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Markus vor!

Nie wieder ein Ballet! sagte ich halb laut, und sog die kalte Straßenluft mit einem Wohlbehagen ein, als käme ich aus der mephytischen Schwefelresidenz des leidigen Satanas – und doch ärgerte ich mich wieder, daß ich es nicht abgewartet. Hätte ich gewußt, was ich späterhin durch das Studium der Mythologie erfuhr, daß es vom vierten Akt an, Psychen, durch die Verfolgung der aufgebrachten Schwiegermutter Venus, gar erging, daß sie auf deren Befehl sogar in das Reich der Todten hinabsteigen, und von der Proserpina eine Büchse mit Schönheitssalbe holen mußte; daß sie diese Büchse wieder, aus angestammter Neugierde, dem Verbot entgegen, öffnete, und vom tödlichen Dampfe derselben leblos zu Boden gestreckt ward, – ich wäre geblieben, und hätte mich an der wohlverdienten Strafe für ihr schuldvolles Entgegenkommen, und für ihre leichtsinnige Unbesonnenheit, recht eigentlich geweidet. – –

Pah, sagte ich endlich, als ich mich auf dem spitzen Straßenpflaster ein wenig ergangen hatte: was geht dich Josephine an! laß sie! Schwerlich werden sie ihre Amors und ihre Zephyrs mit der Zartheit, mit der schadlosen Treue lieben, mit der du dieses goldlockige Engelkind würdest gelebt haben, wenn es anders dein werden könnte. Hast du doch etwas weit Höheres im Sinn. Josephine ist schön, ist himmelschön; aber die Gräfin, wenn ihr auch Josephine ähnelt, ist hundertmal schöner. Beide blond, beides herrliche Gestalten; beide die Gutmüthigkeit, die Sanftmuth, die Liebe selbst; aber die Gräfin ist – wahrhaftig, ihr Rang hat mich nicht bestochen, aber sie ist viel feiner, viel anständiger; in ihrem seelenvollen Auge liegt mehr Geist, in ihren Wangen-Grübchen lächelt die Schalkheit lieblicher, und das Beutelchen in ihrer kleinen Hand – nein, mit diesem Anstande, mit dieser Herzensgüte, mit dieser vornehmen und doch so humanen Ungebundenheit hätte Josephine dem Trödeljuden den Dukaten nicht geben können! So etwas wird den Grafen-Kindern gleich angeboren.

So sprach ich zu mir selbst, und war unbemerkt wieder auf den rechten Weg zu meinem Glück, auf den Weg zur Gräfin Gorm zurück gekommen.

Der Herr Professor wollte zwar seine Gründe haben, warum ich nicht zu ihr gehen sollte. – Aber, man kennt ja die grämlichen Alten mit ihren pedantischen Ansichten. Wer weiß, was er mit dem Grafen gehabt hatte, – doch, was ging das mich an. – Aber, – sagte er nicht, daß der Graf ein lüderlicher Patron sey? – Im Ganzen war das kein Ausdruck, der sich für einen Professor schickte. Wie kannte der alte grundgelehrte Herr die Welt so wenig. Ich armer, blutarmer Junge, auf dessen Erziehung, bis zu dem Augenblick, in dem mich der Fürst zufällig kennen gelernt hatte, keine zehn Thaler waren verwendet worden, rechnete mich zu den gesitteten, wohlgezogenen und an Ordnung gewöhnten Menschen; um wie viel mehr mußte man nicht einen Grafen dahin zählen, dessen Bildung gewiß schon viele Tausende gekostet haben mochte. Einen lüderlichen Grafen konnte ich mir damals noch gar nicht denken, und giebt es einen, so ist es schlimm, daß er an der Vernichtung der Achtung arbeiten hilft, die vor seinem Range in der Brust des großen Haufens wohnt, in dem, wenn auch nicht Edelleute, doch recht viele edle Menschen zu finden sind.

War mein Gnadenbild, die Gräfin, des sogenannten lüderlichen Patrons Gattin oder Schwester? das fing mich jetzt an zu interessiren.

Nein, nein, die Schwester, sagte ich, mich beruhigend: denn die Gattin eines also Bescholtenen hätte nicht so fröhlich, nicht so lebenslustig aussehen können. Aber doch – es war, als läge auf der andern Seite wieder etwas Wünschenswerthes für mich in dem Gedanken, sie als seine Gattin zu wissen, sie war dann bestimmt unglücklich, und ich konnte die Leidende, wenn ich sie einmal kennen gelernt hatte, trösten, ihren Schmerz über den Unwürdigen theilen; kurz, es kam mir recht gelegen, wenn die Gräfin Wunderhold zu den Dulderinnen gehörte; auch hatte ich viel mehr Muth, mit der Gräfin zu sprechen, wenn sie verheiratet war; die Frauen haben bei weitem nicht so hohe Schranken um sich, als die Unverheiratheten ihres Standes. Eine Jungfrau entfernt den Mann viel mehr, als eine junge Frau. Zwischen der Jungfrau und dem Jüngling ist ein Geheimniß, ein räthselhaftes Etwas, das beide verschüchtert; mit der Frau spricht es sich schon viel ungebundener. Nein, die Gräfin war bestimmt verheirathet. Der gräfliche Lakai hatte ja, nach Gustchens Mittheilung, gesagt, ich solle hinkommen. Das konnte nur eine Frau, kein Mädchen sagen lassen; für Letzteres hätte sich es nicht geschickt, einen jungen, steinfremden Menschen einzuladen.

Es zog mich jetzt unwiderstehlich zu der Gräfin.

Ihre Equipage stand vor dem Opernhause; ich konnte die herrliche Frau diesen Abend noch sehen. Ich kehrte, von dem beglückenden Gedanken getrieben, nach dem Opernhause zurück, suchte in der langen Wagenreihe den Zerstörer meines Rosenstocks heraus, und fragte den bärtigen Kutscher recht fein, ob der Herr Graf oder die Frau Gräfin in der Oper wären.

Beide! war die Antwort.

Da hatte ich es ja auf einmal. Frau war also die blondgelockte Gräfin Wunderhold, die meiner mit Wohlgefallen gedachte, die mir meinen Verlust fünffach ersetzen wollte, die –

Markus vor! schrie ein tressenreicher Bedienter vor dem Portale des großen, von flackernden Kienkörben hochbeleuchteten Opernhauses, – vielleicht der nämliche, der mich zu ihr geladen, – über den dunkeln Platz, und Markus, der bärtige, rasselte herbei.

Ich flog hinterdrein.


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