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Mau erzählt, daß in der Stadt TripoliDie Hafenstadt nördlich von Beirut. in Syrien ein Kadi unter dem Befehl des Chalifen Hārûn er-Raschîd angestellt war, um Rechtssachen zu entscheiden, Kontrakte zu lösen und Zeugen zu verhören; und, als er seinen Sitz im Gerichtshof eingenommen hatte, ward seine Härte und Strenge allem Volk bekannt. Nun hatte dieser Kadi eine schwarze Sklavin, die einem Büffelstier täuschend glich, und sie wohnte lange Zeit bei ihm, da seine Natur geizig war, und niemand ihm einen halben Para oder ein Almosen oder sonst etwas entwinden konnte; und seine Speise bestand aus Zwieback und Zwiebeln. Überdies war er ebenso protzenhaft als knickerig; er besaß nämlich ein Tischtuch das mit einem Saum von feinen Glöckchen eingefaßt war, und, wenn irgend jemand zum Mittag- oder Abendessen bei ihm eintrat, pflegte er zu rufen: »Sklavin, hol' das befranste Tischtuch,« so daß alle, die es hörten, bei sich sprachen: »Bei Gott, das muß ein kostbar Ding sein.« Eines Tages nun sprachen seine Beamten und Beisitzer zu ihm: »O unser Herr Kadi, nimm dir eine Frau, denn jene Sklavin geziemt sich nicht für deinen Rang.« Da sagte er: »Wenn es sein muß, so mag der von euch, der eine Tochter hat, sie mir zur Frau geben, und ich will sie heiraten.« Infolgedessen versetzte der eine: »Ich habe eine heiratsfähige Tochter,« worauf der Kadi erwiderte: »Wenn 133 du mir einen Gefallen thun willst, so ist dies die Zeit dafür.« Hierauf wurde die Braut ausgestattet, und die Hochzeit fand sofort statt, und der Schwiegervater des Kadis kam noch in derselben Nacht zu ihm und führte ihn zu seiner Braut, indem er bei sich sprach: »Ich bin jetzt mit dem Kadi verwandt.« Der Gedanke that ihm wohl, denn er wußte nichts von der Filzigkeit des Kadis und erwartete nichts anderes, als daß seine Tochter es bei ihrem Mann gut haben und, was Speise, Kleidung und Einrichtung anlangt, wohl daran sein würde. Während er aber diese Gedanken hegte, ruhte der Kadi bei dem Mädchen, das am Morgen vergeblich auf etwas wartete, um ihr Fasten zu brechen. Alsdann verließ sie der Kadi und begab sich in den Gerichtshof, wohin das Stadtvolk kam, ihm zu seiner Heirat Glück zu wünschen und guten Morgen zu sagen, indem sie bei sich sprachen: »Unbedingt wird er ein prächtiges Hochzeitsfest anrichten.« Sie saßen jedoch vergeblich bis zum Nachmittag da, worauf ein jeder seines Weges ging, des Kadis Knickerigkeit im stillen verwünschend. Als sie nun fortgegangen waren, begab er sich wieder in seinen Harem und rief seiner schwarzen Sklavin zu: »Mädchen, hol' das befranste Tischtuch,« worauf seine Frau erfreut bei sich sprach: »Bei Gott, wenn er nach diesem Tischtuch ruft, so gehört dazu ein entsprechendes Bankett, ein Mahl, wie es Königen ansteht.« Die Schwarze erhob sich und kehrte nach kurzer Zeit mit dem reich befransten Tischtuch zurück, auf welches sie einen Schemel und ein Tablett aus Messing setzte, auf dem drei Zwiebäcke und drei Zwiebeln lagen. Als die junge Frau dies sah, betete sie in ihrem Herzen und sprach: »Jetzt mag mein Herr mich an meinem Vater rächen!