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Kaiser und Papst

Das Gefühl des deutschen Volkes war so beleidigt durch die Art und Weise, wie Heinrich V. seinen Vater überlistet und vergewaltigt hatte, daß es in ihm als dem einzigen in der Reihe seiner Kaiser nur den Bösen sehen konnte; aber wenn er auch ganz ohne die gemütlichen Züge war, die dem Deutschen das Bild seiner Großen liebenswert machen, hat er doch tatkräftig und folgerichtig regiert, und zwar gerade in bezug auf das Verhältnis des Reichs zur Kirche. Heinrich V. hatte sich mit päpstlicher Unterstützung gegen seinen Vater aufgelehnt, um das Reich an sich zu bringen, nicht um ein Werkzeug des Papstes zu werden. Da er als König fortfuhr, Bischöfe einzusetzen, als verstehe sich das von selbst, brach der Streit zwischen Kaiser und Papst sofort wieder aus. Paschalis II. liebte die Deutschen nicht, aber er war ein ehrlicher Gegner und rein in seiner kirchlichen Überzeugung, zu ehrlich, zu rein für einen Papst, der zugleich Beherrscher Italiens und der Welt sein wollte. Als der König den Papst fragen ließ, was denn aus ihm werden solle, und was denn die Grundlage des Reiches bilden solle, wenn ihm die Investitur der Bischöfe entrissen werde, da ja die früheren Könige fast alles der Kirche übergeben hätten, antwortete der Papst: die Kirche solle mit dem Zehnten und Opfer zufrieden sein, der König aber solle alle Güter und Regalien, die von Karl, Ludwig, Otto, Heinrich und seinen übrigen Vorgängern der Kirche übergeben worden wären, für sich und seine Nachfolger zurückerhalten. Er selbst wolle die Güter und Regalien auf rechtliche Weise der Kirche nehmen. Es war eine Antwort, wie ein Kind sie hätte geben können, die einzige Antwort, die dem Recht entsprach, verblüffend in der Einfachheit und Schärfe, mit der sie den unlösbaren Knoten des Konfliktes durchschnitt. Der Kaiser, ein besserer Menschenkenner als der Papst, glaubte nicht an die von jenem eröffnete Möglichkeit; aber er konnte dabei nur gewinnen und stimmte zu. Eine Bereicherung der Krone, wie kein König sie mehr zu denken wagte, wäre die Rückgabe des Kirchengutes gewesen, von unabsehbaren, vielleicht umwälzenden Folgen für das Reich. So wurde im Jahre 1111 die merkwürdige Vereinbarung abgeschlossen, bei welcher der König auf die Investitur verzichtete, und der Papst eine Urkunde aufsetzte, um im Namen der kirchlichen Würdenträger die Regalien, die sie seit Karl dem Großen erhalten hatten, zurückzugeben. Der entrüstete Widerspruch der italienischen wie der deutschen Bischöfe zwang Paschalis, sein gegebenes Wort zurückzunehmen, worauf der König um den Verrat zu rächen, mit einem Heer Rom überfiel und den Papst nebst einigen Bischöfen und Kardinälen gefangennahm. Allein er hatte zu viel Feinde, um in diesem Streite siegen zu können: ein Teil der Bischöfe, Burgund und Frankreich traten auf die Seite des Papstes, vor allen Dingen war es aber wieder der Abfall der Sachsen, der ihn nötigte, seine Macht gegen den Norden zu wenden. Beide Teile sahen endlich ein, daß sie vom Äußersten ihrer Ansprüche etwas aufgeben mußten, und so kam im Jahre 1122 auf einem Fürstentage zu Worms das Konkordat zustande; der unglückliche Paschalis war einige Jahre vorher gestorben. Der Kaiser gewährte allen Kirchen sowohl im Königreiche wie im Kaiserreiche die kanonische Wahl, nämlich die Wahl der Bischöfe durch das Kapitel, und überließ dem Papst und der Kirche die Investitur mit Stab und Ring; der Papst, es war Calixtus II., erteilte dem König das Privileg, daß die Wahl der Bischöfe und Äbte in seiner Gegenwart vollzogen werde, daß er bei strittiger Wahl das Recht des Schiedsspruchs habe und daß in Deutschland der Gewählte vor dem Empfang der kirchlichen Weihe mit den Regalien zu belehnen sei. Im Kaiserreich hingegen, das heißt in Burgund und Italien, solle die Weihe der Belehnung mit den Regalien vorangehen. Der Papst ließ den Text des Wormser Konkordates als Inschrift in einem Gemach des Laterans anbringen, obgleich er sich kaum einbilden konnte, er habe einen bedeutenden Erfolg errungen. Im Grunde war das, worauf der König verzichtete, geringer, als das, was er gewann. Daß einer bedeutenden Persönlichkeit die Möglichkeit blieb, einen beherrschenden Einfluß auf die Bischöfe auszuüben, zeigte sich während der ganzen Regierung Friedrichs I.

