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Schlachten

Wie die Geschichte des Mittelalters vorwiegend eine Geschichte des Adels, so waren seine Schlachten solche des Adels. Sie glichen Turnieren, bei denen es ja auch oft Tote gab, und bei denen die Forderungen der Ehre eine große Rolle spielten. Mit dem Vorwurf der Feigheit ließ sich alles durchsetzen, keine Gründe kamen dagegen auf. In der Schlacht bei Hausbergen war die Überzahl der Straßburger so groß, daß die bischöflichen Ritter den unglücklichen Ausgang voraussahen; da der Bischof sie feige schalt, gingen sie ohne Wanken in den Tod. Die Zahl der Kämpfenden war klein; Rudolf von Habsburg soll gesagt haben, mit 4000 auserlesenen Reitern und 40 000 Mann zu Fuß würde er von der ganzen Welt unbesiegbar sein. In der eben angeführten Schlacht bei Hausbergen zwischen dem Bischof von Straßburg, Walter von Geroldseck und der Stadt Straßburg, mit welcher sie sich im Jahre 1262 die Unabhängigkeit erkämpfte, fielen auf seiten des Bischofs 60 Ritter und Edelleute, auf seiten der Stadt ein einziger Bürger. Die Sieger trugen 76 Gefangene davon; des Lösegeldes wegen sah man es darauf ab, viel Gefangene zu machen. Der Bischof war selbst mitten im Kampfe, zwei Pferde wurden unter ihm erstochen. Die Mehrzahl der Kämpfer war beritten, von den Städtern fochten die Geschlechter zu Pferde. Der alte Ritter Liebenzeller, der die Straßburger führte, gab in der Schlacht den Rat, alle Rosse ohne Ausnahme niederzustoßen. Den Berittenen war schwer beizukommen, der Gestürzte konnte leicht erschlagen werden, wenn er nicht von den Hufen der Pferde zertreten wurde. Deshalb war es für den Gestürzten so ungemein wichtig, daß ihm sofort ein Getreuer beisprang, ihn deckte und ihm etwa gar das eigne Pferd überließ; Rudolf von Habsburg ist in zwei Schlachten auf solche Art gerettet worden und bewies seinen Helfern zeitlebens Dankbarkeit. Die Rosse zu töten war eine sehr alte Regel, deren sich schon Hermann im Kampfe gegen die Römer bedient haben soll. In einer ihrer berühmten Schlachten gaben die Dithmarscher die Losung aus: Schonet den Kerl, schlaget das Pferd! Als sie aber des Sieges sicher waren, erschlugen sie umgekehrt den Mann und erhielten sich sein kostbares Tier.