« Ihr Gatte aber rief ihr nun zu: »Komm her, mein Mädchen«; worauf sich die drei an das Tablett setzten, und ein jeder einen Zwieback und eine Zwiebel nahm. Der Kadi und die Negerin aßen ihre ganzen Portionen auf, die junge Frau vermochte jedoch kaum den dritten Teil von dem harten Brot, das für sie bestimmt war, herunterzuschlucken 134 und erhob sich, im Herzen den Ehrgeiz ihres Vaters zornig verwünschend. Ebenso war es beim Abendessen, und in gleicher Weise ging es so drei Tage lang fort, bis diese Sache sie verdroß und sie vor Hunger fast umsank, so daß sie nach ihrem Vater schickte und ihm laut ins Gesicht schrie. Als der Kadi seine Frau schreien hörte, fragte er: »Was ist los?« Da erwiderte sie ihm, die junge Frau fände kein Gefallen an dieser Art zu leben. Da nahm er sie und schnitt ihr die Nase ab, worauf er sich von ihr schied, indem er fälschlich erklärte, sie habe sich widerspenstig benommen. Am andern Tage hielt er um eine andere an und heiratete sie, sie in derselben Art wie die erste behandelnd; und, als sie nach der Scheidung verlangte, schnitt er ihr die Nase ab und schickte sie fort. Und so ließ er jede Frau, die er heiratete, in seiner Filzigkeit darben und folterte sie durch Hunger; und, sobald sie dann geschieden zu werden verlangte, schnitt er ihr unter falschen Behauptungen die Nase ab und schickte sie heim, ohne ihr etwas von der Hochzeitsgabe oder dem fälligen Anteil der Mitgift zu zahlen. Schließlich kam das Gerücht von dem Geiz des Kadis auch einem Fräulein in der Stadt Mossul zu Ohren, einem Muster von Schönheit und Lieblichkeit, und voll Einsicht in die verborgenen Dinge, voll rechtem Urteil und Schlauheit. Sie beschloß, ihr Geschlecht zu rächen, und verließ deshalb ihr Geburtsland und reiste, bis sie in die Nähe von Tripoli kam, als gerade nach Gottes Ratschluß der Kadi, nachdem er den Tag in seinem Garten verbracht hatte, heimkehren wollte und, sich auf sein Maultier setzend, sie auf halbem Wege zwischen dem Lustort und der Stadt antraf. Er blickte zufällig nach ihr, und, da er sah, daß sie wunderbar schön und lieblich, anmutig und von ebenmäßigem Wuchs war, floß ihm der Speichel aus dem Mund in seinen Schnauzbart, und er ritt an sie heran und fragte sie: »O du edle Dame, von wannen kommst du hierher?« Sie versetzte: »Von hinter mir.« Er erwiderte: »Das weiß ich; aber aus welcher Stadt?« – »Aus Mossul.« – »Bist du ledig und einsam 135 oder eine wohlverwahrte Frau mit einem lebenden Gatten?« – »Ich bin noch ledig.« – »Kann es dann sein, daß du mich nehmen und meine Gemahlin werden willst, und ich dein Gatte werde?« – »Wenn dies unser Schicksal sein soll, so wird es stattfinden, und ich will dir morgen eine Antwort geben.« Mit diesen Worten zog sie weiter nach Tripoli, während des Kadis Liebe zu ihr wuchs, nachdem er ihre Worte gehört hatte. Er ließ deshalb am nächsten Morgen nach ihr fragen, und, als man ihm sagte, sie sei in einem Chân eingekehrt, schickte er seine Favoritin, die Negerin, zugleich mit einer Anzahl Freunde zu ihr, um sich um sie zu bewerben, indem er ihr sagen ließ, daß er der Kadi der Stadt wäre. Da verlangte sie eine Brautgabe von fünfzig Dinaren und erwählte sich einen Sachwalter, worauf das Eheband geknüpft wurde, und sie gegen Abend zu ihm kam. Als nun die Stunde des Abendessens kam, rief er wie gewöhnlich seiner schwarzen Sklavin zu: »Bring' das befranste Tischtuch,« worauf sie fortging und es zugleich mit drei Zwiebäcken und drei Zwiebeln holte. Sobald dann das Mahl aufgetragen war, setzten sich alle drei, der Kadi, die Sklavin und die junge Frau, daran, und jeder nahm einen Zwieback und eine Zwiebel und aß sie auf, während die junge Frau rief: »Gott lohne es dir reichlich! Bei Gott, das ist ein gesundes Abendessen.