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18.

Wenige Tage nach jener Thee-Conferenz verkündeten die Zeitungen, daß der Monarch in Gnaden geruht, dem geheimen Justizrath Strenge, die vor Kurzem vakant gewordene Präsidentenstelle bei dem obersten Gerichtshofe zu verleihen und ihn in den Adelstand zu erheben; zwei Monate später: daß der hochbejahrte Justizminister in den Ruhestand gesetzt und der Präsident von Strenge, mit dem Prädikate Excellenz, zum Justizminister befördert worden sey.

Das ganze Land freuete sich der ehrenvollen Auszeichnung, denn das ganze Land bekannte laut und einstimmig, daß der wackre Mann ihrer werth sey. Seine gründliche Rechts- und Verfassungkenntniß, sein eiserner Fleiß, seine gesunde Urtheilkraft, sein unbestechlicher Sinn, seine strenge Gerechtigkeitliebe, die Milde seines Herzens – er ist ein geborener Justizminister, hieß es allgemein; die vorurtheillose Wahl des Mannes aus dem Mittelstande, des Bürgerlichen, begründete im Volke von Neuem das Vertrauen in die Regierung, daß sie bei Besetzung der wichtigsten Staatsämter nicht auf zufällige Vorzüge der Geburt und des Ranges, sondern auf wahre persönliche Verdienstlichkeit sehe, und die ganze Beamtenklasse ward durch dieß erfreuliche Begebniß zu redlichem Diensteifer und sorglicher Amtsverwaltung von Neuem wohlthätig aufgemuntert, denn Jeder sagte sich, daß, wo bei Dienstbeförderungen solche edle Grundsätze gälten, auch ihm der Lohn seiner rechtlichen Dienstpflichterfüllung nicht ausbleiben könne.

Daß Victor und Aurora die heimlichen Haupttriebfedern von dem Allen gewesen waren, wußte freilich Niemand. So mag sich oft das Gewebe der Menschenschicksale aus ganz zufälligen Nebenumständen herausspinnen, und die Menge, die tief unten stehende, welcher an den Fäden solchen Gespinnstes bis zu dem Wocken, aus dem sie gezogen, zurückzugehen, selten vergönnt ist, staunt bei derlei Fällen einander an, und raisonnirt, besonders, – was dießmal jedoch nicht der Fall war – wenn das Resultat seinen Ansichten nicht entspricht, gewöhnlich in das Blaue und Bunte durcheinander und der vom Zusammenhange Unterrichtete muß es mit anhören, ohne immer die Albernen eines Bessern belehren zu dürfen.

Beide, Victor und Aurora, hatten jedes für sich, und ohne Zuthun des andern gehandelt. Beide hatten dießmal leichtes Spiel gehabt, denn sie hatten sich bei guten Menschen für eine gute Sache verwendet.

Die Ertheilung des Adeldiploms war auf Aurorens Betrieb erfolgte sie hatte die Fürstinn von dem ganzen Ereigniß in Kenntniß gesetzt, das edle Herz der hohen Frau durch ihre lebhafte Schilderung von der entsetzlichen Lage, in die das junge, wegen seiner himmlisch reinen Liebe und seltenen Treue, der Achtung jedes Tugendhaften würdige Ulmenhorstsche Paar gerathen würde, wenn es bloß um eines blinden Standes-Vorurtheils willen auf immer und ewig getrennt werden sollte, tief ergriffen, und die Erhebung des Vaters Strenge in den Adelstand als das einzige Mittel vorgeschlagen, die herzlosen Scheideprojekte des alten Ulmenhorst unausführbar zu machen oder wenigstens zu erschweren.

Die fürstliche Frau hatte diesem Antrage ein um so willigeres Gehör verliehen, als sie dem alten Strenge für mehrere Rechts-Gutachten und aussergerichtliche Besorgungen in wichtigen Haus-Angelegenheiten eine Bethätigung ihres Dankes noch schuldig, als der Mann vor tausend Andern der in Vorschlag gebrachten Auszeichnung würdig war, und als sie sich freuete, der uneigennützigen Aurora, der sie seit Jahren auf das vielfältigste verpflichtet war, endlich einmal eine Gefälligkeit erzeigen zu können. Die Ernennung zum Präsidenten, und dann die Beförderung zum Justizminister aber war dem Prinzen Victor noch leichter geworden; der geheime Justizrath v. Strenge war so allgemein geachtet, daß, als der Prinz am Morgen nach dem bewußten Thee im Minister-Rathe, wo die dringend nöthige Wiederbesetzung des Präsidenten-Postens zur Sprache kam, nur vorschlagweise den alten Strenge nannte, der ganze Ministerrath einstimmig erklärte, daß dieser, und nur dieser allein, der Stelle gewachsen und zu deren Uebernahme geeignet sey; und die Erhebung zum Justizminister machte sich gewissermaßen von selbst; der bisherige hatte um Versetzung in den Ruhestand gebeten und den schmeichelhaften Auftrag erhalten, drei anerkannt geeignete Männer in Vorschlag zu bringen, um daraus einen zu seinen Nachfolger ernennen zu können. Der Eine der Empfohlenen war fast so alt als der abgehende Minister; der Andere litt an Gesichtschwäche und Körper-Gebrechlichkeiten, folglich war es dem Prinzen ein Leichtes, die Wahl auf den Dritten, auf den Präsidenten von Strenge zu leiten, und daß diesem nun das Prädikat Excellenz nicht entgehen konnte, verstand sich von selbst.

Beide, Victor und Aurora, waren über ihr gelungenes Werk entzückt, und freueten sich der lauten Zustimmung des ganzen Publikums; aber Keins sprach mit dem Andern über die ganze Angelegenheit ein Wort; nur als einmal kurz darauf, in einem kleinen Plauderkreise, einer der Anwesenden zufällig erzählte, daß der alte Ulmenhorst für sein Vorhaben jetzt überall verschlossene Thüren finde, an denen er sich den starren Kopf fast einrenne, lachte Victor fast laut auf; Aurora aber lächelte dazu still vor sich hin, und in beider Miene lag die höchste Selbstzufriedenheit über das glückliche Gelingen ihrer fein berechneten Pläne.

Kein Rechtsverständiger und kein Rechts-Verdreher wollte sich jetzt mit Ausfechtung der Projekte des alten Ulmenhorst mehr befassen; Alle riethen ihm, bei so bewandten Umständen jetzt die Sache auf sich beruhen zu lassen, und er zog, nach vergeblicher Aufopferung bedeutender Geldsummen, von dannen, schimpfte, daß keine Gerechtigkeit mehr im Lande sey, und murrte und knurrte in seinem einsamen, seit Gottholds Entfernung wieder wie ausgestorbenen Grafenschlosse umher, daß Jeder ihm gern weit aus dem Wege ging.


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