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»O König der Zeit, es lebte einmal zu Basra ein Kaufmann, der mit Eunuchen und Sklaven auf Handel auszog und seine Güter und Ballen von Basra nach Adschamland schaffte, um sie dort zu verkaufen und sich andre Waren dafür zum Verkauf in Syrien einzukaufen. In dieser Weise verbrachte er geraume Zeit, bis er eines Jahres wie üblich sein Gut verpackte und damit nach Persien zog. Zu jener Zeit aber war dort gerade eine Hungersnot, und, als er in einer der Städte Persiens angelangt war, wo früher die Kaufleute seine Waren zu kaufen pflegten, wollte bei dieser Gelegenheit keiner von ihnen zu ihm kommen. In dieser Lage wartete er geraume Zeit, bis schließlich ein Chwâdsche vor ihm erschien, ein Mann der große Reichtümer in Persien besaß, dessen Heim sich jedoch drei Tage von jenem Ort befand. Der Besucher nun sagte zu ihm: »O Bassorite, willst du mir dein ganzes Lager verkaufen?« Der andre versetzte: »Und ob; selbstredend will ich's.« Da öffnete der Käufer die Pforte des Angebots und bot so und so viel, worauf der Mann von Basra rief: »Gott wird öffnen.« Alsdann legte der Käufer noch etwas zu, jedoch versetzte der Verkäufer: »Gieb mir noch mehr.« Schließlich aber rief der Käufer: »Ich geb' dir nichts mehr;« worauf der Verkäufer das Angebot annahm und sprach: »Mag Gott uns Gewinn gewähren!« Der persische Chwâdsche nahm nun alle Waren vom Verkäufer, und am nächsten Tage kamen die beiden wieder zusammen, um den Geldpunkt zu erledigen. Ich aber, o König der Zeit, wohnte damals gerade in jener Stadt. Der Verkäufer erhielt vom Käufer alles ausbezahlt, daß nichts übrigblieb; hernach aber sagte der Mann von Basra zu seinem Kunden: »Du schuldest mir noch das »Nichts«, das du mir ebenfalls bezahlen mußt.« Der andre versetzte spottend: »Das Nichts ist nichts, nicht Etwas;« der Bassorite entgegnete jedoch: »Her mit dem Nichts!« Hierauf erhob sich zwischen ihnen ein heftiges 162 Gezänk, so daß die Sache vor den König gebracht und Bezahlung im Diwan verlangt wurde, da der Bassorite von dem Käufer immer noch sein »Nichts« verlangte. Da fragte der Sultan: »Und was ist denn das Nichts?« Der Bassorite versetzte: »Ich weiß es nicht, o König der Zeit.« Und der Sultan verwunderte sich hierüber. Nun aber kam mir diese Sache ebenfalls zu Ohren, und ich begab mich in den Diwan, der von Leuten wimmelte, die alle sprachen: »Wie wäre es, wenn dieses Nichts ein Betrug oder ein Abweichen vom Kontrakt wäre?« Da rief der Sultan: »Wer diese Sache ins reine bringt, dem will ich gnädig sein.« Infolgedessen trat ich vor, o König der Zeit, indem ich an eine List dachte, und sprach zu ihm, die Erde vor ihm küssend: »Ich will diese Sache abschließen,« worauf der Sultan versetzte: »Wenn du sie entscheidest und ins reine bringst, so will ich dir ein Geschenk machen, wenn aber nicht, so haue ich dir den Kopf ab.« Ich versetzte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann befahl ich den Leuten ein großes Becken zu bringen, das einen Schlauch voll Wasser halten konnte, und hieß sie es füllen; dann rief ich den Bassoriten und sprach zu ihm: »Tritt näher.« Alles dies aber geschah, während der König zuschaute und seine Blicke fest auf uns gerichtet hielt. Als nun der Kläger näher getreten war, sprach ich zu ihm: »Schließ' deine Hand.« Er that es, und nun befahl ich es ihm noch einmal und ermahnte ihn, die Faust fest geschlossen zu halten. Er gehorchte, und ich fuhr fort: »Steck' deine Faust ins Becken.« Als er sie hineingetaucht hatte, fragte ich: »Ist deine Hand im Wasser und deine Faust fest geschlossen?« Er erwiderte: »Ja.« Da sagte ich: »Zieh' sie herauf.« Er that es, und nun rief ich: »Öffne deine Hand.« Als er sie geöffnet hatte, fragte ich ihn: »Was hast du darin gefunden?« Er versetzte: »Nichts.« Da rief ich ihm zu: »So nimm dein Nichts und zieh' deines Weges.« Hierauf fragte der Sultan den Bassoriten: »Hast du dein Nichts genommen, Mann?« Er bejahte es, und so befahl ihm der König seines 163 Weges zu gehen. Alsdann machte mir der Sultan kostbare Geschenke und ernannte mich zum Kadi; und von daher, o König der Zeit, stammt der Titel eines Mannes, der zuerst Abū Kâsim der Trommler war.«
Da sagte der Sultan: »Erzähl' uns ein Abenteuer, das du selber erlebtest.« Infolgedessen hob der Kadi an und erzählte: