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Aus den Briefen des Aristainetos

 

1. Der neue Paris

Als ich gestern abend singend durch ein enges Gäßchen bummelte, nahten sich mir lächelnd mit Liebe verheißenden Blicken zwei schöne Mädchen – wären es nicht bloß zwei gewesen, so hätte ich sie für die Grazien gehalten. Sie führten in ungeschminkter Ehrlichkeit einen Liebeswettstreit untereinander auf und fragten mich folgendermaßen aus: »Deine schönen Lieder haben das grimme Geschoß des Liebesgottes in unsern Herzen haften lassen. Sage uns also bei deiner schönen Kunst, die unsere Herzen entzückt hat wie unsere Ohren: wem zu Ehren singst du? denn jede von uns beiden behauptet, daß du sie liebst und unser eifersüchtiger Streit ist schon so weit gediehen, daß wir uns öfters deinetwegen in die Haare gekommen sind.« »Beide seid ihr gleich schön«, antwortete ich, »nur liebe ich keine von euch. Geht also, liebe Kinder, besänftigt euren Groll und streitet euch nicht länger. Ich liebe eine andere und eile zu ihr.« »Hier in der Nähe«, sagten sie, »wohnt kein schönes Mädchen und da willst du behaupten, du liebtest eine andere! Du lügst offenkundig! Schwöre, daß du keine von uns begehrst!« Da mußte ich lachen und rief aus: »So wollt ihr mir denn gegen meinen Willen einen Eid abzwingen?« »Mit Mühe und Not«, sagten sie, »ist es uns gelungen, eine Gelegenheit zu finden, um auf die Straße herunter zu kommen. Und nun stehst du müßig da und verlachst uns! Aber du sollst uns nicht entrinnen und uns um unsere großen Hoffnungen betrügen!« Mit diesen Worten zogen sie mich in ihre Arme, ich aber ließ mir diese süße Nötigung gern gefallen. – Bis hierher klingt die Geschichte ganz gut und kann von jedermann angehört werden. Den Schluß jedoch kann ich nur andeutungsweise erzählen. Ich habe keine von ihnen beleidigt, indem ich ein improvisiertes Liebeslager fand, das jedoch den Anforderungen des Augenblicks genügte.

 

2. Weiberlist

In der Vorstadt feierte man ein Götterfest und überall gab es Gastmähler. So hatte denn auch Charidemos seine Freunde bestimmt dorthin zu einem Schmaus zu gehn. Mit den Gästen kam so auch ein Weib – auf ihren Namen kommt nichts an –, das Charidemos selbst – du kennst ja seine verliebte Art – sich geangelt hatte. Sie war auf dem Markt vor ihm hergegangen, und er hatte sie sofort angesprochen und überredet an dem Gelage teilzunehmen. Wie nun alle Gäste beieinander waren, kommt auch der Goldmensch von Gastgeber und bringt einen Alten mit sich, der auch mit uns eingeladen war. Wie jenes Weib nun diesen von ferne kommen sieht, entwischt sie schneller als man sich denken kann in ein Nebengemach. Dorthin läßt sie dann den Charidemos rufen und sagt ihm: »Da hast du in deiner Ahnungslosigkeit mir etwas Schönes angerichtet. Jener Alte ist mein Mann und hat sicher auch meinen Mantel, den ich drinnen abgelegt und jetzt liegengelassen habe, sofort erkannt. Nun ist er natürlich voller Argwohn. Wenn du mir aber den Mantel heimlich zuschickst und einige Reste von der Mahlzeit beilegst, so will ich ihn dennoch an der Nase herumführen. Ich werde seine Gedanken, die jetzt in höchster Aufregung über mich sind, schon irreleiten.« Als sie die Dinge erhalten hatte, eilte sie nach Hause zurück und kam auf irgendeinem Wege in rascher Flucht ihrem Mann zuvor. Dann ließ sie eine Freundin aus der Nachbarschaft kommen, und die beiden verabredeten nun, wie sie den Alten foppen wollten. Der kam denn auch sofort und stürmte mit Wutgebrüll ins Gemach. Er beschuldigte sie laut schreiend der Buhlerei und rief: »du sollst mein Ehebett nicht länger frech schänden!« Auf Grund des Mantels, den er gesehen hatte, hielt er sie des Ehebruchs für überführt und suchte schon in seiner Raserei nach einem Schwert. Da erschien gerade zur rechten Zeit die Nachbarin. »Hier, Liebste«, sprach sie, »hast du dein Gewand zurück. Ich habe mein Gelübde dargebracht und es handelte sich, bei den Göttern, um etwas sehr Ernsthaftes. Ich bin dir von Herzen dankbar; so nimm denn auch etwas von den Speisen, die man uns vorsetzte.« Bei diesen Worten kam der jähzornige Alte zur Besinnung und seine Leidenschaft legte sich. Sein Argwohn verging, und statt voll Zorns war er nun einmal voller Milde. Ja er entschuldigte sich sogar bei seiner Gattin. »Verzeihe mir, Frau,« sprach er, »ich war von Sinnen, wie ich gestehen muß. Aber durch deine Keuschheit bewogen hat irgendeine gütige Gottheit uns freundlich diese hier zugesandt, die durch ihr Dazwischentreten uns beide gerettet hat.«


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