« Als der Kadi dies vernahm, freute er sich über sie und rief: »Gepriesen sei Gott dafür, daß er mir endlich eine Frau bescherte, die dem Herrn dankt, sei es für wenig oder viel!« Er wußte jedoch nicht, was ihm der Allmächtige durch die Arglist und Tücke und die Bosheit und Schlechtigkeit der Weiber verhängt hatte. Am nächsten Morgen begab sich der Kadi in den Gerichtshof, und die junge Frau erhob sich und vergnügte sich mit dem Besehen der Zimmer, von denen die einen offen standen, während die andern geschlossen waren. Mit einem Male kam sie zu einem Raum, der mit einer Thür mit hölzernem Riegel und eisernem Schloß versichert war. Bei näherem Zusehen fand sie, daß das Zimmer fest 136 verschlossen war, jedoch bemerkte sie an der Schwelle einen Spalt von der Breite eines Fingers; sie schaute deshalb durch den Spalt und gewahrte nun Gold- und Silbermünzen in Haufen auf Tabletten von Messing, die auf Schemeln standen, von denen der nächste etwa zehn Ellen von der Thür entfernt war. Da erhob sie sich und holte eine lange Rute, die Mittelrippe eines Dattelpalmenblattes, und klebte an die Spitze derselben ein Stück Hefe, worauf sie die Rute durch den Spalt unter der Thür steckte und sie um und um auf den Geldbrettern drehte, als ob sie nähte oder schrieb. Als schließlich zwei Dinare an dem Teig haften blieben, zog sie dieselben durch den Spalt herauf und kehrte in ihr Gemach zurück; dann rief sie die Negerin und gab ihr die beiden Dinare, indem sie zu ihr sprach: »Geh' zum Bazar und kauf' uns etwas Hammelfleisch, Reis und zerlassene Butter; ferner hol' uns frisches Brot und Gewürz und kehr' ohne Verzug wieder heim.« Die Negerin nahm das Gold und begab sich auf den Bazar, wo sie alles, was ihre Herrin ihr befohlen hatte, kaufte, worauf sie eilig zurückkehrte; und nun erhob sich die Frau des Kadis und kochte ein feines Mahl, von dem sie und die Negerin nach Herzenslust schmausten. Dann brachte die Sklavin ihrer Herrin Becken und Eimer und wusch ihr die Hände, worauf sie ihr die Füße zu küssen begann und sprach: »Gott speise dich, meine Herrin, wie du mich gespeist hast, denn seit ich diesem Kadi gehörte, hat mir das zum Leben Notwendige gefehlt.« Die junge Frau erwiderte: »Freue dich, Sklavin, denn von nun an sollst du Tag für Tag nur das beste Essen allerlei Art haben.« Da betete die Negerin zu Gott, ihre Herrin zu erhalten, und dankte ihr. Um die Mittagszeit trat der Kadi ein und rief: »Sklavin, hol' das befranste Tuch.« Als sie es brachte, setzte er sich nieder, während sich seine Frau erhob und etwas von der Speise auftrug, die sie gekocht hatte. Er aß und ließ es sich schmecken, bis er voll war, worauf er sie fragte: »Woher kommen diese Sachen?« Sie versetzte: »Ich habe in dieser 137 Stadt viele Verwandte, die mir, als sie von meinem Kommen vernahmen, diese Speisen sandten; ich aber sprach bei mir: »Wenn mein Herr der Kadi heimkommt, soll er es zu Mittag essen.