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»Es lebte einmal ein Bendschesser, der jeden Tag für drei Para Hanf zu kaufen und ein Drittel davon des Morgens, das zweite Drittel zum Mittag und den Rest zum Abend zu essen pflegte. Er war von Beruf ein Fischer und regelmäßig, wenn die Morgendämmerung anbrach, nahm er Haken und Leine und ging an den Strom fischen; von dem Fang verkaufte er dann einen Teil und gab einen halben Para für Brot aus, das er mir dem Rest der Fische, den er sich briet, verzehrte. Ebenso versah er sich Tag für Tag mit einer Wachskerze und zündete sie in seiner Kammer an und saß vor ihr, indem er sich vergnügte und mit sich schwatzte, nachdem er eine tüchtige Dosis Bendsch zu sich genommen hatte. In dieser Weise trieb er es eine Weile, bis er einmal in einer schönen Frühlingsnacht, um die Mitte des Monats, als der Mond am hellsten schien, dasaß und also bei sich sprach: »Du da, mach' dich auf und vergnüg' deine Seele mit der Betrachtung der Welt, denn dies ist eine Zeit, wo dich niemand sehen kann, und die Winde sind still.« Mit diesen Worten machte er sich auf, um an den Fluß zu gehen. Als er jedoch aus der Thür seiner Kammer schritt und auf den Platz treten wollte, sah er ihn im Glanze der Mondstrahlen schimmern, und im Übermaße seines Bendschrausches sprach seine Phantasie zu ihm: »Bei Gott, fürwahr, der Strom fließt stark, und es muß eine Menge Fische in ihm geben. Kehre zu deiner Kammer zurück, hol' Haken und Leine und wirf sie in diese Gewässer; vielleicht beschert dir Gott der Herr einige Fische, denn die Leute sagen, daß der Fischer des Nachts den besten Fang thut.« Hierauf holte er sein Gerät 146 und warf den Haken, nachdem er einen Köder daran befestigt hatte, auf den mondbeglänzten Platz, indem er sich in den Schatten der Mauern stellte, im Glauben, er befände sich dort auf dem Stromufer. Alsdann zog er den Haken mit der Leine hin und her und blickte nach dem Wasser, als mit einem Male ein großer Hund den Köder witterte und, herzukommend, den Haken verschlang, daß er ihm im Schlund stecken blieb. Als das Tier den Stich des Hakens in seinem Schlund verspürte, heulte es vor Schmerz und erhob von Minute zu Minute größeren Lärm, indem es nach rechts und links sprang, so daß die Leine in der Hand des Mannes gezerrt ward, und er sie anzog; hierbei bohrte sich der Haken jedoch nur noch tiefer und der Hund heulte um so lauter, und der Bendschesser zog nach der einen und der Köter nach der andern Seite. Der Mann wagte es jedoch nicht dem Mondschein zu nahe zu kommen, da er ihn für den Strom hielt; vielmehr schürzte er sein Gewand bis zu seinen Hüften auf und sprach bei sich, als der Hund immer stärker anzog: »Bei Gott, dies muß ein gewaltig großer Fisch sein; ich glaube, es ist ein Raubfisch.« Dann packte er die Leine fest und zog sie an; der Hund war jedoch stärker und zog ihn bis zum Rand des Mondscheins, so daß der Fischer Angst bekam und zu rufen anhob: »Weh! Weh! Weh! Zu Hilfe, ihr Wackern! Steht mir bei, denn ein Ungeheuer der Tiefe will mich ersäufen! Bei Gott, eilt, meine wackern Gesellen, kommt schnell herbei zur Hilfe!« Zu jener Zeit aber genossen die Leute des Schlummers Süße, und, als sie dieses unzeitige Geschrei vernahmen, kamen sie von allen Seiten zu ihm herbeigeeilt und fragten ihn: »Was ist los? Warum schreist du so laut zu dieser Stunde? Was ist mit dir vorgefallen?« Er versetzte: »Rettet mich, oder ein Stromungeheuer reißt mich ins Wasser und ersäuft mich.« Als sie nun sahen, daß er bis zu den Hüften aufgeschürzt war, näherten sie sich ihm und fragten ihn: »Wo ist denn der Strom, von dem du sprichst?« Er erwiderte: »Dort ist er; seid ihr alle 147 blind?« Da merkten sie, daß er die Mondstrahlen meinte, in deren Schein die Erde glänzte, und sie für die Oberfläche eines Stromes hielt. Als sie ihm dies jedoch sagten, wollte er ihnen nicht glauben sondern rief: »Ihr wollt mich also auch ersäufen? Packt euch fort, unser Herr wird mir andre in dieser Stunde der Not zu Hilfe senden.« Sie versetzten: »O Wohlgeborener, dies ist Mondschein;« er entgegnete jedoch: »Packt euch, ihr gemeinen Gesellen, ihr Hunde!« Nun lachten sie ihn aus, und je zorniger er ward, desto mehr lachten sie über ihn, bis sie schließlich zu einander sprachen: »Laßt ihn zufrieden, wir wollen unsers Weges gehen.« Hierauf ließen sie ihn in seiner Lage, während er laut vor Angst schrie, da der Hund vor ihm in seinen Schmerzen, die der in seinem Schlund steckende Haken verursachte, raste, ohne daß er imstande gewesen wäre, sich von ihm zu befreien, und er selber sich fürchtete, dem Mondschein zu nahe zu kommen, indem er, wiewohl er auf festem Boden stand, immer noch glaubte, er sei nahe daran, in den Strom zu treten. Er hielt sich deshalb im Schatten der Mauer, den er für das Stromufer ansah, und in diesem Zustande verharrte er bis der Tag anbrach und es hell ward, und die Leute immer zahlreicher gingen und kamen, während er fortwährend aus Angst zu ertrinken schrie. Mit einem Male kam ein Kadi an ihm vorübergeritten, der ihn, als er ihn mit aufgeschürztem Gewand dastehen und den Hund am Haken hängen sah, fragte: »Was ist mit dir los, Mann?« Der Bendschesser versetzte: »O mein Herr, ich fürchte in diesem Strom zu ertrinken, in den mich ein Ungeheuer der Tiefe ziehen will.« Da schaute ihn der Kadi an, und, als er nun gewahrte, daß es ein Bendschesser war, stieg er von seinem Reittier ab und rief einem seiner Diener zu: »Packt jenen Hund und befreit ihn von dem Haken.« Dieser Kadi aber sprach ebenfalls dem Haschisch zu, weshalb er bei sich sprach: »Bei Gott, nimm diesen Gesellen zu dir und gieb ihm in deinem Hause zu essen und mach' dich lustig über ihn; wenn aber die Nacht 148 kommt, so iß mit ihm zusammen eine Portion jener Droge, und genieße ein jeder des andern Gesellschaft.« Und so nahm er ihn und führte ihn nach seiner Wohnung, wo er ihn in einem privaten Raum unterbrachte, bis die Nacht hereinbrach und er mit ihm zu Abend aß. Dann verschluckten sie eine tüchtige Dosis Bendsch und zündeten Kerzen an, bei deren Schein sie dasaßen und sich vergnügten. Mit einem Male aber wurden sie in ihrem Rausch wie verrückt, indem sie unverständiges und ungehöriges Zeug schwatzten, wobei unter anderm der Bendschesser zum Kadi sagte: »Bei Gott, jetzt bin ich so groß wie der König.« Der Kadi versetzte: »Und ich bin jetzt so groß wie der Pascha.« Da erwiderte der Bendschesser: »Ich bin größer wie du, denn wenn der König dem Pascha den Kopf abschlagen wollte, wer vermöchte ihn daran zu verhindern?« Der Kadi erwiderte: »Ja, in der That, nichts könnte ihn daran hindern; es ist jedoch der Könige Brauch den Gouverneuren einen Platz zu geben, an dem sie Befehl erteilen können.« Hierauf begannen sie über die Angelegenheiten der Regierung und des Sultanats zu streiten, während nach dem Ratschluß Gottes der Sultan jener Stadt gerade in jener Nacht mit seinem Wesir verkleidet ausgegangen war und die Stadt durchstreifte, bis er auch zu dem Hause gelangte, in dem der Kadi und der Bendschesser saßen. Sie hielten beide an der Thür an und hörten ihr Geschwätz von Anfang bis zu Ende, worauf sich der König zu seinem Wesir wendete und ihn fragte: »Was sollen wir mit diesen beiden Burschen anfangen?« Der Wesir versetzte: »Gedulde dich, o König der Zeit, bis sie mit ihrem Geschwätz fertig sind, dann magst du mit ihnen verfahren, wie sie es verdienen.« Der König antwortete: »Es ist wahr, in der That; indessen laß uns, anstatt hier zu stehen, zu ihnen hineingehen.« Die beiden Bendschbrüder hatten aber in jener Nacht vergessen die Thür zu verschließen, so daß die Besucher eintraten und ihnen den Salâm boten, worauf sie ihnen den Gruß erwiderten und sich vor ihnen erhoben, 149 indem sie sie zum Sitzen einluden. Nachdem sie sich gesetzt hatten, sprach der Sultan zum Bendschesser: »O Mann, fürchtest du nichts vom Sultan, du und dein Freund? Und seid ihr bis zu dieser Stunde auf?« Er versetzte: »Der Sultan geht selber oft zu solch ungehöriger Zeit aus, und, wie er ein König ist, so bin ich es auch; und jener Mann da ist mein Pascha; überdies, wenn der Sultan wähnt, uns zum Possen zu halten, so sind wir seinesgleichen und noch mehr.« Da wendete sich der Sultan zu seinem Wesir und bedeutete ihm durch Zeichen: »Ich will diesen beiden Burschen die Köpfe abhauen«; der Wesir gab ihm jedoch auf die gleiche Weise zu verstehen: »O König, sie müssen unbedingt eine Geschichte haben, denn kein Mensch mit gesunden fünf Sinnen würde so etwas geäußert haben. Geduld ist für uns der beste Rat.« Nun aber rief der Bendschesser dem Sultan zu: »Mann, jedesmal, wenn wir eine Silbe sprechen, machst du deinem Gefährten ein Zeichen; was willst du ihm mitteilen, das wir nicht verstehen sollen? Bei Gott, wenn du nicht in unserer Gegenwart respektvoll dasitzest, so wollen wir unserm Pascha Befehl erteilen, dir den Kopf abzuschlagen.« Bei diesen Worten des Bendschessers ward der Sultan nur um so wütender und wollte aufspringen und ihm den Kopf herunterlangen; der Wesir gab ihm jedoch von neuem ein Zeichen und flüsterte: »O König der Zeit, du und ich, wir sind in Verkleidung hier, und diese Leute halten uns für gewöhnliches Volk; sei deshalb barmherzig, wie Gott, der Erhabene, barmherzig ist und nicht des Sünders Bestrafung will. Außerdem sehe ich, daß die beiden Haschischesser sind, und diese Droge, wenn verschluckt, bewirkt, daß einer nach Belieben drauflos schwatzt, indem er sich bald für einen Sultan, bald für einen Wesir und bald für einen Kaufmann hält und glaubt die Welt in seiner hohlen Hand zu halten.« Da fragte der Sultan: »Und woraus besteht denn Haschisch?« Der Wesir versetzte: »Er besteht aus Hanfblättchen, zu denen man aromatische Wurzeln und etwas Zucker thut; und, wer 150 mehr, als er vertragen kann, davon ißt, der spricht ganz unvernünftiges Zeug. Wenn du seine verborgenen Eigentümlichkeiten kennen lernen willst, so wollen wir in kommender Nacht, so Gott will, etwas mit uns nehmen und es diesen beiden Leuten beibringen; wenn sie es essen, so kommt die Dosis noch zu ihrer gewöhnlichen Portion hinzu.« Hierauf verließ sie der Sultan und ging fort, während der Bendschesser zum Kadi sagte: »Bei Gott, heute Nacht haben wir uns vergnügt, und morgen Nacht wollen wir, so Gott will, noch lustiger sein.« Der Kadi versetzte: »Jawohl; jedoch fürchte ich, der Sultan könnte von unserm Thun und Treiben hören und uns einen Kopf kürzer machen.« Da entgegnete der Bendschesser: »Wer sollte den Sultan zu uns bringen? Er ist in seinem Palast, und wir sind in unserem Haus; und, gesetzt den Fall, daß er kommt, so will ich ihn mit der Erzählung eines Abenteuers, das ich erlebte, unterhalten.« Und nun sagte der Kadi: »Hab' keine Furcht vor dem Sultan, denn er geht des Nachts nicht allein aus sondern muß auf seinen Ausgängen von seinem Hofstaat begleitet sein.«
In der nächsten Nacht brachte der Kadi wieder den Haschisch und teilte ihn in zwei Hälften, von denen er die eine aß, während er die andre seinem Gefährten gab; und, nachdem beide nach dem Abendessen ihre Portion verschluckt hatten, zündeten sie die Wachskerzen an und saßen da sich zu vergnügen. Mit einem Male kamen der Sultan und der Wesir gerade, als ihr Vergnügen den Höhepunkt erreicht hatte, an, in andre Sachen als zuvor gekleidet, und brachten eine Quantität Bendsch und auch etwas Rosenwasserkonfekt mit. Sie gaben eine Portion von dem ersteren den beiden Schwärmern, die sie annahmen und aßen; sie selber verzehrten jedoch das Konfekt, während die andern glaubten, es sei Haschisch, gleich dem, den sie selber genossen hatten. Nach ihrer starken Dosis begannen sie ein Kunterbunt von Worten zu schwatzen und redeten unverständiges und ungehöriges Zeug, indem sie unter anderm auch riefen: »Bei Gott, der Sultan ist abgesetzt, und 151 wir wollen an seiner Statt herrschen und in seinem Reich Befehl erteilen.« Da fragten die andern: »Wenn uns aber der Sultan vor sich befiehlt, was willst du dann zu ihm sagen?« – »Bei Gott, ich will ihm eine Geschichte erzählen, die ich erlebte, und will mir von ihm zehn Para ausbitten, um mir dafür Bendsch kaufen zu können.« – »Verstehst du denn Geschichten zu erzählen?« – »Gewiß.« – »Wie aber willst du den Sultan absetzen und an seiner Statt regieren?« – »Ich will zu ihm sagen: Pack' dich! und dann wird er gehe.« – »Er wird dir den Kopf abschlagen lassen.« – »Nein, der Sultan ist barmherzig und bestraft mich nicht für Worte.« Mit diesen Worten erhob sich der Bendschesser und löste das Band seiner Hosen, worauf er an den Sultan herantrat und ihn bepinkeln wollte; der König lief jedoch vor ihm fort, während der Bendschesser, seine Hosen festhaltend, dem Sultan nachlief und ihn an der Thür einholte, wo er über die Schwelle fiel und seine eigenen Sachen zu bepinkeln begann. In gleicher Weise versuchte es der Kadi mit dem Wesir zu thun und lief ihm bis zur Thür nach, wo er über den Bendschesser fiel und sein Wasser über ihn ließ. Und so lagen beide da und bemachten sich gegenseitig, während der Sultan und der Wesir lachend neben ihnen standen und sprachen: »Bei Gott, zu viel Haschisch schadet dem Verstand.« Hierauf verließen sie den Bendschesser und den Kadi und gingen ihres Weges, zum Palast zurückkehrend; die beiden Trunkenbolde lagen jedoch in ihrem eigenen Wasser, bis der Tag anbrach; und, als nun der Rauch der Droge aus ihrem Hirn verflog, standen sie auf und fanden, daß sie tröpfelten und sich mit ihrem eigenen Schmutz besudelt hatten. Da sprachen sie zu einander: »Was ist das für ein Pech, das uns widerfahren ist?« Hierauf wuschen sie sich und ihre Sachen und setzten sich wieder zu einander, indem sie sprachen: »Niemand hat uns dies angethan, als die beiden Gesellen, die bei uns waren; und wer weiß, was sie sind, ob Bürger dieser Stadt oder Fremde; jedenfalls aber brachten sie das 152 berauschende Mittel, das wir aßen, und das in unserm Hirn Verrücktheit erzeugte. Fürwahr, sie verübten dieses Unheil; wenn sie jedoch zum drittenmal zu uns kommen, so müssen wir in sie drängen, und von ihnen zu erfahren suchen, ob sie Fremde sind oder Leute aus dieser Stadt; wir wollen sie zwingen, es uns zu sagen, und, wenn sie sich vor uns geheimhalten wollen, so werfen wir sie hinaus.«
In der nächsten Nacht trafen sie wieder zusammen und saßen da und nahmen nach dem Abendessen eine Quantität Haschisch zu sich; dann zündeten sie die Wachskerzen an, und jeder von ihnen trank eine Tasse Kaffee. Mit einem Male aber begannen ihre Köpfe unter dem Bendsch im Kreise zu wirbeln, und sie saßen schwatzend und sich vergnügend da, als die Trunkenheit zu ihnen sprach: »Auf und tanzet.« Da erhoben sie sich und tanzten, als mit einem Male der Sultan und sein Wesir bei ihnen eintraten, und ihnen den Salâm boten, worauf sie ihnen den Gruß erwiderten jedoch in ihrem Tanz fortfuhren. Die Ankömmlinge sahen ihnen zu, und der König wendete sich zum Wesir und fragte ihn: »Was sollen wir mit ihnen thun?« Der Wesir versetzte: »Gedulde dich, bis sie fertig sind, und sich etwas darbietet, woran wir uns halten.« Alsdann setzten sie sich und belustigten sich an dem Schauspiel, während die beiden weiter tanzten, bis sie müde geworden waren und gezwungen wurden sich niederzusetzen und auszuruhen. Plötzlich blickte der Bendschesser den Sultan an und fragte ihn: »Ihr da, woher seid ihr?« Der Sultan versetzte: »Wir sind Fremdlinge und besuchten diese Stadt nicht eher als in jener Nacht, in der wir euch trafen; als wir hörten, wie ihr euch belustigtet, kamen wir herein, um an eurer Fröhlichkeit teilzunehmen.« In dieser Weise fiel der Anschlag auf den Bendschesser zurück, und nun fragte der Sultan ihn und sprach: »Fürchtet ihr nicht, daß der Sultan von euch hört, wenn ihr euch in diesem Zustand befindet, und ihr so vor ihm in Schimpf und Schande geratet?« Der Bendschesser versetzte: »Der Sultan! Was kann der von uns 153 hören? Er sitzt in seinem Königspalast, und wir befinden uns in unserm Haus, wo wir Bendsch essen.« Der Sultan erwiderte: »Warum geht ihr nicht zu ihm? Vielleicht beschenkt er euch.« Der Bendschesser entgegnete jedoch: »Wir fürchten, seine Leute könnten uns forttreiben.« Der König versetzte: »Sie werden es nicht thun, und, wenn du es begehrst, so wollen wir dir einen Zettel an seine Adresse schreiben, denn wir kennen ihn seit langem, da wir beide in derselben Schule lesen lernten.« Da rief der Bendschesser: »Schreib' deinen Zettel«; worauf der Sultan ihn schrieb und siegelte und in ihre Hände legte. Hierauf gingen die beiden Besucher wieder fort, während der Bendschesser und der Kadi die Nacht über bei einander saßen, bis der Tag dämmerte. Als nun aber der Haschisch auch aus ihrem Hirn gewichen war und das Wetter schön und klar ward, sprachen sie zu einander: »Laßt uns zum Sultan gehen.« Und so machten sie sich auf und schritten fürbaß, bis sie auf den Platz vor dem Palast gelangten. Als sie hier eine Menge Volks antrafen, gingen sie zum Portal, wo der Bendschesser seinen Brief hervorzog und ihn einem aus dem Gefolge des Sultans überreichte, der ihn las und sich alsbald niederwarf, indem er das Schreiben auf sein Haupt legte. Dann führte er den Bendschesser und seinen Gefährten vor den Sultan, und der Sultan befahl, als er ihrer ansichtig ward, sie in einem abgelegenen Raum unterzubringen, wo sich niemand anders befand. Sein Befehl ward vollzogen, und um die Mittagszeit schickte er ihnen eine Platte mit Essen und Kaffee; und das gleiche geschah zum Abend. Sobald aber die Zeit des Abendessens kam, betete und recitierte der Sultan wie gewöhnlich Abschnitte aus der heiligen Schrift, bis zwei Stunden verstrichen waren, worauf er die beiden vorzuführen befahl; und, als sie nun vor ihm standen und ihn begrüßten und segneten, erwiderte er ihnen den Salâm und befahl ihnen sich zu setzen. Als sie dies gethan hatten, fragte der Sultan den Bendschesser: »Wo sind die Leute, die euch das 154 Schreiben gaben?« Der Bendschesser versetzte: »O König der Zeit, es waren zwei Leute, die zu uns kamen und sagten: »Weshalb geht ihr nicht zum König? Vielleicht beschenkt er euch.« Wir antworteten: »Wir kennen ihn nicht und fürchten, von seinen Leuten fortgetrieben zu werden.« Da sagte der eine von ihnen zu uns: »Ich will dir einen Zettel an seine Adresse schreiben, denn wir kennen ihn seit langem, da wir beide in derselben Schule lesen lernten. Hierauf schrieb er den Zettel und siegelte ihn und gab ihn uns; wie wir dann hierher kamen, fanden wir seine Worte wahr, und nun stehen wir vor dir.« Nun fragte der Sultan: »Habt ihr euch auch gegen die Fremden irgendwie unhöflich benommen?« Sie versetzten: »Nein, nur daß wir sie fragten, woher sie kämen, worauf sie uns erwiderten, sie wären Fremdlinge. Außer diesem fiel nichts Unziemliches vor; nicht das geringste.« Da fragte der König: »Wohin gingen sie?« Der Bendschesser antwortete: »Ich weiß es nicht.« Der Sultan sagte jedoch: »Du mußt sie mir unbedingt bringen, denn es ist lange her, daß ich sie sah.« Der Bendschesser versetzte: »O König der Zeit, wenn sie wieder zu uns kommen, so wollen wir sie festnehmen und vor dich führen, sei es auch mit Gewalt; kommen sie aber nicht, so steht uns kein Mittel zu Gebot.« Der König erwiderte: »Wenn du sie genau kennst, so können sie dir nicht entgehen, wenn du sie gewahrst.« Der Bendschesser antwortete: »Ja, gewiß.« Nun aber fragte der Sultan: »Was thatet ihr mit den beiden, die vor ihnen kamen und die ihr bepinkeln wolltet?« Als der Bendschesser diese Worte vernahm, ward seine Farbe gelb, und sein Zustand veränderte sich; seine Glieder zitterten, und er ahnte, daß die Person, die er beschimpft hatte, der Sultan war. Der König aber wendete sich zu ihm und fragte ihn, als er die Zeichen der Verstörtheit an ihm bemerkte: »Was geht in dir vor, Bendschesser? Was ist mit dir geschehen?« Da erhob sich der Bendschesser und rief, die Erde vor ihm küssend: »Gnade, o König der Zeit, vor dem ich gesündigt habe.« Der Sultan fragte: 155 »Woher weißt du dies?« Er erwiderte: »Weil niemand anders bei uns war und keine Nachricht von uns über die Thür hinausgeht; so mußt du einer der beiden gewesen sein, und du warst es selber, der das Schreiben aufsetzte, denn wir wissen wohl, daß Könige nicht in Schulen lernen. Du und dein Freund, ihr kamt verkleidet zu uns, um euch auf unsere Kosten lustig zu machen; verzeih' uns deshalb, o König der Zeit, denn Gnade ist eine Tugend der Edeln, und Gott, der Erhabene, spricht: »Wer verzeiht und wohlthut, dessen Lohn ist bei Gott,« und ebenso spricht er: »Und die, so ihren Zorn unterdrücken und den Menschen vergeben; denn Gott liebt die, so da Gutes thun.«3. Sure, V. 128. Bei diesen Worten lächelte der Sultan und sagte: »Dir soll nichts zuleide geschehen, Bendschesser; deine Entschuldigung ist angenommen und dein Vergehen verziehen; jedoch, du kluger Gesell, hast du keine Geschichte uns zu erzählen?« Er versetzte: »O König der Zeit, ich habe eine Geschichte, die mich und mein Weib betrifft, und die man mit Nadeln in die Augenwinkel schreiben sollte, damit sie eine Lehre wäre für alle, die sich belehren lassen. Ich bemühte mich gegen sie, sie aber überkam mich und tyrannisierte mich durch ihre List.« Da fragte der König: »Was ist's?« worauf der Bendschesser anhob und erzählte: