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Die sechste Vision: Vom alten Bund.

1. Dann sah ich zwischen der nördlichen und der westlichen Ecke die Gebäudemauer, deren Inneres bogenförmig wie ein Gitter, aber verschlossen war. In den einzelnen Bögen wurde eine gemalte Darstellung von Menschen sichtbar. Äußerlich umgaben die Mauer noch zwei kleinere Mauern, die so groß waren wie der Zwischenraum von der nördlichen Ecke bis zur westlichen und aneinander grenzten wie ein Schilddach. Die Höhe der beiden kleineren Mauern betrug drei Ellen; die Breite zwischen dem Inneren der bogenartigen Mauer und der Mitte eine Elle. Vom Äußeren bis zur Mitte reichte die Handbreite einer Knabenhand. Im Gebäude sah ich wieder Gestalten vor dieser bogengeschmückten Mauer auf dem Boden stehen. Drei derselben standen vor der Mauer nahe bei der nördlichen Ecke und drei dahinter dicht an der östlichen Ecke, und alle schauten die Malerei in den Bögen der Mauer an. Am Ende der Mauer erblickte ich noch eine andere Gestalt im Gebäude auf einem Steinsitz. Die rechte Seite hielt sie zur Mauer geneigt, ihr Gesicht zur Säule der wahren Dreieinheit; noch sah ich dort auf erhöhtem Platze eine zweite Gestalt, ebenfalls zur genannten Säule gewandt. Die Gestalten boten folgenden Anblick: Wie die früheren Gestalten waren sie mit seidenen Gewändern und weißen Schuhen bekleidet; außer jener, welche zur Rechten der Mittleren weilte, denn sie war in so reine Klarheit getaucht, daß ich vor der Überfülle ihres Lichtes sie nicht genau erkennen konnte. Die Gestalt auf der Mauer trug schwarze Schuhe. Nur die mittlere hatte einen Mantel. Zwei der höheren Gestalten, eben die, die rechts und links von der mittleren standen, und zwei von den drei inneren, nämlich die mittlere und die linke, hatten das Haupt nicht wie Frauen verhüllt, sondern ließen ihre weißen Haare erkennen. Die mittlere der drei ersten und jene auf dem Stein Sitzende nahe der Mauer waren mit weißem Kopfschleier versehen, wie Frauen ihn tragen. Die mittlere der drei oberen und die rechts von ihr standen, trugen weiße Kleider. Aber ich sah eine Unterschiedlichkeit bei ihnen. Die Gestalt inmitten der drei oberen hatte auf ihrem Haupte wie einen Kranz mit der Aufschrift in gelber Farbe, die rechts eingemeißelt war: »Brenne immer!« Von rechts flog auf die Gestalt eine Taube zu, die mit ihrem Schnabel auf die Steine hauchte. Die Gestalt aber sprach: »Ich bin übergossen von tiefem Mitleid, aus dem diese Bächlein herausfließen, welches weder Gold, Geld, kostbare Steine noch Perlen von den Bedürftigen und die darum weinen, erwerben will. Ich tröste sie und erquicke stets ihre Armut aus Liebe zu Gottes Sohn, der sanft und milde ist und seine Güter an die Gerechten austeilt; er benetzt ihre Sündenwunden wegen der geübten Buße.«

2. Die rechte Gestalt zeigte auf ihrer Brust einen Löwen wie einen helleuchtenden Spiegel. Vom Halse bis zur Brust hing ihr eine blasse Schlange wie ein gewundenes Stäbchen herunter. Sie sprach: »Ich sehe einen hellen Löwen, vor der feurigen Schlange fliehe ich, aber die am Halse hängende Schlange liebe ich.«

3. Die dritte Gestalt zu ihrer Linken trug ein Gewand wie von roten Hyazinthen. An ihrer Brust erschien ein Engel, der auf beiden Seiten einen Flügel hatte. Der rechte Flügel konnte sich bis zur rechten Schulter ausbreiten. Die Gestalt sagte also: »Ein Engel ist mein Gefährte, ich wandle nicht mit Heuchlern, sondern speise mit Gerechten.« Die mittlere von diesen drei Gestalten trug ein gelbes Gewand.

