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8.

Hätte vielleicht die lange Woche bis zum Sonntage den Rosenflimmer des Strahlenkranzes, mit dem die Gewalt des ersten Eindrucks Gottholds Liebenswürdigkeiten in Aurorens Augen umzogen hatte, etwas schwächen können, so sorgte Brunehild wider ihren Willen dafür, daß das nicht geschah. Deren liebeschmachtendes Herz war mit voller Ladung vom Balle zurückgekommen. Gotthold, ob er gleich nicht zehn Worte mit ihr gesprochen und sie fast gänzlich übersehen hatte, war ihr Gott; sie lös'te sich in Entzücken und Sehnsucht, vor der Trauten ihrer Seele, vor Auroren fast auf, und sprach, wenn sie mit einander allein waren, die ganzen, langen sechs Tage, von Sonnenaufgang bis zum Niedergang, von nichts als von ihm.

Jetzt erst erkannte sie den Werth einer wahren Freundinn, denn der Antheil, mit dem ihr Aurora jedes Wort, das sie über Gotthold sprach, von den blassen Lippen sog, ihre drei- und mehrmal wiederholten Geschichten von ihm immer mit erneueter Aufmerksamkeit anhörte, und ganze Nachmittage mit ihr allein im spart und Wald umherschweifte, um nur ungestört sich ausschwatzen zu können, was war er anders, als der rührendste Beweis der theilnehmendsten Freundschaft; sie fiel, wenn ihr der romantische Raptus ankam, Auroren täglich wohl zehnmal um den Hals, und dankte ihr für ihre Geduld, für ihre Ausdauer, und Aurora sog, zur Strafe für die Heuchelei der ihr aufgedrungenen Vertrauten-Rolle, das süße Gift der Liebe immer tiefer ein, denn Brunehild malte den Gotthold mit immer reizendern Farben.

Der Himmel weiß, wo diese alle Nachrichten über ihn her hatte, aber sie lieferte aus den einzeln eingeholten Bruchstücken ein so anziehendes Ganze, daß Aurora mit jedem Morgen und Abend das Idol ihres Herzens immer liebenswerther fand. Bald lachte sie im Stillen über die komische Scene, die ihr Brunehild erzählt, wo er einen kleinen Bauerjungen, der auf einem himmelhohen Eichwipfel Vogelnester gesucht, und weil er an den Unterhöschen hängen geblieben, nicht wieder heruntergekonnt, mit gewandter Kraft herab geholt hatte; bald nickte sie dem kecken Muthe wohlgefällig zu, mit dem er noch als Knabe auf einem der entferntern Güter des Vaters, in Falkenwerder, Justizraths fünfjähriges Julchen aus dem Buschteiche vom Wassertode gerettet; bald standen ihr die Thränen in den Augen, wenn sie ihn in der Hütte der armen Hirtenfrau dachte, der, nach dem Tode des Mannes, ihr Einziges, ihre Kuh hatte abgepfändet werden sollen, und wo er seine ganze Sparbüchse hingegeben hatte, um der Frau ihr kleines Eigenthum zu erhalten, und wie da die arme Wittwe mit all ihren Kindern ihn knieend umringt, und wie der Pfarrer, der zufällig herbeigekommen, in tiefer Rührung segnend auf Gottholds Haupt die Hand gelegt und gesagt habe: solchen ist das Reich Gottes.

Der Oberstallmeister – das war zwar gegen jene Tugenden der Menschenfreundlichkeit, der Selbstverläugnung und der Liebe zum Wohlthun nur eine der geringsten, aber sie hörte ihn doch gern loben, – der Oberstallmeister hatte ihn den beßten Reiter der ganzen Gegend genannt, und der Oberamtsrath, ein tüchtiger Oekonom, der ihn, wie er sich geäußert, im ehrenwerthen Felde des Landbaues haarscharf auf den Zahn gefühlt, hatte mit einer Art von Ehrerbietung versichert, daß er vor dem jungen Manne allen möglichen Respekt habe. Mit eigenen Ohren hatte ihn Brunehild mit der Ober-Kammerherrinn französisch plaudern gehört, und sein Mäulchen war gegangen, wie ein Uhrwerk, und die Ober-Kammerherrinn hatte versichert, man spreche es in den ersten Salons zu Paris nicht besser. Mit dem Legationrath war eben so geläufig die Unterhaltung italienisch und englisch gewesen, und sein Klavierspiel, sein Gesang –

Brunehild legte ihm schon eine Auswahl ihrer beßten Musikalien hin, und beredete mit Auroren den Plan, wie es anzufangen, daß Gotthold mehrere Tage hier bleibe, und Beide studirten über die beßte Weise, ihn zu unterhalten, daß ihm die Zeit nicht lang werde, und während Brunehild im Geheimsten ihrer Seele an dem Netzchen strickte, in dem er sich fangen sollte, ließ Aurora sie nach Gefallen schalten und walten, sah mit lustiger Selbstgefälligkeit in den Spiegel und meinte, daß der Herr Gotthold ein paar recht gesunde Augen im Kopfe habe, und daß ihr daher für seine Wahl zwischen Beiden ganz und gar nicht bange sey.


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