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9.

Die Kunstverwandten

Links neben mir saß die Köchin des Kapellmeisters; sie hatte ein Freibillet, und sprach von der Kunst mit schauderhafter Salbung. Hinter ihr knabberte der Hofnotist, Herr Rostralewitsch, den ich vom Herrn Michaelis her noch kannte, an einer, wahrscheinlich von der Küchenhore ihm verehrten, altbackenen Bretzel. Nicht wahr, sagte sie, und bog sich, ihm ein Schnappsfläschchen bietend, nach hinten: nicht wahr, das heutige Stück ist eine Puff-Oper?

Der Notist setzte die Geistreiche an die Lippen, schluckte unersättlich und nickte.

Opera buffa, versetzte er verbessernd: i fuorusciti, von Paer; ein Riesenwerk, ich habe mir fast den Gliedschwamm daran geschrieben.

Das hat der Bär gemacht? erwiederte die Kapellmeister-Köchin. Ne, so was Prachtvolles giebt's nicht mehr.

Der Notist verschlang den Bretzelrest und setzte nun sein Lämpchen auf den Scheffel. Die ältesten Spuren der Opern, hob er im belehrenden Professortone an: finden sich schon im Buche Hiob und in den dramatischen Vorstellungen der Griechen; doch legten Galilei und Caccini eigentlich zur Oper den Grundstein. Die erste Oper hieß Daphne, der Text war von Rinuccini, die Musik von Perl; sie trat in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts an das Licht. Zwei Säkula später, 1660, erschien die erste deutsche Oper, die, sonderbar genug, auch Daphne hieß. Sie war von Martin Opitz, aus Bunzlau.

Wo der große Topf steht? fragte die Köchin?

Jener nickte und sprach – Schon im Jahr Christi 1593 spielte man in Leipzig die Oper Alceste von Thiemich, und das Opernhaus in Nürnberg ward 1692 mit der deutschen Oper Arminius eingeweiht. Wenn ich sonach den Ursprung der Oper aus der ehrwürdigen Ur- und Vorzeit herleite, und dreist behaupten darf, daß wir mit unsern Opern ewig leben, und hoffentlich in kurzem das Schau- Trauer- und Lustspiel von den Brettern verdrängen werden; so ist es zum Todtärgern, wie sich ein, von der Saalnixe behexter, Quidam hat unterfangen können, die gleichsam von himmlischer Abkunft herstammende Oper, öffentlich ein Rührei von Unsinn und Noten zu nennen.

Ein Rührei? fuhr die Kapellköchin auf, und stemmte beide Arme in die Seite. Herr Hof-Notist, da würde ich meinem Herrn schön ankommen. Fastenspeisen darf ich ihm nicht auf den Tisch bringen. Nein! der ist fleischbegierig.

Der Kapellmeister klopfte jetzt eben im Orchester mit der Notenrolle auf das Pult; der Fürst trat ein, die Ouvertüre begann, und brauste von unten herauf, bis zur Höhe meines Paradieses, daß mich vor Freude ein Schauer nach dem andern überlief. Meine wortreichen Nachbarn verstummten.


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