Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIII
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Die Geschichte der drei Strolche.

In vergangenen Zeiten lebten einmal drei Strolche, die jeden Morgen auf Beute auszugehen pflegten und in den Abfuhrhaufen außerhalb der Stadt herumstreiften. Hier fand dann wohl jeder von ihnen ein Silberstück im Wert von fünf Para oder was dem gleichkam, worauf sich die drei versammelten und kauften, was ihnen zum Abendessen genügte; ebenso gaben sie dann zwei Halbe für Bast aus, d. i. Haschisch, und kauften für den andern Silberling eine Wachskerze. Sie hatten eine Kammer in einem Gasthof außerhalb der Mauern gemietet, wo sie ungestört sitzen und sich bei dem Licht der Kerze vergnügen konnten, indem sie ihren Haschisch verzehrten und ihren Rausch und die darauffolgende Fröhlichkeit bis Mitternacht genossen. Hierauf gingen sie schlafen, und, wenn sie in der Morgendämmerung aufwachten, standen sie auf und suchten nach ihrer Gewohnheit neue Beute, indem sie die Haufen absuchten, wo sie bisweilen auf einen Silberling von fünf Dirhem, bisweilen auf ein Vierdirhemstück stießen; zum Abend trafen sie dann wieder zusammen, die dunkeln Stunden gemeinschaftlich zu verbringen, und gaben aus, was sie am Tage gefunden hatten. Geraume Zeit schon hatten sie es in dieser Weise getrieben, als sie eines Tages wie gewöhnlich zu den Abfuhrhaufen gingen und dieselben vom Morgen 13 bis Abend absuchten, ohne auch nur einen halben Para zu finden, so daß sie niedergeschlagen fortgingen und ohne Speise und Trank in ihrer Kammer übernachteten. Am nächsten Morgen machten sie sich wieder nach Beute auf, die Stellen, die sie sonst absuchten, wechselnd; jedoch fand keiner von ihnen das geringste, weshalb ihre Brust darüber beklommen wurde, daß sie kein Geld gefunden hatten, sich etwas zum Abendessen zu kaufen. Dies währte drei volle Tage hintereinander, bis Hunger und Verdruß sie schwer bedrückte, so daß sie zu einander sprachen: »Wir wollen zum Sultan gehen und ihm etwas weismachen, indem wir behaupten, wir wären Meister in irgend einem Handwerk; vielleicht macht uns Gott, der Erhabene, sein Herz geneigt, daß er uns etwas schenkt, womit wir unsere Notdurft bestreiten können.« Alle drei einigten sich hierauf und suchten den Sultan auf, den sie im Palastgarten antrafen. Als sie aber um Erlaubnis baten, bei ihm einzutreten, wurden sie von den Kämmerlingen abgewiesen, so daß sie fern standen, ohne sich dem Sultan nähern zu können. Da sprachen sie zu einander: »Es ist besser, wir fallen übereinander her und verbläuen uns gegenseitig, indem wir dabei laut schreien und einen Lärm machen; sobald er uns hört, wird er uns dann vor sich befehlen.« Infolgedessen fingen sie an sich herumzubalgen und einander zu verprügeln, indem sie dabei laut schrieen, worauf der Sultan sagte, sobald er den Lärm hörte: »Bringt mir die Burschen her.« Da eilten die Kämmerlinge und Eunuchen zu ihnen herauf und packten sie, worauf sie sie vor den Sultan schleppten. Sobald sie vor ihm standen fragte er sie: »Was hat euch gegeneinander so erbost?« Sie versetzten: »O König der Zeit, wir sind Meister vom Fach, und jeder von uns treibt eine besondere Kunst.« Da fragte der Sultan: »Was ist euer Handwerk?« Einer der drei erwiderte nun: »O unser Herr, was mich anlangt, so bin ich ein Juwelier.« Da rief der König: »Das ist höchst seltsam! Ein Spitzbube und ein Juwelier! Das ist fürwahr ein seltsam Ding.« Alsdann 14 fragte er den andern: »Und du, was ist dein Handwerk?« Der zweite entgegnete: »Ich bin ein Pferdekenner.« Erstaunt blickte ihn der König an und sprach bei sich: »Ein Spitzbube, und doch nimmt er eine erstaunliche Kenntnis für sich in Anspruch!« Hierauf ließ er ihn zufrieden und richtete dieselbe Frage an den dritten, der ihm antwortete: »O König der Zeit, meine Kunst ist wunderbarer und merkwürdiger, als das, was du von den beiden vernommen hast; ihre Kunst ist einfach, die meinige aber ist so beschaffen, daß ich allein den rechten Weg zu ihr kenne und Anfang und Ende von ihr unterscheiden kann.« Nun fragte ihn der Sultan: »Und was ist deine Kunst?« Er versetzte: »Meine Kunst ist die Genealogie der Kinder Adams.« Als der Sultan diese Worte vernahm, verwunderte er sich über die Maßen und sprach bei sich: »Fürwahr, Gott unterweist in seinen Geheimnissen die niedrigsten seiner Geschöpfe! Gewißlich passen diese Leute, so sie in ihren Worten die Wahrheit sprachen, und ihre Rede sich als richtig erweist, für nichts andres als das Königtum. Ich will sie jedoch bei mir behalten, bis sich eine gute Gelegenheit darbietet, wo ich sie auf die Probe stellen kann; erweisen sie sich dann als rechtschaffene und zuverlässige Leute, so will ich sie am Leben lassen; haben sie jedoch gelogen, so geht's ihnen an den Kragen.« Hierauf räumte er ihnen Zimmer ein und bestimmte für sie eine Ration von drei Broten und einem Fleischgericht, indem er Wachen über sie setzte, damit sie nicht fortliefen. Dies dauerte eine Weile, als zu dem Sultan aus dem Perserland ein Geschenk von Seltenheiten kam, unter denen sich auch zwei Juwelen befanden, von denen das eine von reinem Wasser, das andere getrübt war. Der Sultan hielt sie eine Weile in der Hand und betrachtete sie wohl eine Stunde lang, als ihm mit einem Male wieder der erste der drei Strolche in dem Sinn kam, der sich selber einen Juwelier genannt hatte, worauf er rief: »Bringt mir den Juwelier her.« Infolgedessen gingen sie hinaus und holten ihn, ihn vor den Sultan stellend, der ihn fragte: »Mann, 15 bist du ein Steinkundiger?« Der Strolch versetzte: »Jawohl.« Da reichte er ihm den Stein von reinem Wasser und fragte ihn: »Was ist wohl der Wert dieses Steins?« Der Juwelier nahm den Stein in die Hand, kehrte ihn nach rechts und links und betrachtete ihn von außen und innen; dann sagte er zum Sultan: »O mein Herr, fürwahr, im Herzen dieses Steins sitzt ein Wurm.« Als der König diese Worte vernahm, ergrimmte er gewaltig und befahl, dem Mann den Kopf abzuschlagen, indem er sprach: »Dieser Stein ist von klarer Farbe und ohne Sprung oder sonst einen Fehl; du lügst, wenn du sagst, daß ein Wurm darin sitzt.« Alsdann ließ er den Scharfrichter kommen, der seine Hand an den Spitzbuben legte und seine Arme nach hinten und seine Füße wie die eines Kamels band; als er aber gerade im Begriff war, ihm den Kopf abzuhauen, trat der Wesir zum Sultan ein und fragte, als er den Sultan ergrimmt dasitzen und den Scharfrichter mit geschwungenem Schwert stehen sah, was es gäbe. Da erzählte ihm der Sultan den Vorfall, worauf der Wesir zu ihm herantrat und sprach: »O mein Herr, verfahre nicht in solcher Weise. Wenn du entschlossen bist diesen Mann hinzurichten, so zerbrich zuerst den Edelstein; findest du einen Wurm darin, so ist dir die Wahrheit des Wortes jenes Mannes erwiesen; ist er aber unversehrt, nun, dann mach ihn einen Kopf kürzer.« Der König versetzte: »Dein Rat ist recht;« alsdann nahm er den Edelstein in die Hand und zerschlug ihn mit seiner Keule; als aber der Stein zerbrach, siehe, da fand er mitten in ihm den Wurm. Verwundert hierüber, fragte er den Mann: »Was bewies dir, daß in dem Stein ein Wurm saß?« Der Strolch entgegnete: »Die Schärfe meines Gesichts.« Hierauf verzieh ihm der Sultan und sagte, die Stärke seines Gesichts bewundernd, zu seinen Begleitern: »Führt ihn zu seinen Kameraden zurück und versorgt ihn mit einem Bratengericht und zwei Broten.« Und sie thaten, wie ihnen befohlen war.

Nach einiger Zeit begab es sich, daß dem König eines 16 Tages der Tribut von Persien gebracht wurde, zugleich mit Geschenken, unter denen sich auch ein Hengstfüllen befand von tiefschwarzem Fell, das in der Sonne eine andere Färbung als im Schatten hatte. Als dieses Tier dem Sultan vorgeführt wurde, verliebte er sich in dasselbe und ließ es in einem besondern Stall unterbringen, worauf er sich dasselbe von Zeit zu Zeit besah und, ganz von ihm eingenommen, laut sein Lob sang, so daß das ganze Land von ihm erfüllt ward. Mit einem Male kam ihm der Strolch wieder in den Sinn, der sich gerühmt hatte, ein Pferdekenner zu sein, und er befahl ihn vorzuführen. Infolgedessen gingen die Diener fort und holten ihn, ihn vor den König stellend, der ihn fragte: »Bist du der Mann, der den Schlag und die Abstammung von Pferden kennt?« Der Mann versetzte: »Ja, fürwahr.« Da rief der König: »Bei dem, der mich über die Nacken seiner Diener setzte, und der, so er zu einem Ding spricht: Werde! und es ist da, wenn ich in deinen Worten irgend einen Irrtum oder eine Unklarheit finde, so haue ich dir den Kopf ab!« Der Spitzbube versetzte: »Ich höre und gehorche!« Alsdann führten sie ihn zu dem Füllen, das er nach seiner Herkunft betrachtete. Er rief laut nach dem Stallknecht, und, als man ihm denselben brachte, befahl er ihm, zu seiner Untersuchung das Füllen zu besteigen. Infolgedessen saß er auf und ließ es nach rechts und links ausschreiten, es bald paradieren und kurbettieren und dann wieder gemächlich einherschreiten, während der Pferdekenner es in Augenschein nahm, bis er zum Stallknecht sagte: »Es ist gut.« Dann begab er sich wieder zum König und trat vor ihn, worauf dieser ihn fragte: »Was hast du an dem Füllen gesehen, o KaschmarEin unbekanntes Wort.?« Der Spitzbube versetzte: »O König der Zeit, das Füllen ist von reinem und edlem Blut von der Vaterseite her; seine Gangart ist vortrefflich und alle seine Eigenschaften sind rühmenswert bis auf eine, 17 ohne welche es untadlig an Blut und Rasse wäre und auf der Erde seinesgleichen nicht hätte. Sein Makel ist jedoch ein Geheimnis.« Da fragte der Sultan: »Und welche Eigenschaft hast du an ihm zu tadeln?« Der Spitzbube versetzte: »Sein Vater war edel, seine Mutter war jedoch von anderer Art: sie war es, die den Makel verursachte, und, so du mir es verstattest, mein Herr, will ich es dir ansagen.« Der Sultan versetzte: »Es ist gut; du mußt es mir unbedingt ansagen.« Da entgegnete der Spitzbube: »Seine Mutter war eine Büffelkuh.« Als der König diese Worte vernahm, ergrimmte er über die Maßen und befahl dem Scharfrichter, ihm den Kopf herunterzuholen, indem er rief: »Du Hund! du Verruchter! Wie kann eine Büffelkuh fohlen!« Der Strolch versetzte: »O mein Herr, der Scharfrichter steht vor dir; sende aber nach dem Mann, der dir das Füllen brachte, und erkundige dich bei ihm. Wenn sich meine Worte als wahr erweisen, so ist meine Kunst dargethan; sind meine Worte aber unwahr, so mag mein Haupt für meine Zunge büßen. Hier ist der Scharfrichter, und ich stehe vor dir.« Da ließ der König den Besitzer und Züchter des Füllens holen und sprach zu ihm: »Sag' mir die Wahrheit in betreff des Blutes dieses Füllens. Kanntest du es oder züchtetest du es, so daß es an deiner Heimstatt aufwuchs?« Der Mann versetzte: »Bei Gott, o König der Zeit, ich will die lauterste Wahrheit sprechen, denn die sonderbarste Geschichte hängt an diesem Füllen. Wäre die Sache mit Nadeln in die Augenwinkel geschrieben, sie wäre eine Belehrung für alle, die sich belehren lassen. Also nämlich verhält es sich damit: Ich hatte einen Hengst von reinster Rasse, dessen Vater ein Seehengst war; dieser Hengst war in einem besondern Stall aus Furcht vor dem bösen Auge untergebracht, und seine Wartung war zuverlässigen Dienern anvertraut. Eines Tages jedoch zur Zeit des Frühlings führte der Stallknecht den Hengst ins Freie und band ihn dort fest, als mit einem Male eine Büffelkuh in die umzäunte Weide, auf welcher der Hengst angebunden 18 war, eindrang, der bei ihrem Anblick seine Fußstricke zerriß und, sich auf sie stürzend, sie deckte. Die Büffelkuh ward von ihm trächtig, und, als ihre Tage zu Ende gingen und die Zeit ihres Gebärens kam, brachte sie unter schweren Schmerzen dieses Füllen zur Welt. Alle, die es sahen oder davon hörten, verwunderten sich darüber; und, bei Gott, o König der Zeit, wäre seine Mutter eine Stute gewesen, das Füllen hätte auf der ganzen Erde nicht seinesgleichen gefunden noch irgend etwas, das ihm nahe gekommen wäre.« Bei diesen Worten verwunderte sich der Sultan, in Gedanken versinkend; alsdann ließ er den Strolch vor sich kommen und sprach zu ihm: »O Mann, deine Worte sind als wahr erwiesen, und du bist in der That ein Pferdekenner und verstehst deine Sache. Jetzt aber möchte ich wissen, woran du erkanntest, daß die Mutter dieses Füllens eine Büffelkuh war.« Der Strolch versetzte: »O König, mein Beweis hierfür war handgreiflich, und die Sache kann einem Menschen von gesunden Sinnen, von Intelligenz und Fachkenntnis überhaupt nicht verborgen bleiben; denn des Pferdes Huf ist rund, während die Hufe der Büffel länglich und entenförmig sind; hieran erkannte ich, daß dies Füllen eine Jumarre, d. h. ein Bastard von Pferd und Kuh, war.« Der Sultan, der von seinen Worten zufriedengestellt war, sprach: »Versorgt ihn mit einer Ration Braten und zwei Broten.« Und sie thaten, wie ihnen befohlen war.

Der dritte Strolch aber blieb für lange Zeit vergessen, bis dem Sultan eines Tages der Mann in den Sinn kam, der sich auf die Genealogie der Kinder Adams verstand. Infolgedessen befahl er ihn zu holen und sprach zu ihm, als sie ihn vor ihn geführt hatten: »Bist du der Mann, der das Geblüt und die Abstammung von Männern und Frauen kennt?« Der Spitzbube versetzte: »Jawohl.« Da befahl der Sultan seinen Eunuchen, ihn zu seiner Frau zu führen und ihn vor sie zu stellen, damit er ihre Abstammung angäbe. Infolgedessen führten sie ihn zu ihr herein, und der 19 Spitzbube betrachtete sie eine Weile von rechts nach links und links nach rechts blickend, worauf er sie wieder verließ und sich zum Sultan begab, der ihn nun fragte: »Was hast du an der Königin gesehen?« Er antwortete: »O mein Herr, ich gewahrte etwas, geschmückt mit Lieblichkeit, Schönheit und vollkommener Anmut, von schönem Wuchs und Ebenmaß und voll Sittsamkeit, feinem Wesen und Klugheit. In ihr treten überall alle schönen Eigenschaften zu Tage, und keine der Vollkommenheiten oder Kenntnisse sind ihr verborgen und alle wünschenswerten Attribute sind in ihr vereinigt. Nichtsdestoweniger, o König der Zeit, ist ein merkwürdiger Punkt vorhanden, durch den ihr ein Makel anhaftet, und ohne den sie alle Frauen ihrer Zeit überstrahlen würde.« Als der Sultan diese Worte von dem Spitzbuben vernahm, sprang er hastig auf seine Füße und, mit der Hand an den Griff seines Schwertes fahrend, stürzte er sich auf ihn, um ihn niederzuhauen. Da aber hinderten ihn die Kämmerlinge und Eunuchen daran, indem sie sprachen: »O unser Herr, töte ihn nicht eher, als bis dir die Lüge oder Wahrhaftigkeit seiner Worte erwiesen ist.« Der Sultan fragte ihn daraufhin: »Was ersahst du also an meiner Königin?« Der Strolch versetzte: »Sie ist wunderbar schön, ihre Mutter ist jedoch eine Tänzerin.« Bei diesen Worten wuchs der Zorn des Königs, und er befahl die Insassen seines Harems herzubringen und fuhr seinen Schwiegervater an: »Wenn du mir nicht in betreff deiner Tochter und ihrer und ihrer Mutter Abstammung die Wahrheit sagst, so . . .« Sein Schwiegervater versetzte hierauf: »Bei Gott, o König, nichts rettet einen Mann als allein die Wahrheit! Ihre Mutter war allerdings eine Tänzerin. In früheren Tagen zog einmal eine Gesellschaft Tänzer an meiner Wohnung vorüber, als ein junges Mädchen von ihren Gefährten abkam und verloren ging. Da sie nach ihr nicht weiter fragten, brachte ich sie in meiner Heimstätte unter und erzog sie, bis sie ein großes Mädchen und die Schönste in ihrer Zeit geworden 20 war. Ich konnte es nicht übers Herz bringen, sie einem andern zur Frau zu geben und heiratete sie daher selber, worauf sie mir die Tochter gebar, die du selber, o König, zur Gattin nahmst.«

Als der Sultan diese Worte vernahm, erlosch das Feuer in seinem Herzen, und, verwundert über den Scharfsinn des Strolchs, ließ er ihn vor sich kommen und fragte ihn: »O du Verschlagener, sag' mir, was vergewisserte dich davon, daß meine Königin eine Tänzerin zur Mutter hatte?« Er versetzte: »O König der Zeit, siehe, die Rasse der Tänzerinnen hat intensiv schwarze Augen und buschige Brauen, während andere Frauen gerade das Gegenteil davon haben.« In solcher Weise ward der König von der Tüchtigkeit des Mannes überzeugt und rief: »Versorgt ihn mit einem Bratengericht und zwei Broten.«

Die Leute thaten, wie ihnen befohlen war, und die drei Strolche lebten bei dem Sultan lange Zeit, bis der Sultan eines Tages bei sich sprach: »Fürwahr, diese drei Leute haben mir durch ihre Geschicklichkeit jede Frage, die ich ihnen vorlegte, gelöst; zuerst bewies der Juwelier seine vollkommene Kenntnis von Juwelen, alsdann zeigte der Pferdekenner sein Geschick und dasselbe war mit dem Genealogisten der Fall, der den Ursprung meiner Königin aufdeckte, und die Wahrheit seiner Worte erwies sich allerseits. Nunmehr soll er das gleiche mit mir thun, daß ich ebenfalls meine Abkunft erfahre.« Infolgedessen führten sie den Mann vor ihn, und der Sultan fragte ihn: »Gesell, bist du auch imstande, mir meinen eigenen Ursprung anzugeben?« Der Strolch versetzte: »Jawohl, mein Herr, ich kann deine Abstammung feststellen, jedoch thue ich dies nur unter einer Bedingung, nämlich, daß du mir Gnade gewährst nach den Worten, die ich zu dir gesprochen habe. Denn das Sprichwort sagt: So lange der Sultan auf dem Throne sitzt, laß seinen Zorn in Ruh', da keiner rebellieren kann, wenn er spricht: Hau zu.« Infolgedessen sagte der Sultan zu ihm: »Du hast mein 21 Versprechen der Straflosigkeit, ein Versprechen, das niemals falsch sein soll.« Nachdem er sich dem Mann alsdann mit dem Tuch der Gnade verpfändet hatte, sprach der Mann: »O König der Zeit, wenn ich dich mit deiner Wurzel und deinem Zweig bekannt mache, so laß es zwischen uns beiden sein, damit uns die Anwesenden nicht hören.« Der Sultan fragte: »Weshalb?« worauf der Strolch erwiderte: »O mein Herr, Gott, der Erhabene, hat unter seinen Namen auch den des Verhüllers.« Da befahl der König seinen Eunuchen und Kämmerlingen sich zurückzuziehen, so daß niemand als allein die beiden in dem Raum zurückblieben. Alsdann trat der Strolch an ihn heran und sprach: »O mein Herr, du bist ein Kind der Schande und ein Sohn des Ehebruchs.«

Sobald der König diese Worte vernahm, veränderte sich sein Aussehen, seine Farbe ward gelb und seine Gelenke schlotterten. Der Schaum trat ihm vor den Mund, Gehör und Gesicht entschwanden ihm, und er ward wie ein Trunkener, ohne Wein genossen zu haben, und sank ohnmächtig zu Boden. Als er dann nach einer Weile wieder zu sich kam, sprach er zum Strolch: »Bei dem, der mich über die Nacken seiner Diener gesetzt hat, wenn deine Worte wahr sind und ich sie durch thatsächlichen Beweis erhärte, dann will ich meinem Königtum entsagen und zu deinen Gunsten auf mein Reich Verzicht leisten, da es keinem andern als dir zukommt, und uns am wenigsten von allen andern gebührt. Sind deine Worte jedoch falsch, so geht es dir an den Kragen.« Der Strolch versetzte: »ich höre und gehorche.« Alsdann erhob sich der König ohne Verzug und trat mit der Hand am Schwert zu seiner Mutter ein, zu der er sprach: »Bei dem, der den Himmel über die Erde hob, wenn du mir nicht die volle Wahrheit auf meine Frage zur Antwort giebst, so haue ich dich mit diesem Schwert kurz und klein!« Sie versetzte: »Was begehrst du von mir?« Da fragte er: »Wessen Sohn bin ich und wie ist meine Abstammung?« Sie entgegnete: »Wiewohl Unwahrheit eine Entschuldigung für sich hat, so 22 ist doch die Wahrheit und Thatsächlichkeit förderlicher und besser. Du bist allerdings der Sohn eines Kochs. Der Sultan, der vor dir war, nahm mich zum Weib, und ich weilte bei ihm geraume Zeit, ohne von ihm schwanger zu werden oder ein Kind zu gebären, so daß er aus Herzensgrund darüber stöhnte und seufzte, daß er keinen Samen hatte, sei es ein Mädchen oder ein Knabe, und weder des Schlafes noch der Speise Süßigkeit genoß. Nun hatten wir aber rings um den Palast viele Vögel in Käfigen, und eines Tages traf es sich, daß der König auf etwas Geflügel Appetit bekam, weshalb er auf den Hof ging und nach dem Koch sandte, einen der Vögel zu schlachten; und der Mann machte sich daran, ihn zu fangen. Zu jener Zeit hatte ich aber gerade das Bad nach meiner Monatskrankheit genommen, und so sprach ich bei mir: »Wenn die Sache mit dem König in dieser Weise weitergeht, kommt er um, und wir verlieren das Königtum.« Und da verführte mich der Satan, das was Gott mißfiel, zu thun und putzte mir die Sünde in meinen Augen hübsch aus, so daß ich wie ich war, gekleidet und geschmückt mit meinem besten Anzug, zum Koch hinaufging und mit ihm scherzte und tändelte, bis ich seine Leidenschaft rege gemacht hatte; und zur selbigen Stunde umarmte er mich, worauf er sich erhob und, einen der Vögel schlachtend, seines Weges ging. Alsdann befahl ich den Sklavinnen Wasser auf den Vogel zu sprengen und ihn zu reinigen und zu kochen, worauf sie meinen Befehl ausführten. Nach einer Weile erschienen die Zeichen der Schwangerschaft in mir und wurden offenbar, und, als der König vernahm, daß seine Königin in gesegneten Umständen war, ward er fröhlich und erfreut und spendete Almosen und streute Gaben aus und verlieh seinen Reichsbeamten und andern Ehrenkleider bis zum Tag meiner Niederkunft, an dem ich dich gebar. Zu jener Zeit aber befand sich der Sultan gerade auf der Jagd und dem Vogelfang und vergnügte sich in seiner Freude über die ihm bevorstehende Vaterschaft in den Gärten; und, als nun der 23 Freudenbote zu ihm kam und ihm die Geburt eines Knäbleins ankündigte, da eilte er zu mir und befahl, als er die Nachricht für wahr befand, die Residenz auszuschmücken, worauf die Stadt sich ihrem König zu Ehren vierzig Tage lang schmückte. Solches ist mein Fall und meine Geschichte.«

Da begab sich der König von ihr zum Strolch zurück und befahl ihm, seine Sachen auszuziehen, worauf er seine eigene Kleidung ablegte und den Mann in den königlichen Ornat kleidete und ihm den TeilāsânEine besondere Kopfbedeckung; vornehmlich von Richtern getragen. aufsetzte. Dann fragte er ihn: »Welchen Beweis hast du dafür, daß ich ein Sohn des Ebebruchs bin?« Der Strolch versetzte: »O mein Herr, mein Beweis liegt darin, daß du, nachdem wir dir unsre vollendetste Geschicklichkeit gezeigt hatten, uns mit einem Bratengericht und zwei Broten zu beköstigen befahlst. Hieraus ersah ich, daß du von dem Geblüte eines Kochs warst, denn Könige pflegen in solchen Fällen kostbare Geschenke von Geld und Wertsachen zu machen, nicht aber von Fleisch und Brot, wie du es thatest; dies bewies, daß du ein Bankertkönig warst.« Der Sultan versetzte: »Du sprichst die Wahrheit;« worauf er ihm den Rest seiner Sachen mit Einschluß der Kalánsuwe, der Kappe unter dem Teilāsân, anlegte und ihn auf den Thron seines Reiches setzte. Alsdann ging er fort, nachdem er ihm alle seine Frauen überlassen hatte, und legte die Tracht eines fahrenden Derwisches an, in aller Form zu Gunsten seines Nachfolgers von der Regierung abdankend.

Als sich nun aber der Strolch in dieser Lage sah, gedachte er bei sich und sprach: »Laß deine einstigen Kameraden vor dich entbieten und schau, ob sie dich erkennen oder nicht.« Und so ließ er sie vor sich bringen und unterhielt sich mit ihnen; da er aber merkte, daß sie ihn nicht erkannten, beschenkte er sie und entließ sie ihres Weges. Hierauf regierte er sein Reich und befahl und verbot und gab und nahm und war voll Huld und Großmut zu jeglichem seiner Unterthanen, 24 so daß die Leute jener Gegend, die seine Unterthanen waren, ihn segneten und für ihn beteten.

So verhielt es sich mit dem Strolch, der ein König geworden war. Was nun aber den Sultan anlangt, der in der Tracht eines fahrenden Derwisches ausgezogen war, so wanderte er fort und fort, bis er zur Stadt Kairo gelangte, deren Umfang einen Weg von zweiundeinhalb Tagen betrug, und die damals von einem König, Namens Mohammed, beherrscht ward. Er fand das Volk sicher, in gedeihlicher Lage und in guter Ordnung vor, und er ergötzte sich, indem er durch die Straßen zur Rechten und Linken streifte, und seinen Sinn durch Betrachtung der Menge und der Welt von Menschen, die in der Hauptstadt lebten, vergnügte, bis er plötzlich den Sultan von der Jagd und einem Lustausflug heimkehren sah. Angesichts dessen zog sich der Derwisch auf die Seite der Straße zurück; der König aber, der gerade nach jener Richtung schaute, sah ihn dort stehen und sprach, als er die Zeichen frühern Wohlergehens an ihm bemerkte, zu einem aus seinem Gefolge: »Nimm jenen Mann mit dir und bewirte ihn, bis ich nach ihm sende.« Nachdem sein Geheiß vollzogen war, betrat er seinen Palast und ruhte sich von der Anstrengung des Weges aus, worauf er den Fakîr vor sich befahl und ihn über seine Verhältnisse ausfragte, indem er zu ihm sprach: »Du da, von welchem Land bist du?« Der Derwisch versetzte: »O mein Herr, ich bin ein Bettlersmann.« Der König entgegnete jedoch: »Du mußt mir unbedingt über das, was dich hierherbrachte, Auskunft geben.« Da erwiderte der Derwisch: »O mein Herr, dies kann nur unter uns geschehen.« Der König versetzte: »So sei es.« Alsdann erhoben sich beide und zogen sich in ein Privatgemach im Palast zurück, wo der Fakîr nunmehr dem Sultan alle seine Erlebnisse seit dem Verlust seines Königtums erzählte, ihm ebenso mitteilend, wie er, ein Sultan, den Thron seines Königreiches aufgegeben hatte und ein Derwisch geworden war. 25

Der Sultan verwunderte sich über diese Selbstverleugnung, die Königswürde aufzugeben, und rief: »Preis Ihm, der erniedrigt und erhöht, und der ehrt und demütigt in dem weisen Ratschluß seiner Allmacht!« Hierauf sagte er: »O Derwisch, ich habe ebenfalls ein wundersames Abenteuer erlebt; in der That, es ist eines der Wunder der Welt, das ich dir erzählen muß, und ich will dir nichts davon vorenthalten.«

 


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