Von Friedrich Barbarossa könnte man vielleicht sagen, daß er die Genialität der Gesundheit besaß. Er war nicht hervorragend begabt, aber doch genug, um alle Verhältnisse gut beurteilen zu können, der gesunde Menschenverstand ersetzte, was ihm an Bildung fehlte. Er sprach gut und gern; als er die ersten Proben seiner Redekunst gab, herrschte allgemeines Erstaunen über dies Vermögen eines Ungelehrten. Man behauptete, wenn er nicht lateinisch spreche, unterlasse er es nur, um als Deutscher die deutsche Sprache zu ehren. Er konnte liebenswürdig und fröhlich sein, aber immer auf dem Grunde des gesammelten Ernstes, den sein hohes Amt forderte. Andererseits ließ er sich durch keinen Schicksalsschlag, deren ihn so manche trafen, entmutigen oder nur niederdrücken; niemand sah ihn je anders als aufrecht und zuversichtlich. Das wurde ihm durch seine kräftige Körperlichkeit erleichtert. Er war wie in Drachenblut gebadet, ohne daß eine verletzliche Stelle geblieben wäre; noch als älterer Mann war er im Turnier und in der Schlacht immer frisch, immer freudig bei der Sache, immer königlich sicher. In der Kraft seiner Persönlichkeit besaß er den Zauber, der das Glück und die Menschen fesselt.

Im Beginn seiner Regierung hatte der König Gelegenheit, einen Vorteil über den Papst davonzutragen. Schon zur Zeit seines Vorgängers machte die Stadt Rom den Versuch, sich vom Papst unabhängig und zu einer selbständigen Republik zu machen. In Erinnerung an ihre einstige Größe wurde ein Senat eingesetzt, der Konrad III. aufforderte, zu kommen und nach Beseitigung des klerikalen Widerstandes von ihm die Krone zu empfangen. Konrad antwortete nach längerem Zögern so, daß er für die Einladung dankte und sein Kommen in Aussicht stellte, die gemeldete Neuordnung aber unerwähnt ließ. So ging, ohne daß von kaiserlicher Seite davon Notiz genommen wurde, die römische Bewegung weiter und verband sich mit dem von religiösen Ideen ausgehenden Kampfe des Arnold von Brescia gegen die weltliche Macht der Kurie. Was dieser vom geistlichen Standpunkt aus verlangte, daß der Papst sich auf das Geistliche beschränke, wollten die Römer, um von der päpstlichen Herrschaft unbehindert ihre Stellung als herrschender Weltstaat wiedergewinnen zu können. Papst Eugen IV. wurde vertrieben, Arnold und die Stadt Rom forderten Friedrich auf, sich in Rom die Kaiserkrone zu holen. Vermutlich kam ihm so wenig wie Konrad auch nur auf einen Augenblick der Gedanke, sich auf diese Weise von seinem mächtigen Gegner zu befreien. Die Römische Republik hatte kein Gewicht im Gedächtnis der germanischen Könige gegenüber der Erinnerung an das Römische Kaiserreich. Gewiß war Rom für sich kein Machtbereich und mit seinem anspruchsvollen, unruhigen Adel und seiner beschäftigungslosen Bevölkerung uneinig und unzuverlässig; aber Arnold von Brescia hatte Anhänger, und es war denkbar, daß ein über ein starkes Heer gebietender König mit den Kräften, die sich ihm in Rom zur Verfügung stellten, etwas ausrichten könnte. Das alles aber, was die Römer vorbrachten, war für den König leerer Schall. Wirklichkeit hatte für ihn nur das Imperium, das von Gott den deutschen Königen vermittels des Papstes übertragen war, wovon die Krönung und Salbung durch den Papst in Rom die vollendenden Zeichen waren. Er zweifelte an der Kirche mit ihrem Oberhaupt, dem Papst, so wenig wie an Gott, so wenig wie am Imperium der deutschen Könige und seinem eigenen Recht.

