Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

1.

Der alte Graf stampfte mit dem Fuße, betheuerte, daß das nun die letzten Schulden wären, die er für seinen Sohn, den Herrn Gesandtschafts-Rath in Paris, bezahle, unterzeichnete den Wechsel und händigte ihn dem Secretair zur weitern Besorgung ein; dieser aber zitterte an Händen und Beinen, denn so entrüstet hatte er seinen lieben alten Herrn lange nicht gesehen.

Die Stadt der Welt, sagte begütigend der ehrliche Lippert: hat ein theures Pflaster; die Ambassadeure der andern hohen Potentaten mögen daselbst sich wohl durch manchen luxuriösen Aufwand auszeichnen; unser junger Herr wollen nicht zurück bleiben, meinen vielleicht, daß sie der Ehre unsers Hofes dergleichen kleine Opfer schuldig –

Mein Herr Sohn ist ein Narr, brummte der Graf. Unser Allerhöchster Herr ist ein Muster von Ordnung und weiser Sparsamkeit; wollen dem der Herr Sohn Ehre machen, so nehmen Sie sich ihn zum Exempel. Wäre es des Monarchen Absicht, daß die Beamten, seine Gesandten im Auslande, viel Aufwand machen sollten, und wäre die Kunst, Geld auszugeben, sein Maßstab, ihre Brauchbarkeit zu beurtheilen, so würde er ihnen höhere Gehalte aussetzen; das Schuldenmachen in fremdem Lande entwürdiget das Gesandtschaft-Personale und die Nation, die es zu vertreten das Glück hat. Ferdinand macht seinem Hofe, seinem Vaterlande, mir und sich die meiste Ehre, wenn er ein rechtlicher, vernünftiger Mann bleibt, der nicht mehr ausgibt als er auszugeben hat, und seinen guten Namen wie ein Heiligthum bewahrt. So weit Sie auch hinauf in die Reihe unserer Altvordern zurückgehen mögen, Sie werden keinen Ulmenhorst finden, der, wie Herr Ferdinand, bei Juden und Christen sein Ehrenwort so leichtsinnig verpfändet und dann andern Leuten überlassen hätte, es mit schwerem Gelde wieder einzulösen. Also schreiben Sie ihm, Lippert, daß dieß das Allerletztemal sey, daß ich für ihn bezahle, und schreiben Sie es ihm recht derb und verständlich; denn, weiß der Himmel, wenn ich ein halb Dutzend solcher theuren Herren Söhne hätte, ich liefe in drei Jahren zum Lande hinaus.

Nun, von unserm lieben Herrn Grafen Gotthold haben wir dergleichen nicht zu befürchten, erwiederte der alte Geheimschreiber: der hat bis jetzt doch immer kaum die Hälfte von dem gebraucht, was Ew. Erlaucht ihm ausgesetzt.

Lippert, versetzte der Graf und wendete sich seitwärts, daß der Secretair nicht das Gemeinmenschliche, die Vaterfreude, gewahren solle, die ihm in der Brust aufwallte: ich freue mich doch auf den Gotthold.

Wir alle freuen uns auf ihn, versetzte Lippert mit herzlichem Tone. Er wird neue Lust und neues Leben in das Haus bringen, und daß er in Ew. Erlaucht Wünsche, die Verwaltung sämmtlicher Güter zu übernehmen, eingegangen, gibt uns die angenehme Hoffnung, daß wir ihn hier in unserer Mitte behalten werden.

Lippert, hob der Graf vertraulich an: Sie sind ein alter treuer Diener, und Sie meinen es mit dem Gotthold gut; ich habe einen Plan, der sein Wohl bezweckt, und den Sie mit ausführen helfen sollen.

Der alte Sekretair schwieg und horchte.

Der Gotthold muß sich nun nach einer Frau umsehen, fuhr der Graf, zu Lippert gewendet, mit gedämpfter Stimme fort. Ich habe mehrere auf dem Rohre. Eine –wenn Gotthold die wählte – wenn Sie ihn dahin vermögen könnten –! Er hört auf Sie – ich kann mit ihm von so etwas nicht reden; das schickt sich nicht; aber Sie wissen, welche ich meine.

