufmerksamen Armenpflege der Städte, trotz ihrer schnell zugreifenden grausamen Justiz, obwohl von Zeit zu Zeit alles ausgetrieben wurde, was sich nicht ausweisen konnte, blieben Unruhige und Verzweifelte zurück, die die Unzufriedenen der Oberwelt an sich ziehen konnten, wenn sie Gewaltsames planten. Die kleinen ummauerten Städte mit ihren engen Gassen und schmalen tiefen Häusern glichen Kesseln, die der brodelnde Inhalt zuweilen sprengte. Das ganze 14. Jahrhundert hindurch fanden in fast allen Städten Aufstände der Zünfte gegen den regierenden Rat statt, die den Zweck hatten, entweder am Regiment teilzunehmen oder es ganz an sich zu bringen. Fast immer waren es finanzielle Fragen, die Anlaß zu Widerspruch und Widerstand gaben. Die Geschlechter besorgten die Außenpolitik im allgemeinen kühn und klug. Im Bestreben, ein ländliches Gebiet im Umkreis der Stadt zu beherrschen, das sie mit Getreide ernährte, erwarben sie möglichst viel Land, überhaupt wurden sie als aufstrebende, wachstumsbegierige Macht in mancherlei Händel verstrickt, die nicht immer einen guten Ausgang nahmen. Unglückliche Außenpolitik gibt stets unzufriedenen Elementen die Möglichkeit, ihre Beschwerden durchzusetzen. Sowie die Regierung Verluste erlitten hatte, die sie nötigten, den Untertanen ungewöhnliche Steuern aufzulegen, ergriffen die Zünfte die Gelegenheit, Einblick in das Finanzwesen zu verlangen. Dabei zeigte sich, daß in den Zeiten, wo unbeschränktes Vertrauen an Stelle einer Verfassung herrschte und Rechnungsablage nie gefordert war, eine ziemliche Schlamperei eingerissen war, teils in der Buchführung, teils in der Verwaltung selbst. Oft war es den betreffenden Herren nicht möglich, Rechnung abzulegen, weil sie niemals ordnungsgemäß Rechnung geführt hatten, oft waren sie zu stolz, um sich vor Untertanen, vor Handwerkern zu verantworten. Manche mochten sich gewissenloser Verwaltung und Ausbeutung öffentlicher Gelder für private Zwecke bewußt sein; viele fühlten sich so eins mit der Stadt, daß sie ohne Besinnen auch ihr Eigenes einsetzten, wenn augenblickliche Not es verlangte, vielleicht dann sich gelegentlich schadlos hielten. So waren die Verhältnisse in Stralsund, wo das dämonische Ringen zwischen dem jungen Carsten Sarnow, dem Vertreter der Gemeinde, und dem achtzigjährigen Bürgermeister Wulflam, der unbeschränkt wie ein König und ruhmvoll regiert hatte, mit dem Tode des einen in der Fremde und dem Tode des anderen unter dem Beil endete.