Dem glücklichen politischen Gedanken Friedrichs, der Versöhnung mit den Welfen, dankte er es, daß er sich ungehemmt nach Italien wenden konnte; es zeigte sich, daß einem deutschen Könige, der über alle Mittel des Reiches verfügen konnte, noch eine große Machtfülle zu Gebote stand. Das einige Reich, einig durch das Zusammenwirken zweier Fürsten, erregte überall Bewunderung und Schrecken. Die Könige von Dänemark, Ungarn, Polen, durch dynastischen Zwist geschwächt, mußten sich abhängig bekennen. Nach Italien zog Friedrich mit dem Entschluß, dieselbe Stellung wiederzugewinnen, die Karl der Große und Otto der Große eingenommen hatten. Er fand Entgegenkommen beim Adel und Widerstand bei den Städten, namentlich bei Mailand, der größten und reichsten; aber gerade darauf legte er Wert, daß er die Mittel der reichen handeltreibenden Städte in die Hand bekäme. Nach altem Herkommen hielt er eine Tagung auf den Roncalischen Feldern, wo die Lehensträger zu erscheinen und ihre Lehen in Empfang zu nehmen hatten. Dort wurde mit Hilfe von juristisch gebildeten Personen untersucht, was dem Kaiser zustehe, was nicht; denn es war Friedrich ernst damit, sein Recht, aber nichts als das in Anspruch zu nehmen. Die Juristen der berühmten Schulen von Bologna und Padova unterstützten ihn über Erwarten; für ihre formalistische Denkart kam einem römischen König deutscher Nation als Nachfolger der römischen Cäsaren dieselbe unumschränkte Herrschaft zu wie den Kaisern des Altertums. Nach ihren Ansprüchen war ein römischer König nicht sehr verschieden von einem Despoten, der über Hab und Gut seiner Untertanen verfügen kann. Friedrich war sich bewußt, daß er in Rechtsfragen an die Zustimmung der Großen seines Reiches gebunden war; aber die aus dem römischen Recht geschöpften Sentenzen über die Göttlichkeit der Kaiserwürde hoben doch sein imperatorisches Selbstgefühl. Vor allen Dingen den Städten gegenüber glaubte er unbedingter Herr zu sein; er sah in ihnen nicht wie im hohen Adel Genossen, nicht wenigstens durch den kriegerischen Beruf ihm Angeglichene wie die Dienstleute, die Ministerialen, sondern dem Stande nach Tieferstehende, emporgekommene Untertanen, die schlechtweg zu gehorchen hatten. Allerdings achtete er die von seinen Vorgängern erteilten Privilegien, nicht aber, was durch Gewohnheit üblich geworden, von den Ausübenden als Recht betrachtet wurde. Friedrichs Auftreten war unwiderstehlich, der Anblick schon seiner kriegstüchtigen deutschen Ritter, ihrer gleichmäßig kraftvollen, elastischen, blitzenden Gestalten verbreitete Schrecken. Den befestigten Städten gegenüber mit ihren gewaltigen Türmen und Bastionen genügten allerdings die Katzen und Igel und Widder nicht, wie denn im ganzen Mittelalter sehr selten eine Belagerung den Zweck erreichte; aber in offener Schlacht blieben die Deutschen Sieger.

