Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Welfen und Staufer

Mit Lothar von Süpplingenberg kam noch einmal ein Kaiser aus sächsischem Stamme auf den Cäsarenthron. Lothars Vater, Graf Gebhard, fiel 1075 in einer Schlacht gegen Heinrich IV., der Sohn übernahm sein Rebellentum. Durch seine Heirat mit Richenza, einer reichen Erbin, der Schwester Eckberts von Meißen, der einer der mächtigsten Gegner Heinrichs IV. und auf seine Veranlassung, wie man sagte, ermordet war, verstärkte sich ihm die kaiserfeindliche Tradition. Trotzdem erhob ihn Heinrich V., als im Jahre 1106 die Billunger ausstarben, zum Herzog von Sachsen, um den nicht verächtlichen Feind zu gewinnen. Aber der Ausspruch Herzog Bernhards, zwischen einem Erzbischof von Bremen und einem Herzog von Sachsen könne so wenig Freundschaft sein wie zwischen Feuer und Wasser, konnte man auch auf den Kaiser und Sachsen anwenden: es kam bald wieder zu Feindseligkeiten und im Jahre 1115 zu der furchtbaren Schlacht am Welfesholze, wo Graf Hoyer von Mansfeld, der Ungeborene, Niebesiegte, der auf kaiserlicher Seite focht, fiel, und durch welche Heinrich V. aus Sachsen verdrängt wurde. Sein Tod verhinderte ihn, das aufrührerische Land zu unterwerfen, das unter Lothar selbständiger als je war. Lothar verstärkte die herzogliche Gewalt über die Großen, wählte mit kundigem Blick geeignete Personen für die wichtigen Stellungen und betrieb erfolgreich was jetzt für Sachsen die Hauptaufgabe war, die Eroberung des slawischen Gebiets. Fast wie ein Kaiser des Nordens stand er dem salischen Kaiser gegenüber und war für dessen Gegner der gegebene Prätendent. Daß die Erzbischöfe von Köln und Mainz sich ihm verbanden, verschaffte ihm die Wahl im Gegensatz zum Herzog Friedrich von Schwaben, der als Neffe Heinrichs V. sich zur Nachfolge berechtigt fühlen durfte. Friedrich war der Sohn der Agnes, der einzigen Tochter Heinrichs IV., die er seinem Anhänger, dem Grafen Friedrich von Büren, zur Frau gegeben hatte. Indessen, während herkömmlicherweise das Wahlrecht der Fürsten durch Berücksichtigung der Verwandtschaft beschränkt wurde, betonten jetzt die Fürsten gern ihr Wahlrecht, indem sie die Verwandten übergingen. Denjenigen Fürsten, der als Schwiegervater Herzog Friedrichs von Schwaben naturgemäß auf staufischer Seite stand, der als mächtiger Herr ein gefährlicher Gegner war, Herzog Heinrich den Schwarzen von Bayern, gewann Lothar dadurch, daß er ihm die Hand seiner einzigen Tochter und Erbin, Gertrud, für seinen Sohn versprach. Durch diese Heirat verdichtete sich der Gegensatz zwischen dem Norden und Süden Deutschlands zum Gegensatz zwischen den Familien der Welfen und Staufer, der jahrhundertelang Deutschland und auch Italien zerrissen hat. Die Welfen, ursprünglich ein schwäbisches Geschlecht, führten ihren Ursprung tief in die Vergangenheit zurück: ihre Stammväter sollen unter Odoaker gegen den letzten römischen Kaiser gefochten haben. Zu Karls des Großen Zeit waren sie Grafen im südlichen Schwaben; die schöne Welfin Judith wurde die zweite Frau Ludwigs des Frommen. Ihr Bruder Eticho I. betrachtete es als Erniedrigung, daß sein Sohn Lehensmann des Kaisers wurde, zog sich in ein Kloster zurück und sah den Sohn, der seine Unabhängigkeit preisgegeben hatte, nie wieder. Welf III., der letzte des alten Stammes, begab sich auf den Ruf Heinrichs IV. nach den Ronkalischen Feldern südlich von Piacenza, wo nach altem Brauch die Reichsversammlungen in Italien abgehalten wurden; als er drei Tage lang vergeblich gewartet hatte, da der Kaiser am rechtzeitigen Erscheinen verhindert worden war, zog er mit seinem Gefolge ab und ließ sich vom Kaiser, den er unterwegs traf, weder durch Bitten und Versprechungen noch durch Drohungen zur Rückkehr bewegen. Durch die Heirat der Schwester dieses Welf, Kunizza, mit dem Markgrafen Azzo von Este, verband sich die aussterbende ältere mit einer jüngeren Linie, die nach Italien gewandert und dort begütert war. Der Sohn des Azzo und der Kunizza, Welf IV., wurde Herzog von Bayern und war der erste aus der Familie, der Güter von Bischöfen und Äbten zu Lehen nahm. Daß diese stolze und reiche Familie sich zur Kaiserwürde berufen fühlte, ist natürlich. Die Staufer hatten der rühmlichen Herkunft und dem Reichtum der Welfen ihre Verbindung mit den Saliern und später bedeutende Persönlichkeiten entgegenzusetzen.