In Bremen knüpft sagenhafte Überlieferung den Umschwung an persönliche Gereiztheit, die dadurch entstand, daß Arnd von Gröpelingen auf dem Markt einen besonders gewichtigen Fisch kaufte, den ein Patrizier mit Hinweis auf ein altes Vorrecht, die Einkäufe vor den Ämtern zu besorgen, für sich beanspruchte. Daß Arnd von Gröpelingen sich den Fisch nicht abjagen ließ, soll den Patrizier bewogen haben, ihn ermorden zu lassen, was die Bürgerschaft so erbitterte, daß sie die Patrizier aus der Stadt trieb. Die Geächteten verbanden sich mit der Stiftsritterschaft und dem Herzog von Lüneburg, während die Bürgerschaft Hilfe bei den Grafen von Oldenburg, Hoya, Diepholz fand. Nach einigen Jahren der Fehde kam ein Friede zustande, wonach die Emigranten zwar draußenbleiben mußten, aber zuweilen zu Beratungen hinzugezogen wurden. Austreibungen der Geschlechter pflegten sich zu wiederholen, wie zum Beispiel in Mainz, bis schließlich die Zünfte das Übergewicht erlangten. In Regensburg wurde nur eine Familie, die Auer, ausgetrieben, die sich durch Herrschsucht unbeliebt gemacht hatte. In Schwäbisch-Gmünd stellte sich ein Mitglied der Geschlechter, der Bürgermeister Klebzagel, an die Spitze der unzufriedenen Zünfte und veranlaßte eine Auswanderung; trotzdem dauerte die Herrschaft der Geschlechter bis zum Jahre 1462. Im allgemeinen erleichterte im Süden der zu schroffer ständischer Trennung nicht neigende Charakter der Bevölkerung die Verständigung. In Basel wurden in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Zünfte ohne blutigen Aufstand in den Rat aufgenommen. In Frankfurt, wo im 14. Jahrhundert nach einer vernichtenden Niederlage Unruhen zu befürchten waren, beugte der einsichtige Rat vor, indem er selbst Veränderungen im demokratischen Sinne vornahm. Anders waren die Verhältnisse im Norden und Osten. Lübeck war die Stadt, die auch in Beziehung auf die inneren Verhältnisse grundsätzlich dachte und handelte. Sie ließ sich dabei leiten von dem angeborenen sächsischen Stolz und von der Überzeugung, daß die hansische Vorherrschaft im Ostseegebiet sich nur halten würde, wenn eine Anzahl von in der Führung der Geschäfte erfahrenen Familien ohne Möglichkeit des Einspruchs aus den unteren Klassen ein diktatorisches Regiment führte. Eine Verschwörung der Ämter, bei der namentlich die Knochenhauer beteiligt waren, entdeckte die Regierung, eh sie zum Ausbruch kam, und bestrafte sie mit elf Hinrichtungen und neunzehn Verbannungen. Obwohl nicht alle Städte damit einverstanden waren, setzte Lübeck einen hansischen Beschluß durch, daß in keiner hansischen Stadt die Aufnahme von Handwerkern in den Rat gestattet sein solle, daß vielmehr diejenige Stadt, die sich eine demokratische Umwälzung gefallen ließe, aus der Hanse auszustoßen sei; man nannte das Verhansung. Mehrmals fanden Verhansungen statt, zum Beispiel in Bremen und Braunschweig; keine Stadt konnte auf die Dauer die Folgen derselben ertragen. Dennoch waren die Verhältnisse zu mannigfaltig, überwogen die individuellen Besonderheiten so sehr den zentralen Einfluß, daß gleichartige Verhältnisse durchaus nicht erreicht wurden. In Braunschweig änderte sich allmählich die Verfassung im demokratischen Sinne, auch in Dortmund konnte die Auswanderung der regierenden Familien nicht verhindert werden. In kleinen Städten, wie zum Beispiel in Stendal, fand Lübeck es vielleicht nicht der Mühe wert einzugreifen. Dort wurden im Jahre 1345 die patrizischen Familien durch die Handwerker vertrieben, die aber sehr bald merkten, daß sie sich damit selbst geschwächt hatten. Als nämlich Stendal an den Erzbischof von Magdeburg verpfändet wurde, konnten sie das Geld nicht aufbringen, um sich auszulösen, und entschlossen sich, die Verbindung mit den vertriebenen Patriziern, die reich waren, wieder anzuknüpfen. Diese waren nicht zur Versöhnung bereit, sondern erkannten die demokratische Verfassung an; einer von ihnen, Nikolaus von Bismarck, trat gegen Sold in den Dienst der Stadt. Im nahen Tangermünde hielt sich die aristokratische Verfassung. Aus verschiedenen Gründen dauerte die Zufriedenheit der Gemeinde mit dem neuen Zustande meist nicht lange: In dem durch die Zunftvertreter erweiterten Rat entwickelte sich oft wieder eine Geschlechterherrschaft, da die aufgenommenen Handwerkerfamilien, naturgemäß waren es die wohlhabenden, sich in patrizische Verwandtschaft und patrizische Vorurteile einlebten und die bevorrechtete Schicht vermehrten, anstatt sie aufzulösen. Oder aber die neue Regierung wurde durch die Schuldenlast, die die Unzufriedenheit veranlaßt hatte, und die sie übernehmen mußte, in dieselbe Verlegenheit versetzt, unter der die vorige gelitten hatte, was die Gemeinde ungerecht genug war, ihr zur Last zu legen. So ging es in Lüneburg, wo die Adelsherrschaft sich nach der Revolution um so stärker befestigte.