Obwohl Friedrich das aufrührerische Rom unterwarf, Arnold von Brescia auslieferte und dem Papst die Rückkehr in seine Stadt ermöglichte, blieb Hadrian I., der einzige Engländer auf dem römischen Stuhle, mißtrauisch ablehnend. Da bei der Begegnung Friedrich sich weigerte, dem Papst den Stallmeisterdienst zu leisten, nämlich ihm beim Besteigen des Pferdes den Steigbügel zu halten, weigerte sich der Papst, obwohl Friedrich ihm den Fuß küßte, ihm den Friedenskuß zu geben. Getreu seinem Gerechtigkeitssinn rief Friedrich die Fürsten, die ihn begleiteten, zusammen und überließ ihnen zu entscheiden, was Rechtens sei. Das Reich sollte darüber entscheiden, was sich mit kaiserlicher Ehre vereinen lasse. Das Urteil der Herren fiel zugunsten des Papstes aus: es war Überlieferung, daß Pipin der Kurze dem Papst, als er ins Frankenreich kam, den Marschallsdienst geleistet habe, und die älteren unter den Anwesenden erinnerten sich, von Lothar dasselbe gesehen zu haben. Friedrich fügte sich der Entscheidung und hielt im Angesicht des Heeres dem Papst die Steigbügel, worauf er den Friedenskuß empfing. Zwei in der Wurzel feindliche Gewalten wurden durch künstliche Veranstaltung auf der schmalen Schneide des Einverständnisses erhalten. Nun wurde Friedrich nach altem Ritual zum Kaiser geweiht. Vor der silbernen Pforte der Peterskirche hielt der Bischof von Albano das erste Gebet, mitten in der Kirche der Bischof von Porto das zweite: »Gott, du geheimnisvoller Schöpfer der Welt – schütte auf die Fürbitte aller Heiligen über diesen König das Füllhorn deines Segens aus und festige den Thron seines Reiches. Suche ihn heim wie den Moses im Dornbusch … und übergieße ihn mit deinem Sternensegen und dem Tau deiner Weisheit wie David und seinen Sohn Salomon.« Es folgte die Salbung durch den Erzbischof von Ostia und ein Gebet, daß durch das heilige Öl der Segen des Tröstergeistes in das Herz des Königs eindringen und ihm die Gabe verleihen möge, Unsichtbares zu empfangen, und, nachdem er in Gerechtigkeit und Erbarmung seines zeitlichen Reiches gewaltet, ewiglich mit Christus zu herrschen. Dann war der Augenblick gekommen, wo der Papst dem Knieenden das Diadem aufsetzte mit den Worten: »Empfange das Ruhmeszeichen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, damit du unter Verachtung des alten Feindes und aller Sündenberührung Recht und Gerechtigkeit liebest und dich in diesem Leben so erbarmungsvoll zeigest, daß dir unser Herr Jesus Christus in der Gemeinschaft der Heiligen die Krone des ewigen Reiches verleihe.« Als der erschöpfte Kaiser sich zurückziehen und speisen wollte, überfielen die Römer den Papst, und er mußte den ganzen Tag durch kämpfen. Am anderen Morgen verließ er, den Papst und die Kardinäle mit sich nehmend, Rom, und der Papst erteilte denen, die im Kampfe Blut vergossen hatten, Ablaß. Dabei berief er sich auf gewisse kirchliche Zeugnisse, wonach der Krieger, der, im Gehorsam gegen seinen Fürsten, kämpfend Blut vergießt, nach irdischem und himmlischem Gesetz kein Mörder, sondern ein Strafvollstrecker sei.

Eine merkwürdige Schickung wollte, daß dieser selbstbewußte und dennoch, obwohl zuweilen hart und zuweilen durch Zorn und das Gefühl gekränkter Majestät zu grausamen Handlungen bewogen, maßvolle König, sich dem Einfluß eines Mannes ergab, der ihn auf eine gefährliche Bahn und in dramatische Verwicklungen riß, wie sein eigener Charakter sie womöglich vermieden hätte. Dieser Mann war der Kanzler des Reichs, Rainald, aus dem Geschlecht der an der Weser begüterten Grafen von Dassel. Beherrschte er den Kaiser, weil er so sehr von ihm verschieden war? In ganz anderer Art wie Friedrich war auch er zum Herrscher geboren, so wie ein heidnischer Wikingerführer, dem die Welt gehört, soweit er sie erobern kann. Friedrich war ganz und gar Imperator, sich immer der furchtbaren Verantwortung bewußt, mit der die Krone des großen Karl ihn belastete, und die nur ein streng zusammengefaßter Geist ertragen konnte. Rainald von Dassel fühlte sich nur seinem Genie verantwortlich. Sein Genie schuf ihm ein Reich, in dem er auch das Abenteuerliche wagen konnte, wenn es heroisch war. Er erkannte die Mächte seiner Zeit wohl an, die Kirche, den Kaiser und seine Genossen, die Fürsten; aber sie banden seinen Geist nicht und kaum seine Hände. In seinem Gefolge befand sich häufig ein Dichter, der der Nachwelt unter dem Namen des Erzpoeten bekannt ist. Diesem Namenlosen, der nichts besaß als seine klangvollen Verse, mag der Kanzler sich mehr verwandt gefühlt haben als dem Kaiser oder irgendeinem anderen Menschen. Der Dichter spielte ihm eine Musik jenseits aller Dinge, jenseits auch alles dessen, was die Kirche lehrte. In seinem persönlichen Leben war Rainald tadellos, enthaltsam, unangreifbar; man weiß nichts von Frauenliebe in seinem Leben. Er war gebildet, las gern die alten Schriftsteller, aber sein Element war das tätige Leben als Staatsmann und Kriegsmann. Wie von den Königen haben die Zeitgenossen von ihm überliefert, daß weiches Blondhaar sein schönes gebräuntes Gesicht umgab; das Jahr seiner Geburt hingegen haben sie nicht aufgezeichnet. Man kann annehmen, daß er etwa 35 Jahre alt war, als er zum ersten Male maßgebend in der Öffentlichkeit hervortrat.