« Am nächsten Tage that sie wie zuvor und zog drei Goldstücke herauf, von denen sie zwei der Sklavin gab, indem sie ihr befahl zum Bazar zu gehen und ein abgehäutetes Lamm, eine Quantität Reis, zerlassene Butter, Gemüse, Gewürze und, was sonst zur Zubereitung der Gerichte erforderlich war, einzukaufen. Erfreut ging die Sklavin aus und kaufte alles, was ihre Herrin befohlen hatte; dann kehrte sie stracks zurück, worauf ihre Herrin verschiedene Gerichte zurechtmachte und alle ihre Nachbarinnen, Frauen und Mädchen, einladen ließ. Als diese kamen hatte sie die Tafeln bereits mit leckerer Speise besetzt und trug ihnen alles, was sich gehörte, auf; alsdann aßen sie und delektierten sich und waren fröhlich. Dies geschah um die Mitte des Vormittags; als nun aber der Mittag nahte, gingen sie wieder nach Hause und trugen Schüsseln mit Leckerbissen heim, worauf sie dieselben entleerten und wuschen und dann wieder zurückschickten, bis sich alles wieder an seinem Platz befand. Bald darauf trat der Kadi in seinen Harem und rief: »Sklavin, bring' das befranste Tischtuch;« worauf sich seine Frau erhob und ihm verschiedene Fleischgerichte vorsetzte. Er fragte, woher sie kämen, und sie versetzte: »Es rührt von meiner Tante mütterlicherseits her, die es mir zum Präsent machte.« Da aß der Kadi, sich an den Speisen delektierend, und blieb bis zum Sonnenuntergang in seinem Harem. Seine Frau aber zog täglich Geld aus seinem Schatz und gab es für die Bewirtung ihrer Freunde und Gevattern aus, bis ein volles Jahr in dieser Weise verstrichen war. Nun wohnte neben ihr in einer dürftigen Behausung eine arme Frau, welche die Frau des Kadis täglich mit ihrem Mann und ihren Kleinen zu speisen pflegte und der sie außerdem alles, dessen sie benötigten, gab. Diese Frau war hochschwanger, und die Frau des Kadis befahl ihr: »Sobald die Zeit deiner Niederkunft da ist, 138 komme zu mir, denn ich beabsichtige diesem Kadi einen Streich zu spielen. der Gott nicht fürchtet und jeder Frau, die er heiratet, die Nahrung entzieht, bis sie halb verhungert ist, und ihr dann unter falschen Vorwänden die Nase abschneidet und sie fortschickt, indem er all ihr Gut nimmt und ihr nichts von der Mitgift giebt, sei es die Anzahlung oder den Betrag.« Die arme Frau versetzte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann fuhr die Frau des Kadis in ihrer Verschwendung fort, bis ihre Nachbarin von den Wehen ergriffen wurde und nach kurzer Zeit mit einem Knaben niederkam. Da stand die Frau des Kadis auf und machte ein schmackhaftes Gericht, Beisâre genannt, zurecht, dessen Hauptbestandteil Bohnen und Malven au jus bilden, gewürzt mit Zwiebeln und Knoblauch. Da es um die Mittagszeit war, als ihr Gatte hereintrat, setzte sie ihm das Gericht vor; und er verschlang es gierig in seinem Hunger und aß ebenfalls zum Abend davon. Da er aber nicht an Beisâre gewöhnt war, begann sofort, als die Nacht hereinbrach, sein Wanst zu schwellen, der Wind bellte in seinen Eingeweiden, und sein Zustand war so, daß es ihm nicht schlimmer ergehen konnte, und er vor Schmerzen brüllte. Da kam seine Frau hereingelaufen und rief: »Dir wird nichts Schlimmes widerfahren, mein Herr!