Paul Heyse
Marienkind
Paul Heyse

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Ob sie am Ende doch ein wenig dumm ist?« sagte sich der Maler, während er frisch fortarbeitete. Er nahm sich zwar diesen ehrenrührigen Gedanken sogleich übel und bat ihn dem stillen Gesicht ihm gegenüber reumütig ab. Ein leiser Verdacht aber blieb dennoch in ihm zurück. War's nicht ganz unbegreiflich, daß die Gegenwart eines so schmucken jungen Mannes, der gewohnt war, daß die Weiber ihn mit Interesse betrachteten, nicht den geringsten Eindruck auf dies junge Mädchen machte? Daß sie nicht mehr dabei fand, von ihm gemalt zu werden, als wenn ein Schneider ihr zu einem neuen Kleide das Maß genommen hätte? Nicht einmal eitel zu sein, was doch das Recht und die Pflicht ihres Geschlechts ist, – so steif dazusitzen in der häßlichen, hoch zugebundenen Pelerine – halten nicht sogar die Madonnen und Heiligen in ihren Kapellen auf hübsche Kleider? – Nein, in diesem reizenden Kopf mußte etwas nicht in Ordnung, irgend ein Schräubchen losgegangen sein!

Der Eintritt des Vaters und des alten Hausfreunds unterbrach diese grübelnde Betrachtung.

»Kann man schon etwas sehen?« rief der alte Herr, hinter den Maler tretend. »Aber das ist ja die reine Hexerei! Sehen Sie nur, Frau Babette, unser Annerl, wie sie leibt und lebt.«

»Ich habe nur erst den Kopf angelegt; es wäre mir lieb, wenn das Fräulein sich entschließen könnte, ein andres Kleid zu wählen. Der weiße Kragen ist sehr unvorteilhaft und verdeckt völlig den Ansatz des Halses« – sagte der Maler.

Die Tante und der Vater waren hinzugetreten, beide drückten ihre Bewunderung aus, der Vater nicht ohne einen stillen Seufzer.

»Wie aus dem Spiegel gestohlen!« rief die Tante. »Schau einmal her, Annerl! Gefällst du dir so? Und freilich mußt du den Kragen herunterthun. So als ewige Pensionärin dazusitzen – mich thät's nicht freuen, wenn ich du wär'!«

»Ich will so bleiben, Tante,« erwiderte das Mädchen, einen gleichgültigen Blick auf das Blatt werfend. »Ihr habt mich ja doch auch meistens so gesehen.«

Es waren die ersten Worte, die Franz Florian von diesen schwellenden roten Lippen hörte. Die Stimme dünkte ihm so lieblich, wie die ganze Person, und auch wie sie selbst ein wenig umschleiert.

»Nun, das überlegen wir noch,« fiel der Medizinalrat hurtig ein, der Tante zublinzelnd. »Aber nicht wahr, Frau Gevatterin, wer hätte gedacht, als wir das Würmchen vor siebzehn Jahren zusammen aus der Taufe hoben, daß es sich einmal in schönen Farben so wie eine kleine Prinzessin ausnehmen würde? Erinnert sie Sie nicht an gewisse Giorgiones, lieber Freund?«

»Eher an Paul Delaroche. Der Typus ist doch moderner.«

»Gleichviel. Sie werden da was Schönes zu stande bringen. Wenn der Herr Florian vor siebzehn Jahren die Frau Tante gemalt hätte, da hätte man noch heute seine Freude dran, gelt, Frau Gevatterin? Schade, daß die alten kanonischen Gesetze verbieten, daß Gevattersleute sich heiraten. Wir wären ein schönes Paar gewesen, und könnten uns noch sehen lassen.«

»Was Sie sich einbilden, Herr Gevatter! Ich wäre langst unter der Erde, wenn ich Sie geheiratet hätte.«

»Da sehen Sie nun, lieber Freund, mit welchen Vorurteilen meine Frau Gevatterin mich betrachtet,« sagte der alte Herr lachend. »Sie hat sie von ihrem Manne geerbt. Der Selige war Apotheker und glaubte klüger zu sein, als alle Aerzte, obwohl er elend hätte verhungern müssen, wenn kein Arzt ein Rezept geschrieben hätte. Er behauptete, wir tappten im Finstern und verordneten heute das Gegenteil von dem, was wir gestern verschrieben. Er müsse das am besten wissen.«

»Wußte er's nicht auch am besten? Und lebte er nicht vielleicht heute noch, wenn er in seiner letzten Krankheit Sie nicht gerufen hätte?«

»Sie werden mir noch gar auf den Kopf zusagen, liebe Frau Babette, ich hätte ihn umgebracht, um Sie dann heimführen zu können. Isidor, was sagst du? Glaubst du, daß du einen Mörder unter deinem Dache beherbergst?«

Die Tante lachte nun selbst, und sogar der seufzende Hausherr brachte es zu einem stillen Lächeln. Nur das Gesicht der Tochter hellte sich nicht auf. Sie hatte die Blätter des Skizzenbuchs umgeschlagen und die Studien betrachtet, ohne sonderliches Interesse. Franz Florian machte eine Bewegung des Erschreckens.

»Bitte, mein Fräulein,« rief er, das Buch ihr aus der Hand nehmend, »an diesen Klexereien ist nichts, was Sie erfreuen könnte. Ich hatte nur kein andres Blatt für Ihr Bildnis. Ueberhaupt bedaure ich, daß ich auf Wasserfarben beschränkt bin. Wenn es Ihnen recht wäre, Herr Regierungsrat, ließe ich mir eine Leinwand und Oelfarben kommen. Ich würde dann erst hoffen, die Aufgabe vollkommen zu meiner eignen Zufriedenheit zu lösen.«

»Ich bin schon für das Aquarell sehr dankbar,« versetzte der Hausherr, »und verspreche mir das beste von diesem Anfang. Aber du scheinst ein wenig abgespannt, Kindchen. Ich dächte, wir ließen es heute dabei, und Sie kämen morgen zur zweiten Sitzung.«

 


 


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