Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Hymne an den Krieg ohne Kriegserklärung

Einst, wenn die Zeit, in der wir leben, vorbei sein wird, wird es die Welt erst ermessen können, wie gewaltig sie gewesen ist.

Arm sind alle Worte, um den Reichtum der Rüstung zu schildern, in der unsere Sonne erglänzt. Und der Mond hinkt ihr nicht nach.

Tag und Nacht, Ihr Geschwister der Ewigkeit, sagt mir, wie gefällt euch unsere Zeit?


Einst, wenn die Zeit, in der wir leben, vorbei sein wird, wird es die Welt erst ermessen können, wie friedliebend sie gewesen ist.

Denn wir lieben den Frieden, genau wie wir unser Vaterland lieben, nämlich über alles in der Welt. Und wir führen keine Kriege mehr, wir säubern ja nur.

Wir befreien alle fremden Völker – –

Wir befreien sie von sich selbst.

Wir stellen sie an die Wand.

Wir säubern, wir säubern – –

Seht, wie die morschen Schiffe mit den Flaggen des Mitleids in allen Farben des Regenbogens versinken im brausenden Meere der Kraft!

Seht die siegreiche Flotte mit der schwarzen Standarte der Unerbittlichkeit!

Hört das Kommando des historischen Augenblicks:

Säubert, bis die Sonne auf unsere Ehre scheint!

Säubert, bis wir im toten Lichte des Monds unseren Platz an der Sonne erobert haben!

Säubert!


Einst, wenn die Zeitungen über unseren Kampf wirklichkeitsgetreu berichten dürfen, dann werden sich auch die Dichter des Vaterlandes besinnen.

Der Genius unseres Volkes wird sie überkommen und sie werden den Nagel auf den Kopf treffen, wenn sie loben und preisen, daß wir bescheidene Helden waren.

Denn auch von uns biß ja so mancher ins grüne Gras. Aber nicht mal die nächsten Angehörigen erfuhren es, um stolz auf ihr Opfer sein zu können.

Geheim waren die Verlustlisten und blieben es lange Zeit.

Nur unerlaubt sickerte es durch, unser Blut –


Einst, wenn das sickernde Blut der Zensur keine wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten bereitet, dann wird sich die Propaganda der Verlustlisten bemächtigen.

Und dann, dann bekommen auch wir unser Heldendenkmal.

Es wird enthüllt.

Der unbekannte Säuberer.

Begleitet von einer Lichtgestalt.

Einer Lichtgestalt aus bombensicherem Beton mit strengen Flügeln aus Stahl.

Ihre Augen sind nach innen gekehrt.

Sie sieht nur sich.

Ihre Flügel rauschen, Tag und Nacht –

Ihr Bild hängt in allen Auslagen, in jedem Saal, in jeder Kammer, jedem Stall –

Und darunter steht:

»Heiliger Egoismus, hilf uns armen Sündern in der Stunde unseres Meuchelmordens – Amen!«


Einst, wenn wir in den Schulbüchern stehen werden, damit uns die Lehrer ihren Schülern unterrichten, dann werden auch wir zum Märchen. Und Großmutter wird uns ihren Einkelkindern erzählen, auf daß sie so werden, wie wir gewesen sind.


Tag und Nacht, ihr Geschwister der Ewigkeit, sagt mir, wie gefällt euch unsere Zeit?

Fühlt ihr euch nicht erhöht durch unsere Taten?

Ihr könnt stolz auf uns sein!

Wir bombardieren die Gestade einer überlebten Tugend.

Schießt das Zeug zusammen! Feuert!

In Schutt und Asche damit, bis es nichts mehr gibt, nur uns!

Denn wir sind wir.

Feuert!

Matrosen der Macht!

Setzt eueren Fuß auf Land, das euch nicht gehört! Steckt alles ein, raubt alles aus! Gebt keinen Pardon, denn es braucht keiner zu leben, wenn er euch nichts nützt!

Machet euch das Vergewaltigte untertan und vermehret euch durch Vergewaltigung!

Mit eiserner Stirne sollt ihr das fremde Brot fressen –

Gedeihet nach dem Gesetz der Gewalt!

Säubert!


 << zurück weiter >>