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Die siebte Vision: Von der Dreifaltigkeit.

1. Dann sah ich im westlichen Winkel des Gebäudes eine geheimnisvolle und sehr starke Säule, die purpurn und schwarz gefärbt war. Sie war so in die Ecke eingebaut, daß sie außen und innerhalb des Gebäudes zu stehen schien. Wegen ihrer riesigen Größe konnte mein Geist ihre Länge und Höhe nicht erfassen, aber wohl, daß sie ganz frei von Biegungen war. An ihrer Außenseite hatte sie drei gelbe Ecken vom Fuß bis zur Spitze; die erste von ihnen schaute nach Afrika, wo faule Streu von ihr zertreten worden war. Die zweite Ecke nach Nordwesten war auf eine Schar gerichtet, von der viele Flügel zerschlissen lagen. Die mittlere blickte nach Westen, wo vieles morsche Stroh abgehauen umherlag. Ich blickte auf zu jenem auf dem Throne und hörte ihn zu mir sprechen: »Diese geheimnisvollen und ganz unbekannten Gaben zeige ich dir in wahrem Lichte, damit sie die feurigen Herzen der Gläubigen zum Erglühen bringen, denn sie sind die schuldlosen Steine, mit denen das himmlische Jerusalem erbaut wird. Die heilige und unaussprechbare Dreifaltigkeit in der Einheit war für die alten Gesetzesdiener verborgen, aber den freien Menschen der Gnade geoffenbart, und sie müssen mit schlichtem und demütigem Herzen fest daran halten, daß es einen wahren Gott in drei Personen gibt.«

2. Jene Säule im Westen des Gebäudes stellt die wahre Dreieinigkeit dar. Der Vater, Sohn und hl. Geist sind eins in ihr, und die Dreifaltigkeit bekundet sich in der Einheit. Diese an allem Guten vollkommene Säule durchdringt das Höchste und das Niedrigste und lenkt den ganzen Erdkreis. Die Säule steht an westlicher Stelle, weil der Gottessohn in der Zeit nach dem Untergang geboren wurde, als er überall seinen Vater verherrlichte und seinen Jüngern den hl. Geist versprach.

3. Die Säule zeigt purpurne und schwarze Färbung und ist so in die Ecke hineingestellt, daß man nicht weiß, ob sie sich im Gebäude oder außerhalb befindet, weil nach dem Willen des Vaters sein eingeborener Sohn sein purpurnes Blut für die Schwärze menschlicher Sünden vergossen hat, wodurch er die Welt rettete.

4. An der Außenseite sind drei gelbe Kanten von oben bis unten wie ein scharfes Schwert, weil bei der Gegensätzlichkeit der Finsternis, die in der ganzen Welt entgegen steht, die Dreifaltigkeit in der Gottheit sehr klar erscheint und nur den gläubigen Geschöpfen sich offenbart.

5. Mit einer Kante ist sie nach Afrika gerichtet, wo viel trockene Streu abgehauen liegt, weil die gerechteste göttliche Dreifaltigkeit jegliche Dürre der Verschiedenheit und des Widerspruchs sowie Verwerfung des rechten katholischen Glaubens in großer Aufregung abschlägt und verbrennt, wie auch jenes Kraut niedergetreten und im Feuer verbrannt wird, das vom Fruchthalm getrennt ist.

6. Die andere Kante blickt zu einer Schar, wo viele Federn zerstreut fallen, weil die Gottheit den sich überhebenden Stolz des jüdischen Volkes, der hochmütig in der Höhe seines Geistes sich herumschwang, herausstieß.

7. Die mittlere Kante stand gen Westen, wo eine Menge faules Holz lag, weil das teuflische Schisma des eigenen Volkes, das durch den Fall seiner Treulosigkeit im rechten Glauben irrt, durch die hl. Dreifaltigkeit abgehauen wird. Weil diese Menschen wie faules Holz zu nichts nütze sind, so ist auch dieses Volk abgehauen und verworfen von der Freude des Lebens.

8. Gottes Sohn war seiner Gottheit nach vor der Erschaffung jeder Kreatur. In der Zeit wurde er, als es dem Vater gefiel, von diesem und mit dem Feuergeist in die Welt gesandt; wurde vom hl. Geiste empfangen, ward Mensch aus der Jungfrau, um den Gläubigen die herrliche Zier des Lebens zu bringen. Durch seine Menschwerdung wie auch durch seine Jünger verkündete der himmlische Vater, daß das für alle Menschen notwendigerweise zum Heile gehöre, an ihn zu glauben. Aber seine Jünger waren töricht und unklug, als er mit seinem Körper noch bei ihnen in der Welt weilte. Waren zu schwerfällig, um wachen Geistes seine Worte zu verstehen und in der Tat zu erfüllen. Sie hörten ihn einfältig wie im Schlafe an, ohne Kraft, sondern furchtsam und erschreckt, wie Menschen es tun. Dann kam die unheilvolle Zeit, in der die Juden Aufruhr trieben und viele Trennungen von Gottes Sohn weckten. Während sie sich so allen bösen Dingen hingaben, vollendete sich unter jähem und großem Getöse jener überragende Mord, der sich noch nie ereignet hatte, und dem kein ähnlicher je folgen wird. Die Erde erbebte, d. h. der Menschengeist erschrak, wie auch die übrige Kreatur und wie das steinerne Gesetz der Juden zersplittert wurde in ihrer Verbrechertat. Da lag der erste Mensch samt seinem Geschlecht, in dem alle übrigen Geschöpfe sich verdarben, begraben im Tode, weil alles Sinnen sich auf die Erde bezogen hatte. Er ward entwurzelt aus der Erde, in welcher er mit seinem Sohne schlief, und seufzte aus ganzem Herzen mit seinem Geiste wie im Mutterschoß zum himmlischen Vaterland, als er vernahm, daß Christus, der Gottessohn, um seinetwillen getötet worden war. Nach der Auffahrt des göttlichen Sohnes kam der hl. Geist vom Vater durch den Sohn in die Welt gesandt, wie er es selbst versprochen hatte. Der hl. Geist erschien in feurigen Zungen, weil der Sohn vom hl. Geiste empfangen wurde, der durch seine Predigt die Welt zur Wahrheit wandte. Und weil auch die Apostel von ihm belehrt wurden, deshalb übergoß sie der hl. Geist so mit seiner Glut, daß sie in verschiedenen Sprachen mit dem Geiste und Körper redeten. In ihnen erschien der Geist über dem Körper.

9. Der Geist des Menschen ist geistlich und geht aus dem Geheimnis Gottes aus und lebt für ihn unsichtbar. Der menschliche Geist besitzt daher das sicherste Wissen, weil es ihm von Gott mitgegeben wurde. Der Geist, der von den körperlichen Augen nicht wahrnehmbar ist, bezeichnet den Vater, der in jedem Geschöpf zwar vorhanden, aber unschätzbar ist. Das Wasser, welches die Reinigung vom Aussatz der Sünde bewirkt, bedeutet das Wort, den Sohn, der durch sein Leiden die Makel, der Menschen abwusch. Das Blut durchkreist und erwärmt den Menschen, und so ist es zum erweckenden hl. Geiste geworden, der die strahlenden Tugenden in den Menschen entzündet. Der Geist, das Wasser und das Blut sind eins, und eins in drei, wie auch die Dreifaltigkeit in der Einheit und die Einheit in der Dreifaltigkeit erscheint.


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