« Hierbei fuhr sie mit der Hand über seinen Bauch, und mit einem Male rief sie: »Preis sei Gott, o mein Herr! Fürwahr, du bist schwanger, und in deinem Leib ist ein Kind.« Der Kadi versetzte: »Wie kann ein Mann ein Kind bekommen?« Sie entgegnete: »Gott schafft, was er will.« Als aber beide dasaßen und miteinander sprachen, nahmen die Blähungen und das Leibweh zu, eine heftige Kolik trat ein, und die Qualen wurden noch fürchterlicher. Da erhob sich die Frau und verschwand, um nach kurzer Frist mit dem neugebornen Kind ihrer armen Nachbarin im Ärmel, begleitet von seiner Mutter, wiederzukommen; ebenso brachte sie ein großes kupfernes Becken und traf ihren Gatten an, wie er sich von der rechten Seite auf die linke wälzte und laut vor Qualen schrie. Als schließlich 139 die Jauche bereit war hervorzubrechen und die reiche Speise aus seinem Leib herauswollte, setzte seine Frau heimlich das Becken wie einen Klosettstuhl unter ihn und begann die heiligen Namen anzurufen, indem sie ihn knetete und die Haut abwärts rieb, wobei sie rief: »Gottes Namen sei auf dir!« Alles dies aber that sie in ihrer Bosheit. Schließlich öffnete sich sein Leib, und der Kadi bekam Erleichterung; da aber stellte sich seine Frau schnell hinter ihn und kneipte das Kind, es sanft auf den Rücken legend, so daß es zu wimmern anhob. Dann sagte sie: »O Mann, gelobt sei Gott, der dich von deiner Last so gänzlich befreit hat!« und sie begann über dem Neugeborenen Namen zu murmeln. Er entgegnete ihr nun: »Sorge für das Kleine und hüte es vor kaltem Zug;« denn der Streich seiner Frau hatte den Kadi gänzlich bethört, so daß er bei sich sprach: »Gott schafft, was er will; auch Männer können, wenn es so bestimmt ist, Kinder bekommen.« Hierauf sagte er zu ihr: »O Frau, sieh' dich nach einer Amme um, das Kind zu säugen;« und sie versetzte: »O mein Herr, die Amme ist bei mir in den Frauengemächern.« Nachdem sie dann das Kind und seine Mutter beiseite gebracht hatte, trat sie an den Kadi und wusch ihn, worauf sie das Becken unter ihm wegnahm und ihn der Länge nach liegen ließ. Er aber sagte nun, nachdem er bei sich zu Rate gegangen war: »O Frau, gieb acht, daß die Sache unter uns bleibt, damit die Leute nicht reden: Unser Kadi hat ein Kind bekommen.« Sie erwiderte jedoch: »O mein Herr, wo die Sache bereits andern bekannt ist, wie können wir es da anstellen, sie geheim zu halten? Die Geschichte kann vielleicht eine Woche oder höchstens bis zum nächsten Monat geheim bleiben.« Da rief er: »Ach, mein Unglück! Wenn es den Leuten zu Ohren kommt, und sie sagen: »Unser Kadi hat ein Kind bekommen,« was sollen wir da beginnen?« Er dachte über die Sache bis zum nächsten Morgen nach, worauf er sich vor Tagesanbruch erhob und heimlich etwas Zehrung zu sich nahm, um die Stadt zu verlassen, indem er bei sich sprach: »O Gott, laß 140 mich von niemand gesehen werden!« Alsdann befahl er das Haus und sein Gut in die Obhut seines Weibes und nahm von ihr Abschied. Er verließ sie heimlich und wanderte den ersten, zweiten und dritten Tag über bis zum siebenten, bis er Damaskus in Syrien erreichte, wo ihn niemand kannte. Er hatte jedoch kein Geld bei sich, da er es nicht übers Herz zu bringen vermochte, einen einzigen Dinar von seinem Schatz zu nehmen, so daß er, nur mit der kärglichsten Zehrung versorgt, in Not geriet und gezwungen war, etwas von seinen Kleidern zu verkaufen und das Geld für seine dringendsten Bedürfnisse zu verwenden. Als dann das Geld zu Ende ging, sah er sich genötigt andere Kleidungsstücke zu verkaufen, bis ihm wenig oder nichts verblieb. Schließlich suchte er in seiner schwersten Not den Maurerscheich auf und sprach zu ihm: »O Meister, ich möchte dir in diesem Handwerk dienen,« worauf der Maurerscheich erwiderte: »Sei willkommen.