Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIII
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Die Geschichte des Kadis und seines Pantoffels.

»Ich besaß einmal einen Pantoffel, o König der Zeit, der kaum zu seiner Art gehörte, und wie man nimmer einen größern gesehen hatte. Eines Tages nun ward ich seiner überdrüssig und gelobte mir ihn niemals mehr tragen zu wollen. In meinem Ärger warf ich ihn dann fort, und es traf sich, daß er auf das flache Dach von dem Hause eines Chwâdsches fiel, wo der Stuck gerade sehr schwach war. Und so kam es, daß der Pantoffel durchfiel und auf ein Regal schlug, auf dem eine Anzahl Phiolen voll des reinsten Rosenwassers standen; das Regal aber gab infolge des Stoßes nach, so daß alle Flaschen zerbrachen und ihren Inhalt vergossen. Die Hausbewohner hörten das Klappern und Klirren der zerbrechenden Flaschen und scharten sich einer nach dem andern zusammen, um zu entdecken, was den Schaden verursacht hätte, und schließlich fanden sie meine Babusche mitten im Zimmer daliegen. Sie waren überzeugt, daß das Regal nur durch den heftigen Schlag jenes Pantoffels zusammengebrochen war und prüften ihn, als mit einem Male der Hausherr rief: »Dies ist die Babusche Abū Kâsims des Trommlers.« Hierauf nahm er sie und trug sie zum Gouverneur, der mich vor sich kommen ließ und mich für die Phiolen und ihren Inhalt verantwortlich machte, sowie für die Reparatur und den Wiederaufbau des Daches. Schließlich händigte er mir den Pantoffel ein, der außerordentlich lang, breit und schwer war und wegen seines Alters mehr als hundertunddreißig Flicken hatte und allen Bewohnern im Dorf bekannt war. Ich nahm den Pantoffel und trollte mich wieder; da ich mich 164 jedoch über ihn ärgerte, beschloß ich ihn in ein dunkles Loch abseits vom Wege zu thun, und warf ihn, als ich zum Wasserklosett des Hammâmbades kam, in den Kondukt, indem ich bei mir sprach: »Jetzt wird ihn niemand mehr zu Gesicht bekommen, und ich werde den Rest meines Lebens von seinem widerwärtigen Anblick verschont bleiben.« Hierauf kehrte ich heim und blieb dort den ersten und zweiten Tag; um den Mittag des dritten kam jedoch ein Trupp von den Leuten des Gouverneurs, der mich festnahm und vor ihn führte; und, sobald er mich sah, rief er: »Werft ihn nieder.« Da warfen sie mich der Länge nach zu Boden und verabfolgten mir hundert Hiebe mit einer Karbatsche. Ich ertrug sie geduldig und fragte schließlich: »O mein Sultan, was ist die Ursache dieser Prügelstrafe, und weshalb thun sie mir Gewalt an?« Er erwiderte: »O Mann, die Leitung des Abtritts, der zur Moschee gehört, wurde von deinem Pantoffel verstopft, so daß der Strom, da er keinen Abfluß fand, überlief und mehrere Häuser der Leute ruinierte.« Ich versetzte: »O mein Herr, kann ein Pantoffel den Lauf des Wassers, das ein Hammâmbad speist, hemmen?« Der Gouverneur entgegnete jedoch: »Nimm ihn fort, denn, wenn ihn jemand noch an seinem Platz findet, und eine Klage über ihn vor mich bringt, so haue ich dir den Kopf ab.« Nachdem sie mir dann den Pantoffel zugeworfen hatten, schleppten sie mich fort, worauf ich mich zum Efendi der Stadt begab und zu ihm sprach: »O unser Herr, ich habe eine Klage wider diese Babusche, die mir nicht gehört, und deren Eigentümer ich nicht bin. Ich bitte dich, stelle mir einen Schein dieses Inhalts zwischen mir, dem Pantoffel und allen, die dieses Weges ziehen, aus.« Der Efendi versetzte: »O Mann, wie soll ich dir einen Schein zwischen dir und deiner Babusche ausstellen, die ein unbeseeltes Wesen ist? Nimm den Pantoffel, zerschneid' ihn und wirf ihn an eine von dem Volk gemiedene Stätte.« Da nahm ich ihn und zerhackte ihn mit einer Axt in vier Stücke, die ich in die vier Enden der Stadt warf, 165 indem ich bei mir sprach: »Bei Gott, nun werd' ich mein Lebenlang nichts mehr von seinen Abenteuern hören;« dann ging ich barfuß fort. Ein Stück hatte ich aber unter eine Brücke geworfen, die über einen der schmalen Kanäle führte, und es war gerade die trockenste Jahreszeit, so daß sich um dasselbe ein Haufen Sand sammelte; und, sobald der Wind wehte, brachte er etwas Staub mit sich und vergrößerte den Haufen, bis der Bogen durch einen Hügel versperrt war. Als dann die Nilflut kam und jenen Brückenbogen erreichte, ward das Wasser abgedämmt und hörte auf zu fließen, so daß das Stadtvolk sprach: »Was ist los? Die Nilflut hat die Brücke erreicht und kann nicht unter ihr durchfließen. Laßt uns den Bogen untersuchen.« Sie thaten es und entdeckten hierbei das Hindernis, nämlich den Sandhaufen, der den Weg des Wassers versperrte, worauf eine Anzahl ihre Kleider aufschürzte und in den Kanal watete, um ihn zu reinigen. Als sie aber auf den Boden des Sandhaufens stießen und das Viertel meines Pantoffels entdeckten, riefen sie wie aus einem Mund: »Dies ist die Babusche Abū Kâsims des Trommlers!« Sobald mir die Nachricht hiervon zu Ohren kam, machte ich mich auf und flüchtete aus jener Stadt, wobei ich auf meinen Kameraden, jenen Bendschesser, stieß; und so kamen wir überein zusammen zu reisen, und er begleitete mich, bis wir zu dieser Stadt gelangten, wie du uns hier siehst, o unser Herr Sultan.«

Hierauf sprach der König zu ihnen: »Bleibt beide bei mir unter meinen Dienern; jedoch stelle ich euch die Bedingung, daß ihr in euerm Dienst brav bleibt und bereit seid in jeder Nacht nach dem Abendessen an meiner Sitzung teilzunehmen.« Alsdann warnte er sie vor Ungehorsam und sprach: »Laßt euch dadurch, daß ihr meine Gefährten geworden seid, nicht verblenden, und sprecht nicht bei euch: »Wir sind des Königs Gefährten geworden;« denn das Sprichwort sagt: »Wenn der König sitzt, so hüte dich vor seinem Zorn und sei nicht ungehorsam wider ihn, wenn er zu dir spricht: Thu's.« 166 Beide willigten in diese Bedingung ein und flüsterten einer dem andern zu: »Gieb acht brav zu handeln.« Alsdann verließen sie den König und sahen ihn nicht eher wieder als bis eines Tages ein Chwâdsche vor dem Sultan erschien und sprach: »Es ist nicht gerecht vor Gottes Angesicht, o König der Zeit, daß ein Bendschesser sich vornimmt mich in der Person meiner Tochter zu entehren und mir unter seinen Dienern Schande aufladet, indem er spricht: Ich gehöre zu des Königs Gefolge.«

Die Ursache der Klage des Kaufmanns war aber folgende: Eines Tages wanderte der Bendschesser unter dem Gitterfenster des Hauses des Chwâdsches, als gerade nach dem Ratschluß Gottes die Tochter des Hauses aus dem Fenster sah und sich mit der Beobachtung der Passanten vergnügte. Mit einem Male fiel das Auge des Bendschessers auf das Mädchen, und dieser eine Blick erweckte ihm tausend Seufzer, so daß er bei sich sprach: »Bei Gott, wenn ich mit diesem Mädchen nicht zusammenkomme, und wäre es auch nur ein einziges Mal, so muß ich an gebrochenem Herzen sterben, und keiner weiß etwas von meinem Tode.« Alsdann ging er Tag für Tag an jenem Fenster vorüber und schaute hinauf, indem er sich dort vom Morgen an bis zum Sonnenuntergang aufhielt; je mehr er jedoch ausschaute, desto weniger bekam er von ihr zu sehen, da das Geschick, das ihm zuerst gelächelt hatte, ihm nunmehr abhold geworden war. In dieser Weise verbrachte er geraume Zeit, indem er jeden Tag kam und nach dem Gitter schaute, ohne etwas zu sehen, bis er schließlich aus Liebe zur Tochter des Kaufmanns krank ward und sich zu Bett legen mußte, wo er sich von rechts nach links drehte und wälzte und dabei rief: »O ihre Augen! Ach ihre Lieblichkeit! O ihr Wuchs! O ihre Anmut so voll Ebenmaß!« Wie er nun aber diese Worte wieder und wieder rief, trat mit einem Male eine Alte bei ihm ein, die ihn, als sie seinen Kummer und Gram bemerkte, anredete und sprach: »Das hat nichts zu sagen.« Er versetzte: »Ach, 167 meine verehrte Mutter, wenn du mir nicht hilfst, so komme ich um.« Nun fragte sie ihn: »Was bedrückt dich?« Da entdeckte er ihr all die zärtliche Liebe und Leidenschaft, die er für die Tochter des Chwâdsches gefaßt hatte, und sie erwiderte ihm: »Du wirst deinen Wunsch in dieser Angelegenheit nur durch mich erreichen.« Hierauf verließ sie ihn und kehrte in ihre Wohnung zurück, indem sie dabei die Listen der Frauen erwog, bis sie in ihr Haus trat, wo sie sich in ein wollenes Gewand kleidete und drei Rosenkränze um ihren Nacken hängte. Dann nahm sie einen Palmenstab in die Hand und machte sich auf den Weg zur Behausung des Kaufmanns. Als sie bei seinem Haus angelangt war, trat sie in dasselbe in ihrem Derwischgewand ein und rief: »Gott! Es giebt keinen Gott außer Gott! Gepriesen sei Gott! Gott sei mit euch allen!« Wie nun das Mädchen, dessen Name Sitt el-Husn war, diese Worte vernahm, kam es ihr entgegen in der Hoffnung auf einen Segen und sprach: »O meine Mutter, bete für mich!« worauf die Alte erwiderte: »Der Name Gottes sei auf dir! Gott sei dein Schutz!« Alsdann setzte sie sich nieder und das Mädchen nahm an ihrer Seite Platz; das gleiche that auch ihre Mutter, und beide suchten nun einen Segen von ihr zu erhalten und plauderten bis zur Mittagszeit miteinander, worauf sie sich erhob, die Waschung vollzog und ihr Gebet verrichtete, es lang ausdehnend, so daß die Anwesenden riefen: »Bei Gott, dies ist eine fromme Frau!« Als sie endlich ihr Gebet beendet hatte und sie ihr nun das Mittagessen auftrugen, entgegnete sie: »Ich faste.« Da wuchs ihre Liebe und ihr Glauben an sie, und sie drängten in sie bis zum Sonnenuntergang bei ihnen zu bleiben, damit sie ihr Fasten in ihren vier Wänden bräche. Dies aber war alles Lug und Trug von ihr. Auch die Nacht über behielten sie die Alte bei sich, und, als es Morgen ward, erhob sie sich und betete und murmelte Worte, verständliches und unverständliches Zeug, während die Leute im Hause ihr zuschauten und ihr mit den Händen unter die Achsel faßten, wenn sie sich von einer 168 Stelle zur andern bewegen wollte. Endlich um die Mitte des Vormittags verließ sie sie, wiewohl die Leute sie nicht fortlassen wollten. Am nächsten Tage in der Frühe kam sie wieder zu ihnen, und alle empfingen sie mit Grüßen und nahmen sie freundlich auf, indem sie ihr die Hände und Füße küßten. Sie aber that gerade so wie am ersten Tage und ebenso am dritten, während die Leute im Hause sie mit immer größeren Ehren und vermehrtem Respekt aufnahmen.

Am vierten Tage kam sie wie gewöhnlich zu ihnen, und sie baten sie sich zu setzen; sie lehnte es jedoch ab und sagte: »Ich habe eine Tochter, die ich vermählen will, und die Hochzeitsfestlichkeiten werden in meinem Hause sein; ich komme zu dieser Stunde nur zu euch, euch meinen Wunsch wissen zu lassen, daß mich Sitt el-Husn begleitet, um an dem Hochzeitsfest meiner Tochter teilzunehmen; und so wird sie einen Segen gewinnen.« Ihre Mutter versetzte: »Wir fürchten, es könnte ihr etwas zustoßen;« die Alte entgegnete jedoch: »Fürchte nichts für sie, da die Heiligen mit ihr sind.« Und nun rief auch das Mädchen: »Ich muß sie begleiten und an der Hochzeitsfeierlichkeit ihrer Tochter teilnehmen, daß ich mich an dem Schauspiel vergnüge.« Da sagte die Mutter: »Es ist gut;« und die Alte versetzte: »Ich will fortgehen und sogleich wiederkommen.« Mit diesen Worten ging sie fort, als wäre sie ermüdet, und begab sich zum Haus des Bendschessers, dem sie erzählte, was sie ausgerichtet hatte; dann kehrte sie wieder zu dem Mädchen zurück, das sie gekleidet und geschmückt und aufs beste aussehend antraf. Sie nahm sie und führte sie in das Haus des Bendschessers, der sich, als er sie in all ihrer Schönheit und Lieblichkeit erblickte, sofort erhob und halb von Sinnen im Übermaß seiner Liebe auf sie zutrat. Sitt el-Husn merkte hieraus, daß die Alte eine verruchte Kupplerin war, die sie betrogen hatte, um sie mit dem Mann zusammenzubringen. In ihrer Schlauheit und Einsicht sprach sie jedoch zu ihrem Liebhaber: »O mein Guter, wer von seiner Geliebten einen Besuch erwartet, der macht etwas 169 Speise, Früchte und Wein zurecht, damit ihr Vergnügen vollkommen wird; wenn du Liebesfreuden genießen willst, so wollen wir dann die Nacht hier zubringen.« Der Bendschesser versetzte: »Bei Gott, meine Herrin, du sprichst die Wahrheit; was sollen wir jedoch zu dieser Stunde thun?« Sie erwiderte: »Begieb dich auf den Bazar und hole alles, wovon ich zu dir sprach.« Er entgegnete: »Ich höre und gehorche;« worauf sie sagte: »Ich will mich hier mit dieser meiner Mutter niedersetzen, bis du von deinem Gang wieder zurückgekehrt bist.« Er versetzte: »Das ist ein verständiges Wort.« Alsdann machte er sich sofort auf und begab sich auf den Bazar, die erforderlichen Sachen zu beschaffen; und er war hocherfreut, ohne zu ahnen was seiner im Schoß der Zukunft harrte. Sobald er jedoch fortgegangen war, erhob sich das Mädchen unverzüglich und schloß sich geräuschlos mit der Alten ein. Dann schritt sie durch die Räume, bis sie ein Hackmesser fand, das sie an sich nahm. Hierauf schlug sie die Ärmel über ihre Ellbogen zurück und trat beherzt an die Alte heran, ihr mit dem Hackmesser den Schädel spaltend, daß sie sich in ihrem Blut wälzte und den Geist aufgab. Nach diesem schritt sie wieder durch das Haus und nahm alle Wertsachen an sich, das Wertlose zurücklassend, bis sie eine Menge feiner Kleidungsstücke zusammengerafft hatte, die der Mann zusammengebracht hatte, nachdem er des Sultans Tischgenosse geworden war; und schließlich packte sie alles in ein Tuch und ging damit fort. Es war um die Morgenszeit, jedoch verhüllte sie der Verhüller, und niemand begegnete ihr unterwegs, bis sie nach Hause kam, wo sie ihre Mutter auf sie wartend antraf, die bei sich sprach: »Bei Gott, heute hat meine Tochter lange bei dem Hochzeitsfest der Tochter der Frommen gesäumt.« Mit einem Male trat Sitt el-Husn mit einem großen Tuch voll Kleidungsstücke herein, und, als ihre Mutter sie aufgeregt und verstört sah, fragte sie sie, was ihr fehle und was sich im Bündel befände. Das Mädchen vermochte jedoch infolge der Aufregung, in die sie durch die 170 Ermordung der alten Vettel geraten war, keine Antwort zu erteilen und keine Silbe zu sprechen, sondern fiel ohnmächtig zu Boden und lag in ihrer Ohnmacht vom Mittag bis zum Abend, während ihre Mutter die ganze Zeit über ihr zu Häupten saß und sich über ihren Zustand bekümmerte. Gegen Sonnenuntergang kehrte ihr Vater heim und fragte seine Frau, als er seine Tochter ohnmächtig daliegen sah, worauf sie ihm von der Alten erzählte, wie sie sie so eifrig in Gebet und Andacht gesehen hätten, und wie diese zu ihnen gesagt hätte, sie hätte eine Tochter, die sie verheiraten wolle, und das Hochzeitsfest würde in ihrem Hause stattfinden. »Hierauf,« so fuhr die Mutter fort, »lud sie uns ein sie zu besuchen, und ich schickte das Mädchen um die Frühstückszeit mit ihr fort; gegen Mittag kehrte sie jedoch mit diesem Bündel zurück und fiel beim Betreten des Hausflurs in Ohnmacht, wie du sie jetzt noch daliegen siehst; und ich weiß nicht, was ihr widerfuhr.« Da erhob sich ihr Vater und sprengte ihr etwas Wasser ins Gesicht, worauf sie wieder zu sich kam und rief: »Wo bin ich?« Ihr Vater versetzte: »Du bist bei uns.« Als sie sich dann wieder erholt hatte und zur Besinnung gekommen war, erzählte sie ihnen von der Alten, ihren schlimmen Plänen und ihrem Tod, und wie sie schließlich die Kleider aus dem Hause des Bendschessers hergebracht hätte. Sobald ihr Vater ihre Worte vernommen hatte, erhob er sich und suchte den Sultan auf, der gerade dasaß, als mit einem Male der Chwâdsche vor ihm erschien und wider den Bendschesser vor ihm Klage führte. Der Sultan befahl sofort einem Trupp, den Angeklagten zu holen, worauf die Leute fortgingen; da sie ihn jedoch nicht fanden, kehrten sie wieder um und berichteten demgemäß.

So stand es mit Chwâdsche und den andern; was nun aber den Bendschesser anlangt, so hatte er inzwischen eine Menge Dinge auf dem Bazar eingekauft und kehrte mit den Sachen wieder heim, als er die Alte ermordet in ihrem Blut daliegen sah und nichts mehr von all den auserlesenen 171 Gegenständen, von denen sein Haus voll gewesen war, erblickte, so daß er den Vers sprach:

»'s war wie ein Bienenstock mit einem Bienenheer,
Doch als der Schwarm von hinnen zog, war alles leer.«

Als er nun diesen Zustand der Dinge gewahrte, verließ er schleunigst sein Haus und flüchtete sich ohne Aufschub und Verzug zur Zeit des Nachmittagsgebets aus der Stadt, indem er sich einer Karawane anschloß und, kaum an sein Entrinnen glaubend, mit ihr fünf Tage lang zog, bis sie ihr Reiseziel erreicht hatte. Erschöpft und mit wunden Füßen infolge der Drangsale und Anstrengung, betrat er die Stadt und durchwanderte sie, bis er einen Chân fand, in dem er sich eine Kammer als Schlafstätte mietete, während er am Tage ausging und nach Lohnarbeit suchte, um hierdurch seinen Lebensunterhalt zu gewinnen. Da traf es sich eines Tages, daß ihm auf der Hauptstraße eine Frau in den Weg trat und ihn fragte: »Verrichtest du Arbeit?« Er versetzte: »Jawohl, meine Herrin.« Nun sagte sie: »In meiner Wohnung befindet sich eine Mauer, die ich abreißen lassen will, da sie sehr alt ist, und an deren Stelle eine neue aufgeführt werden soll.« Er erwiderte: »Es ist gut«; und nun nahm sie ihn und führte ihn zu ihrem Hause, wo sie ihm die betreffende Mauer zeigte, indem sie ihm eine Spitzhacke gab und zu ihm sprach: »Reiß' die Mauer ein, so weit du es kannst, sei es in zwei oder drei Tagen, und häufe die Steine an einem Platz und den trockenen Lehm an einem andern auf.« Er entgegnete: »Ich höre und gehorche.« Hierauf brachte sie ihm etwas Essen und Wasser, und er aß und trank und lobte Gott, den Erhabenen. Alsdann erhob er sich und begann die Mauer einzureißen, indem er die Steine und den trockenen Lehm aufhäufte, bis die Zeit des Sonnenuntergangs hereinbrach, und die Frau ihm als Lohn zehn Para nebst etwas Essen einhändigte, das er mit sich zu seiner Kammer nahm. Am nächsten Tage begab er sich wieder zum 172 Haus der Frau und arbeitete an dem Niederreißen der Mauer wie tags zuvor. Als es aber die Mittagszeit war, und alle Leute im Hause schliefen, stieß er mit einem Male mitten im Fundament auf eine Kruke voll Gold. Er öffnete sie und betrachtete erfreut ihren Inhalt, worauf er sich ohne Aufschub und Verzug zu seiner Kammer aufmachte, deren Thür er hinter sich verschloß, damit ihn niemand sähe. Dann öffnete er die Kruke und fand hundert Dinare in ihr, die er in seine Börse steckte. Nachdem er die Börse in seine Brusttasche gesteckt hatte, kehrte er, wie er war, zurück, den Rest der Mauer einzureißen; als er aber die Straße entlang wanderte, gewahrte er mit einem Male eine Kiste, umgeben von einer Menschenmenge, von der niemand wußte, was sich darin befand, während ihr Eigentümer ausrief: »Für hundert Dinare!« Da schritt der Bendschesser auf jene Kiste zu, indem er bei sich sprach: »Kauf' dir die Kiste, und dein Glück sei dein Los; befindet sich etwas Wunderbares in ihr, so ist's gut, wenn nicht, dann hast du eben ein schlechtes Geschäft gemacht.« Alsdann trat er an den Makler heran und fragte ihn: »Wie teuer ist diese Kiste?« Der Makler versetzte: »Hundert Dinare.« Als er ihn jedoch nach dem Inhalt fragte, versetzte der Makler: »Ich weiß es nicht, wer sie nimmt, der kauft sie auf gut Glück.« Da zog er die hundert Dinare heraus und gab sie ihm, worauf ihm der Makler die Kiste übergab, die er nun auf seine Schultern lud und nach seiner Kammer forttrug. Dort angelangt, schloß er sich ein, und öffnete die Kiste, in der er eine weiße Sklavin fand, ein Bild von Schönheit und Lieblichkeit, und von ebenmäßigem Wuchs und vollendeter Anmut; jedoch sah sie aus wie trunken von Wein. Er schüttelte sie, da sie jedoch nicht aufwachte, sprach er bei sich: »Was mag die Geschichte dieser Sklavin sein?« Und unermüdlich blickte er nach ihr, während sie in diesem Zustande lag, und sprach bei sich: »Wüßte ich nur ob sie lebt oder tot ist? Jedoch sehe ich ihren Atem kommen und gehen.« Gegen Mitternacht erwachte das Mädchen und 173 rief, rings um sich schauend: »Wo bin ich?« Der Bendschesser versetzte: »O meine Herrin, du befindest dich in meinem Haus.« Da begriff sie, was mit ihr vorgefallen war.

Der Sultan jener Stadt hatte sich nämlich eine Favoritin, Namens Kût el-Kulûb, gekauft, und sie war ihm teurer als alle Frauen, die er bei sich hatte, geworden, seine Gemahlin, die Tochter seines Oheims, eingeschlossen, die er zuvor bevorzugt hatte. Alle waren jedoch auf den gewöhnlichen Rang herabgesunken, und seit der Zeit, daß er die neue Sklavin gekauft hatte, war er völlig von Liebe zu ihr eingenommen und suchte niemals mehr die andern Insassen des Harems auf, nicht einmal seine Base, so daß sie von bitterster Eifersucht auf Kût el-Kulûb erfaßt wurden. Eines Tages nun zog der Sultan auf die Jagd und den Vogelfang aus, um sich zugleich in den Gärten mit den Herren seines Reiches zu belustigen, und sie ritten einher, bis sie sich mitten in der Wüste auf der Fährte des Wilds befanden. Als jedoch zwei Tage darüber verstrichen waren, erhob sich seine Gemahlin zugleich mit seinen Favoritinnen und lud ihre ganze Nachbarschaft ein, zu der auch Kût el-Kulûb gehörte. Sie richtete ihnen ein prächtiges Bankett an und verschwendete an die Besucher alle denkbaren Aufmerksamkeiten, wobei sie mit ihrer Rivalin zu spielen und scherzen begann, bis alle dachten, daß sie in der ganzen Gesellschaft allein Kût el-Kulûb liebte; und in dieser Weise fuhr sie fort, sie zu erheitern und unterhalten und mit ihr zu tanzen und sie zum Lachen zu bringen, bis die Tische und Speisen aufgetragen waren, und alle Gäste herzutraten, und aßen und tranken. Nun aber brachte die Base des Königs ein mit Bendsch gewürztes Gericht und setzte es vor die Favoritin, die alsbald, nachdem sie davon gegessen hatte und die Speise in ihren Magen gekommen war, wie vom Schlage getroffen zu zittern anhob und regungslos auf den Boden fiel. Da befahl die Königin sie in eine Kiste zu legen und verschloß sie darin, worauf sie nach dem Maklerscheich schickte und ihm die Kiste mit den Worten 174 übergab: »Verkaufe sie unter festem Verschluß für hundert Dinare und laß niemand sie öffnen, oder wir lassen dir die Hände abschneiden.« Der Maklerscheich versetzte: »Ich höre und gehorche,« und, die Kiste aufhebend, begab er sich mit ihr auf den Bazar, wo er zu den Maklern sprach: »Bietet diese Kiste für hundert Dinare zum Verkauf aus und laßt sie auf keine Weise öffnen, falls es jemand versuchen sollte.« Infolgedessen stellten sie sich auf und boten sie für hundert Dinare aus, als nach dem verhängten Geschick der Bendschesser, frohlockend über die hundert Dinare, die er in der Kruke beim Einreißen der Mauer der Frau gefunden hatte, die Straße hinuntergeschritten kam. Er trat an den Makler heran und zahlte ihm das Geld aus, worauf er mit seiner Kiste fortging, indem er bei sich sprach: »Mein Glück ist mein Gewinn.« Nachdem er dann in seine Kammer gegangen war und dort die Kiste geöffnet hatte, fand er die Sklavin darin, als wäre sie trunken von Wein. Das ist die Geschichte von Kût el-Kulûb, die nur durch die Arglist und Tücke der Base des Sultans in die Hände des Bendschessers gefallen war. Als nun Kût el-Kulûb aus ihrer Ohnmacht erwachte und um sich schaute und erkannte, was ihr widerfahren war, verbarg sie ihr Geheimnis bei sich und sprach zu ihm: »Diese deine Kammer schickt sich nicht für uns.« Da sie aber etwas Gold und ein Juwelenhalsband um ihren Nacken im Werte von tausend Dinaren hatte, gab sie ihm etwas Geld und befahl ihm, ein Haus für sie in der Mitte des Viertels, wie es sich für vornehme Leute schickt, zu mieten und sie dort hinüberzuschaffen. Dann gab sie ihm täglich Geld, ihre Bedürfnisse zu bestreiten, und kochte die feinsten Gerichte, wie sie Könige hätten speisen können, von denen beide, sie und ihr Herr, aßen. Dies währte zwanzig Tage lang, als der Sultan plötzlich von seiner Weidfahrt zurückkehrte und sofort, nachdem er den Palast betreten hatte, nach Kût el-Kulûb fragte. Seine Base erzählte ihm den Vorfall und sprach: »O König der Zeit, bei Gott, drei Tage nach deinem 175 Aufbruch, ward sie siech und krank und schied nach sechs Tagen zu Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit ab.« Da rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Fürwahr, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir wieder zurück!« Dann ward er von tiefstem Gram und Herzensbeklommenheit betroffen, und er verbrachte die Nacht in schwerem Kummer um Kût el-Kulûb. Am nächsten Morgen ließ er seinen Wesir vor sich kommen und befahl ihm an das Tigrisufer zu gehen und dort einen Platz auszusuchen, auf dem er einen Palast, der alle Wege beherrschte, erbauen könnte. Der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche,« und machte sich auf den Weg den Befehl seines Herrn zu erfüllen, indem er Architekten und andere mit sich nahm; und, als er dort ein Stück ebenen Grund fand, befahl er ihnen hundert Ellen in der Länge und siebzig in der Breite für den Bau abzumessen. Hierauf ließ er Vermesser und Bauleute kommen und befahl ihnen alles zum Werk erforderliche, als Quadersteine und Kalk und Blei, herbeizuschaffen und ebenso für die Fundamente Gräben zu ziehen. Alsdann legten sie die Fundamente, und die Maurer und Werkleute begannen die Steine aufzuhäufen und die Lasten bereit zu machen, während der Wesir befehlend und verbietend dabei stand. Am dritten Tage begab sich der Sultan zum Palast, um nach den Maurern und Werkleuten zu schauen, die an den Fundamenten seines neuen Gebäudes arbeiteten. Als er den Bau inspiziert hatte, gefiel er ihm, und er sprach zum Wesir: »Bei Gott, dieser Palast hätte allein für Kût el-Kulûb gepaßt, und so würde er allein Wert gehabt haben.« Hierbei weinte er bitterlich in der Erinnerung an sie, so daß der Wesir zu ihm sprach: »O König der Zeit, sei standhaft, wenn dich ein Leid betrifft, wie einer tiefsinnig über langes Leiden sagt:

Sei standhaft unter des Zornes Last und schweren Unheils Schlag,
Die Nächte sind schwanger von der Zeit und bringen Wunder zu Tag.« 176

Der Sultan versetzte hierauf: »Ich weiß wohl, o Wesir, daß Ergebung lobenswert und Murren tadelnswert ist, jedoch ist die menschliche Natur niemals frei von trüben Gedanken und Erinnerung. Fürwahr, das Mädchen gefiel mir und sie entzückte mich; und nimmer kann ich denken, eine ihr gleich an Schönheit und Lieblichkeit wieder zu finden.« Alsdann begann der Wesir dem Sultan freundlich Trost zuzusprechen, bis sich seine Brust wieder ausdehnte, worauf beide sich mit der Beaufsichtigung der Maurer vergnügten. Nach diesem begab sich der Sultan an jedem Morgen zum Ufer des Tigris, um sich zu zerstreuen, und so kam auch Kût el-Kulûb die Nachricht zu Ohren, daß ihr Herr damit beschäftigt war, einen Palast am Ufer des Stroms zu erbauen. Sie sprach deshalb zum Bendschesser: »Wir geben Tag für Tag Geld für uns aus, und unsern Ausgaben entsprechen keine Einnahmen; es wäre daher gut, wenn du jeden Morgen ausgehst und mit den Arbeitern, die für den Sultan einen Palast bauen, arbeitest, zumal wo das Volk sagt, daß er von milder und barmherziger Natur ist, und du so vielleicht Verdienst und Lebensunterhalt von ihm erzielst.« Der Bendschesser versetzte: »O meine Herrin, bei Gott, ich ertrage es nicht mich von dir zu trennen und fern von dir zu sein.« Er sprach dies aber, da er sie liebte, und auch sie liebte ihn, da er seit der Zeit, daß er sie in der Kiste verschlossen gefunden und gesehen hatte, ihr niemals unziemlich genaht war; dies rührte jedoch daher, daß er sich nur zu gut erinnerte, wie es ihm von der Tochter des Chwâdsches ergangen war. Sie aber sprach wiederum bei sich: »Es ist doch wunderbar, daß jener Bendschesser niemals ein Ansinnen an mich stellt und mir naht, wo er doch sieht, daß ich in seiner Hand gefangen bin.« Alsdann sprach sie zu ihm: »Du liebst mich sicherlich?« Er entgegnete: »Wie könnte es wohl anders sein, wo du mein Lebensblut und das Licht meiner Augen bist?« Da versetzte sie: »O Licht meiner Augen, nimm dieses Halsband, steck' es in deine Busentasche und geh' fort an dem Palast des 177 Sultans zu bauen; so du aber meiner gedenkst, nimm es heraus, betrachte es und rieche daran; dann wird es dir sein als sähest du mich.« Als er dies vernahm, gehorchte er ihr und ging zum Palast, wo er die Arbeiter am Werk fand, während der Sultan und sein Wesir in einem Kiosk dicht dabei saßen und die Maurer und Werkleute beaufsichtigten. Sobald der König ihn erblickte, öffnete er ihm seine Brust und fragte ihn: »Mann, wünschest du auch zu arbeiten?« Der Bendschesser versetzte: »Jawohl.« Da befahl er ihm sich den andern Werkleuten anzuschließen, und er arbeitete bis nahe an die Mittagszeit, als er sich seiner Sklavin erinnerte und alsbald sein Haupt auf seine Busentasche neigte und daran roch. Der Wesir, der dies sah, fragte ihn: »Weshalb riechst du da, und was hast du in der Tasche?« Er versetzte: »Nichts.« Indessen bemerkte der Wesir, wie er noch einmal das gleiche that, worauf er zum Sultan sprach: »Schau, o König der Zeit, jenen Arbeiter, der etwas in seiner Tasche verbirgt und daran riecht.« Der Sultan erwiderte: »Vielleicht hat er etwas in der Tasche, was er besehen möchte.« Da ihn nun aber der Sultan ebenfalls, als er seinen Blick zu ihm wendete, an seiner Tasche riechen sah, sagte er zum Wesir: »Bei Gott, fürwahr, mit diesem Arbeiter hat es eine sonderbare Bewandtnis.« Alsdann richteten beide ihre Blicke auf ihn und sahen von neuem, wie er an einem in seiner Tasche verborgenen Gegenstand roch; und der Wesir meinte: »Fürwahr, dieser Bursche furzt, und er neigt sein Haupt auf seine Brust, um seinen eigenen Gestank zu riechen.« Der Sultan lachte und sagte: »Bei Gott, wenn er dies thäte, so wäre es ein wenig sonderbar; vielleicht jedoch, o Wesir, hat er einen besondern Grund hierzu; auf jeden Fall aber rufe ihn und stell' ihn zur Rede.« Da erhob sich der Wesir und ging zu ihm, worauf er zu ihm sprach: »Du da, jedesmal wenn du einen Furz streichen lässest, schnüffelst du und riechst ihn auf.« Der Arbeiter versetzte: »Nimm diese Worte nicht in den Mund, wo du in Gegenwart eines ruhmvollen Königs 178 bist.« Da sagte der Wesir: »Weshalb riechst du denn immer an deiner Tasche?« Der Arbeiter erwiderte nun: »Fürwahr, meine Geliebte ist in meiner Tasche.« Der Wesir verwunderte sich hierüber und berichtete es dem Sultan, und der Sultan rief: »Kehr' zu ihm zurück und frag' ihn, ob es ihm möglich wäre, uns seine Liebste zu zeigen, die er in seiner Tasche hat.« Da kehrte der Wesir zu ihm zurück und sagte: »Zeig' uns, was du in deiner Tasche hast.« Der König aber hatte ursprünglich dieses Halsband für Kût el-Kulûb gekauft und tausend Dinare dafür bezahlt, und das Mädchen hatte es dem Bendschesser allein zu dem Zwecke gegeben, daß der Sultan es sähe und dadurch zu ihr geführt würde und den Grund ihres Verschwindens und ihrer Trennung von ihm erführe. Der Mann zog nun das Halsband aus seiner Tasche und, sobald der Sultan es erblickte, erkannte er es und fragte ihn, da er sich verwunderte, wie es in seine Hand gekommen war, wer der Eigentümer desselben wäre. Der Bendschesser versetzte: »Es gehört der Sklavin, die ich für hundert Dinare kaufte.« Nun sagte der Sultan: »Ist's möglich, daß du uns in deine Wohnung einladest, damit wir dieses Mädchen sehen können?« Der Bendschesser entgegnete hierauf: »Wollt ihr mein Mädchen sehen, ohne daß ihr Scham darüber empfindet? Jedoch will ich sie fragen, und, wenn sie dessen zufrieden ist, so wollen wir euch einladen.« Sie erwiderten: »Das ist ein rechtes Wort und eine Sache, die keinen Tadel einbringt.« Als der Tag endete und die Maurer und Werkleute nach Auszahlung ihres Lohnes entlassen wurden, gab der Sultan dem Bendschesser zwei Golddinare und ließ ihn gegen Sonnenuntergang los, worauf er zu seinem Mädchen heimkehrte und ihr mitteilte, wie es ihm mit dem König ergangen war, indem er hinzufügte: »Er hat das Halsband gesehen und hat mich aufgefordert, ihn und den Wesir hierher einzuladen.« Sie versetzte: »Das kann nichts schaden; bring' jedoch morgen, so Gott will, alles was wir an Speise und Trank für eine festliche Gelegenheit gebrauchen, und laß mich sie zum Mittag 179 hier haben, damit sie ihr Frühmahl hier einnehmen. Wenn er jedoch mich von dir kaufen will, so sei gefaßt und sprich: »Nein.« Spricht er dann aber zu dir: »Gieb mir das Mädchen zum Geschenk,« so sag: »Sie ist ein Geschenk von mir an dich;« denn in der That bin ich seine Sklavin, und er kaufte mich für eintausendfünfhundert Dinare, und du bist nur durch meine Feinde mein Herr geworden, die mir eine Falle legten und mich an dich verkauften. Indessen ist die Stunde deines Glückes jetzt gekommen.« Am andern Morgen gab sie ihm fünf Dinare und sagte zu ihm: »Bring' mir die und die Sachen,« worauf er erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann begab er sich auf den Markt, wo er all die Sachen kaufte, die sie ihm aufgetragen hatte, und kehrte stracks zu ihr zurück. Sie aber erhob sich nun, und, ihre Ärmel zurückschlagend, machte sie Speisen zurecht, wie sie sich für Könige schicken, und bereitete desgleichen Konfekt und die köstlichsten Leckerbissen und Scherbetts, worauf sie die Räucherkerzchen knetete, den Raum mit Rosenwasser besprengte und nach der Zimmereinrichtung sah. Gegen Mittag ließ sie dem Sultan und dem Wesir sagen, daß sie fertig sei, und so machte sich denn der Bendschesser auf zum Palast und sprach: »Habt die Güte.« Da erhoben sich die beiden ohne weitere Umstände und begleiteten ihn unbemerkt, bis sie sein Haus erreichten und es betraten, worauf sie sich setzten. Da die Gerichte fertig waren, trugen sie ihnen die Präsentierteller und Schüsseln auf, und sie aßen und delektierten sich an den köstlichen Speisen, bis sie sich satt gegessen hatten. Als sie dann ihre Hände gewaschen hatten, wurden Konfekt, Scherbett und Kaffee vor ihnen aufgetragen, worauf sie von neuem aßen und fröhlich und vergnügt waren. Nach diesem aber fragte der Sultan den Bendschesser: »Wo ist das Mädchen?« Er erwiderte: »Sie ist hier.« Als ihm nun befohlen wurde sie zu bringen, ging er hinaus und holte sie; sobald sie jedoch der König erblickte, erkannte er sie und forderte ihren Besitzer auf sie ihm zu überlassen, indem er zu ihm sprach: 180 »Mann, willst du mir dieses Mädchen verkaufen?« Der Bendschesser küßte die Erde vor ihm und versetzte: »O König der Zeit, sie ist ein Geschenk von mir an dich;« und der Sultan erwiderte: »Sie ist von dir angenommen, o Scheich, und du komm selber um die Zeit des Sonnenuntergangs und bring' sie mir.« Er versetzte: »Ich höre und gehorche.« Um die angegebene Stunde nahm er dann das Mädchen und führte es in den Serâj, wo die Eunuchen sie empfingen und vor den Sultan führten. Sobald sie bei ihm eingetreten war, warf sie sich an seine Brust, und der Sultan schlang seine Arme um ihren Nacken und küßte sie in seiner übergroßen Sehnsucht nach ihr. Dann fragte er sie: »Ist der Mann, der dich kaufte, dir je genaht?« Sie entgegnete: »Bei Gott, o König, seit der Zeit, daß er mich in der Kiste kaufte, in der er mich lebend fand, bis zu dieser Stunde hat er nimmer in mein Gesicht geschaut, und, so oft ich ihn anredete, schlug er sein Antlitz nieder.« Da sagte der Sultan: »Bei Gott, dieser Mann verdient es, daß man ihm hilft, da er für dich hundert Dinare zahlte und dich mir zum Geschenk machte.« Als der Morgen anbrach, ließ der König den Bendschesser vor sich kommen und schenkte ihm eintausendfünfhundert Dinare zugleich mit einem königlichen Anzug und gab ihm außerdem als Ehrenkleid eine weiße Sklavin. Überdies ließ er ihm ein eigenes Zimmer anweisen und machte ihn zu einem seiner Tischgenossen. Erwäg' darum, o Hörer, wie es diesem Bendschesser mit der Tochter des Chwâdsches und seiner Liebe zu ihr erging; wie es ihm mißlang sie zu gewinnen, und wie er Schläge einerntete, bis dann durch Kût el-Kulûb das Glück zu ihm kam.

Hernach nahm ihn der Sultan stets mit, wenn er zum Vergnügen oder auf Jagd ausritt, und in der Vollkommenheit seines Glückes ward der Bendschesser schließlich Herr über alle Geschäfte des Königtums, sowohl über die Einnahmen als auch über die Ausgaben, und sein Wissen umfaßte alle die Provinzen und Städte, die sich unter der Herrschaft seines 181 Königs befanden. Überdies ward stets, wenn er mit dem König des Rates pflog, sein Rat als am Platze erfunden, so daß er in allen Staatsangelegenheiten zu Rate gezogen ward; und, wenn er je von einem Geschäft hörte, so verstand er ebensogut seine innere als äußere Bedeutung, bis beide, der Sultan und der Wesir, Rat von ihm einholten, worauf er ihnen Recht und Unrecht, und das, was Verdruß und keinen Verdruß nach sich zog, zeigte, so daß sie es abwehren und mit Wort oder That beseitigen konnten. Eines Tages dann traf es sich, daß sich der König in einem seiner Gärten zur Erholung befand, als ihm Herz und Magen zu schmerzen begannen, und er krank und kränker ward und schon nach vier Tagen zu Gottes, des Erhabenen, Barmherzigkeit abschied. Da er keine Kinder, weder Sohn noch Tochter, hatte, blieb das Land drei Tage lang ohne König, bis sich die Großen des Reiches versammelten und alle darin überein kamen, daß sie keinen andern zum Sultan oder König haben wollten als den Wesir, und daß der Bendschesser zum ersten Ratgeber ernannt werden sollte. Ihr Beschluß ward dem WesirDer Wesir ist der Bendschesser. überbracht, der sofort sein Amt antrat und allgemeinen Erlaß gab und Almosen an die Armen und Elenden und die Witwen und Waisen austeilte, so daß sich der Ruf von ihm weit verbreitete, und die Leute ihn den »gerechten Wesir« nannten.

Nachdem er in dieser Weise geraume Zeit seines Amtes gewaltet hatte, kam eine Sache von zwei Frauen vor ihn, die beide eines Mannes Frauen waren.Hier folgt die arabische Version des salomonischen Urteils 1. Kön. 3. Kap. V. 16–20. Beide hatten von ihm in demselben Monat empfangen, und, als die Zeit ihrer Schwangerschaft verstrichen war, kamen beide an demselben Ort und zu derselben Stunde nieder, und auch die Hebamme war ein und dieselbe. Die eine gebar eine Tochter, die jedoch sofort starb, während die andre ein Knäblein zur Welt brachte, das am Leben blieb. Die Frauen stritten und zankten 182 sich um den Knaben, und beide sprachen: »Dies ist mein Kind.« Es entstand ein gewaltiger Streit und erbitterte Feindschaft zwischen ihnen, so daß sie schließlich ihre Sache vor die Doktoren der Schrift die Ulemā und die angesehensten Leute des Ortes brachten, ohne daß einer wußte, wie er zwischen ihnen entscheiden sollte. Nicht wenige Leute sagten: »Laßt jede Frau das Kind einen Monat lang zu sich nehmen;« andre wiederum sagten, sie sollten es allezeit gemeinschaftlich behalten, während jede der beiden Frauen sprach: »'s ist gut; es ist mein Knabe.« Und so versammelte sich das Stadtvolk und erklärte: »Niemand kann diesen Streit entscheiden als allein der gerechte Wesir.« Sie einigten sich hierauf, und der Mann der beiden Frauen und einige seiner Freunde erhoben sich und machten sich mit den beiden Frauen auf, des Wesirs Urteilsspruch zu vernehmen. Aber auch die Ulemā und die Großen jenes Ortes erklärten: »Bei Gott, wir müssen mit der Gesellschaft mitreisen und die Frauen vorführen, um bei dem Urteilsspruch des gerechten Wesirs zugegen zu sein.« Infolgedessen versammelten sich alle und folgten den beiden Widersacherinnen, bis sie zu der Stadt gelangten, in welcher der Wesir wohnte. Sie ruhten sich daselbst einen Tag lang aus, am zweiten Tage aber kamen alle zusammen und erschienen vor dem Wesir, dem sie den Fall der beiden Frauen vortrugen. Als er ihn vernahm, senkte er sein Haupt zu Boden; nach einer Weile aber hob er es wieder und rief: »Bringt mir zwei Eier, nehmt ihren Inhalt heraus und seht zu, daß die Schalen völlig leer sind.« Alsdann befahl er jeder Frau etwas Milch in eine Schale aus ihrer Brust zu lassen, bis die Schale voll war. Nachdem sie dies gethan und die Schalen bis zum Rand mit der Milch gefüllt vor ihn gesetzt hatten, befahl er: »Bringt mir eine Wage.« Hierauf stellte er beide Eier auf die Wagschale und fand, als er sie hob, daß ein Ei schwer und das andre leicht war. Da sprach er: »Die Milch in diesem Ei ist schwerer, und die Frau, von der die Milch ist, ist die Mutter 183 des Knaben, während die andre das Mädchen gebar, und wir wissen nicht, ob es tot ist oder lebt.« Bei diesen Worten schwieg die Mutter des Knaben, während die andre laut jammerte und rief: »'s ist gut; doch bleibt es mein Kind.« Hierauf sagte der Wesir: »Ich will den Knaben nehmen und in zwei Teile hauen, daß ich jeder von euch eine Hälfte gebe.« Nun aber erhob sich die rechte Mutter und rief: »Nein, mein Herr, thu' es nicht; ich will um Gottes willen auf meinen Anspruch Verzicht leisten;« die andre sagte jedoch: »Alles dies ist sehr gut.« Alle Leute der Stadt aber, die dabei standen, vernahmen diese Worte und schauten zu; und als nun dieser Befehl verkündet war und die Frau sich für zufrieden erklärte und sprach: »Ich will den halben Knaben nehmen,« da erteilte der Wesir stracks Befehl, sie zu ergreifen und zu hängen, worauf sie es thaten und der rechten Mutter das Kind übergaben. Alsdann fragten ihn die Leute: »O unser Herr, welchen Beweis hattest du, daß der Knabe das Kind dieser Frau war?« Er versetzte: »Es ward mir von zwei Seiten her erwiesen: Zum ersten, weil ihre Milch schwerer war, woraus ich erkannte, daß es ihr Knabe war; und dann, als ich Befehl erteilte, den Knaben zu zerhauen, willigte die rechte Mutter nicht darin ein, da es ihr schwer fiel, weil der Knabe ein Stück ihres Herzens war, und so sprach sie bei sich: »Sein Leben ist besser als sein Tod; mag ihn auch meine Nebenfrau nehmen, so werde ich ihn doch wenigstens noch sehen können.« Die andere Frau wollte jedoch nur ihren Haß zufrieden stellen, ob der Knabe stürbe oder nicht, und ihre Nebengemahlin kränken; als ich daher sah, daß sie mit dem Tode des Kindes zufrieden war, wußte ich, daß sie den Tod verdiente.« Da verwunderten sich alle anwesenden Großen des Reiches und Ulemā und Doktoren der Schrift und Angesehenen über seinen Schiedsspruch und riefen: »Bei Gott, bravo, o Wesir des Reichs!«

Diese Geschichte von dem Scharfsinn und der Einsicht des Wesirs verbreitete sich, und die Leute verließen ihn, und alle, 184 die Frauen hatten, die ihnen Mädchen geboren hatten, nahmen etwas Milch von den Frauen und begaben sich zu denen, die Knaben geboren hatten, von denen sie sich Milch in derselben Quantität, als der Wesir es gethan hatte, geben ließen; dann wogen sie die Milch auf Wagen und fanden, daß die Mütter von Knaben Milch hatten, die doppelt so schwer war als die Milch von Müttern, die Mädchen geboren hatten. Hierauf sprachen sie: »Es ist nicht recht, daß wir den Wesir nur den »gerechten Wesir« nennen,« und alle kamen überein ihm den Titel zu geben »Der Wesir, weise in Gott, dem Erhabenen.« Der Grund hiervon aber war das Urteil, das er in der Sache der beiden Frauen gefällt hatte.

Nach diesem hatte er eine noch wunderbarere Sache zu entscheiden. Als er eines Tages dasaß, erschienen unerwartet zwei Männer vor ihm, von denen der eine eine Kuh und ein kleines Füllen führte, während der andere eine Stute und ein Kalb bei sich hatte. Der erste aber, der herzutrat, war der Besitzer der Stute, und er sprach: »O mein Herr, ich habe eine Klage wider diesen Mann.« Der Wesir fragte: »Welches ist deine Klage?« Da sagte er: »Ich ging des Morgens zur Wiese mit meiner Stute gefolgt von ihrem Füllen auf die Weide, als mir jener Mann unterwegs begegnete und das Füllen zu spielen und mit den Hufen Sand aufzuwerfen begann, wie es Pferde zu thun pflegen. Als es sich nun aber der Kuh näherte, packte es jener Mann und sprach: »Dieses Füllen ist von meiner Kuh.« Mit diesen Worten nahm er es und gab mir sein Kalb, indem er rief: »Nimm dies, das von deiner Stute ist.« Da wendete sich der Wesir zum Eigentümer der Kuh und sprach: »Mann, was sagst du zu den Worten deines Kameraden?« Er versetzte: »O mein Herr, fürwahr, dieses Füllen ist der Sprößling meiner Kuh, das ich mit meiner Hand aufzog.« Nun fragte der Wesir: »Können denn Rinder Pferde und Pferde Rinder hervorbringen? In der That, der Verstand eines Verständigen kann das nicht begreifen.« Der andere versetzte jedoch: »O mein 185 Herr, Gott schafft, was er will, und läßt Kühe Pferde und Pferde Kühe erzeugen.« Hierauf sprach der Wesir zu ihm: »O Scheich, wenn du ein Ding vor dir siehst und es betrachtest, kannst du dann die Wahrheit davon aussagen?« Als er es bejahte, befahl der Wesir den beiden: »Geht jetzt eures Weges und kommt morgen in der Frühe zu einer unbeschäftigten Stunde wieder.« Infolgedessen gingen beide fort und erschienen am nächsten Tage vor dem Diwan des Wesirs, der eine Maus, die er sich besorgt hatte, vor sie setzte, und einen Sack bringen ließ, worauf er ihn mit Erde füllte. Zu den beiden aber, die vor ihm standen, sagte er: »Geduldet euch und sprecht kein Wort.« Da schwiegen sie, bis er ihnen befahl, den Sack und die Maus vor ihn zu setzen und den Sack auf die Maus zu laden. Beide riefen: »O unser Herr, es ist unmöglich, daß eine Maus einen Sack voll Erde tragen könnte.« Da versetzte er: »Wie kann dann eine Kuh ein Füllen gebären? Wenn eine Maus einen Sack Sand tragen wird, dann wird auch eine Kuh ein Füllen gebären.« Während sich dies aber zutrug, schaute der Sultan aus dem Gitterfenster zu und vernahm alles. Hierauf befahl der Wesir dem Eigentümer der Kuh sein Kalb und dem Eigentümer der Stute sein Füllen fortzunehmen und hieß sie ihres Weges ziehen.

Eines Tages ließ der Sultan seinen Ratgeber, den »Wesir, weise in Gott, dem Erhabenen«, vor sich kommen und sprach zu ihm: »Fürwahr, meine Brust ist beklommen, und ich bin von Unruhe ergriffen, so daß ich wünsche, etwas zu hören, das meine Brust ausdehnt.« Der Wesir entgegnete: »O König der Zeit, bei Gott, ich habe einen Freund, Namens Mahmûd der Perser, der ein auserlesener Kopf ist und allerlei seltene Geschichten und merkwürdige Anekdoten und wunderbare Erzählungen und Abenteuer weiß.« Da sagte der Sultan: »Du mußt ihn unbedingt vor uns kommen lassen, damit wir etwas von ihm vernehmen.« Infolgedessen schickte der Wesir nach dem Perser und sprach zu ihm, als er vor ihm stand: »Der 186 Sultan hat dich herbefohlen.« Der Perser erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann ward er vor den Sultan geführt, und, als er bei ihm eintrat, begrüßte er ihn mit dem Chalifensalâm und segnete ihn, indem er den gesteinigten Satan von ihm abwehrte. Der König erwiderte ihm seinen Gruß und sagte zu ihm, nachdem er ihn aufgefordert hatte, sich zu setzen: »O Mahmûd, meine Brust ist beklommen, und ich vernahm, daß du einen Vorrat von seltenen Geschichten hast, von denen du mir erzählen sollst; und laß es etwas an Rede Süßes sein, daß es meinen Kummer und Gram und die Beklommenheit meiner Brust bannt.« Der Perser versetzte: »Ich höre und gehorche,« und erzählte dem Sultan seine Geschichte mit dem kurdischen Gauner.Die Geschichte, die in dieser Handschrift sehr dürftig ist, ist bereits in Band VII als »Ali der Perser und die Geschichte von seinem Ranzen« vorgekommen. Der Sultan war von derselben entzückt und schenkte ihm zweitausend Goldstücke, worauf er in seinen Palast zurückkehrte und sich auf seinen Diwan setzte, als plötzlich ein armer Mann vor ihm erschien, der eine Last Früchte und Gemüse trug und ihn begrüßte und segnete und für ihn betete. Der Sultan erwiderte ihm den Gruß und hieß ihn willkommen; dann fragte er ihn: »Was hast du da bei dir, o Scheich?« Der Mann versetzte: »O König der Zeit, ich bringe dir ein Geschenk von frischem Gemüse und Obst.« Da entgegnete der König: »Es ist angenommen,« und nun stellte es der Mann vor den König und erhob sich, worauf der König die Decke aufhob und eine Portion gewöhnlicher Gurken und einige Ringelgurken und Bündel BamiaHibiscus ficulneus escui. fand. Er nahm ein wenig davon und aß es höchst befriedigt, indem er den Eunuchen befahl den Rest in den Harem zu tragen. Die Eunuchen vollzogen seinen Befehl, und auch die Frauen waren entzückt und aßen etwas davon, den Rest an die Sklavinnen verteilend. Dann sagten sie: »Bei Gott, dieser Mann, der die 187 Früchte gebracht hat, verdient einen Backschisch,« und schickten ihm durch den Eunuchen hundert Goldstücke, zu denen der Sultan noch zweihundert hinzufügte, so daß sein ganzer Verdienst dreihundert Dinare betrug. Der Sultan aber hatte großen Gefallen an dem Mann gefunden, und, da ein Teil der Schwermut, die ihn bedrückt hatte, gewichen war, fragte er ihn: »O Scheich, verstehst du etwas von der Tischgenossenschaft mit Königen?« Der Mann versetzte: »Jawohl;« denn er hatte eine beschlagene Zunge und war bereit zur Antwort und führte süße Rede. Der Sultan sagte nun: »O Scheich, kehr' für jetzt zu deinem Dorf zurück und gieb deinem Weib und deiner Familie, was dir Gott als dein Teil beschert hat.« Da ging der Mann fort und that nach des Königs Geheiß; nach kurzer Zeit kam er jedoch wieder und trat gegen Sonnenuntergang bei dem König ein, den er gerade beim Abendessen fand. Der König befahl ihm sich an den Tisch zu setzen, und er that es und aß zur Genüge, während der Sultan wiederum, als er ihn anblickte, Gefallen an ihm fand. Als die Stunde des Nachtgebets kam, beteten alle zusammen, worauf der König ihm befahl als sein Bechergenoß sitzen zu bleiben und eine seiner Geschichten zum besten zu geben. Da hob der Mann an und erzählte:

 


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