Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

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Hoch in der Luft

Es ist Sommer, ein heißer Sommertag und wir liegen mit unseren schweren Maschinengewehren auf einer verdörrten Wiese. Gut in Deckung.

Es hat schon seit Wochen nicht mehr geregnet und die ganze Ernte ist verdorrt.

Die Bauern klagen, aber tröstet euch nur: bald werden wir große fruchtbare Ebenen haben, wo alles wächst: im Osten. Dort werden wir uns ausbreiten und ansiedeln.

Wir liegen im Staub und haben Durst.

Es sind kleine Manöver.

Wir müssen die Straße, die dort unten vorbeizieht, beherrschen.

Auf der Straße kommen zwei radfahrende Mädchen. Sie sehen uns nicht, wir hören ihr Lachen. Sie schieben die Räder aufwärts, dann wieder setzen sie sich aufwärts und fahren hinab.

Plötzlich halten die beiden, und die eine hält beide Räder. Dann geht die andere in das Unterholz. Wir schauen alle hin, sehen aber nichts. Der Hauptmann lächelt, der Feldwebel grinst. Wir auch.

Dann fahren die beiden Mädchen die Straße hinab. Fröhliche Fahrt! meint der Hauptmann.

Jetzt surrt es auf dem Himmel. Das Mädchen blickt empor.

Es ist ein Flieger.

Wir schauen auch hinauf. Er kann uns nicht sehen, denn wir sind gut gedeckt, mit Laub und Zweigen.

So ein Flieger hats gut, meint der Eine. Ein Flieger hat nie Durst.

Und ich denke, ja so ein Flieger ist die bevorzugte Truppe des Vaterlandes. Die Flieger haben die schönsten Uniformen, die schönsten Autos, die teuersten.

Von ihnen wird am meisten gesprochen. Sie sind die jüngste Truppe.

Aber auch wir sind jung, aber von uns wird nicht so viel gesprochen. Wir sind zu viele. Wir liegen da und müssen marschieren, werden voll Staub und Dreck, das ist freilich nicht so elegant. Wir sind ja noch nicht einmal motorisiert, zwar sind wir schon motorisiert, aber trotzdem! Wer ist das heutzutag nicht!

Die Flieger sind überhaupt furchtbar eingebildet. Ihr General war im Weltkrieg ein berühmter Kampfflieger, er hat 24 abgeschossen.

Überhaupt bei den Fliegern sind alle jung, so einen Alten, wie den Hauptmann, der jetzt hinter mir steht, gibt es gar keinen.

Aber es muß sich erst herausstellen, ob die Flieger wirklich im Krieg so viel taugen, ob sie wirklich einen Krieg entscheiden können, wie sie es sich einbilden, daß sie einfach über einer Stadt erscheinen und sie zusammenschießen und daß wir Infanteristen eigentlich überflüssig sind.

Der Hauptmann sagt immer, wir sind es nicht. Und er glaubt, daß im Krieg doch nur die Infanterie entscheiden wird.

Wir wissen es nicht, wir werdens ja sehen.

Nein, ich mag die Flieger nicht!

Sie sind so eingebildet – erst unlängst wieder, wie die angegeben haben, als wären wir ein Dreck und sie die oberste Garde!

Und die Mädchen sind auch so blöd, sie wollen nur einen Flieger!

Das ist ihr höchster Stolz!

Nein, ich mag die Flieger nicht!

»Um Gottes Willen!« ruft der Hauptmann.

Was gibts?!

Er blickt auf den Himmel –

Ich sehe hin – dort, der Flieger. Er stürzt ab.

Warum? Die eine Tragfläche hat sich gelöst.

Jetzt stürzt er ab.

Mit einem langen Rauch hinterher.

Wir starren alle hin.

Und es fällt mir ein: »Komisch, hab ich nicht gerade gedacht: stürz ab!«

Der Gedanke läßt mich nicht mehr los.

»Es sind sicher fünf Kilometer von uns«, meint der Hauptmann. »Mit denen ists vorbei.«

»Es waren zwei Mann«, sagte einer.

»Ja«, sagt der dritte.

Wir waren alle aufgesprungen.

»Deckung!« schreit jetzt wieder der Hauptmann. »Deckung! Ihr könnt denen so nicht mehr helfen, die macht keiner mehr lebendig!«


Abends im Dorf

Der abgestürzte Flieger blieb in meiner Seele.

Als wir abends das Dorf erreichten, in dem wir einquartiert lagen. Abends in der Kaserne beim Essen saß der eine neben mir und sagte: »Gib mir was von deinem Fleisch!« Der andere: »Nein«, darauf läßt er es fallen. »Du hast es mir nicht vergönnt«, sagte er.

Da fiel mir der Flieger wieder ein.

Und ich sagte: »Glaubt ihr an die Magie der Gedanken?«

Sie sahen mich groß an. »Ja«, sagte der eine, »das ist schon möglich, daß wenn einer dem anderen was Böses wünscht, daß das in Erfüllung geht. Ich hab mal gelesen, daß man das die schwarze Magie nennt.«

»Es sind Strahlungen und da kennt man sich noch nicht so aus.«


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