Das sieghafte Auftreten des Kaisers in Rom nahm den Papst mehr gegen als für ihn ein. Bald entstand gegenseitige Verstimmung: Friedrich war entrüstet, daß der Papst das Königreich Sizilien und das Herzogtum Apulien nebst Neapel, Amalfi und Salerno ohne ihn zu fragen dem Normannenherzog Roger zu Lehen gab; der Papst nahm es übel, daß Friedrich nichts zur Befreiung des dänischen Erzbischofs Eskil von Lund tat, der in Deutschland gefangengenommen war. Unversehens kam der von beiden Seiten noch zurückgehaltene Unwille zu erschreckendem Ausbruch. Der Kaiser hatte in zweiter Ehe Beatrix von Burgund geheiratet und dadurch, daß ihr Vater ohne Hinterlassung von Söhnen starb, Burgund und die Provence erworben, ein Gebiet, das zwar zum Reich gehörte, aber mit seiner überwiegend romanischen Bevölkerung sich mehr und mehr losgelöst hatte. Seine Absicht war, es dem Reiche wieder enger anzuschließen, und er hielt im Jahre 1157 in der alten Bischofsstadt Besançon einen Reichstag ab, um die dortigen Verhältnisse zu ordnen. Die angesehensten Herren von Burgund, der Erzbischof von Vienne, der zugleich Erzkanzler von Burgund war, der Primas von Lyon und andere leisteten bereitwillig die Huldigung, wie sich überhaupt zeigte, daß der junge König sich bereits im ganzen Abendlande Ansehen erworben hatte. Auf dieser Tagung erschienen zwei Abgeordnete des Papstes, Roland, Kardinalpriester von San Marco, und der Kardinalpriester von San Clemente, und überbrachten ein Schreiben des Papstes an den Kaiser mit Vorwürfen wegen der Gefangennahme des Erzbischofs von Lund, die als eine schändliche Untat von viehischer Wildheit bezeichnet wurde, an der der Kaiser dadurch, daß er sie nicht bestrafe, mitschuldig sei. Rainald las als Kanzler den Brief vor und verdeutschte ihn. Nachdem der Papst die Liebesbeweise aufgezählt hatte, durch die er den Kaiser seiner väterlichen Gesinnung versichert habe, kam die folgende Stelle: »Und es reut uns auch nicht im mindesten, in allem deinen Wunsch und Willen erfüllt zu haben, ja, bei dem Gedanken, was die Kirche Gottes und wir selbst durch dich an Vorteilen gewinnen könnten, würden wir uns mit Recht freuen, wenn es möglich gewesen wäre, daß deine Herrlichkeit aus unserer Hand noch größere Beneficia empfangen hätte.« Das Wort Beneficia hätte Rainald mit Wohltaten übersetzen können; aber er wählte das Wort Lehen. Als Friedrich das erstemal in Rom war, sah er im Lateran ein Bild des Kaisers Lothar, wie er dem Papst den Steigbügel hält, und darunter einen Vers, der besagte, daß der Kaiser Lehensmann des Papstes geworden sei und die Krone von ihm empfangen habe. Er hatte vom Papst die Zusage verlangt und erhalten, daß das Bild mit der Inschrift entfernt würde. Daß trotzdem in manchen Kreisen Roms, namentlich in der Umgebung des Papstes, die Auffassung bestand, der Kaiser empfange in Rom Kaisertum und Krone als ein päpstliches Geschenk, wußte der Kaiser. In diesem Sinne klang das Wort Beneficia oder Lehen wie eine Herausforderung, und in den Reihen der anwesenden Fürsten äußerte sich laut und heftig der Zorn. Anstatt den Text des Briefes geschickt auszulegen, rief einer der Legaten frech in den Lärm hinein: »Von wem hat denn der Kaiser sein Kaisertum, wenn nicht vom Herrn Papst!«, damit die Bedeutung, die Rainald von Dassel in das Wort gelegt hatte, als richtig zugestehend. Der Pfalzgraf von Bayern, Otto von Wittelsbach, ein besonders treuer und verdienter Anhänger des Kaisers, zog sein Schwert, um die Beschimpfung des Reiches zu rächen; der Kaiser trat sofort schützend vor die Bedrohten und sorgte dafür, daß sie unverletzt in ihre Herberge gebracht wurden, befahl ihnen aber, unverzüglich nach Rom zurückzureisen. Den ganzen Vorgang schilderte der König den Fürsten in einem Rundschreiben, das mit den Worten schloß, er hoffe, ihre Treue werde nicht zulassen, daß die Ehre des Reiches, das seit der Gründung Roms und Einführung des christlichen Glaubens bis auf die gegenwärtige Zeit ruhmvoll bestanden habe, durch eine so unerhörte Neuerung und anmaßende Überhebung gemindert werde. »Ich selbst werde ohne Wanken eher in den Tod gehen, als unter unserer Regierung solch einen schmachvollen Umsturz dulden.« Der Papst hoffte, wenigstens die geistlichen Reichsfürsten auf seine Seite ziehen zu können; aber er mußte erleben, daß sie einmütig zum Kaiser hielten. Sie teilten Hadrian in einem gemeinsamen Schreiben mit, der Kaiser habe ihnen auf ihr Ersuchen in geziemender Weise seinen Standpunkt erklärt. Zwei Rechtsquellen gebe es für die Reichsregierung, habe er ihnen geschrieben, die Gesetze des Kaisers und das Gewohnheitsrecht. Die Schranken der Kirche wolle er nicht überschreiten, dem Heiligen Vater wolle er gern die schuldige Ehrfurcht erweisen, aber die freie Krone seines Kaiserreiches halte er einzig für Gottes Beneficium. Bei der Wahl habe der Erzbischof von Mainz die erste Stimme, dann folgten die übrigen Fürsten, die Salbung zum Könige stehe dem Erzbischof von Köln zu, die höchste, die zum Kaiser, dem Papst, was darüber hinausgehe sei vom Übel. Er werde eher die Krone niederlegen, als zu einer Erniedrigung der Krone und zugleich seiner Person seine Zustimmung geben. Der Wiedergabe des kaiserlichen Schreibens fügten die Bischöfe die Bitte hinzu, der Papst möge ihre Schwäche schonen und den Kaiser besänftigen, damit die Kirche sich der Ruhe erfreue und das Reich seines Ruhmes genieße. Anders als vor hundert Jahren Heinrich IV. führte Friedrich I. das Zepter. Hadrian sah sich gezwungen nachzugeben, um so mehr, als er erfuhr, daß Rainald von Dassel und Otto von Wittelsbach, die feurigsten Ritter der kaiserlichen Ehre, bereits als kaiserliche Gesandte in Italien eingetroffen waren. Zwei Kardinäle mußten ein Schreiben nach Augsburg bringen, wo der Kaiser sich aufhielt, in dem er erklärte, daß er das Wort Beneficium nicht im Sinne von Lehen, sondern von Wohltat gebraucht habe.

Der Treue sämtlicher Fürsten sicher, führte Friedrich ein großes Heer nach Italien und erzwang die Unterwerfung Mailands. Seine Stellung verstärkte sich noch dadurch, daß der Tod zweier Kirchenfürsten ihm ermöglichte, die höchsten Reichswürden mit Männern von unerschütterlich reichstreuer Gesinnung zu besetzen: Rainald von Dassel wurde Erzbischof von Köln und einige Jahre später Christian, der nach Rainald Kanzler geworden war, Erzbischof von Mainz. Daß der mächtigste weltliche Fürst und die beiden höchsten geistlichen Fürsten, Heinrich der Löwe, Rainald von Dassel und Christian von Beichlingen, geniale Persönlichkeiten und kaiserlich gesinnt waren, das war ein Zusammenströmen von Kräften, wie es die Mittagszeiten der Völker zu bezeichnen pflegt. Sowohl Mailand wie der Papst mußten sich der Übermacht beugen; allerdings aber war es nur ein Zurückweichen vor der Gewalt, kein Aufgeben der Ansprüche. Unausgetragen blieb der Streit über die Mathildischen Güter, über Sizilien und Apulien, über die Investitur; der Kaiser beklagte sich, daß der Papst ohne ihn zu fragen, Gesandte nach Deutschland, der Papst, daß der Kaiser Gesandte nach Rom schickte, wo alles, Leute und Regalien, ihm gehöre. Da er nach Gottes Anordnung römischer Kaiser heiße, sagte Friedrich, so würde er nur ein Schattenkaiser mit leerem Namen ohne Bedeutung sein, wenn er die Gewalt über die Stadt Rom aus der Hand ließe. Als Hadrian im Jahre 1159 im Sterben lag, ließ er die Kardinäle schwören, nur einen solchen Papst zu wählen, der den Kampf gegen den Kaiser zu Ende führe; so wenigstens sagte und glaubte man. Die Kardinäle waren geteilter Meinung: diejenigen die den Frieden wollten, wählten Oktavian, der sich als Papst Viktor IV. nannte, die Gegner des Kaisers jenen Roland, der den verhängnisvollen Auftritt auf dem Reichstage zu Besançon herbeigeführt hatte; er hieß als Papst Alexander III. Friedrich hielt es für richtig, sich nicht selbst für einen Papst zu entscheiden, sondern ein Konzil zu berufen; in Dingen, die Gott beträfen, sagte er, stehe ihm kein Urteil zu, aber er habe das Recht, Konzilien zu berufen, wie Konstantin, Theodosius, Karl und Otto getan hätten. Persönlich beiwohnen tat er dem Konzil, das in Pavia stattfand, nicht. Nach langen Untersuchungen und Zweifeln erklärte sich die Versammlung für Viktor; die Verwerfung Alexanders wurde damit begründet, daß er sich dem Konzil nicht gestellt habe, daß er sich offen als Reichsfeind zeige, indem er sich mit Mailand und Sizilien verbündet habe, wodurch die Zwietracht zwischen Kaisertum und Priestertum verewigt werde. Da die lombardischen Städte im Augenblick wehrlos waren, blieben dem schismatischen Papst Alexander nur zwei Mächte, auf die er sich stützen konnte: das Normannenreich Sizilien und Frankreich.

Von dem Augenblick an, wo es nicht mehr durch innere Zerwürfnisse geschwächt war, blickte Frankreich eifersüchtig auf das Römische Reich deutscher Nation. Allerdings dämpfte der beginnende Gegensatz zwischen England und Frankreich die Feindseligkeit Ludwigs VII., aber sie war doch so wenig verhehlt, daß Alexander III. sich mit ihm verständigen konnte; es gelang ihm sogar, einen Frieden zwischen England und Frankreich zustande zu bringen. Damit begann das sich immer erneuernde und festigende Bündnis, dessen Spitze sich gegen Deutschland kehrte, von dem der französische König als Frucht die Übertragung des Kaisertums von Deutschland auf Frankreich erhoffte.

Der Tod Viktors IV. im Jahre 1164 gab Gelegenheit, das Schisma aufzuheben, wenn Friedrich sich zur Anerkennung Alexanders bequemte. Es ist anzunehmen, daß er dazu geneigt war. Ein Schisma führte viel Unzuträglichkeiten für das ganze Reich mit, es gehörte zu den ersten Pflichten des Kaisers, die gute Beziehung zwischen Kurie und Imperium herzustellen. Wie konnte er wissen, wie lange die Treue der Fürsten in so gespannter Lage ausdauern würde. Aber schon seit einer Reihe von Jahren herrschte ein anderer neben dem Kaiser: Rainald von Dassel. Der stolze Sachse erwog nichts als seinen Haß und seine Kraft; kein Zweifel kam ihm an, ob er in dem ungeheuren Kampfe siegen könnte. Um dem Kaiser die Möglichkeit der Versöhnung abzuschneiden, betrieb er in Eile die Wahl eines neuen kaiserlichen Papstes; es war Paschalis III. Wenn der Kaiser über die Eigenmächtigkeit des Erzbischofs verstimmt war, so war er es nicht auf lange; auch daß Rainald mit einem Bruder des Kaisers im Streite lag, wurde verziehen. Als Zeichen seiner Gunst beschenkte Friedrich seinen Getreuen mit einer Reliquie von unschätzbarem Wert, den Leibern der Heiligen Drei Könige, der Magier, wie man sie zu nennen pflegte. Der Sage nach führte der Erzbischof den wundertätigen Schatz, der seine Stadt zum heiligen Köln machte, durch die zierliche Pforte bei Sankt Maria im Kapitol heim, nachdem er sich auf Umwegen durch Hochburgund reisend vor den Nachstellungen des Papstes und Frankreichs gerettet hatte. Um seiner Politik Erfolg zu sichern, ging er nach England und brachte ein Bündnis mit König Heinrich II. zustande. Nicht nur die Verbindung einer Tochter des englischen Königs mit einem Sohne Barbarossas wurde zur Besiegelung des Bundes ins Auge gefaßt, sondern auch die Vermählung von Heinrichs Tochter Mathilde mit Heinrich dem Löwen; die Ehe des Herzogs mit Clementia von Zähringen mußte zu diesem Zweck aufgelöst werden. Auf einem Reichstage zu Würzburg im Frühling des Jahres 1165 errang Rainald einen fast erschreckenden Triumph, indem er den Kaiser und alle anwesenden Fürsten bewog, sich durch einen Eid zu verpflichten, daß sie immer an Paschalis festhalten, niemals zu Alexander übergehen wollten. Um so erstaunlicher war der Erfolg, als nicht nur der Kaiser einen so gewalttätigen Schritt mißbilligte, sondern auch ein so bedeutender und einflußreicher Mann wie der Erzbischof Wichmann von Magdeburg dagegen war. War sein Wille der Zauber, der die Herzen wendete? Das des Kaisers gehörte wieder ganz ihm. Im Hochgefühl seiner weltbeherrschenden Macht ließ Friedrich, als er in Aachen das Weihnachtsfest feierte, den Sarkophag Karls des Großen öffnen und den Begründer des Reiches durch Paschalis heiligsprechen. Aachener Goldschmiede bekamen den Auftrag, einen Schrein zur Aufnahme der Gebeine herzustellen.

Die augenscheinliche Absicht der Mailänder, ihre zerstörte Stadt wieder aufzubauen, und die Umtriebe des Gegenpapstes Alexander führten den Kaiser nach Italien; Rainald war ihm vorausgegangen, um Paschalis nach Rom zu führen. Während der Kaiser siegreich die Lombardei durchzog, kam es um Pfingsten 1167 bei Tusculum zur Schlacht. Diese stets kaiserliche Stadt hatte Rainald mit seinem kleinen Heer Kölner Ritter aufgenommen und wurde nun durch ein an Zahl weit überlegenes römisches belagert. Die Lage der Eingeschlossenen war verzweifelt, als in letzter Stunde Erzbischof Christian von Mainz mit brabantischen Soldaten heranrückte, um Tusculum zu entsetzen. Dem Heer der Römer gegenüber war ihre Zahl so gering, daß sie trotz aller Tapferkeit zu weichen begannen; da brach Rainald mit seinen kölnischen Rittern, hochedle nannte er selbst sie, aus der Stadt hervor, und die beiden kriegerischen Erzbischöfe erfochten gemeinsam einen vollständigen, einen überwältigenden Sieg. Von 30 000 Römern kehrten nach Rainalds Angabe nur 2000 zurück. Die Beute, so schrieb er seinen Kölnern, hätten seine Kölner Ritter, mit dem Siege zufrieden, den Brabantern überlassen, um ihren hohen Sinn gegenüber den Söldnern zu zeigen. Rainald hatte seine Aufgabe gelöst: er führte Kaiser und Papst nach Rom, wo Paschalis die Kaiserin Beatrix, die ihren Mann stets zu begleiten pflegte, krönte und salbte. Alexander III. war aus Rom entflohen und hatte Zuflucht in Benevent gefunden.

Friedrichs Oheim, Bischof Otto von Freising, macht in seinem Buch von den Taten des Kaisers einmal die Bemerkung, die Ärzte sagen, es sei besser zur Höhe als auf der Höhe; denn die aus vielerlei zusammengesetzte Natur bleibe nie im gleichen Zustande, strebe zur Auflösung. Was auf der Höhe angelangt sei, müsse sich abwärts bewegen. Dies Gesetz vollzog sich nach dem Siege von Tusculum mit grauenvoller Pünktlichkeit. Es war Sommer, eine Seuche brach aus und verbreitete sich, an der das Heer und seine Führer zugrunde gingen. Es starben Herzog Friedrich von Schwaben, der Sohn König Konrads III., der jüngere Welf, der an Stelle seines Vaters dessen italienische Besitzungen verwaltete, der Pfalzgraf von Tübingen, die Grafen von Sulzbach und Lippe, die Bischöfe von Prag, Verden, Lüttich, Regensburg, Augsburg, Zeitz und Speyer und, als Unersetzlichster von allen, Rainald von Dassel, der Erzbischof von Köln. Wie ein geschlagenes Heer flüchteten die Überlebenden, wie und wo ein jeder konnte, über die Berge nach Deutschland zurück.


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