4. Auf ihrer rechten Schulter stand eine schneeweiße Taube, die mit ihrem Schnabel das rechte Ohr pickte. Auf der Brust erschien ein ganz unförmiges Menschenhaupt. Ihr zu Füßen sah man durch sie zerschmetterte und zertretene Menschen liegen. Ihre Hände hielten ein entfaltetes Blatt, das auf einer Seite gegen Himmel mit sieben Linien beschrieben war. Ich wollte dieses zwar entziffern, vermochte es jedoch nicht. Ihr Mund sprach: »Ich bin die Gerte bitterer Züchtigung und Geißel für jenen lügenhaften Sohn des Teufels. Ich bin ihm entgangen und ihm zuwider, da ich mich niemals in seinem Munde finde; vielmehr speie ich ihn aus meinem Munde wie ein tödliches und zur Unterwelt gehöriges Gift. Er gilt mir als schlimmstes aller Übel, weil alles Böse ihn zum Urheber hat.«

5. Die andere Gestalt zur Rechten hatte ein engelhaftes Antlitz und von beiden Seiten einen leichten Flügel. Sie erschien in Menschengestalt wie die übrigen Tugenden und sprach: »Ich streite in teuflischem Kampf wider die, welche sich hartnäckig gegen mich empören. Ich kann keine Störung ertragen, sondern schüttle alles Feindliche von mir ab. Ich fürchte niemand. Wen sollte ich denn fürchten? Ich bin dazu da, mich immer zu freuen und über die Guten zu jubeln. Der Herr Jesus ist der Nachlasser und Tröster allen Schmerzes, weil er selbst am eigenen Leibe den Schmerz erfuhr. Er ist meine Richtlinie, und deshalb will ich mich ihm verbinden, ihn stets tragen.«

6. Die dritte Gestalt stand links von der soeben genannten, sie war mit einem weiß und grünen Gewand bedeckt. Ihre Hände umfaßten ein mattfarbenes Geschirr, das viel Licht wie ein Blitz von sich gab, so daß das Gesicht und der Hals aufleuchteten. Sie sprach: »Ich bin glücklich. Der Herr Jesus Christus nämlich gestaltet mich schön und weiß. Ich sehne mich nach jenem Geliebten, den ich heiß umarme.« Jene Gestalt, die am Ende der Mauer auf dem Steine saß, trug ein schwärzliches Gewand. Auf ihrer rechten Schulter wogte ein Kreuz mit dem Bilde Jesu Christi auf und ab. Wie aus fernen Wolken flammte ein Leuchten auf ihrer Brust auf, das in viele Strahlen sich zerteilte, wie das Sonnenlicht sich bricht, wenn es durch kleine und viele Löcher hindurchleuchtet. In der Hand hielt sie einen Fächer, von dessen Spitze drei Zweiglein mit Blüten wunderbar hervorsprossen. In ihrem Schoße sah ich viele sehr kleine Edelsteine, die sie mit vieler Sorgfalt betrachtete, wie es ein Kaufmann macht, wenn er seine Waren sorgsam mustert. Die Gestalt sagte: »Ich bin die Mutter der Tugenden und habe Gottes Gerechtigkeit bei allen meinen Dingen. Sowohl im geistlichen Dienst wie auch im weltlichen Lärm erwartet mein Gewissen immer Gott. Ich verdamme nicht, trete nicht nieder, verschmähe nicht die Könige, Führer und Vorgesetzten noch die weltlichen Meister, weil sie vom höchsten Urheber eingesetzt wurden. Darf der Staub den Staub mißachten? Der Gekreuzigte Gottes wandte sich zu allen.«