Lothar war ein tüchtiger Herrscher. Er erreichte, daß sowohl Böhmen wie Dänemark in ein Vasallenverhältnis zu ihm traten; die Chroniken berichten mit Genugtuung, wie bei der Osterfeier in Halberstadt der dänische König dem mit dem Diadem geschmückten Lothar als Lehens- und Gefolgsmann das Schwert nachtrug. Auch in Italien vertrat er das Reich würdig. Während seiner Regierung kam das Zusammenwirken von Kaiser und Papst, das die Theorie verlangte, wie kaum jemals sonst zustande. Allerdings bestand er nicht auf der Rückgabe des Investiturrechtes, obwohl er einsah, daß ohne dies Recht eine kraftvolle Regierung nicht möglich war, und es deshalb auch forderte; allein er gab nach, um im einzelnen Falle doch selbstherrlich zu handeln. So hielt er das Reichskloster Monte Cassino fest, das der Papst an sich ziehen wollte, und setzte durch, daß der Normannenherzog in Süditalien nicht vom Papst allein, sondern vom Papst und ihm gemeinsam belehnt wurde. Vorwerfen konnte man ihm, daß er die sogenannten Mathildischen Güter, ein zerstreutes Gebiet, das sich teilweise mit dem heutigen Toskana deckt, vom Papst zu Lehen nahm, wodurch der Papst in die Lage kam, den Kaiser als seinen Lehensmann zu bezeichnen. Er unterließ nicht, sich in einer Inschrift im Lateranpalast, die er über dem Bilde Lothars anbringen ließ, damit zu brüsten. Lothar konnte zu seiner Entschuldigung sagen, daß es nur zweierlei gab, entweder Nachgiebigkeit des Kaisers in gewissen Punkten, um dadurch Nachgiebigkeit von seiten des Papstes zu erhandeln, oder dauernden Kampf. Persönlich war Lothar tapfer, meist glücklich im Kriege, Feinden und Besiegten gegenüber so grausam, so erschreckend roh, wie es im Charakter der Zeit lag, unermüdlich tätig, obwohl er, als er König wurde, sechzig Jahre alt war. Schon krank beschleunigte der Zweiundsiebzigjährige seine Rückkehr aus Italien, um in der Heimat zu sterben; aber nur der Tote erreichte sie und wurde in der von ihm gegründeten Stiftskirche zu Lutter, seitdem Königslutter, bestattet. Neben ihm ruhen seine geliebte Frau Richenza, die ihn immer begleitete, sein Schwiegersohn, Herzog Heinrich der Stolze von Bayern, der sein siegreicher Mitstreiter in Italien gewesen war, und seine Tochter Gertrud.

Große Macht empfahl damals nicht zur Kaiserwahl; die Fürsten sahen deshalb nach Lothars Tode von Heinrich dem Stolzen ab, der zugleich über Sachsen und Bayern gebot, und wählten Konrad von Staufen, den Bruder desselben Friedrich, der sich gegen Lothar nicht hatte durchsetzen können. Um seines Gegners Macht zu mindern, nahm ihm Konrad das Herzogtum Bayern und gab es seinem Halbbruder Leopold, dem Sohn des Markgrafen von Österreich, den seine Mutter Agnes, die Tochter Heinrichs IV., nach dem Tode ihres ersten Mannes geheiratet hatte. Nach dem frühen Tode Heinrichs des Stolzen erneuerte Konrad den Versuch, Welfen und Staufer durch eine Heirat zu versöhnen, indem er die Witwe Gertrud, die berühmte Sächsin, wie die Chroniken der Zeit sie nennen, mit seinem Halbbruder Heinrich verheiratete. Sie starb schon im folgenden Jahre an einer schweren Geburt und hinterließ ihr Erbe ihrem Sohn aus erster Ehe, der wie sein Vater Heinrich hieß und später der Löwe genannt wurde.

