Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XXIII
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Die Geschichte des Bendschessers und seiner Frau.

»Im Anbeginn meiner Laufbahn besaß ich nichts weiter als einen Bullen. Die Armut verdrehte mir den Kopf, so daß ich beschloß, den Bullen zu verkaufen, und mich auf den Bazar begab. wo ich mich hinstellte und auf einen Käufer wartete, ohne daß einer bis zum Abend gekommen wäre. Da trieb ich den Bullen wieder fort und zog ihn, bis wir die Hälfte des Weges nach Hause erreicht hatten, als ich zu einem Baum gelangte, unter den ich mich setzte, um mich im kühlen Schatten auszuruhen. Da ich aber ein wenig 156 Bendsch und eine Kleinigkeit Brot bei mir hatte, holte ich die Sachen hervor und aß sie, worauf ich aus einer Quelle einen Schluck Wasser nahm. Mit einem Male begann der Bendsch in meinem Hirn zu arbeiten, und plötzlich hob ein Vogel, den die Leute Elster nennen, in der Spitze des Baumes an zu gackern. Da sagte ich zu ihr: »Du da, o Mutter Salomos, hast du Lust den Bullen zu kaufen?« Als sie von neuem gackerte, fuhr ich fort: »Ich will dir den Bullen für den Preis lassen, den du mir bietest.« Ein neues Gackern, und nun fragte ich: »Vielleicht hast du kein Geld bei dir?« Wiederum ein Gackern, worauf ich rief: »Sprich dein Gebot, und ich will den Bullen bis nächsten Freitag bei dir lassen, an dem du dann kommen und mir seinen Preis bezahlen kannst.« Sie gackerte weiter, ich aber, o König der Zeit, glaubte, wenn sie den Schnabel öffnete, sie spräche zu mir und wollte den Bullen haben. Alles dies aber kam von meinem Bendschrausch her, der in meinem Hirn arbeitete, so daß ich ihr Gackern mißverstand und glaubte, sie spräche zu mir. Schließlich ließ ich den Bullen bei ihr an den Baum gebunden und kehrte zu meiner Frau heim, die mich nach ihm fragte, worauf ich ihr erzählte, ich hätte ihn an die Mutter Salomos verkauft.« Da fragte sie mich: »Wo ist sie?« Ich versetzte: »Sie wohnt in jenem Baum;« und nun sagte sie: »Gott lohne es dir mit Gutem!« Ich geduldete mich bis zu dem festgesetzten Termin und begab mich dann wieder, nachdem ich etwas Bendsch verschluckt hatte, zu dem Baum, unter den ich mich setzte, als mit einem Male die Elster gackerte. Nun fragte ich sie: »Hast du das Geld gebracht?« Ein neues Gackern, worauf ich rief: »Komm und bring' mir das Geld.« Wie sie jedoch zum drittenmal gackerte, ward ich wütend und nahm ein Stück Ziegelstein, das ich nach ihr warf, worauf sie von dem Baum flog und sich nahebei auf eine Landmarke setzte. Da sprach ich bei mir: »Bei Gott, die Mutter Salomos heißt mich ihr folgen und den Preis für den Bullen aus jener Landmarke holen.« 157 Dann ging ich zu ihr hin und grub in ihr, bis ich mit einem Male auf eine Kruke voll Gold stieß, der ich zehn Aschrafī, den Wert des Bullen, entnahm, worauf ich sie wieder an ihren Platz stellte, indem ich sprach: »Gott lasse es dir wohlergehen, o Mutter Salomos!« Alsdann kehrte ich in mein Dorf zurück und sagte zu meiner Frau: »Fürwahr, die Mutter Salomos ist rechtschaffen! Schau, sie gab mir diese zehn Aschrafī als Preis für den Bullen.« Da fragte meine Frau: »Wer ist denn eigentlich die Mutter Salomos?