7. Jene auf dem Ende der Mauer stehende Gestalt hatte das Haupt unbedeckt, so daß man die schwarzgelockten Haare und das finstere Gesicht sehen konnte. Das Gewand war mit mehreren Farben durchwebt. Sie hatte Gewand und Schuhe ausgezogen und stand nun bloß da. Plötzlich erstrahlten ihre Haare und Gesicht in schönem Weiß, das vorher nicht dagewesen war. Ein weithin leuchtendes Kreuz sah ich mit dem Bilde Christi Jesu, das über einem Weinstock zwischen zwei Lilien und Rosen sich erhob, welche sich aufwärts zu jenem Kreuze ein wenig zurückbogen. Ich sah sie viel Staub aus dem ausgezogenen Gewand und den Schuhen klopfen. Und sie sprach dabei: »Ich streife das Alte Testament ab und ziehe an den edlen Sohn Gottes mit seiner Gerechtigkeit und Heiligung und Wahrheit. Deshalb ward ich wieder befreit und hergestellt von den Lastern.« Und wiederum sprach der auf dem Throne: »Kein Gläubiger, der demütig Gott gehorchen will, darf sich weigern, dem menschlichen Vorgesetzten Untertan zu sein, weil die Verwaltung für das Volk zum Nutzen der Lebenden so verteilt ist.«

8. Zwischen der Nord- und Westecke des inneren Gebäudes ist die Mauer bogenartig gestaltet wie ein Gitter, jedoch nicht offen wie ein Gitter, weil von Abraham und Moses gegen den Teufel gekämpft wurde wie in einem nach Norden blickenden Winkel bis zur wahren Dreieinheit, was offenkundig klar wurde im wahren katholischen Glauben, als der Sohn Gottes vom Vater in die Welt gesandt wurde und seine Lehre ausgoß bis zum Ende der Zeiten. Die Mauer blickte zur westlichen Ecke, weil das israelitische Volk unter das Gesetz göttlicher Gerechtigkeit gestellt, unter der gütigen Leitung des allmächtigen Vaters wirkte, da es nämlich im Alten Testament gezügelt und ihm verbunden ward. Nachdem die Bitterkeit des Zornes des Herrn zutage trat durch die Einsetzung der alten Ämter, sind die Machtbereiche der neuen Würde vorgebildet. Denn das Alte Testament erforderte das Neue und brachte die viel größeren Gesetzesvorschriften des Neuen Testamentes mit sich, die ursprünglich in ihm lagen. Das Alte Testament war nur der einfache Grund, auf welchem die tiefste Weisheit aller Lehre aufgebaut wurde, die sich offenbarte in der Menschwerdung von Gottes Sohn; es zeigte sich hier das Streben vom alten Gesetz der Beschneidung zum neuen der Taufe, die von größeren Geboten umgeben war.

10. Die Mauer versinnbildet das jüdische Volk in seinem Verstand, mit welchem Gott erkannt wird. Sie ist von bogenartigen Gebilden umgeben, nämlich durch die sinnbildliche Vorbedeutung seiner Lehrer, die Gottes Gesetz verkündeten und es so aufzeigten, wie geringere Menschen sich bedeutendere Menschen einzusetzen pflegen, gemäß dem Gitter, welches die typische Vorbedeutung des hl. Geistes darstellt. Der hl. Geist war es auch, der harte Worte mit der Menschwerdung des Gottessohnes verband, und dieser zeigte den ihn Bittenden das Gitter seiner Barmherzigkeit. Dennoch wurde durch die Durchbohrung des hl. Geistes als Pförtner die geistige Erkenntnis im alten Gesetz nicht aufgedeckt, wie es später im tiefen Mitleid bei der Erscheinung des höchsten Sohnes im Fleische geschah, sondern unter der Härte der Gesetzesvorschriften blieb verborgen, was nachher der hl. Geist im Quell des lebendigen Wassers aufrichtete.

11. In den einzelnen Bögen sind Darstellungen von Menschen sichtbar. Es soll dies bedeuten, daß der Mensch wie mit einem Triumphbogen, nämlich in der Würde des Meistertums hingestellt wurde, gewissermaßen als Stellvertreter Gottes. Wieso? Die tiefste und hauptsächliche Weisheit ist durch Gottes Gnade in seinen vernünftigen Mund gelegt, damit der Mensch im Namen Gottes sein Führeramt ausübe.

