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Tausend und eine Nacht. Band IX
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Der gerechte König Anūschirwân.

Ferner erzählt man, daß sich der gerechte König Anūschirwân eines Tages krank stellte und seine Aufseher und Beamten aussendete und ihnen befahl, durch die Provinzen seines Königreiches und die Distrikte seines Landes zu ziehen und einen alten Ziegelstein von einem zerfallenen Dorf für ihn zu verlangen, damit er ihn als Medizin gebrauchen könnte; seiner Umgebung aber teilte er mit, die Ärzte hätten ihm dies verordnet. Da durchzogen sie die Provinzen seines Königreiches und sein ganzes Herrschaftsgebiet und kehrten wieder zu ihm zurück und sprachen: »Wir fanden im ganzen Königreich keinen zerfallenen Ort und keinen alten Ziegel.« Erfreut hierüber, dankte Anūschirwân Gott und sprach: »Ich wollte nur mein Land prüfen und mein Reich auf die Probe stellen, um zu erfahren, ob in ihm noch irgend eine Stätte wüst liegt, daß ich sie aufbauen könnte; doch da jeder Ort in ihm bewohnt ist, so ist der Zustand meines Reiches vollkommen, alle Verhältnisse sind in bester Ordnung, und seine Kultur hat den höchsten Grad erreicht.

Vierhundertundfünfundsechzigste Nacht.

Darum wisse, o König, daß jene alten Könige sich nur deshalb ihres Landes Kultur so eifrig angelegen sein ließen, weil sie wußten, daß je bevölkerter ein Land ist desto reichlicher auch alles, was von den Menschen begehrt wird, in ihm vorhanden ist. Auch kannten sie die untrügliche Wahrheit des Ausspruches der Weisen und Gelehrten, der da lautet: Religion hängt vom König ab, der König von den Truppen, die Truppen vom Geld, das Geld von der Kultur des Landes und die Kultur von der gerechten Behandlung der Unterthanen. Deshalb behandelten sie keinen mit Härte und Tyrannei und ließen keinen ihrer Diener Unrecht thun, da sie wußten, daß keine Herrschaft durch Tyrannei besteht, und daß die Städte und Plätze dem Ruin entgegen gehen, 14 sobald man Tyrannen über sie setzt, und daß ihre Bewohner sie verlassen und zu andern Ländern flüchten, wodurch das Reich abnimmt, die Einnahmen geringer werden, die Schatzkammern sich leeren und das ruhige Leben der Unterthanen getrübt wird, da dieselben keinen Tyrannen lieben und unablässig gegen ihn ihre Gebete erheben, so daß der König an seinem Reiche keinen Segen findet und vom Schicksal jäh ins Verderben gestürzt wird.

 


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