« Und nun erzählte ich ihr alles, und besonders die Sache von der Kruke, die in der Landmarke vergraben war. Als sie meine Worte vernommen hatte, wartete sie bis Sonnenuntergang, worauf sie zur Landmarke ging und in ihr grub, bis sie die Kruke fand, die sie dann heimlich nach Hause brachte. Ich schöpfte jedoch Verdacht gegen sie und sagte zu ihr: »O Weib, hast du das Gut der Mutter Salomos genommen, die so rechtschaffen ist, nachdem wir von ihr den Preis für unsern Bullen von ihrem eigenen Geld empfangen haben? Bist du fortgegangen und hast ihr Eigentum an dich gebracht? Bei Gott, wenn du es nicht an seine Stelle zurückbringst, wie es war, so will ich dem Wâlī berichten, daß mein Weib einen Schatz gefunden hat.« Mit diesen Worten verließ ich sie, während sie sich erhob und etwas Teig zum Backen mit Fleisch fertig machte und zu einem Fischer schickte, dem sie befahl, ihr einige frischgefangene lebende Fische zu bringen. Sie nahm dann die Fische ins Haus und besprengte sie mit Süßwasser, und zuguterletzt legte sie gegen Anbruch der Nacht den Teig und das Fleisch vor das Haus. Als ich heimgekehrt war, aßen wir beide zur Nacht, doch war es mein fester Entschluß, den Fund meines Weibes dem Wâlī zu berichten. Nachdem wir bis Mitternacht geschlafen hatten, erwachte sie und sprach zu mir: »O Mann, ich habe einen Traum geträumt, und mein Traum war, daß der Himmel Trank und Speise geregnet hätte und die Fische in unser Haus gekommen wären.« In meiner Dummheit und meinem 158 Bendschrausch, der in meinem Kopf arbeitete, versetzte ich: »Laß uns aufstehen und nachschauen.« Und so durchsuchten wir das Innere des Hauses und fanden die Fische, und draußen stießen wir auf den Teig und das Fleisch, das wir infolgedessen aufhoben und brieten und uns bis zum Morgen schmecken ließen. Dann sagte ich zu ihr: »Geh' und bring' der Mutter Salomos das Geld an seinen Platz zurück.« Sie wollte es jedoch nicht, sondern schlug meine Worte rundweg ab; und als ich meine Worte noch einmal ohne Erfolg wiederholt hatte, verließ ich sie und schritt fürbaß, bis ich den Wâlī fand, zu dem ich sprach: »O mein Herr, meine Frau, Namens So und So, hat einen Schatz gefunden, und er befindet sich jetzt bei ihr.« Der Wâlī fragte mich: »Mann, hast du es gesehen?« Ich erwiderte: »Jawohl.« Da schickte er einen Trupp seiner Trabanten aus sie vor ihn zu führen, und, als sie vor ihm stand, fragte er sie: »Weib, wo ist der Schatz, den du fandest?« Sie versetzte: »O mein Herr, das ist ein grundloses Gerücht.« Da befahl der Wâlī sie ins Gefängnis zu führen, wo sie einen ganzen Tag verblieb, bis der Wâlī sie wieder vor sich bringen ließ und dieselben Worte an sie richtete, indem er hinzufügte: »Wenn du nicht den Schatz bringst, so laß ich dich hinrichten und deinen Leichnam in den Abtritt des Warmbades werfen.« Meine Frau versetzte jedoch: »O mein Herr, ich fand niemals etwas;« und, als er fortfuhr sie mit dem Tode zu bedrohen, rief sie: »O mein Herr, weshalb willst du mich in dieser Weise vergewaltigen und solche Sündenlast auf deinen Nacken laden? Ich fand nie einen Schatz, nie und nimmermehr!« Der Wâlī entgegnete: »Mein erstes und letztes Wort ist dies: Entweder bringst du mir den gefundenen Schatz oder ich lasse dich hinrichten und in den Abtritt werfen.« Da sagte sie: »O mein Herr, frag' meinen Mann, wo ich den Schatz fand und zu welcher Zeit, ob bei Tag oder Nacht;« und die Leute des Wâlī riefen: »Bei Gott, diese ihre Worte sind gerecht und wahr, und das kann nichts schaden.« Infolgedessen 159 ließ er mich vor sich kommen und fragte mich: »Mann, wann fand deine Frau den Schatz?« Ich versetzte: »O mein Herr, sie fand ihn in der Nacht, als die Himmel Speise und Trank und Fische regneten.« Wie nun der Wâlī meine Worte vernahm, sagte er zu mir: »O Mann, die Himmel pflegen nichts als Regenwasser zu vergießen; ein Mann mit gesunden Sinnen spricht nicht solche Worte.« Ich entgegnete: »Bei deines Hauptes Leben, o mein Herr, alle drei Sachen regneten vom Himmel.« Da riefen die Polizisten: »O mein Herr, fürwahr, dieser Mann ist verrückt und seiner Frau, die die volle Wahrheit spricht, ist von ihm unrecht geschehen. Der Kerl verdient ins Irrenhaus eingesperrt zu werden.« Und so befahl denn der Wâlī seinen Leuten die Frau loszulassen und mich festzunehmen und ins Irrenhaus zu sperren. Sie thaten nach seinem Geheiß, und ich brachte dort den ersten und zweiten Tag bis zum dritten zu, als meine Frau zu sich sprach: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Beim Herrn, ich muß gehen und meinen Mann aus dem Irrenhaus befreien und ihm ansagen niemals mehr von jenem Schatzfund zu sprechen.« Wie sie nun ins Irrenhaus kam, sagte sie zu mir: »Du da, wenn dich jemand fragt, was vom Himmel regnet, so sage: »Das Regenwasser.« Wenn sie dich dann fragen, ob je vom Himmel Speise und Trank und Fische regneten, so versetze: »Das ist völlig unmöglich, so etwas kann niemals stattfinden!« Wenn sie dich dann noch fragen sollten, wie viele Tage in der Woche sind, so antworte: »Sieben Tage, und heute ist der und der Tag!« Und zuguterletzt, gieb acht auf dich beim Sprechen.« Ich erwiderte: »Es ist gut, und jetzt mach' daß du fort kommst, und kauf' mir für einen halben Para Bendsch, denn während dieser Tage habe ich nichts davon zu kosten bekommen.« Da ging sie fort und kaufte mir etwas zu essen und ein wenig Haschisch, worauf sie zum Irrenhaus zurückkehrte und mir beides gab. Nachdem ich davon gegessen hatte, sagte ich zu ihr: »Auf, laß uns fortgehen.« Sie 160 sagte jedoch: »Und wenn wir zum Wâlī gehen, was wirst du dann sagen?« Da aber der Bendsch in meinem Hirn zu arbeiten begann, rief ich: »O Kupplerin, o meine hübsche junge Dame, du weißt sehr wohl, daß die Himmel Fleisch, Trank und Fische regneten. Warum sprachst du nicht die Wahrheit vor dem Wâlī?« Hierauf rief mir der Aufseher des Irrenhauses zu: »Kerl, das ist das Geschwätz Verrückter!« Ich entgegnete: »Bei Gott, ich aß von ihnen, nachdem wir sie gekocht hatten, und zweifellos fiel derselbe Regen in euerm Hause.« Da rief der Aufseher: »Ohne Zweifel ist der verrückt, der solches Zeug schwatzt.« Alles dies erzählte der Bendschesser dem Sultan, der ihn verwundert fragte: »Was veranlaßte dich zum Aufseher zu gehen und ihm solchen Unsinn zu erzählen?« Der Bendschesser fuhr jedoch fort und erzählte: »Ich steckte zwanzig Tage lang im Irrenhaus, bis ich schließlich, da ich keinen Bendsch zu essen hatte, wieder zu Verstand kam und bekannte, daß die Himmel nur Wasser regneten, daß die Woche sieben Tage hätte, und daß heute der und der Tag wäre; kurz, ich redete wie ein Mensch mit gesunden fünf Sinnen, worauf sie mich entließen, und ich meines Weges ging.«

Als der Kadi diese Geschichte vernommen hatte, rief er dem Sultan zu: »O König der Zeit, meine Geschichte ist wunderbarer als diese, die nur ein von einem Weibe gespielter Possen ist. Mein Name war ursprünglich Abū Kâsim der Trommler, und ich ward zum Kadi nach einem feinen Witz gemacht, den ich verübte, und, so du, o unser Herr Sultan, Verlangen hegst die Abenteuer zu hören, die ich erlebte, und den geschickten Streich, für den man mich zum Kadi machte, so geruhe Befehl zu erteilen, daß ich zu erzählen beginne.« Da sagte der Sultan: »Erzähl' uns, weshalb und wo man dich zum Kadi ernannte.« Und so hob der Kadi an und sprach: 161

 


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