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Appian

 

23. Seleukos und Antiochos

Antiochos, des Königs Seleukos Sohn, verfiel in Liebe zu Stratonike, seiner Stiefmutter, des Seleukos Gattin, die diesem auch bereits einen Sohn geboren hatte. Da er sich aber des Frevelhaften dieser Leidenschaft bewußt war, tat er keinen Schritt zu ihrer Befriedigung und erklärte sich nicht, sondern lag krank danieder und siechte willig dem Tode entgegen. Auch der hochberühmte Arzt Erasistratos, der gegen sehr hohen Lohn des Seleukos Leibarzt war, konnte die Krankheit zunächst nicht bestimmen. Als er aber festgestellt hatte, daß keine körperliche Störung vorliege, vermutete er ein seelisches Leiden. Denn der Körper empfinde es mit, wenn die Seele krank oder gesund sei. Weiter wußte er, daß man Betrübnis, Zorn und ähnliche Affekte wohl eingesteht, daß aber ein vornehm empfindender Mensch eine Liebesleidenschaft verbirgt. Da nun Antiochos auf alle seine Fragen schwieg, versuchte er insgeheim hinter die Sache zu kommen. Er setzte sich an das Krankenlager und beobachtete, wie die verschiedenen Besuche auf das körperliche Befinden des Kranken einwirkten. Er fand nun, daß bei allen andern Besuchen der Körper stetig, wie schon in der Auflösung begriffen, weiter zu verfallen schien, wenn aber Stratonike kam, um nach Antiochos zu sehen, dann war dieser zwar seelisch infolge der Scham und des Schuldbewußtseins aufs höchste erregt und hüllte sich in Schweigen, sein Körper aber blühte wie in neuer Lebenskraft wieder auf. Ging jedoch Stratonike fort, so versank er wieder in die alte Schwäche.

Da ging er zu Seleukos und sagte ihm: »Dein Sohn ist unheilbar krank!« Wie nun der König vor Schmerz laut aufschrie, fuhr er fort: »Das Leiden ist Liebe, Liebe zu einer Frau und aussichtslose Liebe.« Da wunderte sich Seleukos, wie das denkbar sei, daß er, der König von Asien, nicht eine Frau durch Bitten, Gold und andere Geschenke sollte bestimmen können, diesen seinen herrlichen Sohn zu heiraten. Die ganze Herrschaft gehe ja doch einst auf den über, der jetzt so schwer darnieder liege, ja sie solle zum Dank für seine Errettung ihm sogleich überlassen werden, wenn das gefordert würde. In dieser Zuversicht verlangte er nur noch den Namen dieser merkwürdigen Frau zu wissen. Da sprach Erasistratos: »Er liebt mein Eheweib.« »Und du,« sagte Seleukos, »der in solchem Maße Gunst und Freundschaft von mir genießt, ein Mann, der an Kunst und Weisheit kaum seinesgleichen hat, du willst mir den jungen königlichen Helden nicht retten? Ihn, den Sohn deines Freundes und deines Königs, ihn, der noch in seinem Unglück die vornehme Gesinnung bewahrt und das Leiden nicht enthüllt, sondern sich lieber selbst den Tod wählt? So wenig liegt dir an Antiochos, so wenig auch an mir selbst, dem Seleukos!« Der Arzt sagte zu seiner Verteidigung das scheinbar unwiderlegliche Wort: »Auch du, der du doch sein Vater bist, würdest dem Antiochos nicht deine Gemahlin abtreten, wenn er diese liebte.« Da aber schwur Seleukos bei allen Göttern, die seine Herrschaft stützten, daß er das von freien Stücken und gern tun würde. »So könnte ich ein schönes Beispiel von väterlichem Wohlwollen meinem Sohn gegenüber geben, der züchtig seine Leidenschaft beherrscht und sein trauriges Los nicht verdient.« Er führte noch viele ähnliche Reden und war gewissermaßen aufgebracht darüber, daß er nicht selbst der Arzt des Unglücklichen werden könne, sondern dazu des Erasistratos bedürfe. Als nun dieser aus der Erregung des Königs sah, daß es ihm ernst sei und nicht bloß Schauspielerei, da enthüllte er ihm des Sohnes wahre Leidenschaft und erzählte ihm auch, wie er dahinter gekommen sei. Seleukos aber war hocherfreut. Jedoch kostete es ihm viele Mühe, seinen Sohn zu seinem Vorhaben zu überreden und ebensoviele Mühe bei seiner Frau.

Als er sie aber überredet hatte, berief er das Heer zusammen, das schon eine Ahnung hatte von dem, was vorging. Vor diesem zählte er alle seine Taten auf und wie er sich ein größeres Reich geschaffen habe, als alle andern Diadochen. Deshalb falle ihm auch bei seinem Alter die Größe der Herrschaft bereits lästig. »Und darum,« fuhr er fort, »will ich das große Reich teilen, damit ihr alle für die Zukunft unbesorgt sein könnt, und will einen Teil schon jetzt meinen liebsten Freunden geben. Ihr alle aber, die ihr erst durch Alexander und dann durch mich zu solcher Macht und solchem Ansehn erhoben seid, müßt mich dabei in allem unterstützen. Meine liebsten Freunde nun und am meisten der Herrschaft würdig sind unter meinen Kindern mein bereits erwachsener Sohn und dann meine Frau. Sie sind noch jung und werden wohl bald selbst Kinder bekommen, die weitere Stützen für eure Vormachtstellung wären. So verbinde ich sie denn miteinander in eurem Interesse und schicke sie als König und Königin zu den Völkern im Norden meines Reichs. Und es ist kein Gesetz der Perser oder sonstiger Barbarenvölker, das ich euch jetzt verkünde, sondern ein allgemein gültiges: was der König gebietet, ist immer gerecht.« So sprach er. Das Heer aber begrüßte ihn mit jubelnden Zurufen als den größten aller Könige nach Alexander und den besten aller Väter.

Nachdem dann Seleukos der Stratonike und seinem Sohn die gleichen Weisungen erteilt hatte, schloß er ihre Ehe und schickte sie in ihr Königreich. Und damit hat er eine Tat vollbracht, die gewaltiger ist und rühmenswerter als alle seine Kriegstaten.


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