Lippert wußte es nicht; er sann auf verschiedene ebenbürtige heirathfähige Schönen der Umgegend, aber er wagte nicht, sie zu nennen.

Rathen Sie, sagte der Graf lächelnd. Wen würden Sie für Gotthold wählen?

Fräulein Sara von Agolfingen, rückte Lippert schüchtern heraus.

Ein altes, ursprünglich Baiersches Geschlecht, erwiederte der Graf mit tiefer Achtung: schon im sechsten Jahrhunderte wird seines Namens erwähnt, doch hieß es damals Agilolfingen; wenigstens behauptete der alte Feldzeugmeister, Sara's Großvater, aus jenem berühmten Hause, aus dem die Fürsten der damaligen Bajoaren ausschließlich gewählt wurden, das doppelt höher stand, als alle übrige edlen Geschlechter, und dessen Sprößlinge doppelt so viel werth waren, als ein jeder andere freie Bajoar, in grader Linie abzustammen. Aber Fräulein Sara hat, fehlender Mittel wegen, sich vor wenig Tagen entschließen müssen, eine Gouvernantenstelle anzunehmen, darum möchte es sich wohl nicht schicken, wenn mein Sohn einer dienenden Person seine Hand böte.

Baronesse Goldstein? fragte, von dem Seitenhieb auf die sogenannte dienende Klasse heimlich verletzt, Lippert halb laut.

Ein wahrer Goldstein, entgegnete lächelnd der Graf: denn das Mädchen wiegt drei Tonnen Goldes; aber was war die Mama? die Tochter eines Wollhändlers; und der Großpapa? ein alttestamentarischer Großwürdenträger, ein Erblandoberhofbarbier; denn bei der Münze und bei dem Tabak-Monopol, und bei der Schlacht- und Tranksteuer, kurz bei allen seinen, mit dem Staate abgeschlossenen Pachtunternehmungen hat er unsern allerhöchstseligen Herrn, und das gesammte Land, ganz unchristlich barbirt. Ein solches Reis mit einem Schößling unsers reinblütigen Stammbaums zu kopuliren, möchte wohl nicht recht paßlich seyn.

Gräfinn von Waiblingen doch nicht etwa? preßte sich Lippert ab, und erschrak, als der alte Herr freundlich blintzelnd nickte; Getroffen, sagte dieser triumphirend. Sehn Sie, Lippert, das wäre ein Pärchen; die einzige Tochter; die große Stammherrschaft Waiblingen Kunkellehn; der Vater ein Allgewaltiger bei Hofe, und das Mädchen schön wie ein Engel.

Lippert schwieg, denn, wie er Gotthold kannte, war, wenn dieser während seiner vierjährigen Abwesenheit sich nicht um und um geändert hatte, Gräfinn Aurora keine Frau für ihn.

Nun, Sie sagen ja gar nichts, hob der alte Herr etwas befremdet an. Sie gefällt Ihnen wohl nicht, meine künftige Schwiegertochter? Aengstigen Sie sich nicht, setzte er spöttelnd hinzu: Sie sollen sie auch nicht heirathen, sondern Gotthold. Ich weiß, Sie meinen das kleine Verhältniß mit dem Erbprinzen! –nicht wahr, das ist der Stein des Anstoßes?

Lippert schlug die Augen nieder und wollte mit den Achseln zucken, aber er getraute sich, das nicht, denn in dem jovialen Tone, in dem die Erlaucht des kleinen Verhältnisses erwähnt, lag die Ansicht, daß etwas der Art eigentlich gar nichts zu bedeuten habe, daß man sich über derlei Bagatellen wegsetzen müsse, und daß Herr Secretair Lippert, wenn ihm an dem fernern Wohlwollen seines Prinzipals gelegen, wohl thun werde, in solchen Kindereien kein Obstakel zu finden, sondern vielmehr, so viel in seinen Kräften stehe, den jungen Grafen mit bearbeiten zu helfen, daß dieser in die Pläne des Vaters ohne Weigerung eingehe.


 << zurück weiter >>