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7.

Gustchen

Wer sich um sieben Uhr auf dem besagten Gange einfand, war ich, und wer zu gleicher Zeit von dem entgegengesetzten Ende kam, war Gustchen. Die Kleine erzählte mir heimlich, daß ein gräflich Gormscher Bedienter da gewesen, dem Vater etwas von einem, vor dem Hause zerbrochenen Rosenstocke erzählt, und ihm für mich ein Zehnthalerstück als Entschädigung eingehändigt habe; Papa aber, fuhr die Kleine fort: hat das Geld gar nicht angenommen und die Sache für ein Mißverständniß erklärt; da kam der Bediente wieder, und sagte, er sollte Dich zur Gräfin bringen; aber Papa erwiderte kurz angebunden: Du hättest keine Zeit. Sag einmal, Theodor, was ist denn das für eine Geschichte mit dem Rosenstocke?

Die vertrauliche Weise, mit der die kleine Schlaue mir das mittheilte; ihre großen, freundlichen Augen, die nach der Bestimmung des Rosenstocks zu fragen schienen; – die Möglichkeit, durch Gustchen, des Vaters Liebling, vielleicht doch noch zu jenem Schadenersatze zu gelangen, und der mit aller Zaubergewalt wieder aufwachende Gedanke an die wunderschöne, blonde Gräfin im Wagen, überraschten mich so, daß ich der Kleinen den verunglückten Rosenstock bestimmt zu haben versicherte.

Mir? sagte sie mit verklärtem Gesichte, und ward einen Zoll größer.

Wer zählt die Folgen, die oft eine einzige Lüge nach sich zieht. Die meinige war einmal heraus; zurücknehmen konnte ich sie nicht; aber ich sah, daß sie der Satan der Eitelkeit begierig auffing und sie tief in das Herz des kleinen Schlauköpfchens senkte.

Mir? wiederholte sie und lächelte, von der Idee süß geschmeichelt: das hätte ich nicht geglaubt! Ich hatte Dich mit jemand anderm im Verdacht, denn man hat ja auch seine Augen! Noch immer soll ich das kleine Kind seyn, das ich vor drei, vier Jahren war; soll noch platterdings mit Puppen spielen, Lili will es haben; aber ich werfe den Magister und den Husaren, das Ritterfräulein und die dicke Bürgermeisterin, kurz alle die dummen Puppen werfe ich heute noch in das Feuer; ich bin kein Kind mehr, und mag keins seyn.

Laß sie leben, fiel ich ihr bittend in das Wort: ich habe eben für Deinen Hofprediger die Traurede ausgearbeitet, die er bei der Feier der Vermählung des Husaren-Lieutenants –

Er ist Rittmeister! versetzte sie hastig.

– des Rittmeisters mit dem Fräulein morgen halten soll; die Dicke setzen wir bei der Tafel –

Schön, entgegnete Gustchen, sich vergessend: der Hofprediger muß nur dem Rittmeister den Text recht tüchtig lesen, das ist ein Leichtfuß. Seit einem Vierteljahre mache ich ihm jetzt den dritten Dollmann, und es ist Gott zu klagen, wie er schon wieder aussieht; die Bürgermeisterin kann auch nicht so bei Tafel erscheinen; ich habe noch ein Fleckchen gros de Naples, vielleicht reicht's zu einer Gallarobe; der Präsident hat keine Strümpfe, der Stiftsdame mangelt's am Unterrocke, und dem Minister ist neulich bei der Redoute die Perrücke verbrannt; Mamsell Schnips, wie Du die kleine Purzlige mit den rothen Augen nennst, hat sich die Nase beschunden, und der Jagdjunker sieht wie ein Ferkel aus. Unter acht Tagen kann die Hochzeit nicht seyn.

Gut, erwiederte ich mit erzwungenem Ernste: acht Tage kann das Brautpaar noch warten; müssen doch viel andere Jahre lang zusehn – (Gustchen schlug schamhaft die Augen nieder); – aber – – könntest Du es vielleicht beim Vater dahin bringen, daß ich zu der Gräfin dürfte, um das Goldstück zu holen, so würde ich zur Ausstattung Deines Fräuleins ein Erkleckliches beitragen.

Das ist mir ein Leichtes! rief die Kleine, auf die Schwäche des Vaters pochend, und flog nach seinem Zimmer.


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