Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die zweite Vision: Von der Dreifaltigkeit.

1. Dann sah ich ein sehr helles Licht und in ihm eine Menschengestalt wie aus Saphir, welche im lieblichsten rötlichen Lichte brannte, und das glänzende Licht übergoß das ganze rötliche Licht und dieses wieder jenes helle Licht und das hellstrahlende die ganze Menschengestalt, so daß sie alle ein Licht in einer Kraft und Macht bildeten. Und wieder hörte ich das lebendige Licht zu mir sprechen: »Das ist der Sinn der göttlichen Geheimnisse, daß recht geschaut und verstanden wird jene Fülle, die ohne Anfang ist und der nichts mangelt. Denn wäre Gott nicht erfüllt von seiner eigenen Kraft, was wäre dann sein Werk? Gewißlich eitel! So aber sieht man am vollkommenen Werk den Künstler«.

2. Daher siehst du dieses überhelle Licht, welches ohne Anfang ist, und dem nichts fehlt. Es bedeutet den Vater; und in der saphirfarbenen Gestalt erscheint der Sohn ohne Makel einer Unvollkommenheit, der vor der Zeit als Gott vom Vater gezeugt, aber in der Zeit als Mensch in der Welt Fleisch ward. Im süßesten roten Lichte brennen sie. Dieses Feuer stellt den hl. Geist ohne irgend etwas Sterbliches dar. Durch ihn hat die Jungfrau den eingeborenen Sohn Gottes empfangen, in der Zeit geboren und so der Welt wahres Licht geschenkt.

3. Jenes Licht durchgießt ganz jenes rote Feuer, dieses das helle Licht und so das helle Licht und rote Feuer die ganze Menschengestalt, und so bilden sie ein Licht in einer Kraft und Macht. Dem ist so, weil der Vater, der die höchste Gerechtigkeit ist, nicht ohne den Sohn und den hl. Geist ist. Der hl. Geist, der die gläubigen Herzen entzündet, ist immer in Verbindung mit dem Vater und dem Sohn, da der Vater nicht ohne den Sohn, der Sohn nicht ohne den Vater, weder der Vater noch der Sohn ohne den hl. Geist ist, so ist auch der hl. Geist nicht ohne diese: diese drei Personen sind ein Gott in der ungeteilten Gottheit; die eine Gottheit ist kraftvoll unzertrennlich. In diesen drei Personen, da die Gottheit nicht zerrissen werden kann, sondern unveränderlich und unverletzlich ist: Erscheint der Vater im Sohne, der Sohn durch die Schöpfung, der hl. Geist durch den fleischgewordenen Sohn. Wieso? Der Vater ist es, der den Sohn zeitlos zeugte; durch den Sohn wurde alles vom Vater beim Schöpfungsbeginn gemacht, und der hl. Geist erscheint in Gestalt einer Taube bei der Taufe des Sohnes Gottes zur Fülle der Zeiten.

4. Daher soll der Mensch niemals vergessen, mich als Gott in diesen drei Personen anzurufen, weil ich sie deswegen den Menschen zeigte, damit der Mensch um so inniger in Liebe zu mir erglühe.

5. Die Flamme hat auch in einem Feuer drei Kräfte, wie ein Gott in drei Personen ist. Wieso? Die Flamme besteht in heller Klarheit, ihr innewohnender Kraft und in feuriger Glut. Sie hat helle Klarheit, um zu leuchten, Kraft, um machtvoll zu sein, feurige Glut, um zu brennen. Betrachte daher in heller Klarheit den Vater, der in väterlicher Liebe seine Klarheit unter den Gläubigen ausbreitet. In der innewohnenden Kraft den Sohn, der aus der Jungfrau einen Leib annahm, und in dem die Gottheit ihre Wunder kundtat. Schau in der feurigen Glut den hl. Geist, der in den Herzen der Gläubigen milde brennt. Wie in einer Flamme drei Kräfte sichtbar sind, so werden auch in der Einheit der Gottheit drei Personen erkannt.

6. Wie drei Kräfte im Worte sind, so muß auch die Dreifaltigkeit in der Einheit der Gottheit betrachtet werden. Im Wort ist Klang, Kraft und Hauch. Es hat Klang, um gehört zu werden, Kraft, damit man es versteht, Hauch, um zur Fülle zu kommen. Im Klang erkenne den Vater, der in unaussprechlicher Macht alles offenbar macht. In der Kraft den Sohn, der wunderbar vom Vater gezeugt wurde. Im Hauch aber den hl. Geist, der weht, wo er will und alles verzehrt. So sind auch der Vater, Sohn und hl. Geist nicht von sich unterschieden, sondern wirken gemeinsam. Wie verschiedene Dinge in einem Worte sind, so ist auch die höchste Dreieinigkeit in der höchsten Einheit, ohne faßbar, greifbar zu sein. Genau so verhält es sich mit dem Wort, das nicht wirken kann, wenn in ihm kein Klang, Kraft und Hauch ist. Ebenso müssen auch Klang, Kraft und Hauch zusammen sein. Was heißt das? Gott ist gewißlich in drei Personen der eine, wahre Gott, der Anfang und das Ende.


 << zurück weiter >>