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Tausend und eine Nacht. Band IX
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Der Engel des Todes und der König der Kinder Israel.

Ferner erzählt man, daß eines Tages ein gewaltiger König der Kinder Israel auf dem Thron seines Königreiches saß und plötzlich einen Mann von widerwärtiger Gestalt und entsetzenerregendem Aussehn durch das Thor des Palastes eintreten sah. Von Grausen erfüllt über sein unversehenes Erscheinen und vor seinem Aussehen erbebend, sprang er vor ihm auf und rief: »Wer bist du, Mann, und wer hat dir 10 erlaubt bei mir einzutreten und dich geheißen in meinen Palast zu kommen?« Der Mann erwiderte: »Geheißen hat es mich der Herr des Hauses, und kein Thürhüter kann es mir wehren; auch bedarf ich keiner Erlaubnis, um bei Königen Eintritt zu erhalten, und schere mich um keines Sultans Macht und keine Trabantenmenge. Ich bin der, vor dem kein Tyrann sicher ist, und aus dessen Hand niemand zu entrinnen vermag; ich bin der Zerstörer der Freuden und der Trenner der Vereinigungen.« Als der König diese Worte vernahm, stürzte er auf sein Angesicht, kalter Schauder rieselte über seinen Leib, und Ohnmacht umnachtete ihn. Wie er nun wieder zu sich kam, fragte er: »Du bist der Engel des Todes?« Er versetzte: »Jawohl.« Da sagte der König: »Ich beschwöre dich bei Gott, gewähre mir nur eines Tages Frist, daß ich für meine Sünden Verzeihung erflehe und meinen Herrn um Gnade bitte, und daß ich das Gut in meinen Schatzkammern seinen Eigentümern wiedergebe, damit ich nicht an der Drangsal der Abrechnung und dem Weh der Strafe zu tragen habe.« Der Engel des Todes erwiderte jedoch: »Weit gefehlt! Weit gefehlt! der Weg hierzu ist dir verschlossen.

Vierhundertundvierundsechzigste Nacht.

Wie kann ich dir eine Frist gewähren, wo die Tage deines Lebens gezählt, deine Atemzüge berechnet und deine Stunden festgesetzt und aufgeschrieben sind?« Da bat der König noch einmal: »Gewähre mir nur noch eine Stunde;« aber der Engel des Todes erwiderte: »Siehe, die Stunde stand in der Rechnung und ist schon verstrichen, ohne daß du es beachtetest; sie verging, während du sorglos warst, und nun sind deine Atemzüge vollendet, und nur noch ein einziger ist dir verblieben.« Da fragte der König: »Wer wird bei mir sein, wenn ich in meine Grube getragen werde?« Der Engel erwiderte: »Niemand wird bei dir sein außer deinen Werken.« Da sagte der König: »Ich habe keine Werke;« und der Engel 11 versetzte: »So wird deine Ruhestätte zweifellos das höllische Feuer sein und dein Heim der Zorn des Allgewaltigen.« Hierauf nahm der Engel seine Seele, und der König sank von seinem Thron und stürzte tot zu Boden. Da erhob sich wildes Getümmel in seinem Palast, und laute Klage und Geschrei und Weinen erscholl; hätten sie aber gewußt, was ihm der Zorn seines Herrn verhängt hatte, so hätten sie noch bitterlicher geweint und noch lauter und mehr gejammert.

 


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