12. Außen von der Mauer siehst du zwei kleinere Mauern, denn in den äußeren Geschäften außer dem geistlichen Amt ist die Einsetzung größerer und kleinerer Völker unterbrochen. Gleich zwei Mauern sind sie durch Gottes Willen begründet. Äußerlich sind jene, welche nach meiner Ordnung in weltlicher Macht geboren sind; in der Mitte liegen die unter der Botmäßigkeit geistlicher und weltlicher Personen, denn sie stehen in den Bögen der inneren Mauer, die die geistliche Herrschaft bedeutet, und der äußeren Mauer, die von weltlicher Macht kündet. Beide Mauern liegen außerhalb der inneren Bögen, weil weltliche Menschen sich sehr mit irdischen Dingen beschäftigen, mehr nach außen als nach innen gekehrt sind, wie es meiner Bestimmung nach ist.

13. Gott legte die rechte Eingebung in die menschlichen Sinne durch seine Vernunft, daß nämlich nach rechtmäßiger Anordnung große Menschen über die Völker herrschen, die sie ehren und fürchten müssen. Deshalb ließ Gott es auch zu, daß ein Volk herrschte, das andere gehorchte, damit die Menschheit geteilt würde und sich nicht gegenseitig mordete und zugrunde ging. Die weltliche Macht muß besorgt sein um Irdisches, daß der Körper genügend Erholung findet und nicht schwach wird; das geistliche Amt aber soll den Menschen erwartungsvoll vorbereiten, zur Dienstbarkeit Gottes zu gelangen.

14. Daraus geht hervor, daß die weltliche Herrschaft die Menschen nicht nach Sklavengesetz bedrücken darf, sondern sie wie Brüder lieben soll. Jeder Gläubige muß von geringerem Grad zum höchsten aufsteigen, von der weltlichen Macht den höheren Dienst des helleren Lichts erlernen. Ich meine, des geistlichen Lebens, in dem das Amt eines Schiffslenkers ausgeübt wird.

15. Ich will jedoch nicht, daß diese Ämter, die ich festsetzte, durch diebische Bestechung geraubt und verkauft werden, sondern mein Willen befiehlt, daß vernünftige Gründe jene bewegen, die sie auf sich nehmen wollen, damit sie alle nützlich vor Gott und den Menschen erfüllt werden.

16. Die beiden kleineren Mauern sind so lang wie der Zwischenraum von der nördlichen Ecke bis zur westlichen. Dies soll die Ausbreitung der größeren und kleineren Völker bedeuten von Abraham und Moses als Norden bis zur Offenbarung des katholischen Glaubens an die wahre Dreifaltigkeit. Diesen Glauben lehrte mein von mir nach Westen in die Welt gesandter Sohn. Diese Mauern sind in den Ecken von beiden Seiten wie ein Schilddach zusammengefaßt, weil die Völker des Alten wie des Neuen Testaments in Ehre und Lehre miteinander verbunden sein sollen, und zwar nach dem Bilde eines Schilddaches, gut und würdig zum Bau des himmlischen Jerusalems.

17. Die Höhe dieser kleinen Mauern beträgt drei Ellen, weil sich bei den Weltlichen drei Arten von Menschen finden, erstens die hervorragenden Führer, dann die von der Fessel der Knechtschaft Freien, sodann das gemeine Volk, das seinen Lenkern unterstellt ist.

18. Vom Äußern bis zum Innern ist die Breite gleich einer Knabenhand, weil es sich damit verhält wie mit der niederen weltlichen Herrschaft und der ihr Unterworfenen, die einmütig und in schlichter Hingabe kindlicher Unschuld sich gegenseitig berühren müssen in der Gemeinschaft des Werkes.

19. Im Gebäude selbst siehst du sechs Gestalten vor der mit Bogen versehenen Mauer auf dem Gebäudegrund stehen, weil in der Tat göttlicher Güte sich sechs Tugenden zeigen, die die übrigen Tugenden vorbedeuten, nämlich daß Gott in sechs Tagen seine Geschöpfe ins Leben rief.

20. Alle Gestalten betrachten die Malerei in den Bögen der Mauer, weil sie immer mit gleicher Hingebung den von Gott für die Menschen, sei es durch seine Macht im Alten und im Neuen Testament bezeichneten Dienst erwarten; sie betrachten auch, wie er an ihnen vollendet werden kann. Am Ende der Mauer sitzt noch eine weitere Gestalt im Gebäude auf einem steinernen Thron, da ja Gott nach Hintansetzung des alten Gesetzes des alten Volkes und am Anfang des neuen Glaubens an die wahre Dreifaltigkeit alle beständigen Tugenden in der Kirche begründete, und auch jene Tugend im Werke des höchsten Vaters hervortrat, durch welche er im Menschen bis zum Ende der Tage wirksam ist. Dann siehst du noch am Ende eine andere Gestalt auf der Mauer stehen, weil bei der Übertragung des schattenhaften alten Gesetzes im Glauben an die heilige Dreifaltigkeit das wahre Licht der Gerechtigkeit aufflammte, als die Tugend im fürstlichen Amt und beim gläubigen Volk auf dem Höhepunkt des himmlischen Verlangens nach Heiligung aufstand und den Kampf begann gegen die wider Gottes Sohn sich erhebenden Laster. Zur Säule der Dreifaltigkeit ist sie aber geneigt, weil sie durch die Stärkung der heiligen und unaussprechlichen Dreifaltigkeit die Seelen zum Vaterland zurückbringt.

21. Die mittlere der drei höheren Gestalten versinnbildet die Enthaltsamkeit, denn sie ist zu Beginn des Kampfes Schutz und Hort und der Schutz der ihr nachfolgenden Tugenden, welche den Ruhm der Dreifaltigkeit bei Beginn des alten Gesetzes bezeichnen. Wie ein Kranz ist ihr rechts eine gelbe Inschrift ins Haupt gemeißelt: »Brenne immer«, weil sie vom allerhöchsten Haupt mit dem gelben Strahl der hellsten Sonne, des Sohnes Gottes, gekrönt ward, in dessen Klarheit alles begreifbar ist.

22. Die andere Gestalt rechts bedeutet die Freimütigkeit, die mit kindlicher Schlichtheit einhergeht und keine List und Hartherzigkeit gegen menschlichen Schmerz kennt.

23. Die linke Gestalt bedeutet die Güte, die weder von Haß noch Neid oder sonstiger Häßlichkeit etwas wissen will, sondern mit menschlicher Freude gemeinsam aufjubelt.

24. In der Mitte der drei unteren Gestalten erscheint die Wahrheit. Von ihrer rechten Schulter aus pickt ihr eine Taube ins Ohr, was bedeuten soll, daß bei der rechten, d. h. glückvollen Rückkehr zum Leben durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes die wunderbare Stärke des hl. Geistes hinzutrat, der gleichsam in das rechte Ohr hauchte, in die Herzen gläubiger Menschen, damit sie verstehen könnten, was Gott in seiner übernatürlichen Macht sei. Das scheußliche, mißgestaltete Menschenhaupt auf der Brust soll die Nöten und Verfolgungen der Vorgesetzten in den Herzen seiner Auserwählten darstellen, die Gott zuließ, wie auch mein Sohn von den Hohenpriestern Unrecht erdulden wollte.

25. Die letzte Gestalt ist der Frieden: er ist von Engeln begleitet. Wieso? Es steht im Engelsliede geschrieben: »Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen, die guten Willens sind.«

26. Die dritte Gestalt, jene Linke, bezeichnet die Glückseligkeit, die nach dem ewigen Leben strebt. Die weißen Gewänder, die mit grünem Gewebe durchzogen sind, versinnbilden die gläubigen Werke, die von himmlischer Sehnsucht erglänzen und oft und viel in der Blüte der Gaben aus dem hl. Geiste geziert sind. Das matte Gefäß, welches sie mit ihren Händen umfaßt, ist das zerknirschte Herz, mit welchem man Gott durch den Glauben erfassen muß.

27. Die auf einem Steine am Ende der Mauer sitzende Gestalt offenbart die Mäßigkeit. Ihre schwarzen Gewänder sind ein Symbol für die Abtötung des Fleisches, des Verlassens eitler Leerheit.

28. Die Rettung der Seelen steht am Ende der Mauer, denn sie leuchtete beim Untergang der alten Härte in der Höhe der neuen Gnade. Ihr Haupt ist unbedeckt, und die Haare sind gelockt und schwarz, weil sie frei von knechtischer Unterwerfung ist und in freier Würde sich behauptet.


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