Eine vorbildliche Ritterschlacht war die Schlacht bei Worringen in der Nähe von Köln, die wegen der vielen edlen Namen, die darin glänzten, die Zeitgenossen zu ausführlichen Schilderungen gereizt haben mag. Sie entstand im Streit um die Nachfolge im Herzogtum Limburg, auf welche einerseits Graf Adolf von Berg, andererseits Graf Rainold von Geldern Anspruch erhoben. Zugrunde lag eigentlich der Wettbewerb des Erzbischofs von Köln und des Herzogs von Brabant um die Herrschaft am Niederrhein. Um den Erzbischof, einen Grafen von Westernburg, gruppierten sich Graf Rainold von Geldern, Graf Heinrich von Lützelburg, Graf Adolf von Nassau und die vom Erzbischof abhängige Stadt Soest; um den Herzog von Brabant der Graf von Berg, Graf Simon von Teklenburg, die Herren von Waldeck, von Virneburg, von Reiferstein und die Stadt Köln, die herkömmlicherweise ihrem Erzbischof den Gegenpart hielt. Es war eine außerordentlich blutige Schlacht, in der über tausend Ritter fielen. Es fiel der Graf von Westernburg, Bruder des Erzbischofs, es fiel Graf Heinrich von Lützelburg, der Vater des späteren Kaisers, als er seinen persönlichen Feind, den Herzog von Brabant, anrannte und bereits vom Pferde zu reißen im Begriff war; ein Ritter rettete den Fallenden, indem er dem Luxemburger den Speer unter die Rüstung stieß. »Unglücklicher!« so rief der Brabanter seinem Retter zu, »was hast du getan! Du hast den tapfersten Ritter getötet, der verdient hätte, ewig zu leben.« Ein Herr von Born sah seine Söhne teils fallen, teils gefangen werden, kämpfte aber weiter, bis ihm der Arm zerschlagen wurde. Der von Falkenburg, der als der schönste Mann seiner Zeit galt, fiel, und Adolf von Nassau, der spätere Kaiser, wurde gefangen. Als er vor den Herzog von Brabant geführt wurde und dieser ihn fragte, wer er sei, antwortete er: »Ich bin Adolf von Nassau, zwar nit ein großer Herr, aber der begehrt, große Sachen zu vollbringen.« Um seine Achtung so hohen Sinnes zu beweisen, ließ ihn der Herzog ohne Lösegeld frei. Die Herren wetteiferten in der Entfaltung edler Ritterlichkeit: sie waren Feinde, haßten sich, töteten sich, gönnten sich nichts, aber sie fühlten sich als die Ebenbürtigen, verbunden durch die gleiche Kultur und die gleichen Anschauungen von Ehre und Ritterpflicht. Allerdings wenn die Sage überliefert, der Erzbischof von Köln habe seinen Gegner, den Grafen von Berg, als es ihm nach der Schlacht gelungen sei, ihn zu fangen, mit Honig bestrichen in einen Käfig gesperrt und den Bienen preisgegeben, so wird man an allen den ausschmückenden Schnörkeln irre. Wechselten wirklich Züge abgefeimter Grausamkeit mit solchen der Großmut ab? Oder kam es bei der Schilderung von Begebenheiten nicht nur auf treue Wiedergabe an, wie man ja auch von den Bildern von Personen nur verlangte, daß sie schön oder eindrucksvoll, nicht aber, daß sie ähnlich seien. Auf den Charakter des Kampfes und der Kämpfenden im allgemeinen kann man indessen doch aus den zeitgenössischen Berichten schließen. Obwohl nun die Schlacht bei Worringen, die im Jahre 1288 geschlagen wurde, durchaus eine Turnierschlacht war, so gaben doch, das ist bemerkenswert, die niederrheinischen Bauern des Grafen von Berg und das Fußvolk der Stadt Köln, das den Fahnenwagen des Erzbischofs eroberte, den Ausschlag.

In der Entscheidungsschlacht bei Dürnkrut, durch welche Österreich an das Haus Habsburg fiel, hatte Ottokar von Böhmen die größere Zahl verdeckter Rosse, so nannte man die geharnischten, und glaubte deshalb Aussicht auf den Sieg zu haben. Daß Rudolf ihn davontrug, soll er erstens den Ungarn und ihrer leichten Reiterei verdankt haben, sodann einer neuen Anordnung, die er sich selbst ausgedacht zu haben scheint. Er sonderte nämlich 50 schwer geharnischte Ritter aus, die anfänglich abseits zu bleiben hatten, um erst im späteren Verlauf der Schlacht, wenn sich die Lage etwa verschlechterte, einzugreifen. Die Zumutung, sich nicht sofort zu beteiligen, kam den Rittern so unerhört vor, daß sie sich erst auf den strengen Befehl des Königs hin herbeiließen, die Führung dieser Notschar zu übernehmen. Doch unterließen sie es nicht, bei den anderen Herren umherzugehen und ihr Verhalten zu erklären und zu entschuldigen.