« Und so arbeitete der Kadi für einen Tagelohn von fünf Para. Als aber der Kadi seine Frau verlassen hatte, warf sie ihm eine Scherbe nach und brummte: »Gott bring' dich nimmer von deiner Fahrt zurück!« Dann erhob sie sich und öffnete die Räume, alles, was sich an Geld, Mobilien, Geschirr und Raritäten in ihnen befand, aufzeichnend, worauf sie die Hungrigen zu speisen, die Nackenden zu kleiden und den Fakiren Almosen zu spenden begann, indem sie sprach: »Dies ist der Lohn für den, der die Töchter der Leute kränkt, ihr Gut verschlingt und ihnen die Nasen abschneidet.« Ebenso schickte sie zu den Frauen, die er geheiratet und wieder entlassen hatte, und gab ihnen von seinem Gut so viel, als ihre Brautgabe betrug, und ein Schmerzensgeld für den Verlust ihrer Nasen, und lud Tag für Tag die Frauen des Viertels ein und kochte ihnen vielerlei Gerichte, da ihr Gatte der Kadi fast zwei Chasnen Geld zu eigen besaß, indem er in seiner übermäßigen Filzigkeit und Habgier alles, was in seine Hand kam, festhielt und sich von ihm in keiner Weise zu trennen vermochte. Dies that sie geraume Zeit, bis sie plötzlich die 141 Leute reden hörte: »Unser Kadi hat ein Kind bekommen.« Und dieses Gerücht verbreitete sich und ward in manchen Städten ruchbar, bis es auch dem Chalifen Hārûn er-Raschîd in der Stadt Bagdad zu Ohren kam. Als er dies vernahm, verwunderte er sich und rief: »Preis sei Gott! Beim Herrn, diese Sache kann nur durch die Hand einer klugen und verschlagenen Frau zu Wege gebracht sein; auch hat sie dies sicherlich nur gethan um etwas, was vom Kadi zuvor begangen war, offenkundig zu machen, sei es seine habgierige Gesinnung oder seine Willkür im Befehl. Unbedingt muß die Frau vor mich geführt werden und den schlauen Streich erzählen, den sie ihm gespielt hat, und Gott gebe ihr Erfolg hierin!«
So stand es mit ihr; der Kadi aber arbeitete als Maurer, bis seine Leibeskraft schwach und seine Gestalt hinfällig ward, so daß er bei sich sprach: »Kehre jetzt zu deinem Geburtsland zurück, denn eine lange Zeit ist nunmehr verstrichen und diese Sache ist völlig vergessen.« Hierauf kehrte er nach Tripoli zurück; als er aber nahe bei der Stadt war, traf er außerhalb derselben eine Schar kleiner Buben an, die Pfänderspiele spielten, und mit einem Male rief einer seinen Gefährten zu: »Jungens, erinnert ihr euch noch an das und das Jahr, als unser Kadi in die Wochen kam?« Sobald der Kadi diese Worte vernahm, kehrte er schleunigst auf demselben Wege, auf dem er gekommen war, nach Damaskus zurück, indem er bei sich sprach: »Geh' nach Bagdad, denn es liegt weiter entfernt als Damaskus!