Konrad III. war sowohl an Liebenswürdigkeit wie an Erfolglosigkeit dem fränkischen König Konrad I. ähnlich, und auch darin, daß er hochherzig genug war, mit Übergehung seines eigenen, noch im kindlichen Alter stehenden Sohnes seinen bereits bewährten Neffen, Friedrich, Herzog von Schwaben, zur Nachfolge zu empfehlen. Friedrich I., der in Italien, wo seit der Zeit des Arminius das blonde Gelock der Germanen geliebt wurde, den Beinamen Barbarossa erhielt, ist ein Symbol der Kaiserzeit geworden, einer, dessen Name für alle steht, vielleicht deshalb, weil der Mittagshöhe seiner Regierung so bald der Absturz folgte. Wie die ersten Salier waren die Staufer ein herrisches Geschlecht, streng gegen andere und streng gegen sich im Erfassen ihrer kaiserlichen Pflicht. Die Möglichkeit, daß das Reich eine Erbmonarchie werde, in den Augen der Fürsten und des Papstes eine große Gefahr, brachten sie der Verwirklichung nah. Karl den Großen und Otto den Großen hatte Friedrich I. als Vorbilder stets vor Augen; was ihn persönlich von ihnen unterschied, war seine wachsame Selbstzucht an Stelle ihres breiteren, argloseren Sichgehenlassens. Friedrich hatte nicht den hohen Wuchs der Salier, er war nur mittelgroß, aber seine Haltung war so königlich, daß er trotzdem durch seine Erscheinung imponierte. Das Imperatorische seiner Gesinnung äußerte sich in seinen Mienen, die immer das Bewußtsein der Größe seiner Aufgabe widerspiegelten. Es machte großen Eindruck, daß er nach der Salbung und Krönung in Aachen, als einer seiner Dienstmannen, der wegen eines schweren Verbrechens in Ungnade gefallen war, sich ihm zu Füßen warf in der Meinung, in diesem Augenblick auf Verzeihung rechnen zu können, ihn abwies mit der Begründung, nicht aus persönlicher Abneigung, sondern um der Gerechtigkeit willen sei der Schuldige von seiner Gnade ausgeschlossen und müsse es bleiben; damit schien er anzudeuten, daß er sich mehr von der Gerechtigkeit als von der Gnade wolle leiten lassen. Strenge Beobachtung des Rechtes hat er sich während seiner ganzen Regierung angelegen sein lassen.

Seine erste Sorge ließ es Friedrich sein, die Spaltung im Reiche, die sich im Gegensatz der Staufer und Welfen ausdrückte, zu überwinden. War er doch im Hinblick darauf gewählt worden, daß er aus der Ehe eines Staufers mit einer Welfin stammte – seine Mutter war Judith, Tochter Herzog Heinrichs des Schwarzen von Bayern – so daß man sagte, er könne wie ein Eckstein die Kluft zwischen den zwei Häusern schließen. In großartiger Weise führte er die Versöhnung dadurch herbei, daß er seinem um sieben Jahre jüngeren Vetter Heinrich, dem Herzog von Sachsen, das Herzogtum Bayern wiedergab. Das war deshalb schwierig, weil Bayern zuvor dem Markgrafen Heinrich Jasomirgott von Österreich wieder abgenommen werden mußte, der Friedrichs Halbbruder war und keinen Anlaß zu irgendeiner Klage gegeben hatte. Nach umständlichen Verhandlungen glückte es dem König, den Besitzwechsel ohne Erregung von Feindseligkeiten zu vollziehen, indem er einen Teil von Bayern abtrennte und mit Österreich vereinigte und die bisherige Markgrafschaft zum Herzogtum Österreich erhob. Vor der Stadt Regensburg fand im September 1157 die in der Folge so bedeutungsvolle Handlung statt: Heinrich Jasomirgott verzichtete auf Bayern, indem er dem Kaiser sieben Fahnen übergab, die der Kaiser seinem Vetter Heinrich überreichte; von diesen gab Heinrich zwei, die die Ostmark bedeuteten, dem Kaiser zurück, der sie nunmehr seinem Halbbruder gab als Zeichen der Belehnung, nachdem er die Ostmark mit den übrigen österreichischen Grafschaften zu einem Herzogtum Österreich zusammengeschlossen hatte. Eine besondere Begünstigung war es, daß Heinrich Jasomirgotts Frau an der Belehnung teilnahm, damit die Erbfolge auch in weiblicher Linie Geltung habe. Friedrich hatte bewußt einen Feind, seinen Vetter Heinrich, zu einem sehr mächtigen Manne gemacht, indem er darauf rechnete, einen mächtigen und dankbaren Freund zu gewinnen. Der großmütige Gedanke war klug, wenn der Herzog von Bayern und Schwaben seine Macht für den Kaiser einsetzte. Dann stand die gesamte Macht des geeinigten Deutschland dem Kaiser zur Verfügung.

Die zweite schwere Aufgabe, die den jungen König erwartete, war das Verhältnis zum Papst und zu Italien zu ordnen. Wie er das Verhältnis zum Papst auffaßte, zeigte er dadurch, daß er gegen den Willen des Papstes auf der Einsetzung des Bischofs Wichmann von Zeitz zum Erzbischof von Magdeburg bestand und sie durchsetzte.


 << zurück weiter >>