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Kallimachos

 

Das Streitgespräch zwischen dem Lorbeer und dem Ölbaum

Vernimm die Fabel nun auch von dem Wettstreit,
der, wie die Lyder sagen, einst am Berghang
des Tmolos zwischen Lorbeerbaum und Ölbaum
entbrannte.
Hochgewachsen war der Lorbeer
und schüttelte die Äste stolz im Luftraum,
dieweil die dünnen Zweige leis der Ölbaum
im Winde wiegte mit den schmalen Blättlein,
die unten hell sind wie der Leib der Blindschleiche,
doch oben bräunlich von der Sonne Glutstrahlen.
Also begann der Lorbeer da voll Hochmut:

»Wo ist das Haus, vor dessen Tür ich nicht stände?
Kein Priester ist, kein Beter, der mich nicht trüge.
Umrahmt von Lorbeer ist der Pythia Hochsitz,
sie ruht auf Lorbeern und sie singt von Lorbeeren.
Du dummer Ölbaum, brachte nicht dereinst Branchos Liebling des Apoll, der ihm die Sehergabe verlieh.
den Kindern Joniens, denen Phoibos schwer grollte,
die Rettung so, daß er mit meines Baums Zweigen
sie dreimal schlug und einen dunkeln Spruch sagte?
Zum Festschmaus zieh ich mit und auch zum Tanzplatz;
aus mir ja flicht in Delphi man die Festkränze.
Und wenn die hohe Zeit der Feier anbricht,
dann schneiden in des Tempetales Hochwäldern
die Dorer mich und bringen mich nach Delphi.
Du dummer Ölbaum, mir bleibt jedes Leid fern,
kein Schmerzgebeugter wählt zum Schmuck des Haupts mich
– denn ich bin rein –, mir drohen keine Fußtritte
– denn ich bin heilig –, du, du dienst zum Grabschmucke,
wenn zur Verbrennung oder auch zur Beisetzung
sie einem Toten seinen letzten Weg führen
und, wie's der Brauch will, deine Blätter hinstreuen.«
So sprach er prahlend. Doch gelassen abwehrend
sprach dann der Baum, dem wir das schöne Öl danken:
»Von meinen Gaben denkst du sehr geringschätzig,
doch wie der Schwan sangst du zum Schluß dein Grablied.
Nun höre meine Worte, wie ich dich hörte.
Jawohl, ich darf die Helden, die der Gott fällte,
zur Ruh geleiten, darf den tapfern Heerführern
im Tod noch unterm Haupte ruhn. Auch wo Kinder
die teure greise Amme klagend beisetzen
oder einen alten Ahnen wie Tithonos Gatte der Eos, die für ihn von Zeus Unsterblichkeit erbat, aber vergaß, ihm auch ewige Jugend zu erflehen, so daß er im hohen Alter dahinwelkte.,
bin ich dabei und diene gern als Wegstreu,
und höher schätzen mich als dich die Festgäste
vom Tempetal und alle, die du sonst nanntest.
Und bin ich nicht vornehmer auch bei Festspielen?
Gilt nicht der Ölzweig in Olympias Rennbahn
mehr als der Kranz in Delphi? Aber Gold ist
das Schweigen, und so red' ich keinen Ton mehr,
nichts Gutes und nichts Schlimmes. – Doch, wahrhaftig!
in meinen Zweigen hör ich Vögel laut zwitschern,
die längst auf dich mit solchen Worten losspotten:
»Wer schuf den Lorbeerbaum denn? Nun, der Erdgrund,
der Fichten, Eichen, Binsen und den Wald zeugte.
Wer schuf den Ölbaum? Pallas, unsre Stadtgöttin,
die einst mit ihm den Freund der Algen ausstach
im Kampf um Attika, das ihr der Erdgott,
der schlangenfüßige, dann als Kampfpreis zusprach Erichthonios, der sagenhafte schlangenfüßige Urkönig von Attika..
– Damals zum ersten unterlag der Lorbeer.
Wer ehrt den Lorbeer und wer ehrt den Ölbaum?
Apoll den Lorbeer, Pallas, die ihn selbst schuf,
den Ölbaum, so hat jeder seinen Schutzgott,
und Götter einzuschätzen ist mein Amt nicht.
Doch wozu, sage, ist der Lorbeer nutzbringend?
Zum Essen nicht noch Trinken noch zum Einsalben.
Wie schmeckt Olive in Öl, nimmst du 'nen Mund voll,
indem die Frucht du in ihr eigenes Öl tauchst!
Auch Theseus, heißt es, knapperte einst am Fruchtbüschel Anspielung auf eine uns unbekannte Sage..
– Damals zum zweiten unterlag der Lorbeer.«
»Ei, was die Vögel doch für wirres Zeug zwitschern,
du willst dir, Krähe, wohl den Schnabel wund schwätzen?«
rief wild der Lorbeer. Doch die Krähe antwortet:
»Kennst du in Delos nicht den heiligen Baumstumpf,
für den die Delier eine eigene Wacht schufen?
Er stammt vom Ölbaum, der der Leto Sitz wurde,
als den Apollo sie gebar, der laut jauchzend
sofort dann um des Baumes heiligen Stamm spielte.
– Damals zum dritten unterlag der Lorbeer,
und so auch später. Heil dir, Sieger Ölbaum!
Mit deinem Laube schmücken sich die Bittflehenden,
die Königsboten und der Priester Heerscharen,
dieweil der Lorbeer nutzlos nur ins Kraut schießt.
– In allem, mein' ich, unterliegt der Lorbeer.«

Als dies der Lorbeer hörte, fuhr er wild auf
und wollte weiter grimmig sich zur Wehr setzen.
Da mischte plötzlich auch der niedere Dornstrauch,
der nah den stolzen Bäumen tief im Staub kroch,
sich ein und sprach: »Ihr Lieben, o versöhnt euch,
damit wir Bäume nicht zum Kinderspott werden,
wenn wir uns nichts als Schimpf und Schande nachsagen
und aller Zucht und Scham so ganz beraubt scheinen.«
Der Lorbeer schrie: »Schamlos du selbst! Du wagst, dich
uns gleich zu stellen? Daß du neben mir wächst,
bringt schier mich um!« »Bei Phoibos und Demeter,«
sprach drauf der Dornbusch, »laß mich, wenn es sein kann,
am Leben: [Nimmer werd ich deinen Hochmut
mit einem einzigen Worte nur herausfordern.«

Doch übel krächzend schwang jetzt in die Luft sich
die Krähe samt der andern Vögel Heerbann.
Sie kreisten spottend alle um den Lorbeer,
verhöhnten ihn ob seiner großen Torheit.
Dann aber setzten sie sich fröhlich zwitschernd
mit Jubelrufen in des Ölbaums Zweigwerk
und priesen ihn als Sieger in dem Wettstreit.


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