« Und so machte er sich unverzüglich auf den Weg nach der Stätte des Friedens. Er betrat die Stadt jedoch insgeheim, da er noch in Diensten des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd stand; und, sein Äußeres wechselnd, legte er die Tracht eines persischen Derwisches an und begann die Straßen der Stadt zu durchstreifen. Hier traf er einige Leute von hohem Rang an, die ihm Freundlichkeiten erwiesen, jedoch wagte er es nicht vor dem Chalifen zu erscheinen, wiewohl einige zu ihm sagten: 142 »O Derwisch, weshalb erscheinst du nicht vor dem Fürsten der Gläubigen? Sicherlich, würde er dir manch ein Geschenk machen, da er ein wahrhafter Sultan ist; und besonders, wenn du ihn in Versen rühmst, wird er dich um so reichlicher beschenken.« Nun hatte der Chalife Gottes auf Erden nach dem Ratschluß des Allmächtigen befohlen die Frau des Kadis von Tripoli vor ihn zu bringen. Infolgedessen führten sie sie vor ihn, und, als sie die Erde vor ihm geküßt, ihn begrüßt und für die Dauer seines Ruhmes und Lebens gefleht hatte, fragte er sie nach ihrem Gatten, wie er ein Kind geboren, was für einen Streich sie ihm gespielt und wie sie ihn überkommen hätte. Eine Weile lang ließ sie ihr Haupt beschämt zu Boden sinken und vermochte ihm keine Antwort zu erteilen, so daß der Fürst der Gläubigen zu ihr sprach: »Du hast mein Versprechen der Sicherheit und noch einmal der Sicherheit, der Sicherheit eines Mannes, der sein Wort nicht bricht.« Da erhob sie ihr Haupt und rief: »Bei Gott, o König der Zeit, die Geschichte dieses Kadis ist seltsam und eins der Wunder der Welt. Es verhält sich aber mit ihr folgendermaßen: Mein Gatte ist von Natur so geizig und habgierig, daß er jede Frau, die er heiratet, darben läßt und ihr, wenn sie die Geduld verliert, die Nase abschneidet, worauf er sich von ihr scheidet und ihr alles Gut und, was sonst noch, fortnimmt. Diese Sache währte geraume Zeit; ebenso hatte er aber eine schwarze Sklavin und ein feines Tischtuch, und, wenn die Zeit des Mittagessens kam, rief er: »Sklavin, hol' das befranste Tischtuch;« worauf sie es brachte, versehen mit drei Zwiebacken und drei Zwiebeln, je einen Zwieback und eine Zwiebel für jeden Mund. Die Nachricht hiervon kam mir in Mossul zu Ohren, und ich begab mich deshalb nach Tripoli, wo ich ihm manch einen Streich spielte, unter denen sich auch das Beisâregericht befand, das ich mit einer übermäßigen Quantität von Zwiebeln, Knoblauch und solchen Spezereien gewürzt hatte, die Winde im Magen zusammenziehen und ihn wie eine Pauke ausdehnen und Blähungen verursachen. 143 Ich gab ihm dies zu essen, und, als nun geschah, was geschah, sprach ich zu ihm: »Du bist schwanger,« und spielte ihm einen Possen, indem ich ein neugebornes Kind ins Haus brachte. Als sich dann sein Leib entleeren wollte, stellte ich ein großes Metallbecken unter ihn und kneipte das Kleine, worauf ich es in das Gefäß legte und Namen über dasselbe sprach. Mit einem Male sagte er: »Hüte meinen kleinen Fremdling vor dem Zug und hole eine Amme.« Ich that demgemäß, er aber schämte sich über die Geburt und verließ am nächsten Morgen die Stadt, ohne daß wir wußten, was Gott mit ihm gethan hatte. Bei seinem Fortgang gab ich ihm aber die Worte auf den Weg, die der Dichter sang, als Umm Amrs Esel auf und davon ging:
Esel und Umm Amr gingen auf und davon,
Und Esel und Umm Amr kehrten nimmer wieder.«