Die Schlacht bei Göllheim am Fuße des Donnersberges, durch die Adolf von Nassau und Albrecht von Habsburg den Streit um das Reich ausmachten, war eine ausgesprochene Ritterschlacht. Das Mitteltreffen führten auf beiden Seiten die Könige selbst an, Adolf von Nassau im goldenen Harnisch, vor beiden wehte die Reichssturmfahne. Wie in der Schlacht bei Worringen die persönlichen Feinde sich suchten, so hier die beiden Könige; Albrecht wurde später beschuldigt, seinen Herrn, denn er hatte anfangs den rechtmäßig gewählten Adolf anerkannt, mit eigener Hand getötet und damit eine unerhörte Freveltat begangen zu haben. Manchen mochte es als gerechte Vergeltung erscheinen, daß er selbst zehn Jahre später durch Mörderhand fiel. Während in der Schlacht nur hundert Kämpfer gefallen sein sollen, wurden über 20 000 Pferde getötet. Wenn dadurch der Vorzug des Berittenseins als trügerisch, mindestens als zweifelhaft erwiesen wurde, so zeigte sich vollends, daß der Harnisch, der den Mann schützen sollte, ihm vielmehr zum Verhängnis werden konnte. Es war ein heißer Sommertag; auf beiden Seiten kam es vor, daß Ritter in ihrer Rüstung erstickten. Lange sah man ein Roß über das Schlachtfeld jagen, den toten Herrn von Ochsenstein aus einem den Habsburgern treu ergebenen elsässischen Geschlecht aufrecht in angeschnallter Rüstung auf dem Rücken tragend. Wie Saurier muten diese Ritter an, denen die Schuppen und die lederne Haut und das Riesengebiß selbst, alle die Waffen, mit denen die Natur sie ausstattete, zuletzt anstatt ihnen zu helfen, ihr Verderben beschleunigten, besonders als behendere Tiere den Kampf mit den allzuschwer gerüsteten Ungetümen wagten. Noch wurden aus der Erfahrung keine Schlüsse gezogen. Herzog Leopold zweifelte im Jahre 1315 nicht, daß er mit der Menge seiner geschulten und gerüsteten Krieger die Bauern von Schwyz und Uri leicht würde erdrücken können. Am Ende des Jahrhunderts zog ein anderer Herzog Leopold mit einem großen Ritterheere gegen Luzern, das mit den Waldstätten verbündet die österreichische Landstadt Sempach an sich gezogen hatte, um das Erbe der Väter zurückzugewinnen. Bei Sempach kam es zu der furchtbaren Schlacht, in der die Blüte des schwäbischen, oberrheinischen und elsässischen Adels fiel. Wieder war es ein heißer Julitag, und mancher erstickte im Harnisch. Wieder entfaltete sich inmitten des Unterganges der stolze Sinn der Herren, wie der Chronist mit sichtlicher Vorliebe aufgezeichnet hat. »O rette Österreich, rette!« rief der Herzog, und die Getreuen folgten seinem Rufe, ohne das Verderben aufhalten zu können. Leopold focht als ein Leu, so heißt es, und verschmähte die Flucht, indem er sagte, er wolle lieber sterben mit Ehre, als unehrbarlich leben auf Erden. Seinem stolzen Tode stellt die Sage den Opfertod Arnold Winkelrieds von Nidwalden gegenüber, eines Abkömmlings jenes Struth von Winkelried, der einen Drachen tötete und, von dessen Gift getroffen, in demselben Augenblick starb, wo er seine Heimat befreite.

So waren denn die Bauern, die in den Kriegen Heinrichs IV. entmannt worden waren, weil sie sich angemaßt hatten, gegen Ritter zu kämpfen, von Bauern, die freie Herren geblieben waren, gerächt. Aber die späte Rache der Geschichte, die außer erkennbarem Zusammenhange trifft, genügt dem Bedürfnis nach ausgleichender Gerechtigkeit nicht. Auch kam es kurz nach der Schlacht bei Sempach vor, daß Pfalzgraf Ruprecht, nachdem er rheinische Städte bei Worms besiegt hatte, sechzig Knechte, die an der Schlacht teilgenommen hatten, in einen Ziegelofen werfen und verbrennen ließ, während die ritterlichen Gefangenen in der üblichen standesgemäßen Gefangenschaft gehalten wurden. Diese düsteren Fragen könnten nur durch den Glauben an eine überirdische Klarheit, in der Menschenirrsal mündet, gelöst werden.


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