In einigen Städten gelang es nach vielen Versuchen, Mühen und Kämpfen, eine Verfassung zu schaffen, in der die in Betracht kommenden Klassen durch wohlabgewogene Verteilung der Kräfte in einen Großen und einen Kleinen Rat, durch die Anzahl der Vertreter und regelmäßigen Wechsel der Personen zu einem der Billigkeit entsprechenden Anteil an der Regierung gelangten, so daß für längere Zeit die Ruhe erhalten wurde; das glückte in Überlingen, in Straßburg, in Zürich.

Einen von den übrigen deutschen Städten verschiedenen Charakter hatten die des Ostens, zum Beispiel Breslau, Görlitz, Bautzen. Die Wildheit der Aufstände und die erschreckende Grausamkeit, mit der sie unterdrückt wurden, schreibt sich vielleicht daher, daß in diesen Städten, die teils zu Polen, teils zu Böhmen gehörten oder gehört hatten, die Handwerkerkreise stark mit Slawen durchsetzt waren, so daß der nationale Gegensatz den sozialen verschärfte. Reichsstädte gab es im Osten nicht; sie waren mehr als im Süden und Westen vom Landesherrn abhängig.

In den Städten, die nicht Reichsstädte waren, verwickelte sich der Kampf dadurch, daß die Stadtherren, oft waren es Bischöfe, den Zwist der Bürger benützten, um ihre Herrschaft zu befestigen; das versetzte diejenige Partei, die der Herr unterstützte, in die heikle Lage, als Verräter zu erscheinen, wenn die auf Unterjochung der Stadt gerichtete Absicht des Helfers früher oder später zutage trat. Die Kölner fochten die Oberhoheit des Erzbischofs nicht an: es ist vorgekommen, daß sie sich auf seine Seite gegen den Kaiser stellten. Nie haben sich die Erzbischöfe das Recht des Blutbannes in Köln entwinden lassen. Was die Kölner wollten, war Erhaltung ihrer Privilegien, Schutz vor Eingriffen und Willkür, in jedem einzelnen Falle möglichste Bewahrung der Unabhängigkeit. Engelbert der Heilige war der erste Erzbischof, der es gründlich mit der Stadt verdarb, weil er, früher als die meisten seiner Standesgenossen, die vielfach zerstreuten Rechte zu einer zentralisierten Landeshoheit zusammenzufassen suchte. Seine Verwaltung war straffer als üblich, durch übermäßige Besteuerung machte er sich die Stadt zum Feinde, durch das Bestreben, die Vogteien an sich zu bringen, den umwohnenden Adel, in dessen Händen sie waren. Man fand in der Stadt, daß der in weltlichen Geschäften aufgehende Mann keinen Anspruch auf Heiligkeit habe. Großen Sinn zeigte er, als er vor den Mordplänen eines Verwandten gewarnt, der sich benachteiligt fand, furchtlos in den Tod ging. Als Konrad von Hochstaden zur Regierung kam, hatten sich die inneren Verhältnisse insofern zuungunsten der Stadt verändert, als keine Einmütigkeit mehr unter der Bürgerschaft bestand. An dem wachsenden kulturellen Aufschwung im Reiche nahm auch die Industrie teil, der Wohlstand der am Textilgewerbe beteiligten Zünfte mehrte sich, in Köln kamen namentlich die Weber zu Vermögen und drängten nach Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten. Was in Straßburg Bischof Walter von Geroldseck vergeblich versucht hatte, die Zünfte gegen die Geschlechter aufzuhetzen, das gelang Konrad von Hochstaden. Nachdem er in der Schlacht von den Patriziern, an deren Spitze Mathias Overstolz stand, besiegt worden war, stiftete er eine Zwietracht an und richtete nach Vertreibung der Geschlechter eine Zunftherrschaft auf, von der er hoffte, daß sie ihm gefügiger sein werde. Indessen nun zeigte sich, wenn auch erst nach seinem Tode, die Macht der Tatsachen: die neue Regierung geriet wieder, weil es das Interesse der Stadt verlangte, in Streit mit dem Erzbischof und rief selbst die Verbannten zurück. Sie kamen unverändert wieder, nur daß sie vielleicht noch stolzer gegenüber dem Erzbischof und gegenüber ihren zünftigen Mitbürgern geworden waren. Sie verdrängten sie aus der Regierung, und noch einmal konnte ein Erzbischof die Erbitterung der Betrogenen benützen, um die Patrizier zu vertreiben, noch einmal überwog bei den Zünften die Liebe zur Vaterstadt den Groll gegen die Patrizier, so daß sie in einem entscheidenden Augenblick zu ihnen übergingen und einen Sieg über den Erzbischof ermöglichten, bei dem der alte Mathias Overstolz, zum letztenmal triumphierend, fiel. Grausam und unklug setzten die Geschlechter den Kampf im 14. Jahrhundert fort; sie gingen so weit, das Vermögen der Weber einzuziehen und die Zahl der Webstühle zu verringern, zerstörten also lieber ein Gewerbe, auf dem zum Teil der Wohlstand der Stadt beruhte, als daß sie die Nebenbuhler im Rate geduldet hätten. Aber auch dadurch ließ sich die Kraft des arbeitenden Volkes nicht unterdrücken; in den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts wurde die Geschlechterherrschaft endgültig gestürzt, nachdem einige ihrer Führer auf dem Schafott endeten. Der wundervolle gotische Rathausturm soll aus den Strafgeldern der Besiegten errichtet sein.

Der zeitgenössische Chronist, der uns die Geschichte von den inneren Kämpfen Kölns berichtet hat, nennt die Handwerker Esel, die sich eine Löwenhaut umhängen und so herkulesmäßig ausstaffiert nur desto kläglicher erscheinen. Wohl hatten die Handwerker im allgemeinen nicht den Jägerblick und die Raubtierklaue, womit der Adel zu herrschen und zu erobern gewohnt war; aber die Kunst des Regierens erlernt sich, und manchen ist sie angeboren, die nur Unterdrückung erfahren haben. Die Frage, ob die Städte unter dem demokratischen Regiment besser oder schlechter gediehen als unter aristokratischem, läßt sich nicht beantworten, weil die Verhältnisse zu mannigfaltig waren, als daß sie alle von einem Standpunkt aus zu betrachten wären, und weil aus vielen Gründen die allgemeine Lage im 15. Jahrhundert für die Städte schwierig zu werden begann. Kleine Städte, die ausschließlich von Handwerkern regiert waren, gingen bergab; aber es versteht sich von selbst, daß das Fehlen reicher Patrizier und der Anregung des Großhandels sich ungünstig bemerkbar machten, besonders da, wo nicht ein besonders einträgliches, großes Gewerbe blühte. Wo eine Verschmelzung der Stände stattgefunden hatte in der Art, daß, wie es zuweilen geschah, alle Bürger Mitglieder irgendeiner Zunft werden mußten, wo also die Geld und Gut besitzenden Geschlechter am Orte blieben, hielten sich verschiedene Städte bei demokratischer Verfassung noch längere Zeit auf gleicher Höhe, wie Köln, Braunschweig und Magdeburg. Andererseits erlosch in aristokratisch regierten Städten die Kraft früherer Jahrhunderte. Irren würde man, wenn man die Zunftkämpfe als ein Zeichen innerer Zersetzung auffaßte. So wie in der ersten Blütezeit der Städte die Kämpfe gegen die Stadtherren, waren die Aufstände der Zünfte vielmehr ein Zeichen überschäumenden Lebens. Während das gellende Geschrei des Aufruhrs die Nacht zerriß, während das Blut Erschlagener und Gerichteter auf die Steine tropfte, während die Städte sich zerfleischten, warfen sie ihr Wort und Schwert oft ausschlaggebend in die Waage der Geschicke des Reiches.


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