Als der Chalife Hārûn er-Raschîd diese Worte vernahm, lachte er so laut, daß er auf den Rücken fiel, und forderte die Frau auf ihre Geschichte zu wiederholen, bis er vor Freude halb verrückt war, als mit einem Male ein Derwisch zu ihm hereintrat. Die Frau blickte nach ihrem Gatten und erkannte ihn, der Chalife erkannte seinen Kadi jedoch nicht wieder, so sehr hatten die Zeit und der Kummer sein Aussehen verändert. Sie gab dem Fürsten der Gläubigen indessen ein Zeichen, daß der Bettler ihr Mann war, und er rief, das Zeichen verstehend: »Willkommen, Derwisch, wo ist das Kind, das du zu Tripoli bekamst.« Der Unglückliche versetzte: »O König der Zeit, kommen Männer etwa nieder?« Da entgegnete der Fürst der Gläubigen: »Wir hörten, daß der Kadi ein Kind bekam, und du bist derselbe Kadi, wenn auch jetzt in der Tracht eines Fakirs. Wer aber ist die Frau, die du hier siehst?« Er antwortete: »Ich weiß es nicht.« Da aber rief die Frau: »Weshalb diese Verleugnung, o du, der du Gott so wenig fürchtest? Ich beschwöre dich beim Leben des Königs, in seiner Gegenwart alles, was dir widerfuhr, zu 144 erzählen.« So vermochte er es nicht länger abzustreiten und erzählte seine ganze Geschichte vor dem Chalifen, der laut über ihn lachte und bei jedem Abenteuer rief: »Gott erhalte dich und dein Kind, o Kadi!« Alsdann hob der Kadi an und sprach: »Vergebung, o König der Zeit, ich verdiene noch mehr als was mich betraf, denn meine Thaten waren ungerecht, o König der Zeit. Jetzt aber, wo wir zwei vor dir sind, geruhe in deiner hochherzigen Huld und deiner vollendeten Güte, mich mit meiner Frau wieder auszusöhnen, und von diesem Augenblick an bereue ich vor Gottes Angesicht und will nimmer wieder so filzig und habgierig sein als zuvor. Sie hat zu entscheiden, und, was sie mich auch thun heißt, ich will ihr in nichts widersprechen; du aber gewähre mir fernerhin deine Gnade und setze mich wieder in das Amt ein, das ich zuvor inne hatte.« Als der Fürst der Gläubigen die Worte des Kadis vernahm, wendete er sich zu dessen Frau und sprach zu ihr: »Du hast vernommen, was dein Gatte erklärt hat; werde ihm also, was du ihm zuvor warst, und du hast Befehl über alles, was dein Gatte nötig hat.« Sie versetzte: »O König der Zeit, wie du es weißt, ändern sich nimmer die Himmel und der Sohn Adams; denn des Menschen Natur ändert sich allein mit seiner Existenz und verläßt ihn nur, wenn ihn das Leben verläßt. Wenn er indessen die Wahrheit spricht, so soll er sich durch einen Schein urkundlich unter deiner persönlichen Einsichtnahme und mit deinem eigenen Siegel binden, so daß, wenn er seinen Eid bricht, die Sache dir überantwortet werden kann.« Der Chalife entgegnete: »Dein Wort ist wahr, daß die Natur des Sohnes Adams mit seiner Existenz verbunden ist.« Nun aber rief der Kadi: »O unser Herr Sultan, befiehl den Schein für mich zu schreiben, wie du es von ihrem Munde vernommen hast, und geruhe ihn unter uns beiden zu bezeugen.« Da glich der König ihren Zwist aus und setzte ihnen ein genügendes Einkommen fest, worauf er sie nach der Stadt Tripoli zurückschickte. Dies ist alles, was uns von dem Kadi, 145 der ein Kind bekam, überliefert ward; jedoch ist es nichts im Vergleich zur Geschichte der Bendschesser, denn ihre Geschichte ist wundersam, und ihre Abenteuer sind ergötzlich und absonderlich. Da fragte Schahriar: »Wie sind sie?« Und so erzählte Schehersad: