Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

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Der Student

Mein Arm wird nicht besser.

Als mich der Arzt untersuchte zwei Tage später, sagte er: Was ist denn los? Der Arm ist ja schlechter geworden? Schlechter?

Haben Sie denn etwas gehoben damit oder getragen?

Nein, sage ich und muß lächeln.

Trauen Sie sich nur nicht gar zu viel zu, sagt er, seiens nur nicht leichtsinnig, der Arm ist noch lang nicht gut –

Er wird schon gut, sage ich. Seiens nur nicht so leichtsinnig, sagt er.

Aber komisch, ich hab keine Angst mehr. Immer muß ich an die Witwe denken. Sie heißt Lony, das ist Ilona. Eine Abkürzung.

Immer hör ich das Stellwerk.

Die Züge fahren draußen vorbei und wir liegen drin.

Ich möchte immer bei ihr liegen –

Ich werde ihr schreiben.

Oder nein, ich werde sie wieder besuchen, so in vier Tagen wieder. Ich werde Blumen kaufen und Schokolade.

Wenn ich wieder fort darf.

Denn jetzt muß ich wieder zu Haus bleiben, bis mein Arm wieder wird.

Ja, Liebe kostet Opfer.

Der Herbst kam mit Regen und Sturm, wir sitzen drinnen und spielen Schach. Und Karten.

Ich spiele Karten und verliere in einer Tour.

»Glück in der Liebe«, sagt der eine, der gewinnt.

Ich lächle.

Ich verliere gern.

Ja, ich werde Blumen kaufen und Schokolade.

Und ich denke: ich bin ein Student.

Und ich seh das Essen auf dem Tisch und das Geld. Sie hat keine Sorgen. Und es ist mir plötzlich: wie dumm bist du gewesen, daß du das bequeme Leben abgelehnt hast!

Du hast es ja nur verflucht, weil du es nie haben konntest!

Aber jetzt hast du dazu geschmeckt.

Jetzt gefällt es dir.

Und du wirst es nimmer verlieren –

Ich werde vor sie hintreten und werde sagen: ich bin kein Student. Aber ich liebe Sie, Dich, Lony –

Ich verliere, ich verliere –

Oder soll ich schwindeln? Nein, das hat keinen Sinn.

Du sollst dich ihr anvertrauen, es ist ja keine Kleinigkeit, daß man gleich so zusammenpaßt – zwar hat sie mal in der Nacht plötzlich aufgeschreckt und gesagt, es geht wer – und wir waren uns plötzlich ganz fremd.

Und einen Augenblick dachte ich, der Hauptmann ist im Nebenzimmer.

Aber dann waren wir wieder zusammen.

Es ist plötzlich von mir weggefallen, all der Haß und ich liebe wieder – –

Sie lag auf meinem Arm – –

Aber ich hab sie nicht geweckt, sie schlief – –

Mein Arm wird schon wieder – ich hab keine Angst.

Denn ich liebe wieder, ich liebe – – es ist mir soweit alles – –

Ich verliere, verliere –

Jetzt hab ich nichts mehr.

Alles verloren.

»Fünf Taler«, sagte der eine.

Aber das macht mir nichts.

Ich hab auch keine Angst mehr vor dem Bettler.

Mein Arm wird schon werden und wenn ich ihn auch verliere, was liegt daran!

Ich setze mich an einen anderen Tisch und schreibe einen Brief: »An Frau Lony – Hauptmannswitwe« –

Ich schreibe ihr, daß ich sie besuchen will.

Daß ich an sie denke.

Plötzlich steht einer neben mir und sagt: »Was? An wen schreibst du da?« Er sieht das Kuvert –

»Du kennst die Witwe des Hauptmanns?«

»Ja«, sage ich.

Er ist einer von unserer Kompanie.


Wir sprechen übern Hauptmann. Die Auseinandersetzung zwischen Oberleutnant und Hauptmann.

Kamerad sagt: Der Hauptmann war verrückt.

Ich: Möglich.

All diese Probleme interessieren mich nicht mehr.


Ich warte auf den Brief, aber ich bekomme keinen Brief von ihr.


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